Neid - auf 'gesunde' Menschen

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Marzipanschnute
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Neid - auf "gesunde" Menschen

Beitrag Do., 18.01.2018, 14:02

Hallo ihr Lieben,

ich beschäftige mich gerade vermehrt mit einem Thema von dem ich dachte, dass es vielleicht auch den ein oder anderen hier betreffen/ interessieren könnte.

Es geht um Neid auf gesunde Menschen, die es im Leben irgendwie leichter haben.

Ich beschreibe mal konkret meine Situation:
Ich habe schon seit dem Kindergarten eine beste Freundin, also jetzt über 20 Jahre. Sie war also mein ganzes Leben an meiner Seite, mal mehr, mal weniger präsent aber immer da.
Wir kommen aus sehr unterschiedlichen Welten. Ihr Elternhaus ist intakt, ihre Eltern haben beide einen gut bezahlten Beruf, sind also finanziell auch nicht schlecht gestellt, waren beide ihre ganze Kindheit und Jugend für sie greifbar. Sie ist in ein und demselben Haus aufgewachsen bzw. wohnen sie dort seit ihrer Grundschulzeit. Sie hatte immer viele Freunde, konnte zum Tanzunterricht gehen, ein Instrument lernen usw. Hatte erstklassige Noten, konnte dann nach der Schule ihr Wunschstudium aufnehmen. Während des Studiums muss sie nicht arbeiten, da sie von ihren Eltern das Geld fürs Studium zur Verfügung gestellt bekommt. Seit über einem Jahr ist sie jetzt mit ihrem ersten Freund zusammen mit dem sie eine wirklich wunderschöne Wohnung gefunden hat. Ich könnte das noch ewig so weiter führen.

Ich liebe meine beste Freundin und gönne ihr das alles vom Herzen. Sie hat das so sehr verdient, weil sie einfach ein herzensguter Mensch ist. Und ich freue mich, dass sie so glücklich ist.

Als sie mir aber letzte Woche von der Wohnung schrieb und mir die Bilder schickte hab ich mal wieder gemerkt wie weh mir das tut.
Es ist wie gesagt nicht so als würde ich ihr das Glück das sie hat missgönnen.
Aber ich frage mich manchmal warum ich immer für alles kämpfen muss. Warum mein Vater sich einen Dreck für mich interessiert, meine Mutter um sich selber kreist. Warum ich mir das Geld für das Studium so hart erarbeiten muss und dazu noch diese fürchterliche Prüfungsangst ertrage, die immer wieder mein Studium aufs Spiel setzt. Dazu dann die wirklich sehr heftige Phase der psychischen Erkrankung direkt nach dem Abi und den noch immer vorhandenen Beeinträchtigungen die ich auch heute noch sehr deutlich spüre.
Mir fällt nichts in den Schoß und ich musste mir für alles was ich habe unfassbar den Hintern aufreißen.
Dabei ist mir natürlich klar, dass bei ihr auch nicht immer alles zu 100% perfekt ist. Auch sie hat manchmal Ängste oder Probleme. Aber sie sagt selber, dass bei ihr im Leben die meiste Zeit alles glatt läuft und dass sie mich bewundert für das was ich trotz der Steine die mir teilweise in den Weg gelegt wurden alles erreicht und geschafft habe.
Klar, so habe ich ja auch viel gelernt, über das Leben und mich. Aber manchmal denke ich, ich hätte auf die ein oder andere Erfahrung verzichten können, wenn es dafür etwas leichter gewesen wäre. Und durch die Beschäftigung mit diesem Gefühl und meiner Sicht weiß ich auch, dass ich mich nicht darüber freuen würde, wenn es ihr auf einmal schlecht ginge und bei ihr alles schief liefe. Das will ich nicht.

Und ich weiß, dass man das alles relativieren kann.
Das es Leute gibt die mich ansehen und denken: sie hat im Leben alles geschenkt bekommen wofür ich hart arbeiten musste. Das ist wohl alles eine Frage des Standpunktes.

Ich versuche Neid auch erst einmal als ein "normales" Gefühl zu sehen. Das mich antreibt mich selber mehr anzustrengen um noch mehr erreichen zu können. Um aus dieser negativen Ecke wegzukommen.

Aber aufblitzen tut es nichtsdestotrotz immer mal wieder und obwohl ich versuche es neutral zu sehen, wahrzunehmen und die Berechtigung des Gefühles auch anzuerkennen, ich möchte besser damit umgehen lernen. Mir bedeutet diese Freundschaft und die Freundin alles. Ich empfinde unglaublich viel für sie und bin so dankbar für die Zeit mit ihr und alles was wir schon gemeinsam erlebt haben. Und ich habe Angst, dass dieser Neid bzw. die Wehmut, die ich spüre wenn ich darüber nachdenke wie mein Leben hätte laufen können wenn ich nicht für einige Dinge so sehr hätte kämpfen müssen, die Freundschaft belasten.

War vielleicht irgendwann einmal jemand in einer ähnlichen Situation bzw. habt ihr Gedanken, Erfahrungen, Tipps dazu oder einfach nur Lust euch darüber auszutauschen?

Ich würde mich freuen

Marzi
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Jenny Doe
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Beitrag Do., 18.01.2018, 14:20

Hallo Marzipanschnute,

ich würde auch gerne so sein wie gesunde Menschen, die ihr Leben leben und genießen können, die nicht von einer Schwindel-Migräne dazu verdammt sind, das Haus nicht verlassen zu können, ...
Aber ein solcher Vergleich hilft mir nicht, bringt mich nicht weiter, würde mich nur im Selbstmitleid verweilen lassen. Ich versuche das Beste aus meiner Situation zu machen und einen Weg zu finden, der mir zu Schmerzlinderung verhilft, ...
... und wenn man mal genauer hinguckt, dann stellt man fest, dass auch scheinbar gesunde Menschen Probleme haben.
Neid entsteht ja auch dadurch, dass man mit der eigenen Situation nicht umgehen kann und sich deshalb wünscht, man wäre wie jemand anderes, dem es scheinbar besser geht. Mein Bestreben besteht darin zu lernen mit meinem Schicksal umzugehen, so wie andere mit ihrem umgehen lernen müssen. Wenn ich schwierige Situationen meistere, dann kann ich stolz auf mich sein, das macht mich stark, daran wachse ich, ... dann habe nicht mehr so stark das Gefühl es "so gut" haben zu wollen wie es andere Menschen scheinbar haben.
Wir müssen das Leben loslassen, das wir geplant haben, damit wie das Leben leben können, das uns erwartet (Joseph Campbell). Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark. Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen (Hermann Hesse).


isabe
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Beitrag Do., 18.01.2018, 14:27

Ich kenne zwei Formen von Neid: den schmerzhaften, destruktiven Neid, der tatsächlich NICHT gönnt. Und den wehmütigen Neid, der sich darum dreht, was man selbst nicht hat - der aber dem Anderen sein Gutes gönnt.

Ich war z.B. lange extrem neidisch in der Therapie auf andere Bezugspersonen des Therapeuten. Das war sehr destruktiv.

Und ich beneide meine Kinder, die auf hervorragende Schulen gehen können, wo sie umfassend gebildet werden und sich zu reifen Persönlichkeiten entwickeln. Das ist nicht destruktiv, sondern in der Summe eigentlich sogar ein schönes Gefühl, weil das, was ich nicht hatte, ja selbst etwas Schönes ist.

Das, was du schreibst, wirkt auf mich persönlich irgendwie ein bisschen so, als machtest du dir etwas vor: Du schreibst, dass du es ihr von Herzen gönnst, aber ich glaube, wenn es wirklich Neid ist, dann gönnt man entweder NICHT (will sich das aber vielleicht nicht eingestehen, weil man sonst Schuldgefühle hätte), oder aber man empfindet den Neid NICHT als so quälend. Wenn du dich also quälst, dann liegt - meiner Meinung nach - der Verdacht nahe, dass du eventuell stark negative Gefühle wie Wut oder tatsächliche Missgunst an dir nicht so wahrnehmen möchtest. Denn es ist ja sozial erwünscht, dass man seiner besten Freundin alles gönnt. Aber WENN das so wäre, dann würde es dich nicht so quälen, glaube ich.

Was nicht heißt, dass du selbst nicht wütend oder traurig sein "darfst" über deine schlechteren Bedingungen. Aber ich glaube, wenn du es ihr wirklich von Herzen gönnst, dann würdest du dich mit ihr und für sie freuen und würdest eher versuchen, das für dich nachzuholen, was dir gefehlt hat: z.B. KANNST du ja studieren.

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Marzipanschnute
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Beitrag Do., 18.01.2018, 15:13

isabe hat geschrieben: Do., 18.01.2018, 14:27 Wenn du dich also quälst, dann liegt - meiner Meinung nach - der Verdacht nahe, dass du eventuell stark negative Gefühle wie Wut oder tatsächliche Missgunst an dir nicht so wahrnehmen möchtest. Denn es ist ja sozial erwünscht, dass man seiner besten Freundin alles gönnt. Aber WENN das so wäre, dann würde es dich nicht so quälen, glaube ich.
Danke für den Gedanken, aber ich habe eben nicht das Gefühl, dass das auf mich zutrifft. Ich setze mich ja schon eine Weile mit dem Thema auseinander und bin immer mal wieder an den Punkt gekommen an dem ich mich gefragt habe: Wäre ich glücklicher, wenn es bei ihr mal schief gehen würde?
Und ich kann mit Sicherheit sagen: Nein das wäre ich nicht.
Eine Zeitlang wäre ich es gewesen. Ich erinnere mich noch gut daran wie sie das Studium aufgenommen hat. Da wäre ich über ein scheitern vermutlich froh gewesen. Und das so zu schreiben beschämt. Das war auch damals Thema während meiner stationären Therapie. Aber heute fühlt sich das eben anderes an.
isabe hat geschrieben: Do., 18.01.2018, 14:27 Und ich beneide meine Kinder, die auf hervorragende Schulen gehen können, wo sie umfassend gebildet werden und sich zu reifen Persönlichkeiten entwickeln. Das ist nicht destruktiv, sondern in der Summe eigentlich sogar ein schönes Gefühl, weil das, was ich nicht hatte, ja selbst etwas Schönes ist.
Am ehesten noch so. Nur, dass du evtl. noch den Gedanken hinzufügen kannst, dass du es deinen Kindern ein Stück weit ermöglichst dieses Leben zu führen, was das ganze wieder in etwas positives wandelt.

Wut könnte ich mir auch noch vorstellen. Aber halt nicht auf sie. Sie kann ja nix dafür, dass es bei ihr ist wie es ist.
Und wütend sein auf so diffuse Dinge wie "die Umstände", "das Leben" oder "Vorherbestimmungen" ist halt verdammt schwierig. Vielleicht verwechsele ich da ja auch Neid mit Wut, weil die Wut sich eben nicht wirklich wie solche anfühlt.
isabe hat geschrieben: Do., 18.01.2018, 14:27 würdest eher versuchen, das für dich nachzuholen, was dir gefehlt hat: z.B. KANNST du ja studieren.
Glaub mir, das versuche ich. Und ja, ich studiere. Aber Sicherheit, sowohl emotionale als auch finanzielle kann man eben nicht einfach so nachholen. Und so ein Vertrauen in das Leben fehlt mir eben auch. Weil ich früher oder später eben doch wieder einen Schubs bekomme und mich vom Boden aufrappeln muss.
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isabe
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Beitrag Do., 18.01.2018, 15:21

Als ich so heftig neidisch war auf die anderen Patienten, hab ich mir komischerweise auch nichts Schlechtes für die gewünscht.

Dass sie nichts dafür kann, dass es ihr besser geht, ist ja eigentlich kein "Argument" gegen den Neid. Auf mich wirkt es tatsächlich wirklich so, als spräche da dein Gewissen, das das Gefühl nicht duldet. Aber wenn das Gewissen das Gefühl immer dominieren will, kann das Gefühl selbst sich nicht so richtig entfalten, und ich glaube, das wäre wichtig: also die Freundin irgendwie auch "hassen" dürfen dafür.

Wenn du das nicht irgendwie auch wolltest, dann würde der Neid dich bestimmt nicht so quälen, vermute ich.

Natürlich kannst du nicht alles aufholen - mir geht es ähnlich. Aber ein bisschen kannst du eben doch aufholen.

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Marzipanschnute
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Beitrag Do., 18.01.2018, 15:28

isabe hat geschrieben: Do., 18.01.2018, 15:21

Wenn du das nicht irgendwie auch wolltest, dann würde der Neid dich bestimmt nicht so quälen, vermute ich.

Ich hatte bisher immer den Eindruck, dass es mehr das Wissen ist, dass es bei mir niemals so sein wird wie bei ihr, welches mich so sehr quält. Egal wie viel Mühe ich mir gebe oder mich anstrenge.
Das hat eben so etwas endgültiges.
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isabe
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Beitrag Do., 18.01.2018, 15:32

Vielleicht ist noch nicht so richtig klar, wo genau das Problem ist: die Wut auf die eigenen Eltern (?); die Wut auf die Freundin; das fehlende Selbstwertgefühl? Die Trauer über das, was nicht möglich ist? - Denn natürlich bist du nie so wie deine Freundin. Normalerweise stört uns nicht besonders, dass wir nicht so sind wie jemand anders, der erfolgreicher oder schöner ist. Das fängt ja erst dann an zu schmerzen, wenn es einen bestimmten Punkt in uns trifft. Und dann, wenn wir uns selbst gefunden haben, dann müssen wir uns nicht mehr mit Anderen vergleichen. Das geht aber nicht auf "Zuruf" vom Gewissen, sondern nur, wenn du dem eigenen Schmerz irgendwie näher gekommen bist.

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candle.
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Beitrag Do., 18.01.2018, 15:46

Also ich bin nicht so wirklich neidisch. Ich empfand das immer so als große Traurigkeit, dass ich nicht geschafft habe was andere geschafft haben, z. B. Kommilitonen. Und dann ist da eben die große Scham. Da würde ich lieber keinem mehr begegnen aus dieser Lebenszeit, weil ich mich ja irgendwie rechtfertigen müßte für mein Versagen. Aber so weit bist du ja zum Glück nicht! Und du kannst stolz sein unter diesen Umständen geschafft zu haben, was du bisher geschafft hast!

LG candle
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ziegenkind
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Beitrag Do., 18.01.2018, 15:53

marzipanschnute,

ein ganz ein wichtiges thema, das du da ansprichst. und - aus meiner sicht: die art und weise, wie du das tust, die scheint mir sehr produktiv und ein schritt in die richtige richtung zu sein. (wenn ich das mal mit der weisheit meines alters sagen darf? du bist in deinem alter schon da, wo ich erst vor ein paar jahren aufgeschlagen bin)

ich glaub es geht ums vergleichen. mir scheint, das ist eine ganz schön paradoxe sache. man kann sich mit vergleichen selber verletzen - ganz tief und ganz gründlich. man kann sich kaputt und wund vergleichen. gleichzeitig kann man sich das vergleichen nicht verbieten, es liegt in der luft und auf der hand. das ganze leben lang werden wir immer wieder im- und explizit zum vergleichen aufgefordert.

was tun, um nicht durchzudrehen? aus meiner sicht hilft es, immer zwei dinge gleichzeitig zu machen (so ähnlich wie clifford geertz das mit der dichten beschreibung gemeint hat als er schrieb, dass man man die dinge immer gleichzeitig von außen und von innen in den blick nehmen soll, zwischen zwei perspektive hin und her hüpfen gewissermaßen).

eine doppelbewegung also: (i) sich ohne denkverbot vergleichen und traurig sein, über das, was man nicht bekommen hat. (ii) das was man TROTZDEM erreicht hat vor dem hintergrund dessen anschauen, was aus den bescheidenen möglichkeiten auch hätte werden können.

mir hilft die doppelbewegung. (i) ich bin manchmal immer noch tieftraurig über die tiefen wunden der verunsicherung und der demütigung und der misshandlung, die mir mein elternhaus geschlagen hat, v.a. dann, wenn ich menschen begegne, die mit so viel zuvertrauen auf die welt zugehen, in dem wissen darum, dass man sie natürlich lieben oder mögen oder wertschätzen wird. (ii) und manchmal erfüllt mich stiller stolz auf das, was ich geschafft habe: ich habe einen beruf, den ich liebe, ich habe eine tiefe beziehung zu meinem mann und ich habe gelernt zu erkennen, wann ich in alte selbstabwertungsschleifen zu geraten drohe und kann mich dann liebevoll beschützen und mir das messer wieder aus der hand nehmen. das hätte an allen drei ecken und kannten ganz anders kommen können. außerdem: ich erkenne heute z.B. in meinem beruflichen handlungsfeld die anderen verletzten und gedemtütigten menschen. den jungen kann ich manchmal helfen, weil ich noch so gut weiß, was ich mir damals an dezenter hilfe gewünscht hätte. von daher: auch dazu war manches gut.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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Broken Wing
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Beitrag Do., 18.01.2018, 16:23

Mich störts nicht. Vermutlich weil ich davon überzeugt bin, dass es jeder auf seine Art beschissen getroffen hat.
Ist halt die depressive Denke. Ehrlich, ich würde mein beschissenes Leben mit niemandem tauschen wollen. Kenne aber welche, die mich für meines beneiden. Lol.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]


luciabava
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Beitrag Do., 18.01.2018, 16:35

Hallo Marzipanschnute,

ich meine, ich verstehe deine Gefühle sehr gut. Wie du habe ich in der Kindheit bis in die späten Zwanziger ganz ähnliche Schwierigkeiten gehabt. Und vieles, was da passiert ist und nicht funktioniert hat, war einfach nur schei*e und alles musste ich mir sehr hart erkämpfen. Leicht war es nie und eigentlich bis heute nicht.
Ich sehe es so: Trotz allem hast du ganz viel, was sie nicht hat. Logischerweise muss man sehr, sehr viel Stärke entwickeln, um aus unserer Startposition überhaupt im Leben irgendwohin zu kommen und Träume und Pläne zu verwirklichen. Stärken wie Engagement, Disziplin, Frustationstoleranz, Hartnäckigkeit, Durchhaltevermögen, Kreativität ... da fällt dir auch sicher noch mehr ein.
Am meisten neide ich solchen Leuten, die so gute Startbedingungen und so viel Rückhalt durch die Eltern erfahren, dieses Grundvertrauen in sich selbst und in das Leben, das sie sehr wahrscheinlich haben und das ich mir einfach nicht vorstellen kann, weil ich das nie hatte und das doch so existentiell ist.
Aber die Frage ist: es wird im Leben deiner Freundin vielleicht nicht für immer so glatt laufen. Möglicherweise - auch wenn man ihr das nicht wünscht, aber das finde ich gar nicht so wichtig - bricht sie beim ersten "wirklichen" Problem in ihrem Leben zusammen. Während du jede Menge Erfahrung und Ressourcen in petto hast, die dich durch jede weitere Krise tragen. Weil du heute stark bist. Hast du es schon einmal so gesehen?

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baobab
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Beitrag Do., 18.01.2018, 18:37

Geht es wirklich darum so werden zu wollen, wie jemand anders, mit den gleichen Umständen, usw.
oder darum in seinem Leben Geborgenheit, Liebe, Zufriedenheit, usw. zu erfahren? Nicht wie sie, sondern auf deine Weise.
Unabhängig von der Kindheit, in dem, was noch kommt.

Sicher ist die Traurigkeit und Wut über Vergangenes, wichtig. Die gehört dann wohl, wie du ja auch sagst, aber woanders hin, als zu deiner Freundin. Der Neid - vielleicht eher der Fingerzeig zu dem anderen. Das was dir deinen Mangel zeigt.

Mir kommt auch noch in den Sinn, dass das, was du bei deiner Freundin beneidest sich neben dem sie sagt, bei ihr läuft es - für sie dann doch gar nicht so darstellt. Das sie auch ihre Sehnsüchte hat, ihren Mangel, usw. Manchmal kann eine scheinbares "es läuft" ja auch von tieferen Schichten ablenken. Aber ich will deinen Mangel, den du neben ihr erlebst auch nicht einfach klein reden. Nur manchmal ist es nicht ganz so toll, was man da meint zu sehen. Du weißt ja auch nicht, was deiner Freundin im Leben noch widerfahren wird. edit: vielleicht macht dich dann deine Vergangenheit für etwas fähiger, als sie, die nie wirklich Gegenwind erfahren hat? Ich will sagen: dieses gegeneinander aufwägen funktioniert selten so 1 zu 1.

Ich würde mich wohl neben dem Trauern und Wüten und neidisch sein wohl auf den Weg machen, zu meiner eigenen Zufriedenheit. Dass man die trotz schwerer Startbedingungen erlangen kann - ich glaube, dafür gibt es einige Besipiele.

Was ich teils hatte war, dass ich es zu nah nicht ertragen habe, wenn ich im Sumpf hing, kaum raus konnte und dann erzählt mir jemand: ja, ich war heute mit dem Rad am Badesee, bin 5 Stunden radgefahren, dann gehe ich heute abend zu der und er Party. Also wenn die Lebenswelten so extrem unterschiedlich waren - das war nicht machbar.
Gleichzeitig will man dann ja nicht dem Gegenüber sagen: du, deine Freude macht mich traurig.
Es war dann eher so, dass sich Kontakte gefunden haben, engere wo es eher ähnlich war.
Heute kann ich damit lockerer umgehen, weil das innere Leid nicht mehr so hoch ist, weil in meinem Leben auch mehr Freude ist.
- Bitte erstmal keine Antworten in meinem Blog-Thread, weil es mich überfordert -

In Wirklichkeit gibt es nur die Atome und das Leere.
Demokrit

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baobab
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Beitrag Do., 18.01.2018, 19:07

Nach meinem Beitrag ist mir noch der Begriff "Schmerz" in den Kopf gekommen, Trauer, Wut, Neid und dahinter vielleicht ein Schmerz, den man nicht aushält? Es tut weh, es tut weh, dass es so schwer ist, es tut weh jemand zu sehen, der es scheinbar so viel leichter hat, usw.

wenn es nicht passt - kein Ding - dann lass es liegen ...
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Demokrit

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Miss_Understood
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Beitrag Do., 18.01.2018, 19:31

Interessantes Thema - was ja auch eng mit dem Begriff "Eifersucht" zusammenhängt.

Neid. Ja, will kaum einer zugeben, wahr haben, drüber sprechen.
Ich hab es erlebt, dass eine Komponente eines Freundschaftsabbruch war, dass ich der Freundin gegenüber sagte, dass ich sie um dies oder das beneide. Sie sofort "Neid hat in Freundschaften nix zu suchen!" Bäm. Das gab bei i hr wohl mit DEN entscheidenden Knacks. Die Freundschaft lies sie auslaufen ...

Ist also ein erheblich gefährliches Gefühl, eines von den unbequemen, was man offenbar ausschiesslich mit sich selbst ausmachen sollte ... hm ... obwohl ich es selbst nicht mal so sehen würde per se. Weil es ja gerade ein Gefühl ist, was eher bei näherstehenden auftaucht, oder? Auf Prominente mit viel Geld zb bin ich an sich NIE neidisch, die kenne ich ja nicht persönlich. Und wenn, sie haben sicher auch andere Probleme.

Wie isabe das beschreibt, kenn ich das auch: diese zwei Arten.

Destruktiv v.a. dann, wenn ich mich vergleiche, wenn ich meinen Blick und meine Position von unten nach oben richte.
Manchmal zweifele ich dann an der "Gerechtigkeit" der Welt und des Lebens. Aber: das IST es einfach nicht. Vor allem gesundheitsbezogen kann man da nur sehr begrenzt etwas ändern. Etwas zu bekommen oder nicht. Etwas zu behandeln, dann schon. wer mehr Geld hat, besser versichert ist usw HAT mehr Heilchancen. Das IST scheizze ungerecht! Dann denke ich schon manchmal und das durchaus gehässig: ihr Politiker lauft mal eine Weile in Schuhen von Menschen, die krank sind UND kein Geld haben bevor Entscheidungen fallen über Selbstbeteiligung, Hartz4 und Gesundheit und Zweiklassenmedizin! Dann will ich die da oben runterzerren. ("Du solltest xyz auch nicht, weil ich nicht!")

Meistens will ich aber selber nach oben. ("Ich hab Sehnsucht nach xyz, will auch ...") Und es fehlt die Kraft.

Wehmütig, wenn ich mich sehe, wo ich bin - ja, immer noch mit /weniger/ von xyz (Geld, wenig; Glaubenssätze, ungünstige; Freunde, kaum; Gesundheit, noch eine und noch eine Baustelle - wie jetzt auch noch der Unfall ...) - aber durchaus die Energie und meinen Startpunkt in Relation sehend (Arbeiterkind, doch studiert usw., inzwischen viel Wissen über div. Erkrankungszusammenhänge - leider kein Geld es umzusetzen ...).

Dass ich jemandem etwas ganz aktiv nicht gönne, kommt selten vor, aber es kommt. Dann bin ich nicht sonderlich zufrieden mit mit mir. Was mich nervte war und ist zb, wenn sich jemand mit erheblich mehr Geld bei mir öfter beklagt, er/sie könne ja dies oder das nicht (mehr) - Beispiel: den zweiten Städtetrip neben dem jährlichen Urlaub, die vierte Wochenendfortbildung neben der langfristigen Weiterbildung usw. - dann werde ich halt auch mal ungehalten und untersage dem dieses Jammern bei mir!

Zuletzt spürte ich, dass ich meinem Ex gegenüber Ressentiments hege statt mich für ihn zu freuen, da sind ätzende Gefühle in mir am Werk, die ich nicht mag, derer ich mich schäme ... und doch sind sie da. Wohl eben menschlich. Die Komplexität all dessen gilt es noch zu erkunden ...
ch-ch-ch-chaaaaaaange

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Krümmelmonster
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Beitrag Do., 18.01.2018, 20:12

Hallo Marzipanschnute,
könnte es vielleicht sein wegen deiner Prüfungsangst, das du gar keine berufung für dieses Fach hast, sondern du würdest lieber ein anderes gebiet nehmen das dir besser gefällt und du mehr interesse hast? Vielleicht verschwindet die Angst von selbst?

kann aber ganz falsch liegen!

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