Erwartungen an die Traumabehandlung

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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RehAug´
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Erwartungen an die Traumabehandlung

Beitrag Fr., 23.09.2011, 12:45

liebe forumsmitglieder,

ich habe mich schon immer gefragt, was eine traumabehandlung bewirken kann. schließlich können erfahrungen nicht einfach ausradiert werden.

hintergrund für meine ratsuche ist meine letzte therapiestunde: mein thera gab mir bis zur nächsten sitzung den auftrag, dass ich mir überlegen solle, was ich mir von der traumabehandlung erhoffe. vieleicht vermutet er, dass ich zu große erwartungen an eine traumatherapie habe? vieleicht möchte er, dass ich zu einer realistischen einschätzung gelange?

ist es so, dass man nach der behandlung einfach in die traumatischen situationen zurückgehen kann, ohne, dass man die entsprechenden gefühle empfindet? ich kann mir das nicht vorstellen
ich hab mal gehört, dass es auch durch die therapie so eine art "neubewertung" des traumas geben soll. ist das dann nicht schon eine bagatellisierung?

wie man sieht habe ich nicht die geringste ahnung, was traumatherapie kann und was sie nicht kann.

ich würde gerne eure meinung zu diesem thema hören, gerne auch von denjenigen, die bereits eine traumabehandlung hinter sich haben.

lg, rehaug´

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CrazyChild
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Beitrag Fr., 23.09.2011, 13:08

Hallo...ich mache auch eine Traumatherapie, seit zwei Jahren. Die letzten zwei Jahre waren nur Stabilisierung. Schön langsam gehts ans Eingemachte. Daher habe ich noch nicht wirklich Erfahrung wies am Ende aussehen wird. Meine Thera bevorzugt EMDR und Imaginationsübungen. Dadurch soll das Trauma in dein Leben "integriert" werden - vieles an Gefühlen ist ja oft abgespalten, da zu heftig. Das heißt, was passiert ist, ist danach bestimmt nicht weniger schlimm, aber du lernst mit den damit zusammenhängenden überschießenden Emotionen besser umzugehen, integrierst das Trauma als Teil deiner Geschichte in dein Leben. Und kommst somit (...hoffentlich...) damit besser zurecht.

CrazyChild
LG, CrazyChild

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RehAug´
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Beitrag Fr., 23.09.2011, 13:34

danke für deine antwort!
mein thera benutzt die gleichen methoden und auch er meint, dass ich erst lernen müsse, mich selbst zu stabilisieren.

aber, ist das einzige, was einem die therapie beibringt, dass man hinterher weiss, wie man mit den emotionen besser umgehen soll?

das mit dem integrieren hört sich zu abstrakt an, heißt das dann, dass ich mich erinnere, aber die gefühle dazu weg einfach weg sind? ist das dann nicht verdrängung? die gefühle die während meiner kindheit empfunden habe waren doch richtig und normal, ich hätte -ohne zu bagatellisieren- gar nicht anders fühlen können. also können die gefühle - die mich heut behindern und meinen leidensdruck verursachen- nur verleugnet, verdrängt, wie auch immer werden. mir will das einfach nicht in den kopf, wie das gehen soll, dass das was mir heut und mein ganzes leben so wehgetan hat, nicht mehr wehtun soll.

wenn man das trauma als teil seiner geschichte annimmt, warum ist es dann nicht weniger schlimm und schmerzhaft, aber doch ist es erträglicher?

lg,rehaug´

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CrazyChild
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Beitrag Fr., 23.09.2011, 14:41

RehAug´ hat geschrieben:aber, ist das einzige, was einem die therapie beibringt, dass man hinterher weiss, wie man mit den emotionen besser umgehen soll?
...nein...das ganze ist sehr komplex, das mit dem Umgang mit den Emotionen ist nur ein Teil vom ganzen. Meistens liegen noch weitere Probleme vor, Angst, Panik, Depression, Persönlichkeitsstörungen. All das sollte berücksichtigt und therapiert werden.
RehAug´ hat geschrieben:das mit dem integrieren hört sich zu abstrakt an, heißt das dann, dass ich mich erinnere, aber die gefühle dazu weg einfach weg sind? ist das dann nicht verdrängung?
...auch hier nein...die Gefühle sind bestimmt nicht weg...aber du hast einfach eine andere Einstellung zu dem ganzen, so in die Richtung, ja, es war schrecklich was damals passiert ist, und ja, das ist alles sehr traurig. Und doch...ich lebe und es ist vorbei...Das heißt Du hast natürlich die Gefühle von damals noch, aber du hast gelernt damit umzugehen, die Situation anders zu bewerten so daß z.b. Bilder und Gefühle von früher nicht mehr so angst-und panikbesetzt sind.

Aber wie gesagt, ich spreche nur teilweise aus Erfahrung...vielleicht ist das auch bei jedem anders, bei manchen hilft es vielleicht gar nicht. Ich kann von mir aus nur sagen, daß ich eigentlich jetzt schon spüren kann daß es helfen wird, da sich in den letzten zwei Jahren bei mir emotional schon sehr viel zum Positiven geändert hat...aber...es ist kein Spaziergang...ich hatte auch Zeiten absoluter Krisen in denen ich nicht wusste wie es weitergehen soll.

Lg, CrazyChild
LG, CrazyChild

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pandas
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Beitrag Fr., 23.09.2011, 14:54

Liebe RehAug,

nun, es ist oft so, dass die verdrängten, aber eigentlich heftigen Gefühle dafür sorgen können, dass man im Alltag zu Verhaltensmustern neigt, die eigentlich destruktiv sind bzw. nicht zu dem führen, was man eigentlich möchte oder auch wie man seien möchte. Oft ist dies besonders in Beziehungen der Fall, Abwehr, wenn man eigentlich Nähe möchte, Rückzug aus einer längst nicht mehr notwendigen Angst etc.

Wenn man diese Gefühle in einer guten Therapie durcharbeitet, kann man bewusster auch seine Verhaltensweisen ändern, Nähe im jetzt zulassen etc., beispielsweise.

Dass muss bei dir alles nicht so sein, aber ist mit ein Punkt, warum in einer Traumatherapie die Gefühle so wichtig sind.
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard

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candle.
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Beitrag Fr., 23.09.2011, 16:55

Hallo all!

Da mir nun auch bald eine Traumatherapie bevorsteht, ist dies gerade für mich eine interessante Frage.

Annähernd habe ich erfahren, dass sich die Therapie aus mehreren Abschnitten zusammenzusetzen scheint. Das wäre erstmal die Stabilisierung wie ihr hier schon beschrieben habt. Dann folgt mit EMDR wohl eine Art Neutralisierung des Traumas. So soll es durch Prozesse im Gehirn wohl zu einer Neutralisierung kommen, also eine Erinnerung, die nicht mehr belastend wirkt.

Ich selber kann mir das alles noch gar nicht vorstellen und fürchte mich sogar vor der Therapie, aber nun rollt der Zug und ich werde es machen.

Wenn man so lange in seinem "nicht gut gehen" steckt, scheint mir das auch fast unwirklich, dass die Beschwerden weggehen. Aber ich will das mal positiv sehen.

In jedem Fall hat es wohl viel damit zu tun an sich selber zu arbeiten, wenn man bedenkt, dass man Imaginationsübungen machen muß solange bis sie gut sitzen und kann mir vorstellen, dass mir das auch schwerfallen wird. Ich habe dann böse Gedanken: ICH muß das auf mich nehmen wo es doch jemand anderes mir angetan hat. Da werde ich selber ungerecht auch mir gegenüber und blockiert dann möglicherweise eine Genesung. Zudem bewege ich mich gerade extrem in meinen Erinnerungen in einem 4 jährigen Ich und das ist ganz schön seltsam. Ich weiß nicht, ob in dieser Therapie auch dasangesprochen wird, mal sehen.

Viele Grüße!
candle
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CrazyChild
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Beitrag Fr., 23.09.2011, 18:38

Hallo Candle.
candle. hat geschrieben:Ich selber kann mir das alles noch gar nicht vorstellen und fürchte mich sogar vor der Therapie
Du brauchst Dich nicht zu fürchten...Du hast Deine(n) Thera an Deiner Seite der Dich in diesem Prozeß unterstützt (...unterstützen sollte...) und DU bestimmst das Tempo. Es ist klar, oft nicht leicht, sich mit diesen belastenden Erinnerungen zu konfrontieren, aber das machst Du erst wenn Du soweit bist, und dann kriegst Du das auch gebacken.
candle. hat geschrieben:In jedem Fall hat es wohl viel damit zu tun an sich selber zu arbeiten
...stimmt...immer und immer wieder...mal mit mehr und mal mit weniger Erfolg.
candle. hat geschrieben:Zudem bewege ich mich gerade extrem in meinen Erinnerungen in einem 4 jährigen Ich und das ist ganz schön seltsam. Ich weiß nicht, ob in dieser Therapie auch dasangesprochen wird
Das musst Du ansprechen...oft sind es diese Gefühle aus der Kindheit die immer noch da sind, die man sich nicht erklären kann, die Probleme machen...EMDR...

Ich erlebe meine Therapie als sehr spannend, erfahre viel über mich selbst, kann mich besser verstehen warum ich heute so bin wie ich bin. Das ganze ist für mich aber auch sehr anstrengend. Ich brauche nach fast jeder Stunde erst mal Zeit für mich um mich wieder emotional zu erholen, und wie gesagt, Krisen bleiben nicht aus. Aber...es lohnt sich...

Wichtig für den Erfolg ist eine gute therapeutische Beziehung.

LG, CrazyChild
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Waldschratin
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Beitrag Fr., 23.09.2011, 19:15

Hallo RehAug`,
kann ich gut nachvollziehen,daß du dir das nicht vorstellen kannst,ob und wie es "wirkt" - aber aus eigener Erfahrung kann ich dir sagen : ja,es "wirkt" wirklich!

Und nicht,weil du die zugehörigen Gefühle verdrängen müßtest oder so - sondern aus nem ganz anderen Grund.

Trauma heißt ja,da gibt es "unvollendete" Situationen/Erlebnisse,die nach wie vor ihre "Schleifen" in der Birne ziehen,in der Hoffnung,bei der nächsten Wiederholung endlich mal ein "sinnvolles" Ende zu finden,die Situation/das Erlebnis abgeschlossen zu bekommen - und damit es "wegsortieren" können ins "Archiv" des Gedächtnisses.
Solange es noch ne "Unvollendete" ist,lagert es mitsamt Gefühlen sozusagen im "Arbeitsspeicher".

Das Dumme ist,daß diese "Unvollendeten" nicht "mitwachsen" in einem.
Heißt,wenn du als Kind ein Trauma erlebst,zum Verarbeiten aber erst ne gewisse Reife nötig ist,die du dann als Erwachsene hast,stehst du vor dem Dilemma,daß die zugehörigen Traumagefühle nach wie vor aus der kindlichen Perspektive stammen.

Deshalb steht man da oft dann erstmal reichlich hilflos da,weil ei-gent-lich weiß man doch,das von damals ist "vorbei",aber in einem drin wütet es nach wie vor,als würde es grade erst stattfinden...

Heißt also,dein Gehirn muß erstmal neue neuronale Verbindungen knüpfen,um die Situation aus dem Damals mit den Möglichkeiten von heute bewerten und bearbeiten zu können.Das Bewerten ist dabei wichtig,jedenfalls hab ich das so erlebt.Es war ganz wichtig,daß ich diese Gefühle mal "gewürdigt" habe als angebracht und dem entsprechend,was da mit mir geschehen ist.Die müssen mal ihre Berechtigung bekommen,bevor sie "wegsortiert" werden können...

Nimm mal Gefühle der Hilflosigkeit.Als Kind ist man das ganz schnell,ist man es auch "tatsächlich".Als Erwachsener ist man in derselben Situation aber längst nicht mehr so hilflos...
Heißt,es gilt in der Traumatherapie,das "eingefrorene" Erleben vom Damals ins Heute zu bringen.
Bildlich gesprochen : der Kleinen in sich als Große zur Seite zu stehen und ihr den nun möglichen Rückhalt zu geben.

Mit Imaginationen schafft es nun das Gehirn,sozusagen das "Damals" das Fehlende "nacherleben" lassen zu können.So können dann die neuen Verknüpfungen gebaut werden - und damit können "eingefrorene" Traumagefühle erstmal "aufgetaut" werden (das ist dann,wenns einem um die Ohren fliegt und man meint,hätt ich bloß nie ne Therapie angefangen,mich erinnert oder auch nur dran gedacht,da dranzurühren...),damit sie "gelebt" werden können - und damit aber dann auch nicht nur sich "austoben" dürfen,sondern eben vom inzwischen reiferen und stabileren (Erwachsenen)Ich "abgeholt" werden können ins Jetzt.

Diese Traumagefühle brauchen also erstmal nen "Ausdruck" und dann ne "Antwort" vom Erwachsenen in sich.
Das lernt man meistens schon in der Stabi - und so kommts,daß man manchmal gar nicht mehr erst in die Traumasituation zurückgehen muß,weil sie sich über die "abgeholten" Gefühle dazu so ganz "nebenbei" integriert.

Wenns dich interessiert,was im Kopf so abgeht bei Trauma - mir hat das mal ganz gut geholfen,das mit den Imaginationen zu verstehen und nicht mehr als "Spinnerei" abzutun - dann guck mal hier:
http://www.ludwig-ulrike.de/doc/artikel ... ueckt.html

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RehAug´
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Beitrag Mo., 26.09.2011, 13:32

Waldschratin hat geschrieben:Hallo RehAug`,
kann ich gut nachvollziehen,daß du dir das nicht vorstellen kannst,ob und wie es "wirkt" - aber aus eigener Erfahrung kann ich dir sagen : ja,es "wirkt" wirklich!
danke, das macht mut!
Waldschratin hat geschrieben: Das Dumme ist,daß diese "Unvollendeten" nicht "mitwachsen" in einem.
Heißt,wenn du als Kind ein Trauma erlebst,zum Verarbeiten aber erst ne gewisse Reife nötig ist,die du dann als Erwachsene hast,stehst du vor dem Dilemma,daß die zugehörigen Traumagefühle nach wie vor aus der kindlichen Perspektive stammen.
also, geht es darum, die erinnerungen einfach aus einer erwachsenenperspektive heraus zu beurteilen und zu fühlen?
ich weiss ja nicht, wie es normal ist, wenn ein mensch sich an seine kindheit zurückerinnert, fühlt er das dann nach als erwachsener?
und meine krankheit ist die, dass ich noch wie ein kind empfinde?
ich hab z.b. das ganz große problem, dass ich nach aussen recht selbstbewusst wirke, ich mir mit der zeit ein selbstbewusstsein aufgebaut habe, an das ich auch teils glaube, teils -vor allem bei flashbacks und gefühlsdruck- es sich aber so anfühlt, als bin ich das nicht, als ob es unecht, gespielt ist. mein thera sagte letzte sitzung: "doch das sind sie", darauf hin schrie ich ihn an, weil ich glaube er verkennt mich:"NEIN, DAS BIN NICHT ICH! SO WIE ICH JETZT BIN -dieses kleine, schreiende, wütende, schluchzende, hoffnungslose häufchen elend - DAS BIN ICH,IN ECHT!"

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candle.
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Beitrag Mo., 26.09.2011, 13:45

Hallo Rehaug!

Zumindest was meine Angst- und Panikatacken angeht fühl ich mich wirklich wie vier Jahre alt. Ich denke aber, dass es schon speziell ist, dass ich das so detailliert fühlen kann und ist vielleicht auch gerade der Weg zum Trauma. Das mag wohl bei jedem unterschiedlich sein. Ich spüre Wut und Bedürfnisse, die ich so nie kennengelernt habe und immer fühle ich mich dabei so klein. Zum Glück hatte ich das vorher nie, aber schon komisch, wenn man im Kleinkindalter kurzzeitig hängenbleibt und nicht herausfindet.

LG candle
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