Eigene Grenzen wahrnehmen und achten in der Therapie

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

montagne
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Beitrag Sa., 01.03.2014, 20:37

Hm, Wandelröschen.
Über den Tellerrand schauen ist für mich was anderes, als darüber zu spekulieren, was bei anderen falsch läuft oder laufen könnte.
Auch ist mir nicht klar, was es bringt zu gucken, wo andere Therapien und Methoden, die man garnicht macht und offenbar auch ablehnt, Schwächen haben könnten, so es denn so ist, um die eigene Therapie zu reflektieren.

Das hat mich wirklich interessiert, wie das zusammen passt, bzw. was genau dabei dein Anliegen ist. Wenn du es als Aufforderung zur Rechtfertigung wahrgenommen hast, okay. Aber letztlich musst du dem ja nicht nachkommen.

Es war mir auch nicht klar, dass für dich das Thema Grenzen hier so eingeengt diskutiert werden soll und sonst nichts. Aber was heißt diskutiert, mir scheint, du kennst deinen Standpunkt dazu sehr genau, brauchst du keine Anregungen oder Hilfe mehr und andere, weiterführende Überlegungen sind eher nicht erwünscht.

War mir tatsächlich nicht klar. Seis drum.
amor fati

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pandas
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Beitrag Sa., 01.03.2014, 20:44

wieso sollte man nicht neugierig darauf sein, wie es in anderen Therapien geschehen kann?

Wobei gar nicht explizit nach einer anderen Therapieform gefragt wurde, sondern nach Erfahrungen in anderen Therapien als auch den Haltungen der Patientinnen dazu.
Dass dies sich dann bei dem alten Twist um die PA (-darf man sie kritisch befragen oder nicht?-) verbeisst, vergibt vielleicht genau die Rückschlüsse, die nun frontalisiert werden sollen.
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard


montagne
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Beitrag Sa., 01.03.2014, 21:03

Ich finde den Twist um PA auch affig, darum geht es mir nicht.
Es war Wandelröschen selbst die dies ins Spiel brachte und die Vorgehensweise dort, kritisiert hat, wobwohl das ja auch nicht die PA allgemein abbildet, "die" PA gibts nicht, wie es nicht "die" VT gibt.

Zu fragen "wie ist es bei anderen" ist ja eins. Ich hatte wandelröschen aber so verstanden, dass sie meinte zu wissen, wie es bei anderen ist und dies als nicht richtig kritisierte. Nur offenbar erleben es eine Reihe von Leuten, die PA machen anders und hinzu kommt, was für einen selbst rictig oder falsch ist, muss es für andere lange nicht sein. Es gibt halt nur für einens elbst. daher finde ich Vergleiche mit anderen Klienten aus danderen Therapierichtungen nur bedingt hilfreich zur Reflexion von eigenem.
Darum gings mir nur, nicht um PA oder irgend eine andere Methode im Speziellen.
Aber gut, nur meine Meinung.
amor fati

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Wandelröschen
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Beitrag Sa., 01.03.2014, 21:41

Bevor ich noch zu den anderen Antworten komme (schreiben dauert bei mir immer etwas länger), noch kurz zu montagne.
montagne hat geschrieben: Über den Tellerrand schauen ist für mich was anderes, als darüber zu spekulieren, was bei anderen falsch läuft oder laufen könnte.
Ich spekulier hier nicht darüber, was bei anderen falsch läuft oder nicht. Aber schau, jetzt könnte ich dich auch fragen, warum reagierst du da so empfindlich? Läuft bei dir etwa was falsch? (ist jetzt nur retorisch, brauche dazu jetzt keine Antwort)
montagne hat geschrieben:Auch ist mir nicht klar, was es bringt zu gucken, wo andere Therapien und Methoden, die man garnicht macht und offenbar auch ablehnt, Schwächen haben könnten, so es denn so ist, um die eigene Therapie zu reflektieren. .

Wenn ich sage, dass ich in der Endphase meiner Therapie bin und diese jetzt bald beenden werde, heißt das nicht, dass alle Baustellen bearbeitet sind (die wichtigsten und schwierigsten schon). Einige Baustellen schaffe ich jetzt mit Sicherheit alleine, für andere könnte es sein, dass ich – vielleicht – doch noch mal (später) Hilfe brauche. Deswegen gehört für mich der Blick über das eigene Verfahren dazu. Und auch, wenn ich dem ein oder anderen Verfahren (klar, geht wohl aus anderen Postings von mir hervor) kritisch gegenüber stehe, heißt das noch lange nicht, dass ich die rundweg ablehne.
montagne hat geschrieben:Es war mir auch nicht klar, dass für dich das Thema Grenzen hier so eingeengt diskutiert werden soll .
Klar, wenn du nur den Thread-Titel liest (und wohlmöglich das von mir geschriebene nur überfliegst, [Achtung, Spekulation]), kann der Eindruck entstehen. Für einen Titel hat man aber nur ein klein wenig Platz. Konkretisiert habe ich mein Anliegen dann im Posting, und im zweiten erst recht.
montagne hat geschrieben:Aber was heißt diskutiert, mir scheint, du kennst deinen Standpunkt dazu sehr genau, brauchst du keine Anregungen oder Hilfe mehr und andere, weiterführende Überlegungen sind eher nicht erwünscht.
Mal ehrlich, wenn dem so wäre, glaubst du wirklich, dass ich dann hier ein Thema zum Diskutieren reinstellen würde? Dazu wäre mir meine Zeit wirklich zu schade, es gibt für mich durchaus noch ein Leben außerhalb des Forums.
pandas hat geschrieben:wieso sollte man nicht neugierig darauf sein, wie es in anderen Therapien geschehen kann?.
genau
pandas hat geschrieben:Wobei gar nicht explizit nach einer anderen Therapieform gefragt wurde, sondern nach Erfahrungen in anderen Therapien als auch den Haltungen der Patientinnen dazu.

Naja, hab nochmal gelesen, was ich zum Anfang geschrieben habe, könnte schon so rüber kommen, dass ich da nur in Bezug auf PA gefragt habe (auf dem Sofa liegen, frei erzählen). Ja, interessiert mich wirklich, nur, sage ich nochmal explizit, auch die anderen Therapieformen interessieren mich, auch meine eigene bzw. andere VTs, da ich ja eine mit speziellem Schwerpunkt mache.
pandas hat geschrieben: Dass dies sich dann bei dem alten Twist um die PA (-darf man sie kritisch befragen oder nicht?-) verbeisst, vergibt vielleicht genau die Rückschlüsse, die nun frontalisiert werden sollen.
Jau, …
Gruß
Wandelröschen

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Wandelröschen
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Beitrag Sa., 01.03.2014, 23:17

Und hier, montagne und ihr anderen, seht ihr vielleicht, was es mir bringt, hier zu posten.
Bei jedem kommt etwas anderes an, das ist mir klar, auch wenn es manchmal ähnlich ist.
So kommen immer wieder auch Antworten, an die ich überhaupt nicht gedacht habe, wie z.B. jetzt von hopelife, die mich wieder aus einer anderen Richtung genauer hingucken lassen, um mein Thema genauer/konkreter auch für mich zu erfassen.
hopelife hat geschrieben: Nur...bei mir ist es zum Bespiel so, dass ich nur in diesen "Automatismus"reinrutsche, wenn ich ein Gegenüber habe, was autoritär sein könnte
oder etwas ausstrahlt, was mir Angst macht. ( unbewusst auch) oder auch wenn ich von dem Menschen in einer Weise abhängig bin.
Im ersten Moment hätte ich gesagt, ja, genau. Aber dann beim näheren Betrachten, denn es geht um die Grenze „ich muss nicht alles sagen, ich darf auch etwas für mich behalten“, die ich nicht/nicht ausreichend habe, ist es doch anders. Die Inhalte, die dahinter stecken, sind ja jetzt keine traumatischen oder total mit Scham besetzte Sachen, oder etwas, was man nicht erzählen darf, weil man sich dann vielleicht strafbar macht, oder so. Sie sind eher harmloser Natur, aber es sind persönliche Sachen.
Sie sind eher unpassend, ecke damit (gelinde gesagt) „nur“ an oder mache mich selber bei andern damit lustig. Ich gebe etwas von mir preis, was ich nicht sollte, ohne es zu merken. So mache ich mich ja auch für andere angreifbar. Oder ich liefere denen was, um sich über mich lustig zu machen oder was mir dann zum Nachteil gereicht. Und das merke ich dann (manchmal selber) aus deren Reaktion hinterher oder aus Äußerungen mir gegenüber von dritte.
Und dieses Erzählen von Persönlichen, wo es nicht hin gehört, wo mir gar nicht in den Sinn kommt, dass ich es durchaus für mich behalten darf, wo ich es gar nicht merke, dass ich es tue, geschieht ja gerade auch bei nicht autoritären Gegenüber, schon früher in der Schule, bei Studienkollegen, jetzt auf der Arbeit, im Verein, also auch bei ganz normalen Beziehungen, die nicht ein autoritäres Gefälle haben oder die Angst auslösend sind.
Ich komme gar nicht auf die Idee, dass es die überhaupt nicht zu interessieren hat. Diese Grenze gibt es nicht.
Gruß
Wandelröschen

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Wandelröschen
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Beitrag Sa., 01.03.2014, 23:22

leberblümchen hat geschrieben: Für mich ist in Wandelröschens Frage irgendwas mitgeschwungen, das sich nach 'Vorurteil' anhört. Und irgendwie ging es da auch um Sexualität
Oh je, da sehe ich, dass auch mal wieder bei jemanden was angekommen ist, was ich in Bezug auf die Grenze (vor allem den Inhalt, der dahinter steht) nicht so gemeint habe. Es geht also nicht prinzipiell – und schon gar nicht vordergründig - um Sexualität. Ich hatte halt das Beispiel gewählt, weil das, [und das weiß ich jetzt inzwischen verstandesmäßig, empfinden tue ich dieses Gefühl nicht (mir fehlen da welche) ]viele mit der persönlichen Grenze Scham verbinden und deshalb wohl eher sehen, was ich gemeint haben könnte.

Leberblümchen, Pandas hat jetzt schon auf einiges von dir geantwortet, was ich auch hätte schreiben wollen, gehe ich deswegen jetzt doch nicht weiter drauf ein, wiederholt sich sonst nur.

Zu dieser persönlichen Grenze habe ich ja jetzt etwas zu Hopelife geschrieben.

Jetzt zurück zur Therapie.

Das ein Therapeut (egal welche Richtung) die Grenzen des Patienten wahren sollte, steht für mich fest. Dass das nicht immer der Fall ist, ist blöd, ist aber leider so.

Jetzt habe ich vor einiger Zeit in der Stunde mitbekommen, dass mein Thera mich auf eine Grenze aufmerksam gemacht hat, die ich selber nicht wahr nehme, die aber absolut dienlich wäre, wenn ich sie selber wahrnehmen würde (siehe mein Beitrag zu Hopelife). Also durch die Äußerung: „sie müssen mir nicht alles sagen, sie dürfen auch etwas für sich behalten“

Ich weiß jetzt halt noch nicht, ob ich das Thema so für mich alleine angehen kann, es vielleicht später in irgendeiner Therapie bearbeiten kann (da spielt ja dann die Therapieform vielleicht doch eine Rolle, ->Tellerrand), oder es vielleicht jetzt noch gebacken bekomme. Und bei später weiß ich ja nicht, an was für einen Thera ich gerate, ob der überhaut diese fehlende Grenze erkennt. Es ist aber Thema für mich, also interessieren mich auch eure Gedanken/Ideen/Erfahrungen, egal ob ihr jetzt auf dem Sofa liegt oder auf dem Stuhl sitzt.

Wenn ich also selber diese Grenze nicht wahr nehme, und erzähle und erzähle, und für den potentiellen Thera alles wichtig ist, was ich erzähle und mich nicht darauf aufmerksam macht, dass ich nicht alles erzählen muss, dann ist das doch auch ein Überschreiten der Grenze. Und ich merke es nicht, mir wird nicht gespiegelt, dass ich da vielleicht eine Grenze haben sollte.
Wie soll ich dann daran arbeiten und langfristig diese Grenze aufbauen und selber achten?
Gruß
Wandelröschen

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stern
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Beitrag So., 02.03.2014, 10:27

Wandelröschen hat geschrieben:Jetzt habe ich vor einiger Zeit in der Stunde mitbekommen, dass mein Thera mich auf eine Grenze aufmerksam gemacht hat, die ich selber nicht wahr nehme, die aber absolut dienlich wäre, wenn ich sie selber wahrnehmen würde (siehe mein Beitrag zu Hopelife). Also durch die Äußerung: „sie müssen mir nicht alles sagen, sie dürfen auch etwas für sich behalten“
Eine Freundin hat mal eine Rückmeldung ihrer Thera erwähnt, die äußerte, dass sie den Eindruck hatte, sie erzählt auch deswegen soviel, tief und auch sehr persönliche bzw. intime Dinge (bereits in den Probesitzungen) recht detailliert, weil sie dabei auch über ihre Gefühle (inkl. Scham, aber auch andere) hinweggeht... geschlossen wohl auch aus der "wasserfallartigen" Erzählweise, die naturgemäß auch etwas Raum nimmt/nehmen kann, auf die eigenen Gefühle/Grenzen zu achten. Puh, allerdings würde ich sagen, von außen kann jemand nicht sagen, deine Grenze liegt genau da und dort (denn nicht jeder Mensch hat die gleichen Grenzen, und doch ist das "normal"). Sondern dass es dann eher wichtig ist, dahin zu kommen, zu registrieren, ob man eine Grenze spürt. Indikatoren kömmen theoretisch auch nonverbale körperliche Signale sein. Und ja, ich denke schon, dass es je Patient/Kontext wichtig sein kann, derartige Rückmeldungen zu geben, um den Patienten zu sensibilisieren, dass er evtl. über Gefühle/Grenzen hinweggeht.

Ich selbst bin vom Naturell her etwas anders , kenne aber sowohl die Aussage, dass ich xy nicht mitteilen brauche (wohl auch in Rücksicht auf Grenzen, wenn ich mir einen abwürge, es aber trotzdem nicht gut artikulieren kann. Persönliche Grenze kann dabei allerdings alles mögliche sein, nicht nur ein Schamgefühl, das für dich besonders relevant ist, wie du schreibst). Hehe, nur würde ich gerne manche Grenzen überwinden (nicht alle. In einer anderen Therapie hörte ich auch mal die Aussage, auch in einer Therapie muss nicht alles gesagt werden... doch, das kann entlastend wirken, fand ich gut. Im ungünstigeren Fall nicht so gut ankommen, wenn man möglichst alles besprechen will. Wohl abhängig von Patient und Kontext). Und ich kenne die Ermutigung, dass ich alles mitteilen kann. War teilweise auch hilfreich für mich.

Hehe... nochmals Stichwort PA: Leider weiß ich das Fachbuch (sic!) gerade nicht mehr, sonst würde ich es ganz wörtlich zitieren. In der PA galt/gilt lt. diesem Buch tendenziell in der Tat eher das Credo: Sie müssen über alles reden (umso mehr je traditioneller, aber man hebt es nicht ganz auf... irgendwo auch logisch: WENN ein PAler auf möglichst unszensiert und unvorgeplante freiere Assoziation wert legt, stünde das im Kontrast zu "sie können auch gerne möglichst viel zensieren"). In der TFP soll es mittlerweile stärker zu "sie dürfen über alles reden" "aufgeweicht" werden. Kommt aber wohl auch etwas darauf an, ob das frei assoziierende wirklich so im Vordergrund steht, also selbst in einer analytischen PT soll nicht immer wirklich analytisch im eigentlichen Sinn gearbeitet werden (insbes. bei schwereren Pathologien umso weniger... halt abhängig davon, was vorausgesetzt werden kann und was nicht). Also bei Bedarf könnte man das ja vielleicht vorher abklären, wie ein Therapeut das [unter Berücksichtigung der eigenen Problematik] handhabt.
Liebe Grüße
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leberblümchen
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Beitrag So., 02.03.2014, 10:41

Wäre dann ja (wenn ich Analyse machen würde) bei unsereins ein Wiederholen eines alten (traumabedingten) Musters: persönliche Grenzen werden genommen und zur Befriedigung eigener Bedürfnisse (des anderen) drübergelatscht, ohne dass wir es noch wahrnehmen und verhindern können.

Da ist mir doch ein Thera, der mich auf diese fehlenden Grenzen aufmerksam macht (und nicht ausnutzt) und schaut, dass ich da welche aufbaue, viel lieber als einer, der (vielleicht auch zur Befriedigung seines Egos und seines Voyeurismus) mich ungehindert quatschen lässt unter dem Mäntelchen ‚alles muss sein‘ und damit eigentlich ungehindert über die leider nicht vorhandenen Grenzen latscht, es also bewusst ausnutzt.
(Unterstreichen von mir)

Aber dieses Zitat ist doch eindeutig: Hier die böse Analyse, die einen voyeuristisch ausfragt - und dort der behutsame Therapeut, der einem dann doch viel lieber ist.

Stern, du kannst auch zig Fachbücher finden, in denen steht, dass das freie Assoziieren erstens sowieso frühestens am Ende der Analyse möglich ist (wenn überhaupt) und vor allem, dass die Aufforderung, alles zu sagen, nur noch mehr Widerstände hervorruft.

Wenn ich so weit bin, alles sagen zu können, dann sage ich das auch. Wenn nicht, KANN ich es nicht - davon mal abgesehen, dass es wohl nur ein Märchen ist, anzunehmen, alle Therapeuten könnten sich ganz entspannt alles anhören, ohne dabei irgendwie verstört, verängstigt oder sonstwie aufgeregt zu werden... Und soooooo lustig ist das für beide Beteiligten (!) nicht, den Zauberlehrling zu spielen. Sicher sind beide (!) auch mal ganz froh, wenn nicht alles gesagt wird, was einem im Kopf rumgeht...

Ich glaube, das galt früher, in Zeiten der weißen Wand. Heute, wo der Therapeut mitspielt, sich einbeziehen lässt und die Intersubjektivität das Entscheidende geworden ist, lässt sich das m.E. nicht mehr halten. Es funktioniert einfach in der Praxis nicht, sich einerseits alles an den Kopf werfen zu lassen und gleichzeitig mit dem Patienten zu interagieren, ohne dass es dabei kracht. Kann manchmal ganz spannend sein, aber diese Vorstellung, von wegen: "Sie müssen mir alles sagen, auch wenn es Ihnen peinlich ist", und dann erzählt der Patient ganz munter von sexuellen Phantasien, während der Therapeut als weiße Wand nichts weiter ist als ebendiese kalte, glatte, gefühlslose Betonmasse - die ist sicher nicht haltbar.

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stern
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Beitrag So., 02.03.2014, 10:58

Ich finde es nicht abwegig, sich auch mit Therapieformen zu befassen, die man aktuell nicht macht... denn vielleicht spricht etwas an (oder schreckt gleich ab), so dass man SPÄTER in Erwägung zieht, Therapie xy zu machen (oder eben nicht zu machen). Man kann schlichtweg vorher nicht alles ausprobieren, sondern ein erste Zugang kann Literatur an. Aber wie sage ich so gut wie immer: WENN man Sitzungen nicht, kann es sinnvoll sein, vorher auch den Therapeuten zu testen, wie er mit Problemtiken xy umgeht.

Was in der Tat so ist: Wenn man Grenzen nicht erkennt, latscht man selbst drüber und andere evtl. auch umso leichter (weil man sich dann nicht abgrenzen kann). Von der Therapieform ist das wohl zunächst unabhängig. Aber fraglich ist vielleicht schon, ob sich im Umgang (mit einer inneren Zensur mit Rücksicht auf die eigenen Grenzen) eine Therapie, in der freie Assoziation vorausgesetzt wird vielleicht von einer unterscheiden könnte, die freie Assoziation weniger voraussetzt.
Liebe Grüße
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ziegenkind
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Beitrag So., 02.03.2014, 11:04

kann man nicht auch hier an einigen stellen nachlesen, dass menschen IN ANALYSEN grenzen gesetzt bekommen? gerade auch was das ausschmücken jedes gedankens, jeder phantasie betrifft? ich les das hier manchmal zwischen den zeilen.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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stern
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Beitrag So., 02.03.2014, 11:06

Btw.: Bei besagter Freundin (die ich nun selbst auch ein wenig kenne) dachte ich mir auch, ups, das könnte ich gar nicht, soviel bereits in den Probesitzungen erzählen... schon recht intim (ich fand die Offenheit einerseits sehr ansprechend, andererseits dachte ich mir aber auch, ob sie sich immer einen Gefallen tut, wenn sie an jemand gerät, der nicht so wohlgesinnt ist, hmm. Und je nach dem worum es ging, dachte bzw. sagte ich auch manchmal, ich will gar nicht alles hören - meine Grenzen achtend). Denn natürlich läuft dann jemand in Gefahr, sich dem Voyeurismus anderer auszusetzen, wenn es der Betroffene gar nicht merkt. Ob das jemand dann wirklich macht, steht auf einem anderen Blatt. Aber doch (und das findet sich auch in Lehrbüchern ), es kann es in Therapie auch geben (was allerdings so nicht sein soll), dass ein Therapeut seine Neugierde befriedigt (während er nicht mehr gleichermaßen auf die Belange des Patienten achtet, weil er von div. detaillierten Schilderungen eingenommen ist). Ob das in bestimmten Therapien gehäufter auftritt, entzieht sich schlichtweg meiner Kenntnis... daher beziehe ich es auf "Therapien allgemein".
Liebe Grüße
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leberblümchen
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Beitrag So., 02.03.2014, 11:10

Es ist auch niemandem damit gedient, den Patienten völlig sich selbst zu überlassen, nicht die sog. 'Frühgestörten', für die u.U. recht schnell alles zusammenbrechen kann. Kann mir kaum vorstellen, dass da einfach zugeschaut wird. Es geht ja auch nicht nur darum, sich gegenseitig schöne oder spannende Geschichten zu erzählen. Oft ist es wirklich ein Abtauchen, und wenn dann niemand da ist, der sagt: "Hallo, jetzt ist mal gut", dann... - wie gesagt: Ich halte das für eine falsche Vorstellung, dass da irgendwer den Voyeur spielt.

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stern
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Beitrag So., 02.03.2014, 11:20

leberblümchen hat geschrieben:Es geht ja auch nicht nur darum, sich gegenseitig schöne oder spannende Geschichten zu erzählen.
Noch ein Nachtrag: Nun ja, auch das pure Grauen anderer kann (je nach Zuhörer) eine gewisse Faszination o.ä. ausüben (oder das man für sich etwas rauszieht, was auch immer... eher eigen-nützig als mit Bedacht auf den anderen und wie es demjenigen damit geht)... das vielleicht manchmal sogar mehr als wenn jemand seinen Sonntagsspaziergang über die Blumenwiese schildert.
Liebe Grüße
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leberblümchen
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Beitrag So., 02.03.2014, 11:30

stern, du musst nicht immer alles auf dich beziehen...

Die Gefahr, dass dich jemand ausnutzt oder deine Grenzen missachtet, gibt es überall auf dieser Welt und in sämtlichen Berufsgruppen.

Daher habe ich extra noch mal Wandelröschens Beitrag zitiert und den entsprechenden Teil unterstrichen. Ich sag ja auch nicht: "Wenn ich eine Putzfrau einstelle, muss ich damit rechnen, dass sie mir meinen Schmuck klaut. Also putze ich lieber alleine". Bzw.: Ich KANN es sagen, muss dann aber damit rechnen, dass mir 100 andere Leute mit Putzfrau von ihren guten Erfahrungen berichten. Es liegt also nicht am Putzfrauen- bzw. Analytikerdasein, wenn Grenzen missachtet werden.
Woher weiß der Therapeut die Grenze besser als der Patient selbst
Oh, das sollte er merken, wenn der Patient regelmäßig zu viel abtaucht und den Bezug zur Realität verliert. Oder wenn er regelmäßig Dinge erzählt, die dem Th. unangenehm sind - die sind ja nicht doof und spüren ja, was das mit ihnen macht. Das ist der Witz an dieser Therapieform.

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stern
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Beitrag So., 02.03.2014, 11:36

Es sind hier auch die eigenen Erfahrungen gefragt... ich werde mich jetzt auch auf keine Diskussion einlassen, worauf ich mich beziehen darf und worauf nicht, nur am Rande bemerkt. Das eine war im übrigen schlichtweg eine Frage.

Ich habe oben versehentlich ein Posting gelöscht. Daher nochmals (war zum Glück noch im Speicher):
leberblümchen hat geschrieben:Es geht ja auch nicht nur darum, sich gegenseitig schöne oder spannende Geschichten zu erzählen.
Wirken meine Beiträge so als gehe ich davon aus? Sicher nicht.
Ich halte das für eine falsche Vorstellung, dass da irgendwer den Voyeur spielt.
Oh, wer war das... bin nicht ganz sicher: Schon mal Michaela Huber gelesen? Aber diese Gefahr gibt es natürlich (ist natürlich als unprofessionell zu werten)... habe ich schon öfters gelesen (in div. Büchern. In Kapiteln, was es zu vermeiden gilt).
Es ist auch niemandem damit gedient, den Patienten völlig sich selbst zu überlassen, nicht die sog. 'Frühgestörten', für die u.U. recht schnell alles zusammenbrechen kann. Kann mir kaum vorstellen, dass da einfach zugeschaut wird.
Nur der Haken ist ja: Woher weiß der Therapeut die Grenze besser als der Patient selbst... und woran will er das fest machen? [gelöscht]
Oh, das sollte er merken, wenn der Patient regelmäßig zu viel abtaucht und den Bezug zur Realität verliert. Oder wenn er regelmäßig Dinge erzählt, die dem Th. unangenehm sind - die sind ja nicht doof und spüren ja, was das mit ihnen macht. Das ist der Witz an dieser Therapieform.
jepp, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, merkt es vermutlich auch ein Vollhorst, wenn Grenzen massiv überschritten wurden. Antizipation ist aber nicht immer so leicht (und darum geht es ja wandelröschen, wie man die Grenze vorher erkennen kann).
Zuletzt geändert von stern am So., 02.03.2014, 12:13, insgesamt 1-mal geändert.
Liebe Grüße
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