Therapeutin hilft nicht bei aktueller Krise - Was tun?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

isabe
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Beitrag Di., 28.03.2017, 18:54

Sagen wir mal so: Ohne Freud würdest du jetzt auch nicht die Therapie machen, die du machst: Freud war der Erste überhaupt, und er hat seine eigenen Theorien häufig überarbeitet und überdacht (und ihnen dann selbst widersprochen), und früher war die Gesellschaft auch eine andere als heute, und auch die Frauen waren anders, weil man sie anders erzogen hat - mit den entsprechenden Konsequenzen.

Ich kann deine Aversion gegen ihn und seine Arbeit in keiner Weise nachempfinden, tut mir leid. Mir haben viele seiner Ideen geholfen, mich selbst besser zu verstehen, auch wenn jede aufgeklärte Frau sich weigert, das zu akzeptieren. Mir haben sie deshalb geholfen, weil ich mich als Teil einer Gesellschaft sehe, die mich geprägt hat - und zu Freuds Zeiten war das nicht anders. Dass die Welt sich geändert hat und dass heutige Therapeuten eigene Ideen und Theorien haben, ändert ja nichts an seiner eigenen Leistung. Die Geisteswissenschaften berufen sich immer noch auf ihn, weil seine Leistung auch darin bestand, eine Kulturtheorie zur Verfügung zu stellen, die noch immer als Referenzpunkt dient.

Ich kann in dem, was ich von Freud gelesen habe (und ich habe es "nur" gelesen und nicht studiert und auch nicht sein Gesamtwerk im Regal), nichts Gefühlskaltes sehen; ich sehe eher einen Menschen, der in der Zeit, in der er gelebt hat, versucht hat, das menschliche Erleben zu erfassen und diese Disziplin überhaupt erst zu begründen.

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stern
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Beitrag Di., 28.03.2017, 19:12

Aber keine Psychotherapie (bzw. keine Entwicklung) bleibt bei ihren Anfängen stehen. Heute gibt es auch Smartphones... und es hat seine Gründe, warum man nicht die Rauchzeichen beibehalten hat. Ich habe keine Aversion... sondern sehe etwas höchstens nicht als nur gut an. Und habe auch Kritikpunkte (was ja oft so ist, dass etwas nicht nur gut ist). Und die habe ja nicht nur ich. Was spricht dagegen, das auch zu äußern. Und nicht zuletzt sind es oft Kritikpunkte, die dann zur Verbesserung bzw. Weiterentwicklung beitragen. Genauso sehe ich die klassische VT (in ihrer Urfassung... sprich: den Behaviorismus) in vielen Teilen kritisch... aber moderneren Strömungen kann ich etwas abgewinnen. Ich habe somit eher den Eindruck: Kritik an der klassischen Analyse ist unerwünscht. ;) Finde ich nicht nachvollziehbar... denn es gibt doch auch Analytiker, die an dem einen oder anderen Kritik üben... und versuchen, das (im Sinne des Patienten) zur Verbesserung zu nutzen. Und so können von einer psychoanalytische Therapie verschiedene Patiententypen profitieren, denen sie sonst verwehrt wäre... bzw. ohne Modifikationen bzw. ohne Auswahl eines geeigneten Ansatzes schaden würde.
Zuletzt geändert von stern am Di., 28.03.2017, 19:19, insgesamt 1-mal geändert.
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stern
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Beitrag Di., 28.03.2017, 19:18

isabe hat geschrieben: Di., 28.03.2017, 18:54Dass die Welt sich geändert hat und dass heutige Therapeuten eigene Ideen und Theorien haben, ändert ja nichts an seiner eigenen Leistung. Die Geisteswissenschaften berufen sich immer noch auf ihn, weil seine Leistung auch darin bestand, eine Kulturtheorie zur Verfügung zu stellen, die noch immer als Referenzpunkt dient.
In der Heilbehandlung geht es eher weniger darum, seine Leistung zu würdigen (die natürlich unbestritten ist), sondern darum, was der Heilung von Patienten dient (und dabei noch möglichst wirtschaftlich bzw. effektiv und effizient ist). Und ich traf lediglich Einschränkungen, dass manches nicht für jeden Patienten heilsam ist bzw. man manches auch kritisch sehen kann (mit Begründungen). Braucht ja niemand zu teilen.
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isabe
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Beitrag Di., 28.03.2017, 19:19

Du kannst es ja für dich kritisieren, aber du kannst ja nicht wissen, ob es für Andere noch Gültigkeit besitzt. Immerhin werden - wenn ich nicht irre - noch immer Analytiker nach Freud ausgebildet. Da hinkt auch der Vergleich mit den Rauchzeichen. Meiner Meinung nach widersprichst du dir, wenn du dich auf die Modifikationen beziehst - bzw. du stellst einen Widerspruch her, den es in der Praxis so kaum geben wird. Aber ich hab jetzt keine Zeit (und Lust) mehr, mich damit zu befassen.
Braucht ja niemand zu teilen
Eben. Und das darf dann auch gesagt werden.

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stern
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Beitrag Di., 28.03.2017, 19:27

na ja, du hast Dinge behauptet, die niemand geschrieben hat, wie:
Aber das ist es, was ich nicht verstehe: dass gesagt wird: "Wir müssen die Analyse nach Freud kritisch sehen, weil es doch bestimmt niemanden gibt, dem das guttut". -- Quelle: viewtopic.php?f=20&t=38797&start=30
Das hat ja auch niemand gesagt, sondern die Kritik war durchaus differenziert. ;) Es war nicht von "niemand" die Rede... und auch nicht von "alles" ist kritikwürdig (sondern ich habe ja konkrete Aspekte erläutert, die ich kritisch sah).

Und natürlich können Analytiker eine Analyse nach Freud anbieten - als Privatleistung (weil sie von den Kassen nicht als Heilbehandlung anerkannt ist... und die Wirksamkeit wird auch skeptisch beäugt... muss ich's belegen? Glaube ich nicht).

Wenn jemand behaupten würde eine klassische Psychoanalyse nach Freud als Kassenleistung zu absolvieren, ist es entweder keine oder der Therapeut erschleicht Leistungen (Kassenbetrug).

Eine Widerspruch sehe ich nicht, wenn ich sage, dass Kritikpunkte bzw. das Infragestellen mancher klassischer Theorie auch eine Triebfeder zur Weiterentwicklung "der Psychoanalyse" war (die es ja so gar nicht mehr gibt. Sondern mittlerweile zeichnet sich die psychoanalytische Psychotherapie, wie jedes Verfahren, durch verschiedene Strömungen aus, die einfließen bzw. zur Anwendung kommen können... z.B. die Objektbeziehungstheorie, usw. Was wäre Therapie ganz ohne sie, hmm). Und so hat man in der Heilbehandlung eine Öffnung für verschiedene Patiententypen und Störungen... wie bei anderen Verfahren auch (die versprechen vieles behandeln zu können).
Zuletzt geändert von stern am Di., 28.03.2017, 19:42, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag Di., 28.03.2017, 19:39

stern hat geschrieben: Di., 28.03.2017, 19:27 Und natürlich können Analytiker eine Analyse nach Freud anbieten - als Privatleistung (weil sie von den Kassen nicht als Heilbehandlung anerkannt ist... und die Wirksamkeit wird auch skeptisch beäugt... muss ich's belegen? Glaube ich nicht).
Es geht nicht darum, dass du die Kritik belegen musst, aber du musst es aushalten, wenn dir entgegenet wird, dass nicht jeder der Kritik zustimmt. Viele sehr gute und berühmte (was nicht immer dasselbe sein muss) Analytiker sind Freudianer und müssen sich permanent gegen Vorwürfe wehren, die nicht sinnvoller werden, wenn man sie ständig wiederholt (z.B. die Frage nach der Wirksamkeit).
Wenn jemand behaupten würde eine klassische Psychoanalyse nach Freud als Kassenleistung zu absolvieren, ist es entweder keine oder der Therapeut erschleicht Leistungen (Kassenbetrug).
Das behauptet(e) niemand. Trotzdem werden Analytiker, die nach Freud ausgebildet sind (ich habe zwei davon), eine Analyse nach Freud mit ihren Patienten machen, die sich von der klassischen Form logischerweise unterscheidet, die aber wesentliche (!) Elemente übernommen hat.

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stern
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Beitrag Di., 28.03.2017, 19:56

Es geht nicht darum, dass du die Kritik belegen musst, aber du musst es aushalten, wenn dir entgegenet wird, dass nicht jeder der Kritik zustimmt.
Tue ich ja. Ich habe ja auch nicht von jedem gesprochen. Ich weiß nicht, wie du darauf kommst, dass ich das nicht aushalten.
Viele sehr gute und berühmte (was nicht immer dasselbe sein muss) Analytiker sind Freudianer und müssen sich permanent gegen Vorwürfe wehren, die nicht sinnvoller werden, wenn man sie ständig wiederholt (z.B. die Frage nach der Wirksamkeit).
Und genauso gibt es gute Therapeuten, die keine Freudianer sind, was belegt: Es gibt mittlerweile verschiedene Strömungen (wie in anderen Verfahren auch). Ändert aber nichts daran, dass dass ein klassische Psychoanalyse nach Freud keine Kassenleistung ist.

Und persönlich will ich von einem Therapeuten (als Heibehandlung) auch nicht seine Überzeugung und Dogmen aufgedrückt bekommen, sondern eine wirkungsvolle Therapie.
Das behauptet(e) niemand. Trotzdem werden Analytiker, die nach Freud ausgebildet sind (ich habe zwei davon), eine Analyse nach Freud mit ihren Patienten machen, die sich von der klassischen Form logischerweise unterscheidet, die aber wesentliche (!) Elemente übernommen hat.
was dann aber keine klassische Analyse nach Freud mehr ist, sondern eine Fortentwicklung. Und natürlich wurde in die moderne Psychoanalyse manches übernommen - und manche Theorien wurde nicht übernommen, weil man es mittlerweile verworfen hat bzw. manches auch als schädlich ansieht. Ausgangspunkt war z.B. folgendes.. dass eine strenge Abstinenz nicht für jeden passend ist:
„Sucht die Libido in der Übertragung nur Lust und eine Lösung der Spannung nach den Modalitä-
ten, die der Aktivität jeder erogenen Zone angepasst sind, so Freuds Annahme, ist Frustration an-
gezeigt – sucht sie jedoch nach dem Objekt, wie Fairbairn und Balint annehmen, führt ein
abstinentes Verhalten des Analytikers zu einer Schädigung des Patienten.“ (S. 788)
...
Die radikale Kritik an der traditionellen Forderung nach der Einhaltung der Abstinenzregel
besagt also zusammengefasst, dass diese auf der Seite des Analytikers den therapeutischen
Dialog und die Beziehung entscheidend und alles in allem nachteilig verzerrt, indem sie
Feindseligkeit und heftige Konflikte erzeugen kann, die nicht so sehr ein Ausdruck der Patho-
logie des Patienten, sondern eher eine Folge der Haltung des Analytikers sind. Cremerius
(1984) kommt zu dem Schluss: „Was gestern bei Hysterien zum Schutz des Analytikers und
als Forschungsprinzip begründet schien, ist heute bei anderen Neuroseformen unbegründet
und schadet dem Patienten. Auch macht es die psychoanalytische Behandlungsmethode wir-
kungslos“ (S. 782). -- Quelle: viewtopic.php?f=20&t=38797&start=30
Ich glaube nicht, dass es von der Hand zu weisen ist, dass auch ungünstiges Therapeutenverhalten Probleme generieren kann, die weniger in der Pathologie des Patienten begründet sind als mehr in unpassendem Therapeutenverhalten. Wenn das nicht erkannt wird, wird eine Therapie zur neverending story. Also wenn ein Therapie Probleme generiert, die sie dann therapieren will.
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stern
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Beitrag Di., 28.03.2017, 20:24

Es ist doch eigentlich eher ein Vorteil, dass es Alternativen gibt, wenn sich abzeichnete, dass der historische Abstinenzbegriff einigen Patienten schadete...
8.5. Neutralität und psychodynamische Psychotherapie
Historisch gesehen hat die Entwicklung der Objektbeziehungstheorie der englischen (Fair-
bairn, Guntrip, Winnicott) und der ungarischen Schule (Ferenczi und sein Schüler Balint), die
sich besonders durch die Behandlung schwer gestörter Patienten hervortat, auch zu einem ver-
änderten Abstinenz- und Neutralitätsbegriff geführt.

In der Praxis wurde offensichtlich, dass die Einhaltung von Abstinenz und Neutralität sich als unzuträglich, unangebracht und teilweise schädigend auswirkte. Die klassische Couchlage wurde durch ein Gegenübersitzen ersetzt,
die Einstellungen der Abstinenz, Neutralität und Anonymität wurden relativiert. In dem Ma-
ße, in dem der Analytiker vom „spiegelnden“ zum „aktiven Analytiker“ (Thomä 1981) wurde,
verlor auch die Abstinenz-
Regel ihre theoriebestimmte Vormachtstellung. Der aktive Analyti-
ker wurde für den Patienten als Person sichtbarer als der spiegelnde Analytiker, er löste sich
aus der passiven Position, die er „klassischerweise“ einnehmen zu müssen glaubte. Die thera-
peutischen Grundeinstellungen orientierten sich insgesamt mehr an dem von Winnicott (1974)
beschriebenen holding und dem von Bion (1962) postulierten containing
http://www.diss.fu-berlin.de/diss/servl ... .pdf?hosts
Das sind ja auch keine no names, die diese Erfahrungen machten. Und das sollte ein Therapeut einschätzen können, welche Konzeption für den Patienten stimmiger ist... so dass eine passende und heilsame Therapie erfahren werden kann. Persönliche Präferenzen des Therapeuten sollten nicht ausschlaggebend sein. Sondern ist erster Linie: Nicht schaden... bzw. was heilsam ist.
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stern
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Beitrag Mi., 29.03.2017, 10:45

Neulich war ich bei einem, der in einem Interview davon erzählt hat, wie wichtig das Halten ist, und ich habe mir unter diesem Mann einen ganz liebevollen Therapeuten vorgestellt. Tatsächlich war seine Praxis total nüchtern, und auch er sagte: "Ich bin ein eher sachlicher Typ". Mein erster Therapeut und mein jetziger würden das Wort "Halten" niemals in den Mund nehmen (der erste hat das sogar von sich gewiesen), und dennoch spüre ich - vor allem in dieser Therapie - sehr viel Haltgebendes. Und seine Praxis ist auch viel liebevoller eingerichtet - mit Kernberg-Büchern im Regal... Ich glaube, wenn es dem Patienten gelingt, das Helfenwollen im Therapeuten zu erkennen, ist viel gewonnen.
Die klassische Analyse nach Freud, ist aber keine primär haltgebende... bzw. eine, die einem Therapeuten diese Haltung nahe legt. Sondern Freud beschreibt die Haltung des Analytikers eher als eine der Neutralität. Das waren erst spätere Strömungen, die die Bedeutung der Objektbeziehungen bzw. Holdings ausformulierten. Womit die Triebtheorie Freuds verlassen wurde... bzw. Gegenpositionen zu Freund entwickelt. AUCH DESWEGEN hat man die Therapien, die man heute hat (wie gesagt: Auch die VT blieb nicht bei den Wurzeln stehen).
In seinem Artikel mit dem prägnanten Titel Haß in der Gegenüber-
tragung spricht Winnicott offen die massive, negative Gegenübertragung an, die besonders in
der Arbeit mit Frühgestörten beim Analytiker auftreten kann. Er geht so weit zu verlangen,
dass dem Patienten dieser Hass in der Gegenübertragung des Analytikers mitgeteilt werden
muss, damit der Patient erfährt, was er in Beziehungen macht. Dies mag auf den ersten Blick
im Gegensatz zu dem von Winnicott geprägten Begriff des „holding“ stehen. Es ist nach
Winnicotts Verständnis aber Teil des „ausreichend guten Analytikers“, der ...
http://www.diss.fu-berlin.de/diss/servl ... itel_9.pdf
Und klar wäre viel gewonnen, wenn der Patient schon reif wäre... der Witz ist aber: Es ist einigen Störungen immanent, dass nicht immer erkannt werden kann, dass der Therapeut grds. helfen will (auch daher das Zitat). Und da braucht es dann alternativen. Freud hat natürlich die psychoanalytische Therapie geprägt. Aber nur weil das eine oder andere erhalten blieb, ist etwas nicht automatisch eine klassische Psychoanalyse nach Freud. Ich glaube, oft sind Therapien (nicht nur analytische) von vielen Strömungen und Fortbildungen geprägt, die der Therapeut absolvierte. Und selbst wenn man Patient mal Freud gelesen hat (und die eine oder andere Literatur) hat man nicht das Know How, wie er arbeitete. Als Fehler wäre aber definitiv anzusehen, wenn ein Therapeut erst durch sein Verhalten bzw. seine Haltung bzw. unpassende Interventionen Probleme schafft, die -wie ausgeführt- weniger mit der Pathologie des Patienten zu tun haben. Darauf sollte normal geachtet werden. Wenn sich ein Therapeut, wie montagne das ausführte, z.B. hinter der Abstinenz versteckt, so kann das ein Patient spüren. Und das ist anerkannt, dass man als Patient auch auf den Therapeuten reagieren kann. Und das kann daher für Irritationen beim Patienten sorgen. Das würde ich aber als hausgemachtes Problem ansehen. Und genau das wäre ja das Fatale: Wenn ein Fehler bzw. schlichtweg unpassende Interventionen als Störung des Patienten behandelt werden oder als solche verkauft werden. Das wird zur neverending story. Denn so schafft die Therapie ein Problem, dass sie dann analysieren und therapieren will - das aber nicht therapiert werden kann, weil die Ursache in einer unpassenden Vorgehensweise liegt. Wundert mich, dass diese Sichtwiese auf soviel Widerstand trifft. Denn mehr schrieb ich eigentlich nicht. Das setzt, so nehme ich an, viel Gespür, Wissen und Erfahrung voraus, einen Patienten in den Probesitzungen dahingehend einzuschätzen, was die passende Therapie ist. Im Zweifel würde ich sagen: primum non nocere.

Wenn ich Problem hätte, würde ich nicht mutmaßen, ob ein Therapeut freudianisch agiert oder sonst wie (worin aber sicher eine Unkompatibilität begründet sein kann. Also in einem unpassendem Konzept). Das dürfte Laien in den allermeisten Fällen unmöglich sein. Sondern würde die Schwierigkeiten benennen. Und schauen, was dazu gesagt wird. Teilweise ist es aber auch so, dass man in einer ambulanten manches selbst handlen können muss. Wie weit man bereits in der Therapie ist, spielt evtl. auch eine Rolle. Denn Abhängigkeit vom Therapeuten ist ja auch nicht das Ziel. Aber irgendwie wird sich der Therapeut schon äußern.
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Kaonashi
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Beitrag Fr., 31.03.2017, 11:11

Die Enkelin von Freud sieht ihn ja eher kritisch. Sie sagte mal, er sei einer der falschen Propheten des 20. Jahrhunderts gewesen.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-29274120.html

Hat es aber später ein wenig zurückgenommen:
http://diepresse.com/home/leben/mensch/ ... erz-geerbt
„Heute würde ich das nicht mehr so sagen.“ Das Alter mache sie milder.
Ich habe mich nicht so intensiv mit Freud beschäftigt. Soviel ich weiß gehen viele Vorstellungen auf ihn zurück wie das Konzept von Übertragung und Gegenübertragung, oder auch die Theorien zu Abwehrmechanismen. Diese halte ich größtenteils, soweit ich sie kenne, für sinnvoll und richtig. Ich finde es auch sehr sinnvoll, danach zu schauen, welche verborgenen Wünsche, Gefühle oder Erlebnisse aus der Vergangenheit hinter einem Verhalten oder einem Gedanken stecken können. Freud hat sich dann nur meiner Meinung nach auf einige Dinge zu sehr versteift und war nicht offen genug für andere Bedürfnisse. Es spielt nicht nur Sexualität eine Rolle im Leben eines Menschen, und es kann auch nicht alles mit Sexualität erklärt werden. Das kleine Kind begehrt nicht seine Mutter und Mädchen haben keinen Penisneid.
Wichtig sind auch gerade bei kleinen Kindern die Schutzbedürftigkeit, Zuwendung und Würde. Defizite/Verletzungen dort können Auswirkungen auf das ganze Leben haben, auch in sexueller Hinsicht.

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46765839.html
In diesem Artikel werden ziemlich gegen Ende z.B. sexuelle Perversionen so erklärt:
"Die Ablehnung der Mutter bedeutet Vernichtung. Um der Vernichtungsangst zu entkommen, dreht man sie schon als Kind um in etwas, was man beherrschen kann: Lust. Und an dieser Praxis bleibt man hängen."
oder
Ein Kind, das sich bei den Eltern nicht ausweinen kann, entdeckt das lustvolle Spiel mit Klitoris oder Penis als Selbsttröstungsmechanismus. In frühen Masturbationsphantasien werden dann verstörende Eindrücke aller Art sexualisiert und können zum Fetisch werden. Fortan lösen sie eine Art Kurzschluss aus, ein Hyperstimulationsgefühl, das davon ablenkt, dass man eigentlich Probleme hat.
Insofern, um mal wieder irgendwie halbwegs den Bogen zurück zum Thema zu bekommen, denke ich, dass eine analytische Therapie sehr sinnvoll sein kann, aber nur, wenn sie modern genug ist, dass sie nicht an überholten Dogmen festhält, sondern auch neuere Erkenntnisse zulässt und anwendet.

Mir ist aber nicht ganz klar, wo der Unterschied zu einer tiefenpsychologischen Therapie ist. Auch da wird doch nach verborgenen Wünschen, Bedürfnissen, Gefühlen und Erlebnissen aus der Vergangenheit und Gegenwart geforscht.

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