aus der Therapiestunde laufen

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Igelkind
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aus der Therapiestunde laufen

Beitrag Sa., 31.05.2014, 11:47

Hallo zusammen,

Seit knapp einem Jahr mache ich eine Traumatherapie bei einem Therapeuten wegen s MB in der Kindheit.
Ich vertraue dem Therapeuten sehr, und es ist die erste Therapie, wo ich das Gefühl habe, dass es wirklich etwas bringt und ich an meine Probleme ran komme.

Nun triggert es mich halt sehr oft in der Therapiestunde, da für mich allein der Umstand, mit einem Mann allein in einem Zimmer zu sein, eine Schwierigkeit ist.
Während dem ersten halben Jahr bekam ich sofort Krampfanfälle, wenn er irgendetwas verhängnisvolles (unabsichtlich) sagte, oder das Gespräch schon nur in die Nähe kam von Dingen, die mir sehr schwer fallen nur schon zu denken, und ich musste mich hinlegen und warten, bis die Krämpfe weg gingen.
Da konnten wir dann jeweils nicht mehr viel machen.
Er gibt sich sehr Mühe, mich nicht zu triggern, aber es passiert halt doch immer wieder, und manchmal sind es auch nur meine eigenen aufsteigenden Gefühle, die mich umhauen, ohne dass er viel macht.

Nun konnte ich seit einiger Zeit dazu übergehen, dass ich, statt Krampfanfälle zu haben, ihn weg schicke, oder ihn beschimpfe usw. wenn es mir zuviel / zu nah kommt.
Das reicht jedoch nicht aus, und ich verspüre manchmal stark den Drang, aus dem Zimmer zu laufen und mich im Klo einzuschliessen, wie ich das halt früher gemacht habe.
Das bringt uns beide in ein Dilemma, weil ich das selbst eigentlich nicht will (andere Patienten die draussen warten, könnten das mitbekommen) und er, weil er sagt, er müsste mir nachgehen, da ich dann ja in einem speziellen Zustand bin, aber das würde dann für mich alles noch verschlimmern, das versteht er auch.
Also den Impuls unterdrücken?

Bis jetzt stand ich erst einmal bei der Tür und er blieb zum Glück sitzen und konnte mich überreden (und ich mich selbst auch), wieder Platz zu nehmen.
Das letzte Mal habe ich ihn für 5 Minuten raus geschickt, aber es nützte nicht mehr so wie früher (weil ich die Angst mehr zulasse?), und ich hab mich im Zimmer verkrochen und verbarrikadiert, als er wieder zurück kam.
Das Zimmer fühlte sich an wie eine Falle, aber es ist mir im Nachhinein bewusst, dass nur ein Kindanteil von mir solche Angst hat, und die nichts mit der Realität zu tun hat.

Ich selbst habe eigentlich das Gefühl, ich mache Fortschritte. Nach den Krampfanfällen ging es mir jeweils fast 30 Stunden schlecht (Flashback), jetzt nur noch ein paar. Suizidgedanken habe ich nur noch ganz selten, Medis brauche ich keine mehr.

Hat jemand Erfahrung mit Krampfanfällen? und wie seht ihr das mit dem (kurzfristigen) Verlassen des Therapiezimmers? Es ist ja schon etwas seltsam, wenn ich den Therapeuten immer mal wieder für 5 Min raus schicke... aber es hat mir jeweils sehr geholfen, mich zu erholen.

Vielen Dank für Eure Antworten

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candle.
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Beitrag Sa., 31.05.2014, 11:53

Hallo Igelkind!

Bei deinem Hintergrund wäre es womöglich besser eine weibliche Therapeutin aufzusuchen. Dauertrigger und entsprechende Maßnahmen sind wohl kaum Sinn einer Therapie. Du brauchst ja gewissermaßen einen Schutzraum zur Genesung.

Könntest du/ würdest du wechseln wollen?

Viele Grüße!
candle
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peppermint patty
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Beitrag Sa., 31.05.2014, 14:13

Moin Igelkind,

mit Krampfanfällen habe ich keine Erfahrungen, aber mit schweren "dissoziativen Anfällen", Schwindel und Panikattacken. Einmal allerdings habe ich einmal ein starkes körperliches Erzittern erlebt - eine sehr heftige neuronale Entladung. Wir arbeiten mit SE. Danach war ich so okay, dass ich im Nebenzimmer fast zwei Stunden auf einer Couch ausruhen/pennen musste, um überhaupt wieder nach Hause gehen zu können. Das meinst Du aber nicht, oder?

In meiner ersten Therapie bin ich bestimmt 30-50 mal früher abgehauen. Oft schon nach fünf Minuten. Aber ganz abgehauen - also nach Hause. Das lag daran, dass meine alte Therapeutin mich ebenfalls schwer getriggert hat und davon sprach ICH sei aggressiv. Dabei konnte ich den lieblosen Umgang mit ihr nicht ertragen.

In meiner jetzigen Traumatherapie ist es so - das ganz Vieles erlaubt und erwünscht ist. Dazu gehört auch zu entscheiden wo ich sitzen mag, was den Raum verlassen soll, ob meine Therapeutin oder ich den Raum verlassen soll/will. All das ist okay. Es ist sogar erwünscht, weil ich erspüren soll was für mich hilfreich ist. Und wenn es für Dich hilfreich ist aufs Klo zu rennen - warum nicht? Du hast ein Recht dort in Ruhe wieder etwas herunter zu kommen. Vielleicht könnt ihr eine Zeit vereinbaren, ab wann er evtl. nachschauen kommt. Denn das wäre mir auch nicht recht, dorthin "verfolgt" zu werden. In dieser Zeit könntest Du zurück kommen.

Ich denke auf die anderen Klienten brauchst Du nicht zu schauen - die haben ihre eigenen Probleme - sonst wären sie nicht dort.


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Igelkind
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Beitrag Sa., 31.05.2014, 20:45

Danke für Eure Antworten!
@candle: zuvor hatte ich 3 weibliche Therapeutinnen, aber da kam ich nicht weiter mit meinen Problemen. Ich konnte immer so weit ablenken vom Thema, dass das Gespräch immer nur an der Oberfläche blieb und ich irgendwann die Therapie abbrach, weil ich das Gefühl hatte, ich hab ja gar kein Problem. Ausserdem hatte ich zu diesem Therapeuten von Anfang an mehr Vertrauen, obwohl ich ihn mir eigentlich nicht selbst ausgesucht habe. Meine letzte Therapeutin hat mich zu ihm geschickt, weil sie mit mir nicht weiter kam.

Ich finde es auch etwas anstrengend mit diesen Reaktionen dauernd, aber bevor ich zu diesem Therapeuten kam, hatte ich auf der linken Körperseite eine dauerhafte Verspannung über Jahre, die mich fast nicht mehr schlafen liess, und im Kiefer / Nackenbereich hat sich ein Nerv eingeklemmt, das war auch nicht angenehm. seit ich diese Therapie mache, sind meine körperlichen Beschwerden und anderes wie eben Suizidgedanken fast ganz verschwunden, deshalb möchte ich eigentlich da weiter machen.
Auch empfinde ich diesen Therapeuten als sehr viel zuverlässiger, einfühlsamer und fürsorglicher als die Frauen.
Und manchmal habe ich das Gefühl, wenn ich wieder so einen Absturz hatte, dann weiss ich wieder, weshalb ich in der Therapie bin...
Ich beginne sonst sehr schnell von anderem zu reden, den Therapeuten zu therapieren oder sonstwie abzulenken. Meine körperlichen Reaktionen zwingen mich jetzt halt, an dem Zeug zu arbeiten. Aber es wird eigentlich ständig etwas leichter.

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Igelkind
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Beitrag Sa., 31.05.2014, 21:06

@peppermint patty:
Ja, das was ich habe sind dissoziative Krampfanfälle, vielleicht etwas ähnliches, wie du beschreibst. Anfangs war es so schwer, dass ich auch noch eine Zeit brauchte, um mich zu erholen und nach Hause zu gehen. Komischerweise kamen die dazugehörigen Emotionen erst ein paar Stunden später, dafür dann ziemlich heftig.
Was ist SE? Mein Therapeut wollte mit mir EMDR machen, aber das verursachte dann vor allem die Krampfanfälle und wir hörten damit auf.

Das kann ich verstehen, dass du bei so einer Therapeutin gleich wieder nach Hause gegangen bist! Es wundert mich nur, dass diese sich anscheinend keine Gedanken machte, ob ihr Verhalten ev. die Ursache sein könnte? Mein Therapeut macht auch Fehler, aber die gesteht er auch ein. Einen lieblosen Umgang, darauf könnte ich auch verzichten. Das ist gut, hast du einen Therapeutenwechsel gemacht.

Was du noch geschrieben hast, tut mir gut, da ich keinen Vergleich habe sonst, und bei meinem jetzigen Therapeuten auch viel mehr erlaubt und erwünscht ist, als in den Therapien, die ich vorher gemacht habe. Ich empfinde es auch sehr hilfreich, meine Bedürfnisse spüren, äussern und im gegebenen Fall auch nachgehen zu können. Wie ich mich hinsetze sagt dem Therapeuten auch schon sehr deutlich, wie es mir heute so geht. Das macht vieles einfacher.

Ich brauche glaub einfach die MÖGLICHKEIT das Zimmer verlassen zu können Wenn er mir das verbieten würde, dann ginge es mir schlecht. Ich muss dann halt mich selber soweit beruhigen, dass ich die Möglichkeit nicht nutze, oder halt, wie du sagst, 5 Min auf dem Klo und dann wiederkommen.
Wegen den anderen Patienten... ich habe mehr Angst, dass ich den Therapieprozess vom Zimmer auf den Gang und die Toilette verlagere, wenn nicht gar auf die Strasse, da ich in diesen Zuständen wie ein 6 jähriges Kind denke und handle und quasi nicht ganz bei mir bin.

Was mich noch interessieren würde:
Als du dann aus der Therapiesitzung davon gelaufen bist, warst du da wütend?
Und hat die Therapeutin dich nicht zurückzuhalten versucht?


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Igelkind
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Beitrag Sa., 31.05.2014, 21:26

Liebe Candle,

Du schreibst, Dauertrigger und entsprechende Massnahmen seien wohl kaum der Sinn einer Therapie.
Da ich niemanden kenne, der eine ähnliche Therapie macht, und bei mir vorher zwar alles ohne Trigger ablief, dafür (fast) keine Fortschritte zu verzeichnen waren, dachte ich, das muss halt so sein. Ganz ohne wird es wohl nicht gehen, besonders da ich ja auch auf meine inneren Abläufe reagiere, wenn der Therapeut ein bestimmtes Thema anspricht, was ja auch bei jemandem vom anderen Geschlecht passieren würde?

Oft schon sobald ich körperlich entspanne, bekomme ich einen Krampfanfall. Wobei das jetzt eben nicht mehr so schlimm ist wie anfangs. Die EMDR Stabilisierungsübungen gingen mit mir nicht mal richtig, geschweige denn Konfrontation, das haben wir nur 1x probiert. Nach 3x hin und her krümmte ich mich bereits auf dem Stuhl und erschlaffte dann plötzlich für ca. 10 Min. Dabei habe ich die Stabilisierungsübungen noch schön gefunden (sicherer Ort).

Es braucht bei mir so unglaublich wenig, und obwohl ich meinem Therapeuten alle Sätze und Bewegungen usw. aufgeschrieben habe, die mich triggern, steht er immer mal wieder auf eine Mine drauf. Aber wie gesagt, nicht mehr so oft, er gibt sich sehr Mühe.
Ich bitte ihn immer wieder darum, die Trigger zu neutralisieren, aber irgendwie will er nicht, ich weiss nicht warum. Das kann man doch oder?
Oder müsste man das auch mit EMDR machen?

Das sind jetzt etwas viele Fragen... freue mich jedenfalls über Antwort

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candle.
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Beitrag Sa., 31.05.2014, 21:43

Liebe Igelkind!

Ich mache ja auch Traumatherapie, deshalb kann ich mir das recht gut vorstellen was da bei dir abläuft. Wenn das für dich eine gute Maßnahme ist rauszugehen, dann tue es. Ich hätte mich wohl längs gelegt, deshalb war es für mich besser durch die Therapeutin stabilisiert zu werden. Das hat bestimmt gut ein Jahr gebraucht bis ich relativ normal dort in Therapie sitzen konnte ohne Panikattacken.
Igelkind hat geschrieben: und bei mir vorher zwar alles ohne Trigger ablief, dafür (fast) keine Fortschritte zu verzeichnen waren,
Und wenn nun genau das der Fortschritt war?
ich ja auch auf meine inneren Abläufe reagiere, wenn der Therapeut ein bestimmtes Thema anspricht, was ja auch bei jemandem vom anderen Geschlecht passieren würde?
Ja, mag sein, aber da wurde eben nur stabilisiert und kein Thema angesprochen.
Die EMDR Stabilisierungsübungen gingen mit mir nicht mal richtig,
Ja, das kann gut sein, soll ja nicht bei jedem funktionieren. Aber das ist ja an sich auch keine Stabilisierungsübung, sondern Traumaverarbeitung.
Ich bitte ihn immer wieder darum, die Trigger zu neutralisieren, aber irgendwie will er nicht, ich weiss nicht warum. Das kann man doch oder?
Oder müsste man das auch mit EMDR machen?
Ja, das könnte man mit EMDR machen, wird aber sehr langwierig.

Es ist jedenfalls eine sehr komplexe Angelegenheit und sehr schwer dazu etwas zu sagen. Manchmal wird ja auch nur stabilisiert ohne jemals ein Trauma anzupacken. Vielleicht wäre das ja der bessere Weg?

Viele Grüße!
candle
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peppermint patty
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Beitrag Sa., 31.05.2014, 22:01

Liebe Igelkind,

zunächst, ich glaube Dein Therapeut ist wirklich sehr bemüht Dir zu helfen. Und auch sehr fürsorglich. Allerdings kann er die Trigger nicht neutralisieren, sondern nur Du. Er kann nur Skills mit Dir einüben, damit Dich manche Situationen nicht mehr triggern. Wichtig dabei finde ich dennoch, dass er versucht Dich nicht zu triggern. Und das tut er. Das ist schon sehr viel wert!!

SE steht für Somatic Experiencing von Peter Levine, eine Theorie und Methode, die davon ausgeht, dass Traumata im Körper, also im Nervensystem und in bestimmten Hirnregionen gespeichert werden. Um den traumatischen Stress und der damit gebundenen Energie im Nervensystem zu verringern, bedient sich der Körper einer normalen Funktion, die wir Menschen aber zum Teil bereits verlernt haben - dem Zittern (google mal). Vielleicht sind Deine Krämpfe solche Anfälle - dann allerdings ist dies ein Zeichen deiner Gesundung. Obwohl dieses Zittern nicht angenehm ist und mir mal eine nichtswissende Thera sagte : wollen sie das? weiss ich heute, dass dieses Zittern Teil meiner Integration meiner Traumatischen Erfahrungen ist. Aber wie gesagt ich weiss nicht ob es dasselbe bei Dir ist.


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Igelkind
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Beitrag Sa., 31.05.2014, 22:05

@ Candle
Vielen dank für deine ausführliche Antwort.
ja, das habe ich auch schon gelesen, dass man halt manchmal nicht über die Stabilisierungsphase hinaus gehen kann. Aber ich hoffe immer noch, dass ich das alles ganz hinter mich bringen kann, ein für allemal. Das wäre mein Wunsch. Und es geht halt, was geht.
Vorher habe ich in der Therapie einfach ein bisschen geredet. Jetzt lerne ich, mit meinen Gefühlen klar zu kommen, meinen Körper wieder zu fühlen, meine geheimsten Gedanken auszusprechen, und meine eingeschlossenen Selbstanteile dürfen endlich leben. Das gibt mir sehr Hoffnung.

Für dich und deine Therapie alles gute! Ich bewundere jeden, der das durchmacht.
Lieber Gruss
Igelkind


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Igelkind
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Beitrag Sa., 31.05.2014, 22:13

Liebe peppermint patty

Vielen Dank für deine Antwort, ich habe von diesem zittern (oder sich schütteln nach einer angespannten Gefahrensituation) schon gelesen, und ich habe es schon erlebt am Körper. Besonders klappern mir dann auch die Zähne und der Körper bebt, und es fühlt sich eigentlich gut an.

das andere, die Krampfanfälle sind mehr ein sich ruckartiges Zusammenziehen des ganzen Körpers. Je gestresster ich werde, desto starrer bleibt der Krampf, und im Extremfall (nur 1x passiert) katapultiert es mich aus dem Körper. Ich hänge dann neben mir in der Luft, ohne Körper, ohne Gefühle, Zeit und Gedanken. Das ist voll friedlich, aber natürlich nicht erstrebenswert.

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Wandelröschen
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Beitrag So., 01.06.2014, 21:35

Hallo Igelkind,
So ein paar Gedanken von unsereins für dich:

Sometimes the best woman for s job is a man !!!
Hatten wir eben erst in einem anderen Thread geschrieben, ja, diese Erfahrung hat unsereins gemacht. Bei unserem jetzigen männlichen Thera ging es in Siebenmeilenstiefeln voran, und das, wo er noch nicht mal Trauma-Thera ist.

Trigger:
Auch bei mir triggerte irgendwann alles Mögliche (und unmögliche). Auch total „harmlose“ Situationen. Erst war er auch auf dem Tripp: Stabilisierung, Stabilisierung, Stabilisierung, Trigger entschärfen, Umgang damit zu lernen …
Aber Trigger sind sehr variable, es können – wie bei mir und so wie ich es bei dir lese – auch immer wieder neue dazukommen, alles und jedes kann triggern.

Stabilisierung:
Viele Theras bleiben da hängen, meinen, dass es das Beste sei, das/die Tauma/Traumata da zu lassen, wo sie sind und den Patienten ewig zu stabilisieren, Skills an die Hand zu geben, damit einigermaßen klar zu kommen (wollte gerade schreiben: zu leben, aber Leben ist was anderes) und bekannte Trigger zu umgehen/entschärfen.
Unsereins ist inzwischen zu der Erkenntnis gelangt (ganz persönlich unsere Meinung, nichts allgemeingültiges), das das nicht immer für den Patienten zweckdienlich ist, sondern in erster Linie für den Thera. Denn wenn der sich wirklich zu nah darauf einlässt, was Menschen Menschen antun, und das muss er ja in irgend einer Weise, wenn er sich mit dem Patienten dem Trauma nähert, dann kann das für ihn durchaus auch traumatisierend sein (sekundäres Trauma), wenn er nicht entsprechend den Arsch in der Hose hat. Es kann das Weltbild des Theras zusammenbrechen.

Raum/Zufluchtsort:
Bei meinem jetzigen Thera haben wir auch immer geschaut, dass ich jeder Zeit für mich die Möglichkeit hatte, an einen realen sicheren Ort zu fliehen, wenn es zu viel wurde. Und wenn es, wie pp schrieb, das Klo ist, dann ist es das Klo. So´ne Zeit mit Nachfragen ist durchaus sinnvoll.
Oder so´ne Ecke hinter dem Sofa/Schreibtisch/Regal, die nicht so direkt einsehbar ist? Vielleicht mit Decke/Kissen. Alles, was stört, aus dem Zimmer verbannen.

Zeit:
Inzwischen sind wir am Ende unserer Therapie angelangt, haben jetzt noch den Freiraum (und sehen es als Luxus an) in Ruhe mit ihm über die Therapie zu reflektieren. Es ist uns aufgefallen, dass er erstaunlicher Weise sehr oft direkt nach uns keinen weiteren Patienten hatte. Jetzt haben wir nachgefragt und er hat zugegeben, dass er es bei uns bewusst so nach Möglichkeit gemacht habe, sowohl, dass er flexibel reagieren konnte, je nachdem, wie die Stunde verlief. Er wollte, dass unsereins immer gut aufgestellt die Praxis verließ und nicht eins der Kinder. Und er sagte auch, dass er manches Mal die Zeit auch für sich brauchte, sich wieder zu sammeln und in einen passenden Arbeitszustand für den nächsten Patienten zu kommen.

Ach ja, EMDR hat der unsrige nicht gemacht.

@ peppermint patty,
peppermint patty hat geschrieben: Um den traumatischen Stress und der damit gebundenen Energie im Nervensystem zu verringern, bedient sich der Körper einer normalen Funktion, die wir Menschen aber zum Teil bereits verlernt haben - dem Zittern (google mal). (…) Obwohl dieses Zittern nicht angenehm ist (…) weiß ich heute, dass dieses Zittern Teil meiner Integration meiner Traumatischen Erfahrungen ist.
Boa, da muss unsereins jetzt mal drüber nachdenken/Infos ran holen, das kennen wir selber, konnten es bislang nur noch nicht einordnen. Danke für die neue Info.
Gruß
Wandelröschen

Wann, wenn nicht jetzt. Wo, wenn nicht hier. Wer, wenn nicht ich.


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Igelkind
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Beitrag Mo., 02.06.2014, 05:46

Liebe Wandelröschen, vielen vielen Dank, was du schreibst, kommt mir so bekannt vor!

Du scheinst auch einen Therapeuten zu haben, der sich da voll mit dir rein hängt.
Mir kam das Anfangs etwas seltsam vor, aber es war bald klar, dass es anders gar nicht ginge. Ohne sein grosses Engagement könnte ich mich nicht so einlassen.

Was du über das Stabilisieren schreibst, sehe ich auch so, und wir haben es in der Therapie auch besprochen, ob er dazu bereit ist, soweit ran zu gehen, wie ich das brauche.
Für mich war das ja Normalität, auch wenn ich spürte, dass es ganz und gar nicht gut ist, und ich möchte endlich darüber sprechen können!
Es verlangt schon viel von ihm ab. Aber er ist bereit, und ich kann mich 120% auf ihn verlassen.

Und dass ihr das auch so seht, dass ein realer sicherer Ort wichtig ist für einzelne, das beruhigt mich.
Ich dachte immer, ich sollte es mit reiner Vorstellungskraft schaffen, aber ich muss gewisse Dinge einfach real erleben.
Im Zimmer habe ich eigentlich meine sicheren Ecken, das ist gut.

An manche (Kind-) Teile in mir komme ich gar noch nicht selber ran, und die können sich nur in der Aktion mit dem Therapeuten bemerkbar machen.
Dann wird es einfach plötzlich sehr real. Aber wenn mein innerer Kontakt zu den Teilen dann besser möglich ist, lässt das hoffentlich etwas nach.

Hey das tönt so positiv bei dir! Das stellt mich auf.
Darf ich dir vielleicht per PN ein paar persönliche Fragen stellen?

Liebe Grüsse
Igelkind

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peppermint patty
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Beitrag Mo., 02.06.2014, 07:28

Wandelröschen hat geschrieben: Es ist uns aufgefallen, dass er erstaunlicher Weise sehr oft direkt nach uns keinen weiteren Patienten hatte. Jetzt haben wir nachgefragt und er hat zugegeben, dass er es bei uns bewusst so nach Möglichkeit gemacht habe, sowohl, dass er flexibel reagieren konnte, je nachdem, wie die Stunde verlief. Er wollte, dass unsereins immer gut aufgestellt die Praxis verließ
Hey Wandelröschen, dass ist ja interessant. Das ist bei mir genauso. Sie sagte mal zu mir, dass sie für Traumatherapie Doppelstunden geeigneter hält und ich mir überlegen sollte meine Therapie so einzurichten. Dann sei sie allerdings schneller vorbei. Danach haben wir nie wieder darüber gesprochen, aber meine Stunden dauern immer so zwischen 70 - 120 Minuten. Ich werde auch immer so stabil wie möglich - wie es halt bei Trauma möglich ist - entlassen. Manchmal denke ich sie ist ein bisschen wie eine Mama zu mir.

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peppermint patty
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Beitrag Mo., 02.06.2014, 08:05

Igelkind hat geschrieben: Und dass ihr das auch so seht, dass ein realer sicherer Ort wichtig ist für einzelne, das beruhigt mich.
Ich dachte immer, ich sollte es mit reiner Vorstellungskraft schaffen, aber ich muss gewisse Dinge einfach real erleben.
Im Zimmer habe ich eigentlich meine sicheren Ecken, das ist gut.
Ich glaube auch, dass es darum geht real zu erleben - vor allem Sicherheit und Schutz. Und das alles / alle da sein dürfen. Das ist mir auch ganz wichtig. Von daher ist es mMn eher die Frage erlaube ICH mir das jetzt heute, mir den sicheren Platz zu nehmen? Geboten bekomme ich ihn. Ich zB erstarre oft, wenn ich mal etwas ausprobieren soll/darf, weil kleinste Veränderungen schon triggern können.
Igelkind hat geschrieben: An manche (Kind-) Teile in mir komme ich gar noch nicht selber ran, und die können sich nur in der Aktion mit dem Therapeuten bemerkbar machen. Dann wird es einfach plötzlich sehr real. Aber wenn mein innerer Kontakt zu den Teilen dann besser möglich ist, lässt das hoffentlich etwas nach.
Das ist bei mir leider auch so - und dieses Anteile sind manchmal so gar nicht nett zur Therapeutin Ist aber mit zunehmenden Vertrauen schon besser geworden. Ich habe Kuscheltiere, die meine inneren Anteile symbolisieren, nur über denen ist mir der Kontakt nach innen möglich. Und nun habe ich vor ca zwei Wochen ein Kuscheltier in ihrer Praxis gelassen. Dieser Anteil ist sehr kontaktfreudig und neugierig (wenn auch anderweitig traumatisiert) und ich bin so stolz darauf das gemacht zu haben - das klingt jetzt super infantil - hat aber für mich eine große Bedeutung. Es steht für mich dafür, dass ich Vertrauen und eine gute Beziehung aufgebaut habe. Meine anderen Kuscheltiere / Anteile könnte ich allerdings noch nicht dort lassen. Die sind nicht so zutraulich.

Ich würde mir langfristig wünschen, wenn ich es ohne Kuscheltiere schaffe nach innen zu spüren, aber ehrlich gesagt habe ich davor NOCH zu viel Angst.


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Igelkind
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Beitrag Mo., 02.06.2014, 20:09

@peppermint patty
Das finde ich super, wie du für dich Lösungen gefunden hast mit den Kuscheltieren. Und was du beschreibst, ist überhaupt nicht infantil! Bitte sei einfach nur stolz darauf, denn ich bin es auch, wenn ich irgend einen Weg gefunden habe, mir selbst zu helfen, mich weiter gebracht habe.

Mein Therapeut hat mir bald einmal einen kleinen Bären geschenkt, den ich mit nach Hause nehmen konnte, weil ich zuvor Tag und Nacht mit dem Handy herum lief, da dies mein einziger Kontakt zu ihm zwischen den Stunden symbolisierte. So konnte ich das Handy gegen den Bären tauschen, und dieser sagte mir dann ins Ohr, dass ich nicht allein bin, jemand sich um mich kümmert, ich jetzt in Sicherheit bin usw. wie infantil wäre das denn? Aber ich hab ab da so viel besser geschlafen, und der Bär hat mich aus manchem Tief geholt, ohne dass ich den Therapeuten behelligen musste.

Ja, die Kinderanteile... ich komme mir manchmal vor wie eine Grossfamilie, und jeder will was anderes... Der Therapeut hat auch alle Hände voll zu tun.

Heute habe ich in der Therapie übrigens die Bitte geäussert, dass ich mich bei Bedarf bitteschön 5 min im Klo einschliessen darf, ohne dass er mir nach kommt.
Mein Therapeut war sofort einverstanden, und im verlauf der Sitzung hatte ich dann gar kein Bedürfnis, hinaus zu gehen.
Er hat sich aber auch verhalten, als hätte er eine Schachte Valium verschluckt, um mich nicht wieder so zu erschrecken.

Liebe Grüsse
Igelkind

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