Psychotherapie hilft nicht

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

mio
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Beitrag Fr., 25.09.2015, 23:20

Hallo CrazyChild, hallo Sheldon,
CrazyChild hat geschrieben: Natürlich sollten die Theras von Zeit zu Zeit Supervision machen, aber das machen eben auch nicht so viele, wie ich aus Erfahrung weiß.
das ist etwas, was ich auch begrüßenswert fände. Zum Wohle des Patienten. Es wundert mich auch, dass das keine "Pflicht" ist. (Meine Thera macht das nach eigener Aussage regelmässig - was ich wohl auch schon im Umgang bemerkt habe - und vielleicht wäre das ein gutes Kriterium um festzustellen, wie professionell jemand arbeitet.) Ebenso wie ein gewisses Mass an Fortbildung Pflicht sein sollte, meiner Meinung nach. Damit wäre zumindest schon mal ein wenig "Qualitätssicherung" gewährleistet. Wie sich dies anders realisieren liese, wüsste ich nicht. Es gibt ja bereits Möglichkeiten sich zu beschweren und Missstände zu melden und ich denke auch, dass Therapeuten, über die sich mehrfach beschwert wurde, geprüft werden.

Nur leider ist es eben auch eine Tatsache, dass es Menschen mit völlig falschen Vorstellungen/überzogenen Erwartungen/extrem schräger Wahrnehmung gibt. Und um das zu wissen, muss ich kein Therapeut sein, da reichen mir meine "privaten" Erfahrungen. Das auseinander zu dividieren ist wohl schwer in einem Bereich in dem die "Intimsphäre der therapeutischen Beziehung" mit zum wertvollsten Gut und Werkzeug gehört.

Ich persönlich stehe auf dem Standpunkt, dass ein Mensch auch bereit sein muss sich selbst helfen zu wollen, damit ihm überhaupt geholfen werden kann. Und wenn ich mir wirklich selbst helfen will (und weiss, dass DAS meine Verantwortung ist), dann suche ich mir auch (im Zweifel halt andere, so die eine nichts bewirkt) passende(re) Hilfe. Wenn ich allerdings darauf hoffe und warte, dass jemand von außen "das schon für mich machen wird", die Hilfe bitte möglichst immer "perfekt" funktionieren soll für mich, dann wird es für meine Begriffe schwierig. Eine Therapie ist nun mal kein Sonntagsspaziergang sondern harte eigene Arbeit.

In diesem Zusammenhang hier finde ich es schade, dass Du Sheldons aufkommende Zweifel schürst, anstatt nachzufragen oder ihr Mut zu machen. Damit packst Du Deine negativen Erfahrungen/Deine negative Haltung Therapie gegenüber auf ihre erst einmal "normal ungewisse" Situation, so wie ich die Eingangsbeiträge gelesen habe. Und ich weiss einfach echt nicht, was das jemandem bringen soll, der eh schon nicht so recht weiss...

Alles, was ich gelesen habe in Bezug auf Sheldons Erleben in der/den Therapien würde ich nicht als einen Hinweis auf eine schädigende oder von Therapeutenseite missbräuchliche Therapie werten sondern als Teil eines ganz normalen therapeutischen Prozesses.

Von daher auch von mir ein: Sheldon, lass Dich nicht entmutigen. Innere Zweifel sind normal, gehören quasi dazu. Du musst auch nicht alles machen, was ein Therapeut/einen Therapeutin Dir sagt und so Du Dich mit etwas nicht wohl fühlst, solltest Du das in der Therapie aus-/ansprechen dürfen/lernen. Kann eine gute Übung sein . Falls DAS allerdings nicht der Fall sein sollte (also dass Du das aus-/ansprechen darfst), dann kannst Du immer noch anfangen zu zweifeln, denn dann würde eventuell tatsächlich was schief laufen. Probiers doch einfach mal aus, so Dir das möglich ist.

Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass Du über traumatische Erlebnisse "unbeteiligt" sprechen kannst, sondern es spricht eher dafür, dass Du die dazu gehörigen Gefühle abgespalten hast. Eine Chance in der Therapie für Dich wäre vielleicht, an diese Gefühle ranzukommen/sie zuzulassen zu lernen. Aber sowas kann leider echt dauern und braucht meist Geduld.

Vielleicht könnte es Dir helfen die Frage, ob und wie Dir das "Gequatsche" überhaupt helfen kann mal in der Therapie zum Thema zu machen? Damit hättest Du doch einen ganz guten Einstieg und könntest Dich gemeinsam eventuell ein wenig annähern "an Dich".

Lieben Gruss,

mio

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Widow
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Beitrag Sa., 26.09.2015, 00:49

Zwischen den beiden Polen "Der Patient muss an sich arbeiten wollen, dann hilft Psychotherapie (garantiert)" und "Eine 30%-Rate von scheiternden Psychotherapien besagt, dass es nicht (vorrangig) am Patienten liegt, wenn eine Psychotherapie scheitert" - zwischen diesen beiden Polen gibt es meiner Ansicht nach eine Menge Spielraum.
Der, so scheint mir, droht hier gerade (wieder einmal) in Vergessenheit zu geraten.

Niemandem ist wohl damit geholfen, wenn ihm - jeweils aus persönlicher "Betroffenheit" heraus - entweder gesagt wird, dass das Scheitern von Psychotherapie daran liege, dass der Patient nicht hinreichend "willig" sei, oder wenn ihm gesagt wird, dass lt. Studienlage ein knappes Drittel aller Psychotherapien scheitere und ein Patient, dem es so ergeht, keine pder kaum Verantwortung dafür trage, weil bereits die schiere Masse gegen eine solche Patientenverantwortung spreche.

Mir sind diejenigen, die den "Du musst nur wollen"-Pol besetzen, deutlich unsympathischer als diejenigen, die den "ich fühle mich gescheitert und suche in Statistiken Trost"-Pol einnehmen (das dürfte hier niemanden überraschen ). Doch ich denke insgeheim, dass die ersteren (sofern sie noch in Therapie sind, und das ist hier meistens der Fall) vielleicht mehr von meinem Mitgefühl verdient haben könnten, da sie womöglich deshalb so starkes Geschütz auffahren müssen, weil sie noch in Therapie sind und nicht wissen, welches Ende dieses Risiko-Unternehmen nehmen wird.
- Von anderen zu hören, dass es ein übles Ende nahm, schürt Angst und löst eventuell diesen argumentativen Reflex des "Du hast nicht kräftig genug gewollt" aus (was natürlich nicht so, sondern positiv als "man muss nur wollen" formuliert wird).

Wie auch immer - dass das ganze Spektrum zwischen diesen Polen nicht in Vergessenheit gerät, würde ich mir wünschen, auch in dieser Diskussion hier.
Diese Überlegung von Candykills (mit dem Rest des postings kann ich nichts anfangen, aber das macht nichts) beschreibt eine (flexible) Position aus diesem Spektrum sehr schön, wie ich finde:
Candykills hat geschrieben:Ich empfinde sie also trotz aller Nebenwirkungen (und die sind nicht grade gering) als hilfreich. Nur die Erwartung irgendwann mal völlig gesund aus diesem Schlamassel herauszukommen, habe ich inzwischen verworfen. Aber ist das dann auch wirklich mit einem Scheitern der Therapie gleichzusetzen? Ich finde nicht.
Und andere hier haben weitere fließende Bereiche auf der "Skala" zwischen den beiden Polen umrissen.
Danke dafür!

Widow

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CrazyChild
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Beitrag Sa., 26.09.2015, 08:56

OT:

@mio - ich fand Deinen letzten Beitrag sehr gut, sehe ich genauso. Was ich nicht gut fand ist Deine Anmerkung ich hätte die TE verschreckt oder sonstwas weil ich nicht Mut gemacht hätte. Es ist meine ehrliche Meinung über Psychotherapie und die habe ich kund getan, das ist auch legitim, so wie jeder hier schreiben darf was er möchte. abgesehen davon war die TE seit Donnerstag nicht mehr online, hat hier also gar nicht mitgelesen.
LG, CrazyChild

***stay strong***

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münchnerkindl
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Beitrag Sa., 26.09.2015, 09:44

Widow hat geschrieben:Zwischen den beiden Polen "Der Patient muss an sich arbeiten wollen, dann hilft Psychotherapie (garantiert)" und "Eine 30%-Rate von scheiternden Psychotherapien besagt, dass es nicht (vorrangig) am Patienten liegt, wenn eine Psychotherapie scheitert" - zwischen diesen beiden Polen gibt es meiner Ansicht nach eine Menge Spielraum.
Der, so scheint mir, droht hier gerade (wieder einmal) in Vergessenheit zu geraten.

Niemandem ist wohl damit geholfen, wenn ihm - jeweils aus persönlicher "Betroffenheit" heraus - entweder gesagt wird, dass das Scheitern von Psychotherapie daran liege, dass der Patient nicht hinreichend "willig" sei, oder wenn ihm gesagt wird, dass lt. Studienlage ein knappes Drittel aller Psychotherapien scheitere und ein Patient, dem es so ergeht, keine pder kaum Verantwortung dafür trage, weil bereits die schiere Masse gegen eine solche Patientenverantwortung spreche.

Mir sind diejenigen, die den "Du musst nur wollen"-Pol besetzen, deutlich unsympathischer als diejenigen, die den "ich fühle mich gescheitert und suche in Statistiken Trost"-Pol einnehmen (das dürfte hier niemanden überraschen ).
Und andere hier haben weitere fließende Bereiche auf der "Skala" zwischen den beiden Polen umrissen.
Danke dafür!
[/quote]



Naja, das ist ja auch die Argumentation der schwarzen Schafe unter den Therapeuten. Victim blaming ist ja ein hinlänglich bekanntes Muster, wird gegenüber allen möglichen Gruppen von Opfern angewendet von Opfern von sexuellem Missbrauch bis hin zu Langzeitarbeitslosen.

Das Scheitern einer Therapie kann ja auch diverse Gründe haben. Angefangen von in diesem Fall unpassendes Therapieverfahren gewählt (was allerdings indirekt auch vom Therapeuten zu verantworten ist, ein Therapeut müsste eigentlich in der Lage sein, das in frühen Stadien der Therapie zu merken) über "die Chemie zwischen Pat. Und T. hat nicht gestimmt", (das müsste der Therapeut aber eigentlich auch irgendwann mal merken???), über, im Lauf der Therapie kommt raus, dass hinter der banalen Depression ein sexueller Missbrauch steckt, der Patient viel "kränker" ist als angenommen, bis hin zu unfähigen und/oder narzisstisch gestörten Therapeuten.

Ich vermute auch mal ganz stark, dass Misserfolgsquoten zwischen verschiedenen Therapeuten sehr stark variieren.


Meiner Meinung nach wäre es wichtig, dass es obligatorisch wird, dass während einer Therapie Qualitätskontrolle und Erfolgskontrolle stattfindet, also dass Therapie nicht einfach so vor sich hinplätschert, und am Ende, evtl nach Jahren, stellt der Klient dann überrascht fest, ups, hat ja garnichts gebracht. Dieses unerwünschte Endergebnis stellt sich ja nicht urplötzlich ein, dafür gibt es doch sicher schon während des Verlaufs der Therapie starke Anhaltspunkte.

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leberblümchen
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Beitrag Sa., 26.09.2015, 09:54

Die Kontrolle findet ja im Gutachtenverfahren statt - wobei da nur das rhetorische Talent des Therapeuten kontrolliert wird.

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Tannenbaum
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Beitrag Sa., 26.09.2015, 09:57

Solage hat geschrieben:Da wird nicht das Blaue vom Himmel erzählt. Da geht es um echtes Leid!
Wer betroffen ist, fällt halt dann in das Raster von irgendwelchen Prozentzahlen. Halt Pech gehabt!
Jedes Pech ist zuviel!!!!!

Schön für die, die dieses Pech nicht haben (hatten) und eben ganz viel Glück haben mit ihren jeweiligen TherapeutInnen. Sauber aufgehoben sind. Scheizze halt für die anderen Patienten. Halt blöd gelaufen. Weil sie...weil sie so...."unfähig" sind und die Therapeuten doch immer alles richtig machen. JA. Oh ja, klar....an den TherapeutInnen kann es gar nicht liegen. Die sind einfach perfekt. Der doofe Patient hat einfach verkackt. Der ist halt abhängig geworden....schlimm, gaaanz schlimm....hoffnungslos!
Kannst du bitte bei der Sache bleiben?
Es ging darum, dass Crazy Child mit Prozentzahlen gekommen ist, die erfunden sind. Niemand sagt, dass es keine gescheiterten Therapien gibt und ich würde mir niemals anmassen, mir über eine gescheiterte Therapie ein Urteil zu erlauben.

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sandrin
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Beitrag Sa., 26.09.2015, 12:48

Das Gutachterverfahren kann man doch in die Tonne treten, weil da nämlich genau eine Sicht der Dinge kundgetan wird - die des Therapeuten. Der kann da rein theoretisch alles reinschreiben. Nein,ich glaube auch, dass es wirklich sehr, sehr wichtig ist, dass auch Patienten ihre Therapie außerhalb dieser reflektieren, wie auch immer man das auch gestalten will (z. B. Patientensupervision).

Auch ich glaube, hab ja genug Erfahrung, dass es zwischen diesen Polen (Gott sei Dank!!!) noch viel gibt. Die Kunst für den Patienten liegt meines Erachtens darin, dass man nicht zu kritisch wird und dem Therapeuten auch eine Chance gibt, aber auch nicht den Fehler begeht, dem Therapeuten bzw. dem Therapieverlauf blind zu vertrauen. Da kann viel schief gehen, und man KANN wirklich schwer retraumatisiert zurückbleiben, wie es mir ja auch passiert ist. Das sind einfach die Fakten. Es heißt also sich einlassen, aber trotzdem aufpassen. In einer guten Therapie sollte der Therapeut dazu aber ohnehin ermutigen.

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münchnerkindl
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Beitrag Sa., 26.09.2015, 15:14

sandrin hat geschrieben: Auch ich glaube, hab ja genug Erfahrung, dass es zwischen diesen Polen (Gott sei Dank!!!) noch viel gibt. Die Kunst für den Patienten liegt meines Erachtens darin, dass man nicht zu kritisch wird und dem Therapeuten auch eine Chance gibt, aber auch nicht den Fehler begeht, dem Therapeuten bzw. dem Therapieverlauf blind zu vertrauen. Da kann viel schief gehen, und man KANN wirklich schwer retraumatisiert zurückbleiben, wie es mir ja auch passiert ist. Das sind einfach die Fakten. Es heißt also sich einlassen, aber trotzdem aufpassen. In einer guten Therapie sollte der Therapeut dazu aber ohnehin ermutigen.

Aber das kann auch in anderen Bereichen der Medizin passieren. Man hört ja immer wieder von Fällen, wo Rückenschmerzpatienten viel zu schnell eine OP aufgeschwatzt wird, die das ganze dann ggf nur noch schlimmer macht. Oder wo Leute ewig lang fehldiagnostiziert und fehlbehandelt rumlaufen etc.

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sandrin
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Beitrag Sa., 26.09.2015, 15:16

Na klar, überhaupt keine Frage, dass das auch in anderen Bereichen passieren kann. Der Punkt ist nur der, dass es eben AUCH im Bereich Psychotherapie passieren kann, und das wird bislang viel zu sehr tabuisiert.

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CrazyChild
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Beitrag Sa., 26.09.2015, 22:55

Ich finde es für den Patienten sehr schwierig auf der einen Seite das Therapiegeschehen selbstverantwortlich zu reflektieren (was ich im Übrigen sehr wichtig finde) und dennoch dem Therapeuten zu vertrauen, bzw. sich auf die Therapie einzulassen.
LG, CrazyChild

***stay strong***


mio
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Beitrag Sa., 26.09.2015, 23:14

Hallo CrazyChild,
CrazyChild hat geschrieben:Ich finde es für den Patienten sehr schwierig auf der einen Seite das Therapiegeschehen selbstverantwortlich zu reflektieren (was ich im Übrigen sehr wichtig finde) und dennoch dem Therapeuten zu vertrauen, bzw. sich auf die Therapie einzulassen.
ja, auf den ersten Blick ist es das. Auf den zweiten - wenn Du bei der Eigenverantwortung ankommst - wirst Du sehen, dass das eine das andere nicht ausschließt. Es geht letztlich NICHT um das Vertrauen in den Therapeuten, sondern um das Vertrauen in Dich selbst. Und wenn Du das hinbekommst, dann kommst Du auch mit dem "Widerspruch" klar. Dumm ist eben nur, dass gerade dafür manchmal Therapie überhaupt gebraucht wird. Da beisst sich die Katze sozusagen in den Schwanz.

Und solange bleibt es wohl eine Frage der eigenen Haltung und eine Frage der Möglichkeit zur "Selbsterkenntnis".
Und eventuell auch eine Frage des gelernten Scheiterns das immer noch die "Selbstwirksamkeit" im Verhalten des anderen sucht.

Lieben Gruss,

mio

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schneeweiß
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Beitrag So., 27.09.2015, 19:58

Hallo!

Ich möchte kurz von meinen Erfahrungen berichten.. Allgemeingültige Aussagen wage ich nicht zu machen, aber ich habe was Therapien betrifft viele Eindrücke gesammelt:

Ich habe meine erste Therapie vor 8 Jahren begonnen, war mehrmals im KH für eine stationäre Psychotherapie.
Seit mehreren Jahren bin ich beim gleichen Therapeuten und ich bin sehr sehr dankbar, dass ich von der Therapie profitiere und es mir in vielen Bereichen sehr viel besser geht.

Ich war damals (zum Zeitpunkt der ersten Therapie) bereits seit 15 Jahren Bulimikerin und hatte in vielen Bereichen Probleme.
In meiner Kindheit wurde ich sexuell mißbraucht und ich sag das deshalb, um die Relationen etwas zurecht zu rücken.
Klar habe ich mit gehofft und gewünscht, dass ich ganz schnell ganz gesund werden würde.
Aber wenn man seine eigene Geschichte und Biographie betrachtet, finde ich es häufig gar nicht verwunderlich, dass eben nicht nach 2 Jahren bei einem Therapeuten "alles gut" ist..

Es hätte schon an eine Wunderheilung gegrenzt, wenn das bei mir der Fall gewesen wäre.
Ich will damit sagen, dass es einen Unterschied macht, welche Probleme, Themen etc. Man in die Therapie miteinbringt.

Und ja: ich habe einige schreckliche Therapeuten kennengelernt, bei denen ich nie in Therapie geblieben wäre. In jedem Berufsfeld gibt es Menschen, die ihre Arbeit ernst nehmen und darin gut sind und auch solche, die es nicht sind.

Weiters finde ich entscheidend:

Ab wann "kann" man sagen, dass eine Therapie gescheitert ist:

Meine stationäre Therapieaufenthalte müsste man rückblickend allesamt (bis auf den letzten evtl.) als gescheitert ansehen.

Ich mache das nicht: für mich waren das ganz ganz wichtige und unerlässliche Stationen auf dem weg dorthin, wo ich jetzt bin bzw. Wohin ich noch gehe.

Es würde zu weit führen, das im Detail zu schildern, aber ich bin der Meinung, dass bei einer solchen Frage sehr viele Aspekte beachtet werden sollten und nicht "nur", wie es mir aktuell geht.

Bei mir hat sich so vieles verändert.. Ich habe mich verändert und ich weiß, dass ich es ohne therapeutische Unterstützung nie geschafft hätte.

Dafür bin ich sehr dankbar und ich kann nur jeden ermutigen, sich einer therapeutischen Auseinandersetzung mit sich und seinen Themen zu stellen!!

Lg,schneeweiß

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Broken Wing
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Beitrag So., 27.09.2015, 20:18

@ Schneeweiß: Woher weißt du, es ohne Therapie nie zu schaffen? In so vielen Jahren verändert sich äußerlich so viel, dass alles dafür verantwortlich sein kann, am allerwenigsten jedoch die Therapie. Bedeutend sind Ereignisse und deren Bewältigung. Die Bewältigung kann man auch nicht in der Therapie üben, weil sich kein Ereignis wiederholt.

Ich mein, es sind Störungen, die sich über längere Jahre hin ausgebildet, sich schlimm auf den Lebensverlauf ausgewirkt und sich dadurch verstärkt haben. Und die heutigen Psychotherapien haben nichts besseres anzubieten als bestenfalls ein paar Stunden in der Woche zu labern. Bestimmt kommt jetzt wieder der Pessimismus-Vorwurf, ich weiß, also bitte für sich sparen.

Es ist doch offensichtlich, dass man entweder einen Weg geht, wo einen die Störung nicht behindert (einen Job mit viel Kontrolle bei Kontrollzwang zB) oder den ganzen Weg retourgeht.
Was einem nicht gut tut, bekommt man in der Regel mit. Wenn man das nicht weiß, weiß es der Therapeut auch nicht und man (er)findet halt was. Wirkt manchmal auch, aber es ist nicht unbedingt wahr.

Ich verwende die Therapie zum Müll abladen.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]

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schneeweiß
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Beitrag So., 27.09.2015, 20:41

@broken wing:

Ich weiß es.. Weil ich vorher ganz anders gelebt habe.
Es ist klar, dass du bzw. Jemand anderer das per Internet nicht nachvollziehen kann.
Ich hätte ohne Unterstützung nicht gelernt zu reden. Über mich, was mich bewegt und beschäftigt.. Was mich traurig und auch froh macht..

Es war ein richtig harter Weg, das in dem Alter zu erlernen, aber es war es 100 Mal wert.

Ich habe immer alles und ich meine wirklich alles in mich hinein gefressen, habe mich kein einziges Mal einer Freundin anvertraut bzw. Ein wenig von mir persönlich erzählt.

Wie gesagt, es würde zu weit führen und wäre für diesen Rahmen für mich auch zu persönlich. Ich habe auch nicht vor, jemandem etwas hier zu "beweisen". Ich fühle es aber selbst, dass so, wie ich mein Leben nun führe und mit problematischen Situationen umgehe, mit früher für mich nicht vergleichbar ist.

NIE würde ich dahin zurück wollen, wo/wie ich war. Und damit meine ich nicht meinen Kern, sondern wie ich Beziehungen eingehe, wie ich nach außen auftreten kann, wie ich Themen anspreche und vieles mehr.

Damit sage ich nicht, dass "alles gut" ist.. Ich habe vor allem was Partnerschaften (v. A. Körperliche Beziehungen) angeht, noch große Probleme. Aber ich bleibe dran..

Therapie bedeutet meiner Meinung nach nicht:

Ich gehe brav hin, bin pünktlich und zahle - damit ist mein Teil erfüllt.

Vielleicht hast du einfach ganz andere Ziele und Erwartungen für / an eine Therapie broken wing?

Ich wollte nicht nur Müll abladen, ich wollte an mir arbeiten, Veränderungen herbei führen. Anders mit schwierigen Situationen und Themen umgehen können.
Das meine ich nicht im Sinne von "das eine ist gut, das andere schlecht"..

Es ist evtl. Einfach anders. Und dann ist die Art und Weise, wie man Therapie bzw. Den Sinn darin sieht auch anders.


LG, schneeweiß


Speechless
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Beitrag So., 27.09.2015, 20:57

Bewältigung kann man durchaus in einer Therapie üben und zwar auch, bevor ein Ereignis passiert..zum Bsp wie in meinem Fall bei Ängsten..wenn du dir immer wieder Situationen vorstellst, in denen Angst kommt und daran arbeitest (Imagination, Exposition, wie auch immer) kannst du durchaus auch vor einem Ereignis ansetzen. So habe ich zum Bsp etwas bewältigt, ohne das ich niemals beruflich an dem Punkt wäre, wo ich jetzt bin. Ohne die Therapie hätte ich diese Position niemals erreicht. Psychische Probleme erledigen sich meiner Meinung übrigens auch in den seltensten Fällen durch Zeitablauf von selbst, sondern werden meistens eher schlimmer.
Therapie ist für mich auch überhaupt nicht Müll abladen, das kann ich genauso bei meine Freunden. Es ist zusammen gestalten, nachdenken und verändern und meistens aktiv.

Klar gibt es Therapien, die nicht helfen oder sogar verschlimmern können, es gibt aber auch genauso Therapien, die helfen können. Ich finde es sowohl vermessen zu sagen, Therapie kann nicht helfen, nur weil man selbst die andere Erfahrung nicht gemacht hat, als auch Therapie heilt immer alles. Meistens liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen, aber jemanden seinen Therapieerfolg absprechen zu wollen geht meiner Ansicht nach gar nicht.

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