Paartherapie - Pflicht zu Berührung

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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FrauHolle
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Paartherapie - Pflicht zu Berührung

Beitrag Do., 14.12.2017, 14:24

Guten Tag!
Seit etwa einem Jahr gönnen wir uns eine Paartherapie. Da wir uns nach 11 Jahren immer noch wegen der selben Kleinigkeiten in die Wolle kriegen, wollten wir das einmal beleuchten und an unserer Streitkultur arbeiten.
Anfangs war das alles sehr spannend, wir haben viel über und gelernt und streiten tatsächlich besser und weniger verletzend.
Die Therapeutin hat uns dann ermutigt, alte “Kindheitstraumen“ gemeinsam heil werden zu lassen... in ihrer Therapieform “Imago“ würde das viel besser gehen als in einer Einzel Therapie.
So haben wir weiter gemacht.

Es läuft dann so, dass der Partner in der Therapie für kurze Zeit Vater oder Mutter des anderen wird und sich anhört, was als Kind verletzend erlebt wurde.
Das kann sehr nahe gehen. Mein Problem ist dann immer die verpflichtende Abschlussberührung. (Umarmung meist). Manchmal will ich dann keine Berührung, aber die Therapeutin besteht darauf bzw. wird sehr unangenehm zu mir wenn ich lieber einfach nur “danke“ sagen möchte.
Dann berührt sie mich und zeigt meinem Mann wie er mich halten soll... auch gegen meinen Willen.
Das finde ich sehr seltsam, mittlerweile muss ich bei fast allen alltäglichen Umarmungen plötzlich an die Therapeutin denken und mir vergeht jede Intimität.
Was ist denn da bloß los mit mir?
Sowas ist doch sicher nicht Sinn und zweck einer Paartherapie, zumal ich Berührung bislang gebeten konnte. Nur wenn es gegen meinen Willen geht, mag ich das nicht. Warum wird man da gezwungen?
Weiß jemand mehr?

Danke euch!

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Sehr
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Beitrag Do., 14.12.2017, 14:34

Wie läuft das ab, dass du Berührungen erhältst oder Umarmungen gegen deinen Willen. Wozu sollte das gut sein?
Und sagtest du der Therapeutin oder deinem Mann, dass es dir unangenehm ist und sich negativ entwickelt?
Ich finde es normal, dass wenn dauernd etwas gegen deinen Willen geschieht - du irgendwann damit nicht mehr klar kommst, wie auch.
[wegzudenken, mehr nicht]

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ENA
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Beitrag Do., 14.12.2017, 14:55

Ich denke nicht, dass es gut ist, so etwas gegen Deinen Willen zu tun. Ich finde es auch bedenklich, wenn zwei eigentlich gleichrangige Partner in einer Therapiesitzung vorübergehend in die Rolle des Elternteils gehen sollen, denn man ist ja eben nicht mehr Erwachsene/r und Kind, sondern will sich in der Regel in einer Partnerschaft auf gleicher Augenhöhe begegnen. Ich habe da Bedenken, weil ich mir vorstellen kann, dass sich das dann privat vermischen, es zu zusätzlichen Verwicklungen in der Partnerschaft, etc. kommen kann.
Das man in einer Paartherapie klärt, was Wünsche und Erlebnisse aus der Kindheit sind, okay. ...aber so richtig in die Rolle von Mutter und Kind bzw. Vater und Kind schlüpfen, finde ich schwierig. Ebenso das Umarmen: Man kann in der Paartherapie mit Nähe arbeiten und auch eine versöhnliche Umarmung kann heilsam sein. ...aber nur, wenn beide das wollen und es für den Moment auch so passt. Es geht ja auch darum, was die Partner brauchen und nicht darum, wie eine Therapeutin denkt, dass es sein sollte (Stichwort: dem Mann zeigen, wie er Dich berühren kann (und auch da macht es für mich ein Unterschied, ob die Therapeutin erklärt, wie sie es meint und Euch ausprobieren lässt oder ob sie selber (ungefragt) in Körperkontakt geht)).

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saffiatou
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Beitrag Do., 14.12.2017, 19:04

Jeder Therapeut arbeitet anders. Aber eine Pflicht zur Berührung gerade, wenn Du traumatisisert bist, halte ich für falsch und noch mehr, wenn sie damit Deine Grenzen verletzt, die wurden ja vorher vielleicht auch nicht beachtet und nun wiederholt sich das. Nicht gut finde ich außerdem, daß sie Dich berührt und Deinen Mann dazu auffordert.

Das ist meine Meinung, es kann sein, daß Du hier noch ganz andere Meinungen bekommst, es kommt immer darauf an, was derjenige für Therapie Erfahrungen hat, welche Methoden er mag.

Aber ich finde nichts gut, zu dem ein Patient gezwungen werden muss und gerade bei Berührungen noch schlimmer.


Alles Gute,
Saffia
never know better than the natives. Kofi Annan

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FrauHolle
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Beitrag Do., 14.12.2017, 21:01

Liebe(r) Sehr, danke für deine Antwort.
Es gibt jedesmal ein Abschlussberührungsritual am Ende der Sitzung. Zwischendurch wenn jemand von uns beiden sehr traurig, verzweifelt usw. ist, soll auch die Umarmung durch den Partner Sicherheit geben. Aber ich brauche meist erst etwas Freiraum, wenn ich sehr emotional bin. Raum für mich, das tut mir gut... Und ein liebevoller Blick meines Mannes geht auch immer.

Natürlich hab ich das auch jedes mal laut und deutlich gesagt, ich will gerade keine Umarmung, es geht mir besser ohne Körperkontakt.
Aber das passt der Therapeutin nicht. Sie legt mir dann immer ihre Hände auf die Schultern, von hinten. Oder leitet meinen Mann dazu an... ich sollte nur abwarten, es würde mir gut tun. Ein Nein akzeptiert sie nicht bzw wird dann sehr unterkühlt, weil ich richtig scharf werden muss. Meistens setzt sie ihren Willen durch, ich halte dann den Atem an und zähle abwärts oder schweife gedanklich in die Ferne, um das über mich ergehen zu lassen.

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FrauHolle
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Beitrag Do., 14.12.2017, 21:10

Liebe ENA, auch dir danke für deine Gedanken dazu.
Mir kam diese Methode auch erst seltsam vor und hatte intuitiv das Gefühl, etwas falsches zu machen.
Die Therapeutin argumentiert immer sehr überzeugend, und ich hab mich dann eingelassen darauf... da Mann auch wieder aus dieser Rolle aussteigt und prinzipiell einen wohlwollenden Elternteil darstellt, geht es für mich und vor allem meinem Mann tut es richtig gut.

Das mit den Berührungen, die ich nicht immer will, muss ich glaube ich noch einmal ansprechen mit der Therapeutin...
Es ist sehr belastend, wenn ich jetzt immer die vor Augen habe...mit der Aufforderung “du musst ihn jetzt aber umarmen“, wenn ich eigentlich ihn umarmen möchte ganz frei und herzlich.
Ich hoffe diese Vorstellung geht wieder aus meinem Kopf heraus.

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FrauHolle
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Beitrag Do., 14.12.2017, 21:19

Saffia, vielen Dank!
Gut dass noch einmal so explizit zu hören, ich bekomme schon das Gefühl, mit meinen Bedürfnissen völlig falsch zu sein. Dabei ist das ja völliger quatsch. Schon Kinder sollen lernen, nein zu sagen, wenn sie Berührungen nicht möchten. Und es ist doch wichtig, zu spüren was man will und was nicht.
Nur weil es mein Mann ist, muss ich ja nicht jederzeit Lust auf Körperkontakt haben, so denke ich mir.
Seltsam, dass das so nicht einfach respektiert wird.

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ENA
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Beitrag Do., 14.12.2017, 22:01

Ich finde das Ansprechen gut. Auch mit Deinem Mann. Ich wünsche Euch viel Erfolg dabei, dass Eure Beziehung bald besser läuft und ihr auch das Problem in der Therapie gut für Euch geregelt bekommt. Nur etwas gegen Deinen Willen zu machen, fände ich nicht gut.

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RoboCat
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Beitrag Sa., 16.12.2017, 10:11

Liebe Frau Holle,
FrauHolle hat geschrieben: Do., 14.12.2017, 21:01
Aber das passt der Therapeutin nicht. Sie legt mir dann immer ihre Hände auf die Schultern, von hinten. Oder leitet meinen Mann dazu an... ich sollte nur abwarten, es würde mir gut tun. Ein Nein akzeptiert sie nicht bzw wird dann sehr unterkühlt, weil ich richtig scharf werden muss. Meistens setzt sie ihren Willen durch, ich halte dann den Atem an und zähle abwärts oder schweife gedanklich in die Ferne, um das über mich ergehen zu lassen.
wie heftig! Ganze ehrlich: ich würde da nicht mehr hingehen. Die Therapeutin setzt sich dermaßen über deine Wünsche hinweg, dass man schon fragen muss: Ist das jetzt ihre, oder deine/eure Therapie?

Aus welchem Grund ihr euch als Paar in Behandlung gegeben habt, weiß ich nicht. Hast du mal daran gedacht, eine Therapie nur für dich zu machen? Ich finde, dass man oft für sich alleine (ggf eben mit professioneller Unterstützung) besser herausfinden kann, ob eine Beziehung noch Sinn hat oder nicht. Einfach, weil dann die EIGENEN Beürfnisse viel deutlicher werden und 100% im Fokus stehen.

Wie gesagt, ich kenne die Grundproblematik nicht und du musst dazu auch nichts schreiben. Was ich aber merke ist, dass du eine große Bereitschaft hast, dich für andere zu"verbiegen", aktuell eben auch für diese Therapeutin.

Mit welcher MEthode behandelt sie eigentlich?

LG, Robocat
:axt:

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ENA
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Beitrag Sa., 16.12.2017, 10:27

Steht im ersten Beitrag der TE hier auf der ersten Seite des Threads.

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RoboCat
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Beitrag So., 17.12.2017, 03:41

Stimmt. Hatte ich übersehen.
:axt:


Jenny Doe
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Beitrag So., 17.12.2017, 08:27

Hallo FrauHolle,

ich finde das auch heftig.

Vor allem frage ich mich welche Auswirkungen es auf Eure Paarbeziehung haben wird, wenn Dein Mann in Eurer gemeinsamen Therapie explizit lernt etwas gegen Deinen Willen zu tun. Du solltest auf jeden Fall das Gespräch mit Deinem Mann suchen, sonst habt ihr beide nach Therapieende neue Probleme, in der Form, dass Dein Nein nicht akzeptiert wird.
Zu einer guten Paartherapie gehört auch zu lernen die Grenzen des anderen wahrzunehmen, sie zu akzeptieren und sich selbst in eigenen Bedürfnissen ("ich möchte Dich trösten") zurückzunehmen.
Gut für dich ist das, was Du als gut für Dich erlebst und nicht das, was andere glauben, was für Dich gut sein ist.

Dasselbe gilt für die Therapeutin. Ich finde es grenzüberschreitend, dass sie dich gegen Deinen Willen berührt. Sowas gehört, meiner Meinung nach, verklagt. Deine Therapeutin hat dein Nein zu akzeptieren. Du hast das Recht selber über deinen Körper zu bestimmen.

Auch die Vorgehensweise den Partner in eine Rolle schlüpfen zu lassen, ... Ich kriege da Gänsehaut. Dein Mann ist Dein Mann und nicht Dein Vater oder sonst was. Und umgekehrt, Du bist seine Frau und nicht seine Mutter. Man kann miteinander über vergangene Erlebnisse sprechen, man kann einander zuhören, sich in den anderen reinfühlen, ... aber die Rolle einer anderen Person anzunehmen wäre für mich ein No Go.
Sollt ihr diese Rollenspiel auch zu Hause weitermachen? Ich stelle mir gerade vor wie ihr beiden am Frühstückstisch sitzt, Du mit ihm über ein aktuelle Problem sprechen möchtest und er in die Rolle Deines Vaters schlüpft und sich wie er verhält.
Wir müssen das Leben loslassen, das wir geplant haben, damit wie das Leben leben können, das uns erwartet (Joseph Campbell). Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark. Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen (Hermann Hesse).

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