Hochsensibilität und Therapie

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münchnerkindl
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Beitrag Mo., 07.03.2022, 17:33

Saly hat geschrieben: Mo., 07.03.2022, 17:11 Vielen Dank für Euren Austausch, da habt ihr durchaus mehr Ahnung und Erfahrung als ich ;)

Gefühlt ist es bei mir wie Waldschratin beschreibt. Es ist eher eine Art angespannter Grundzustand, der aus ewiger Überreizung nicht Nichtbeachtung meiner Bedürfnisse als Kind entstanden ist. Die Hochstressphasen kenne ich auch. Und gefühlt gerate ich da schneller rein als andere. Ob das nun an der HS liegt oder an der erhöhten Grundspannung, keine Ahnung. Vermutlich an beidem…
Ich vermute mal, dass sensiblere, reizoffenere Kinder auch viel eher eine Traumafolgestörung entwickeln als mental robustere.

Ich hatte in jüngeren Jahren mal mehr mit Pferden zu tun, und wenn die jung zum Anreiten kommen sind die nur mit Muttern und dann Altersgenossen auf der Wiese rumgestanden, also kein Trauma. Und da gibt es Exemplare von hypersensibel bis total büffelig. Reaktivität auf Sinnesinput ist definitiv angeboren, auch beim Menschen.

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Saly
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Beitrag Mo., 07.03.2022, 19:30

Ja mag sein. Das eine bedingt das andere. Vor allem, wenn man Eltern hat die so sensibel wir Stacheldraht sind :kopfschuettel:

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Saly
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Beitrag Di., 08.03.2022, 12:46

Heute hatte ich die erste Stunde nach der Pause. Wir sind ein „großes Thema“ angegangen, was ich sehr gut (und er sehr mutig ;) ) finde.

Ich hab ihm das Thema der hohen Grundanspannung und der Überreizung erklärt ohne über HS zu sprechen. Ich hab gesagt, dass ich denke, dass ich deshalb in der Stunde so im Stress bin, weil ich so eine hohe Grundspannung habe. Und andererseits so viele Reize wahrnehme. Er fragte ob ich denke dass das schon immer so war oder eben durch Stress ausgelöst wird. Ich denke, das war schon immer so. Als Kind waren bei uns oft viele Onkel/Tanten/Cousins zu Besuch und mir wurde das oft zu laut sodass ich mich in mein Zimmer im Dunkeln gesetzt habe um runter zu kommen.

Auf was er kam, hat mich sehr erstaunt. Er fragte ob ich mal über sowas wie ADS/ADHS nachgedacht habe. Habe ich nicht…nie. Er wollte wissen wie meine Schulzeit war. Er sagt er ist absolut kein Experte auf dem Gebiet. Er kennt meinen Psychiater und meint ich könnte ihn das nächste mal drauf ansprechen und ihm mal erzählen wie es mir da geht.

Er sagt aber klar auch, dass das auch psychische Ursachen haben kann. Gerade mein Gefühl mich nie sicher fühlen zu können, kann dazu führen, dass man eine erhöhte Aufmerksamkeit hat und alles mitkriegt was passiert ohne es Filtern zu können.

Trotzdem nicht gerade das, womit ich gerechnet hatte… :roll:

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münchnerkindl
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Beitrag Di., 08.03.2022, 13:12

Womit hattest du denn gerechnet?

Und was hat er dir an Lösungsvorschlägen für die Problematik gemacht.

Bei mir hat ein Psychiater auch mal die Vermutung ADS gehabt wegen meinen Konzentrationsproblemen. Trifft aber definitiv nicht zu und der Versuch mit Ritalin war ein totaler Horrortrip.

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Waldschratin
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Beitrag Di., 08.03.2022, 13:35

Müki hat geschrieben: Womit hattest du denn gerechnet?

Was man da erwartet?
Nicht wegsortiert zu werden, ums Verrecken, in irgendeine Diagnose!
Als "muss" da was Krankes, Behindertes, Gestörtes, Defizitäres drunter liegen, wenn man "so" empfindet und erlebt!

Er hat ähnlich rumgedacht dran wie du und andere hier : Kann nicht einfach so sein, wie es ist, naturgegeben.
Nee, "muss" Folge von was Krankem sein!

Da du selber das ja auch als "mental nicht so robust" einordnest, kannst du das halt tatsächlich nicht verstehen, dass man da einfach mal nur gesehen wird, ohne "Verbesserungserwartung" dahinter.

Saly hat jetzt zig Male hier geschrieben, dass es sie an sich gar nicht beeinträchtigt.

Ich hätte von meinem Thera erwartet, dass er nicht gleich dran "rumzudoktern" versucht, als wenn ich deshalb ne arme, gequälte Seele wäre, die halt mit ner "Behinderung" behaftet ist.

Ich hätte mir von meinem Thera erwartet, dass er direkt zum Eigentlichen übergeht und fragt, was sich denn ändern müsste, was Saly bräuchte etc., damit die Therapiesituation an sich und ihre Belastung dadurch sich entspannen kann.

Ich muss mich grad sehr zusammennehmen, dass ich vor Wut nicht an die Decke gehe!
Warum kann da wenigstens die Fachwelt nicht einfach mal ernsthaft zuhören!!! , was man da sagt!!

Wenn dem außer ADS und Traumafolge-Hyperarousel und der Psychiater nix Besseres einfällt, möcht ich ihn nehmen und mal ordentlich durchschütteln, vielleicht wacht er dann ja auf! :kopfschuettel:

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münchnerkindl
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Beitrag Di., 08.03.2022, 13:50

Waldschratin hat geschrieben: Di., 08.03.2022, 13:35
Da du selber das ja auch als "mental nicht so robust" einordnest, kannst du das halt tatsächlich nicht verstehen, dass man da einfach mal nur gesehen wird, ohne "Verbesserungserwartung" dahinter.


Aber woher will man denn bitteschön letztendlich wissen, wie man sich entwickelt HÄTTE, wenn man eine gute Kindheit gehabt HÄTTE. Ob diese schnelle Reizüberflutung auch dann vorhanden wäre oder nicht.

Von daher ist es gerechtfertigt verschiedene Ursachen für den Ist-Zustand erst mal für prinzipiell möglich zu halten. Die kann man sich ja anschauen, und auch nach Überprüfung sagen, ne trifft auf mich nicht zu.

Und was ist verkehrt daran das als einen verbesserungswürdigen Zustand zu sehen, wenn es im Alltag belastet? Irgendwie muss man das schliesslich managen, die Welt da draussen wird sich aus sozialer Fürsorglichkeit für empfindlichere Mitmenschen nicht verändern.


Waldschratin
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Beitrag Di., 08.03.2022, 13:53

Müki, ich werde hier keine Grundsatzdiskussionen über "Sein oder Nichtsein" mit dir führen, weiß ich doch, dass das eh zu nix führt.

Lies mal wirklich und achtsam und ohne Vorerwartung dessen, was du lesen WILLST, was Saly alles bisher geschrieben hat, dann kannst du`s vielleicht erkennen.

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Saly
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Beitrag Di., 08.03.2022, 16:52

münchnerkindl hat geschrieben: Di., 08.03.2022, 13:12 Womit hattest du denn gerechnet?

Tja, gute Frage. Vielleicht, dass er meinen Grund für die Pause nachvollziehen kann. Ich wollte eigentlich noch mit ihm darüber sprechen, weil das ganze Pausending kommunikativ ziemlich in die Hose gegangen ist. Missverständnisse, E-Mails usw. Dazu kams dann aber nicht, weil mich das ADS-Thema so irritiert hat, dass ichs vergessen hab. :roll:

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Saly
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Beitrag Di., 08.03.2022, 17:01

Liebe Waldschratin,

ich verstehen deinen Unmut. Allerdings hat er mir diese Diagnose nicht zum "Wegsortieren" um die Ohren gehauen, sondern einfach als mögliche Erklärung für mein Unvermögen Reize zu filtern. Er war dabei sehr wohlwollend und kam auch nicht direkt damit um die Ecke. Er sagte ja auch, dass ich es beim Psychiater ansprechen KANN, wenn ich möchte. Und die Frage nach der "psychischen" Erklärung dafür gehen wir natürlich zu zweit an.

Und er hat mich ja gefragt, ob ich den Eindruck habe, dass das bei mir schon immer ("naturgegeben") so ist. Wir haben schon auch über Lösungen gesprochen bzw. er hat heute einfach intuitiv sehr langsam gemacht und mir viel Zeit gegeben. Er hat mich gefragt, ob ich an den Sitzungen etwas ändern möchte. Am Intervall etc.

Aber weißt du, so viel Unterschied zwischen "Ich hab da einen Makel, der krankhaft ist." und "was muss ich ändern, dass die (für andere normale) Therapiesitzung erträglicher für mich ist" ist bei mir da fast nicht. Hängt aber vermutlich mit meinem ständig negativen Selbstbild zusammen.

Ich habe mir vorgenommen, seine "Verdachtsdiagnose" einfach nicht so ernst zu nehmen, weil er ja selbst gesagt hat kein Experte zu sein. Manchen Menschen hilft es, wenn das Kind einen Namen hat. Manche identifizieren sich zu sehr damit. Manche machen sich kranker und schlechter damit, als sie es sind. Ja, vermutlich war es nicht so schlau mit sowas in der ersten Stunde seit langem um die Ecke zu kommen. Vermutlich werde ich es nächste Woche nochmal ansprechen, wenn mir etwas klarer geworden ist, was das überhaupt mit mir gemacht hat.


montagne
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Beitrag Di., 08.03.2022, 23:10

Hallo saly, ganz pragmatisch, in meiner Therapie habe ich mir die Zeit genommen Reize zu verarbeiten, länger nachdenken, fühlen über das was die Therapeutin sagt, über das was in mir los ist. Warum nicht? Es war meine Zeit und sich Zeit nehmen ist tatsächlich eine gute Möglichkeit das Anspannungsniveau woher es auch immer kommt, zu regulieren

Abgesehen davon scheint mir, hast du viele Erwartungen, die du aber nicht kommuniziert oder erst im Nachhinein. Kann mur vorstellen, in der Therapie ist es ähnlich. Da har der Therapeut es schwer, deine Erwzu erfüllen.
amor fati

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Saly
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Beitrag Mi., 09.03.2022, 09:27

Ja, das habe ich mir auch vorgenommen. Den Gedanken die Stunde maximal nutzen zu müssen
mal beiseite legen und so viel Zeit nehmen wie ich eben brauche. Der Thera hat oft ein ziemlich hohes Tempo, das ist einfach seine Art. Gestern hat er versucht echt langsamer zu machen und hat viele (Rede-)Pausen gemacht. Ich denke, dein Tempo wird sich wieder einschleichen ;) aber ich habe mittlerweile keine Angst mehr in dann einfach zu bremsen.

Was meinst du genau mit den Erwartungen?

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münchnerkindl
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Beitrag Mi., 09.03.2022, 11:01

Saly hat geschrieben: Mi., 09.03.2022, 09:27 Ja, das habe ich mir auch vorgenommen. Den Gedanken die Stunde maximal nutzen zu müssen
mal beiseite legen und so viel Zeit nehmen wie ich eben brauche.


Aber mit dir so viel Zeit nehmen wie du brauchst nutzt du die Stunde doch maximal ;)

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Saly
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Beitrag Mi., 09.03.2022, 11:29

Stimmt, damit hast du sowas von Recht! Danke für den Stupser :red: ;)

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candle.
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Beitrag Mi., 09.03.2022, 13:39

Hallo,

ich habe mich recht lange mit dem Thema Hochsensibilität beschäftigt. Es wird ja an verschiedenen Ecken geforscht, aber viel ist dabei noch nicht rumgekommen zumal eine Trennung zwischen psychischen Erkrankungen und deren Symptomen zu Menschen mit vermeintlicher Hochsensibilität nicht sonderlich scharf ist. Auch zu den Filtern habe ich noch nie etwas gefunden- wie das so mal plastisch ausschaut. :lol:
Der große Hype des Themas ist inzwischen auch vorbei, aber dennoch scheinen sich einige Therapeuten da eine Marktlücke erschlossen zu haben. Da Hochsensibilität eben nicht als Krankheit deklariert ist, kann man das auch nicht behandeln im Sinne das eine Therapie über Kasse möglich wäre.

Die andere Frage: Wenn du jetzt so diagnostiziert wärest, wenn das ginge, wie würdest du dich dann betrachten?
Saly hat geschrieben: Di., 08.03.2022, 17:01 Und er hat mich ja gefragt, ob ich den Eindruck habe, dass das bei mir schon immer ("naturgegeben") so ist.
Wie beurteilst du das?

Ich kenne deine Problematik ja nicht, aber es wäre schon interessant zu schauen wann deine Probleme anfingen um zu gucken, ob sich Hochsensibilität dann überhaupt noch hält im Sinne von "immer da gewesen". Wenn du allerdings schon sehr früh ein "schlechtes Umfeld" hattest, dann würde ich dort eher die Ursache suchen.

Ich bin auch immer unter Anspannung, aber das ist auch Teil der Diagnose PTBS. Da geht es mir mal besser und weniger gut mit dem inneren Stress.

LG candle
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Saly
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Beitrag Mi., 09.03.2022, 17:42

@candle:

Naja das ist schwierig. Ich glaube schon, dass ich mit sehr sensiblen und empfindlichen Persönlichkeitsanteilen geboren wurde. Allerdings war auch mein Umfeld seit Geburt „schlecht“ (das „Problem“ ist meine Mutter).

Es war sehr nützlich für mich, diese Sensibilität zu haben. Oder entwickelt zu haben. Ich konnte/kann kleinste Änderungen in der Stimmung meiner Mutter (oder anderer Menschen) feststellen. Als Kind habe ich sofort darauf reagieren können und mein Verhalten angepasst. Ob das nun „naturgegeben“ war oder aufgrund der Behandlung meiner Mutter entstanden ist, kann ich schwer sagen.

Ein paar mal habe ich sie drauf angesprochen, also auf ihren plötzlichen Stimmungswechsel. Sie meinte immer, das wär nicht so und was ich mir da einbilde. Ob das nun ein Schutzreflex war, weil sie sich natürlich immer gleich angegriffen fühlte oder ob sie es wirklich nicht gemerkt hat, das weiß ich nicht. sensibel ist SIE jedenfalls gar nicht.

Die Frage des Therapeuten ging mehr in die Richtung, ob diese Reizüberflutung immer so ist oder hauptsächlich, wenn ich in Stress gerate. Ich weiß nicht ob es mir leichter fallen würde, mich wohlwollender zu betrachten, wenn ich die HS „diagnostiziert“ bekommen würde. Vermutlich würde ich es doch eher als „Schwäche“ betrachten. Ich denke, ob nun HS oder nicht, ich sollte grundsätzlich lernen, milder mit mir umzugehen.

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