Therapeuten und Anti Depressiva

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Theory
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Therapeuten und Anti Depressiva

Beitrag Mo., 07.03.2022, 09:28

Hallo zusammen,

Bisher habe ich nur Therapeuten und Coaches kennen gelernt, die mir ausschließlich alle von Anti Depressiva abgeraten haben.

Mein bester Freund sagt mir jedoch seit 1 Jahr ich solle mir Antidepressiva verschreiben lassen - er selbst konnte nur durch diese seine Angstzustände in den Griff bekommen und dadurch seine Arbeitsfähigkeit erhalten.

Da es mir derzeit ähnlich geht wie ihm damals, bevor er seine Anti Depressiva erhielt - nämlich ständige, tägliche Angstzustände und Panikattacken und ich derzeit eine Therapeutin und zwei Coaches habe, ohne deren Begleitung ich schon längst keinen Job mehr hätte und ich dadurch auch hohe private Kosten habe (ca 800 bis 1200 EUR im Monat, da wöchentlich mehrere Sitzungen), frage ich mich, ob es nicht doch besser wäre, den Medikamenten eine Chance zu geben, nachdem es ja mit der eigenen, inneren Arbeit nach vier Monaten noch immer nicht klappt, dass ich meine Angstzustände im Griff habe.

Nun fällt mir ein - es könnte ja so sein, dass ein Therapeut auch deshalb von Anti Depressiva abrät, weil ihm ja dadurch „sein Geschäft“ entgeht: wenn ich meine Angstzustände „löse“ - dann brauche ich ja weniger oder gar keine Unterstützung mehr.

Wie ist eure Erfahrung damit?

Wer kann wirklich objektiv beurteilen, was für mich das richtige in der Situation jetzt ist?

Von wem kann ich echte Hilfe erwarten?

Vielen Dank und ich bin gespannt auf die Reaktionen.

Theory.

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DiemitdemHundgeht
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Beitrag Mo., 07.03.2022, 09:35

Ich würde mich erst selbst zu dem Thema belesen und dann von einem kompetenten Psychiater beraten lassen. Damit meine ich einen, der nicht einfach wahllos irgendwas verschreibt, sondern nur, wenn er da auch einen Sinn sieht. Darüber würde ich dann nochmal nachdenken und das ganze mit meinem Therapeuten besprechen. Mein Therapeut ist an sich auch eher anti, genau wie ich (bezieht sich bei mir auf eigentlich alle Medikamente, weil ich teils recht wild reagiere), hat mir aber durchaus mal klar gesagt, dass er gerne hätte, dass ich mich da mal beraten lasse. Das ist auch meine Erfahrung mit meiner Therapeutin davor. Also ich kann nicht sagen, dass alle Therapeuten pauschal dagegen sind.

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stern
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Beitrag Mo., 07.03.2022, 09:42

Theory hat geschrieben: Mo., 07.03.2022, 09:28 Nun fällt mir ein - es könnte ja so sein, dass ein Therapeut auch deshalb von Anti Depressiva abrät, weil ihm ja dadurch „sein Geschäft“ entgeht: wenn ich meine Angstzustände „löse“ - dann brauche ich ja weniger oder gar keine Unterstützung mehr.
Das wäre sehr klar Missbrauch des Psychotherapieverhältnisses. Ich würde zunächst fragen, was die Absicht dahinter ist. Gibt sicherlich unterschiedliche Haltungen für und gegen Medikamente.

Aber letztlich liegt die Entscheidung bei dir und einem Arzt. Für viele Störungen gibt es btw. auch Leitlinien, was empfohlen wird. Z.B. Eine Kombitherapie, whatever. Wenn ein Therapeut davon abweichend findet, Medikamente sind hinderlich, wäre das zu thematisieren. Z.B. Ob Medikamente zu sehr dämpfen und die PT stören.
Liebe Grüße
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Gespensterkind
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Beitrag Mo., 07.03.2022, 09:50

Suche Dir einen Psychiater oder melde Dich in einer psychiatrischen Institutsambulanz. Das geht parallel zur PT. Medikamente ersetzen keine PT aber können ggf. unterstützen. Entscheiden tust in erster Linie Du. Der Psychiater kann Dir sagen, was er für sinnvoll hält.

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Waldschratin
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Beitrag Mo., 07.03.2022, 09:55

Theory hat geschrieben:Nun fällt mir ein - es könnte ja so sein, dass ein Therapeut auch deshalb von Anti Depressiva abrät, weil ihm ja dadurch „sein Geschäft“ entgeht: wenn ich meine Angstzustände „löse“ - dann brauche ich ja weniger oder gar keine Unterstützung mehr.
Solche gibt es bestimmt, ist aber, wie stern schon geschrieben hat, nicht die "feine Englische" und würde für mich die Beziehung zur Thera komplett in Frage stellen.

Jetzt hast du dich recht allgemein gehalten in deinen Formulierungen, deshalb wollt ich mal nachfragen, was genau denn deine Thera und deine Coaches grade konkret dazu meinen, dass du Antidepressiva ausprobieren willst?
Und wie wichtig deren Meinung dazu für dich ist bzw. wie sehr du dich von deren Empfehlungen abhängig machst oder fühlst?

Dir wird nichts anderes übrig bleiben, als es tatsächlich auszuprobieren, was für dich besser ist und mehr bringt, ganz unabhängig von Meinungen und Erfahrungen und Empfehlungen der Leute um dich rum.

Mir scheint, das geht ziemlich Hand in Hand mit deinem anderen Problem mit der Präsentation. Für mich kommt da durch, dass du grade sehr sehr wenig "Stand" in dir selber findest und deshalb Halt und Orientierung im Außen suchst.
Für ne Zeit geht das sicher gut, aber nicht auf Dauer, bzw. bringt es dich auf Dauer nur noch weiter weg von dir selber.

Entscheidungen musst du treffen, die Folgen davon hast ja auch nur du auszubaden, also wenn du grade dir nützliche Unterstützung von Medis gut vorstellen kannst, dann probier es aus und guck, wie es dir damit geht und getrau dich, gegebenenfalls deine Entscheidung wieder zu ändern.

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Montana
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Beitrag Mo., 07.03.2022, 09:59

Therapeuten werden gesucht und die Wartelisten sind lang. Es wäre wirklich unnötig, einen Patienten in der Therapie zu halten, der mit Medikamenten auch ohne auskommt und dies auch gern möchte.
Aber es gibt psychische Erkrankungen, bei denen Medikamente gar nicht helfen. Auch Angstzustände können sehr verschiedene Ursachen haben und daher muss das mit bedacht werden bei der Entscheidung bzgl. Medikamente.
Ich wurde genötigt, manches auszuprobieren, aber eine positive Wirkung hatte das nie. Mit dem Wissen von heute ist mir klar, warum das so war. Und die damaligen Ärzte hätten es durchaus besser wissen können.
Wenn du also Medikamente nehmen möchtest, dann musst du dir darüber im Klaren sein, dass es nicht mehr als ein Versuch ist. Das Ergebnis ist nicht zu 100% vorhersagbar. Und Medikamente lösen kein einziges Problem dauerhaft. Setzt du sie wieder ab, wird es vermutlich wie vorher, wenn du nicht zugleich in der Therapie herausfindest, warum die Angst überhaupt da ist.

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Theory
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Beitrag Mo., 07.03.2022, 10:03

Wie bekommt man denn einen Termin beim Psychiater?

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Montana
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Beitrag Mo., 07.03.2022, 10:09

Wie bei jedem anderen Arzt auch.

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stern
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Beitrag Mo., 07.03.2022, 10:10

Anrufen und einen ausmachen. Aber normal sind (zumindest für D) die Wartezeiten bei Fachärzten lange.
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münchnerkindl
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Beitrag Mo., 07.03.2022, 11:34

Wenn es so schlimm ist dass du schon ohne Hilfe nicht mehr klarkommst müsste dir die Ambulanz deiner zuständigen Psychiatrie zeitnah einen Krisentermin anbieten wo du dann auch akute Behandlung oder Beratung wie es weitergehen soll bekommen kannst.

Zu Antidepressiva kann man sagen, muss jeder selbst ausprobieren. Es gibt Leute da helfen die gut ohne nennenswerte Nebenwirkungen, es gibt Leute, da helfen sie einfach nicht oder sie haben dauerhaft nicht tragbare Nebenwirkungen.

In welche Kategorie du gehörst kannst du nur durch selbst ausprobieren sehen. Und es lohnt sich wenn es dir so schlecht geht durchaus es auszuprobieren. Ggf auch mehrere wenn Nummer eins und zwei nicht funktionieren (es gibt ADs mit verschiedenen Wirkmechanismen)

Ich habe gelesen dass je mehr echte Gründe für die Stimmungsprobleme du hast (zB eine Traumatisierung, schwere Lebensumstände) desto weniger wahrscheinlich dass die AD helfen.

Auf jeden Fall keine Hilfe kannst du erwarten von Coaches die keine Qualifikation haben psychische Krankheiten zu behandeln und das auch garnicht dürfen.

Wo du auch gute Beratung bekommen kannst ist der sozialpsychiatrische Dienst deiner Gemeinde. Da arbeiten Sozialpädagogen die da auch Ahnung haben wie du an passende Behandlung kommst.

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chrysokoll
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Beitrag Mo., 07.03.2022, 13:22

Theory hat geschrieben: Mo., 07.03.2022, 09:28
Wie ist eure Erfahrung damit?

Wer kann wirklich objektiv beurteilen, was für mich das richtige in der Situation jetzt ist?

Von wem kann ich echte Hilfe erwarten?
du hast eine Therapeutin und zwei Coaches - das ist vermutlich einfach zu viel und zu viel gleichzeitig.
Wissen die voneinander, sprechen die sich ab, gibt es da ein Behandlungskonzept mit allen? Denn einfach so drei Leute gleichzeitig an dir "rumtherapieren" lassen ist ziemlich sicher kontraproduktiv.

Als erstes würde ich die Coaches weg lasssen, was soll das bringen?
Gibt es da ganz konkrete Dinge die du erarabeitest?

Wenn du nur so mit diesem "overload" noch arbeitsfähig bist ist es wohl an der Zeit mal ganz ordentlich runterzuschalten. Coaching weg, womöglich auch eine Kranksschreibung, vielleicht eine Tagesklinik oder sogar Klinik.
Dort könnte man auch gut beurteilen (oder zumindest besser als jetzt) und wenn ja welche Medikamente hilfreich sind.
Die Entscheidung triffst aber du allein.
Manchen helfen Antidepresssiva, manchen nicht, es gibt Leute die haben keine Nebenwirkungen, andere viele davon, es ist auch unterschiedlich was man da zu akzeptieren bereit ist. Oft müssen mehrere Medikamente ausprobiert werden, die Wirkung kann auch erst nach Wochen beurteilt werden.

Bezüglich Angst gibt es auch andere Substanzgruppen, auch solche die nicht abhängig machen.

Bei mir persönlich haben Antidepressiva nie gewirkt, ich hatte immer nur heftige Nebenwirkungen.
Gegen akute Angst habe ich ein Neuroleptikum, das ist ganz niedrig dosiert in seltenen Fällen brauche und nehme
Aber das ist nur ein Beispiel, weil du ja nach persönlichen Erfahrungen gefragt hast.


kaja
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Beitrag Mo., 07.03.2022, 15:32

Ich gehöre leider auch zu den Menschen die leider gar nicht auf Antidepressiva ansprechen und habe aus wirklich jeder Gruppe welche ausprobiert.

In meinen schlimmsten Phasen hätte ich mir aber sehr gewünscht das es bei mir funktioniert und habe alles getan um endlich eine Besserung zu erreichen und alle Chancen genutzt zu haben. Das Bedarfsmedikament gegen meine Panikattacken war sehr hilfreich und auch der Nebeneffekt eines Antidepressiva hat mir weitergeholfen.

Ein Therapeut der z.B. bei einer schweren Depressiven Episode behauptet Medikamente solle man nicht nehmen, ist nicht ernst zu nehmen.
After all this time ? Always.

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chrysokoll
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Beitrag Mo., 07.03.2022, 15:37

kaja hat geschrieben: Mo., 07.03.2022, 15:32 Ein Therapeut der z.B. bei einer schweren Depressiven Episode behauptet Medikamente solle man nicht nehmen, ist nicht ernst zu nehmen.
wobei ja hier nicht klar ist ob eine schwere Depression vorliegt, laut Beschreibung stehen ja eher Angst / Panikattacken im Vordergrund


kaja
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Beitrag Mo., 07.03.2022, 16:20

Das habe ich ja auch nicht behauptet, sondern ein Beispiel dafür genannt wann dies zutrifft.

Grundsätzlich sollte ein Therapeut wissen wo seine Grenzen liegen und die sind, es sei denn er ist ärztlicher Psychotherapeut, eindeutig im Bereich der medikamentösen Behandlung erreicht.
After all this time ? Always.

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Hasenmaus123
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Beitrag Mo., 07.03.2022, 19:10

Ich schwöre ja auf Natrium Muriaticum.
Mir hat es geholfen, bin ein anderer Mensch.

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