Religiöser Wahn

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Karietta
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Religiöser Wahn

Beitrag Mo., 29.10.2012, 22:34

Hallo,
ich hätte hier mal eine Fragen. Hat euch schonmal ein Psychologe oder Psychater gesagt ihr hättet einen religiösen Wahn? Bei mir war das mal so, aber wo fängt Glauben an und wo beginnt religiöser Wahn?
Mich würde mal interessieren ob ihr gläubig seit und wie ihr das handhabt. Geht ihr in eine Gemeinde. Wie geht ihr mit Doktrien in der Kirche um?
LG Karietta

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Eremit
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Beitrag Di., 30.10.2012, 09:43

Die Basis für Glaube ist magisches Denken.

http://de.wikipedia.org/wiki/Magisches_Denken

Glaube MUSS sich weltlichen Kausalitäten und Falsifikationen entziehen, umseine Wirkung zu entfalten.

Die Frage, Karietta, sollte also eher lauten:

Handelt es sich in Deinem Fall um eine richtige Psychose oder um eine Entwicklungsstörung?

Die Antwort darauf muß im Zuge einer fachspezifischen Behandlung gefunden werden, hier wirst Du sie nicht finden.


Yumi
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Beitrag Di., 30.10.2012, 09:53

Karietta hat geschrieben: Wie geht ihr mit Doktrien in der Kirche um?
Was sind jetzt Doktrien in der Kirche?
Ein Tropfen Liebe hat mehr Bedeutung als ein Ozean von Wissen.
Blaise Pascal

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Wandelröschen
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Beitrag Di., 30.10.2012, 12:40

Eremit hat geschrieben:Die Frage, Karietta, sollte also eher lauten:
Handelt es sich in Deinem Fall um eine richtige Psychose oder um eine Entwicklungsstörung?
Die Antwort darauf muß im Zuge einer fachspezifischen Behandlung gefunden werden, hier wirst Du sie nicht finden.
Hallo Eremit,
nach deiner o.g. Aussage gehe ich davon aus, dass du kein gläubiger Mensch bist und Glauben per se als Entwicklungsstörung oder Krankheit siehst, also, den man nicht braucht und am besten gleich abgeschaft gehört.
Karietta hat eine eindeutige Frage gestellt und du gehst nicht darauf ein, sondern schiebst ihr Anliegen gleich in eine andere Ecke.
Der Glaube, von mir aus auch „magisches Denken“ gehört zu den Menschen wie Essen und Trinken, in jeder Kultur. Soweit man zeitlich zurück Aufzeichnungen findet, gibt es Hinweise darauf. Was sollte daran krankhaft sein, solange es in „normalen“ Bahnen verläuft? Und eben nach dieser Grenze fragt Karietta, nicht nach einer Grundsatzentscheidung, ob Religion oder ob nicht, fragt Karietta.

Hallo Karietta,
Ich versuche mal einige für mich geltende Kriterien zu nennen:
Wahn fängt an,
- Wo durch mein Ausagieren meiner religiösen Überzeugungen die Menschenrechte verletzt werden (z.B. heiliger Krieg)
- Wenn ich ohne zu hinterfragen alle Glaubenslehren übernehme
- Wenn ich mir die Freiheit abspreche, auch einige „Pflichten“, die mit der Religionsausübung verbunden sind, auch mal nicht zu erfüllen (z.B. mal nicht an einem Gottesdienst teilnehmen, weil ich gerade mal keine Lust habe und im Bett liegen bleiben will, ohne schlechtes Gewissen. Wenn ich dann, weil ich gesündigt hätte, hinterher gleich 1000 Vater-Unser bete und zur Buße noch dieses und jenes machen würde, würde es für mich schon in Richtung Wahn gehen)

So fürs erste, gibt es bestimmt noch mehr, auch aus meiner Sicht.
Gruß
Wandelröschen

Wann, wenn nicht jetzt. Wo, wenn nicht hier. Wer, wenn nicht ich.

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Eremit
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Beitrag Di., 30.10.2012, 13:17

Wandelröschen hat geschrieben:nach deiner o.g. Aussage gehe ich davon aus, dass du kein gläubiger Mensch bist und Glauben per se als Entwicklungsstörung oder Krankheit siehst, also, den man nicht braucht und am besten gleich abgeschaft gehört.
Ich sehe partielle Unfähigkeit, kausale Zusammenhänge herzustellen, als Problem an, so richtig brenzlig wird es allerdings erst dann, wenn "magische Erklärungen" gefunden werden MÜSSEN, statt sich eingestehen zu können, das sich etwas zugetragen hat und man das ganz einfach nicht verstehen kann und darüber auch keine Kontrolle hat.
Wandelröschen hat geschrieben:Karietta hat eine eindeutige Frage gestellt und du gehst nicht darauf ein, sondern schiebst ihr Anliegen gleich in eine andere Ecke.
Das ist ein Psychotherapieforum und kein Religionsforum. Du kannst sicher verstehen, daß ich in diesem Kontext auch bei Psychologie bzw. Psychopathologie bleiben will. Die Sache ist die, daß ich mich des Begriffs "Religiöser Wahn" annehmen will. Für die psychopathologische Dynamik ist es nicht ausschlaggebend, ob die Wahnideen religiöser Natur sind oder auf einen kreativeren Bereich abzielen (sich z.B. für einen Baumstamm halten und dergleichen). Verstehe mich nicht falsch - eigentlich SOLLTE es im gewissen Sinne gar nicht um Glaube oder Religion gehen, sondern um den WAHN. Übrigens wird "Religiöser Wahn" recht klar definiert, diese Definition hat aber wirklich rein gar nichts mit Deiner Definition zu tun.

Es gibt nun die Möglichkeit, eine Glaubens-Grundsatzdiskussion zu führen - oder eine Diskussion über möglicherweise psychotische Zustände. Ich glaube schon, daß es einen Grund hat, daß die TE speziell den Begriff "Religiöser Wahn" angegeben hat. Wahnideen können sich abwechseln, sich transformieren, die Religion ist nur ein Vehikel dafür. Ich würde gerne mehr über etwaige Wahnideen der TE erfahren. Mit Verlaub, alles Andere ist nur Herumreden um den heißen Brei und würde, sofern wirklich ein (meinetwegen religiöser) Wahn gegeben ist, zu keinen produktiven Ergebnissen führen (im Kontext, daß wir uns in einem Psychotherapieforum befinden und die TE einen fachspezifischen Ausdruck mit psychopathologischer Relevanz verwendet).

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yamaha1234
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Beitrag Di., 30.10.2012, 13:55

Karietta hat geschrieben: Mich würde mal interessieren ob ihr gläubig seit und wie ihr das handhabt. Geht ihr in eine Gemeinde. Wie geht ihr mit Doktrien in der Kirche um?
LG Karietta

Hi Karietta,

ist ein schwieriges Thema finde ich. Einmal sagte eine Therapeutin zu einer Freundin die auch sehr gläubig ist und ein Problem mit ihrem Glauben und ihrer Homosexualität hat: "Na, wenn die xy Kirche ein Problem damit hat, dann suchen Sie sich halt eine andere Religion die Homosexualität akzeptiert".....Ähm, ich fand die Therapeutin nicht sehr kompetent Seinen Glauben wechselt man ja nicht nach "gutdünken", oder weil die sexuelle Präferenz nicht zum Glauben passt. Ich glaube, dass dies einen schweren Konflikt auslösen kann und dies zu einer "inneren Zerrissenheit" führen kann. Womöglich ist der Versuch einer "Synthese" so etwas wie eine Lebensaufgabe.....eine abschließende Antwort darauf haben weder meine Freundin noch ich bisher gefunden.....aber wenigstens wissen wir, dass die "richtige" Antwort weder ein Therapeut noch ein Theologe kennt.

LG

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Blaubaum
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Beitrag Mi., 31.10.2012, 20:40

hallo Karietta,

vielleicht hat er das mit dem wahn nicht allzu wörtlich gemeint? vielleicht vertrittst Du religiöse überzeugungen, die er absurd findet, die ihm vielleicht zu dogmatisch, intolerant oder überwertig/fanatisch sind?
wobei, ein psychiater oder psychologe sollte (dogma! ) diesen begriff vielleicht nicht leichtfertig und umgangssprachlich verwenden....?

was stört Dich an seiner aussage? meinst Du, er hat recht?

mir wurde noch kein wahn unterstellt oder attestiert und ich habe meine eigene religion.
mein gotteshaus ist mein eigenes haus oder auch jedes andere haus, wo es gemütlich ist. ich finde, über religion wird zu viel gestritten...
und ich finde religiösen wahn genauso ärgerlich wie atheistischen wahn, aber auch hier meine ich diesen begriff umgangssprachlich, nicht klinisch.
falls Du wahnkrank bist, isoliert oder in kombination mit....., wäre es möglicherweise eine sehr behandlungsbedürftige störung, und das sagt ein psychiater eigentlich nicht mal so daher....
spezialisten wissen zuerst viel über wenig und am ende alles über nichts

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MissX
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Beitrag Mi., 31.10.2012, 23:36

Ist die Religion nicht per se ein kollektiver Wahn?

Für Freud ist die Religion eine Art "Zwangsneurose".

Religion ist aus der Notwenidigkeit des Triebverzichts und der Sehnsucht nach einer "Vaterinstanz" psychologisch gesehen entstanden.

Freud dazu:

„Die Psychoanalyse hat uns den intimen Zusammenhang zwischen dem Vaterkomplex und der Gottesgläubigkeit kennen gelehrt, hat uns gezeigt, dass der persönliche Gott psychologisch nichts anderes ist als erhöhter Vater“

Ehrlich gesagt, finde ich das sehr nachvollziehbar.
Ich bin absolut nicht religiös, aber empfinde trotzdem diese Sehnsucht nach einer höheren Instanz, die mir sagen was ich tun soll (früher Eltern). Klar, gibt das Sicherheit, Halt usw.
Aber ich denke, dass ich nun erwachsen bin und deshalb die Fähigkeit habe, selbst entscheiden zu können, was richtig und was falsch, was gut was schlecht ist. Dafür brauche ich keine Religion. Und auf welche Triebe ich wann mal zeitweise unterdrücke und welche nicht, das entscheide ich auch selbst. Also letztendlich finde ich Religiösität als eine Verweigerung wirklich reif und erwachsen zu werden.

"Wahn ist die krankhaft entstandene Fehlbeurteilung der Realität. An dieser Fehlbeurteilung wird mit absoluter Gewissheit und unkorrigierbar festgehalten, selbst wenn sie im Widerspruch zur Wirklichkeit, zur eigenen Lebenserfahrung und zum Urteil gesunder Mitmenschen steht." http://www.psychosoziale-gesundheit.net/seele/wahn.html

Für mich ist Religiösität nach dieser Definition immer ein Wahn. Wenn man wider aller Vernunft an einen Gott glaubt.
Ich denke, der einzige Unterschied ist, dass dieser Wahn den Menschen unter bestimmten Bedingungen gut tut (Anleitung zum Leben) und auch teilweise gut für die Gesellschaft ist (Triebverzicht). Patholgisch würde ich ihn erst nennen, wenn er Menschen schadet. Zum Beispiel, wenn sich ein schwuler Mann fast umbringt, weil er es nicht erträgt homosexuell zu sein, weil sein religiöser Wahn es nicht erlaubt. Oder wenn in einem kleinen Dorf eine geschiedene Frau ausgegrenzt wird, nur weil sie geschieden ist. Wenn muslimische Frauen in ihrer Freiheit eingeschränkt werden. Wenn Menschen im Namen der Religion getötet werden.
Die Religion schadet definitiv Menschen und ab da erscheint sie mir veränderungs-/behandlungswürdig. Da wird sie zu einer Krankheit der Gesellschaft.

Ansonsten sehe ich sie zwar kritisch, weil sie meiner Meinung nach die geistige Entwicklung der Menschen hemmt. Aber sowas kann man sowieso nicht erzwingen.

Klar, gibt es Dinge, die der Mensch, nicht begreifen kann, wo er einfach nur staunend und ehrfürchtig vorsteht, aber deshalb muss man sich ja nicht gleich etwas zusammen fantasieren.

So, ich erwarte die Steinigung.
Zuletzt geändert von MissX am Mi., 31.10.2012, 23:39, insgesamt 2-mal geändert.


Vincent
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Beitrag Mi., 31.10.2012, 23:38

Ach, Freud...
"Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu." (Horvàth)

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MissX
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Beiträge: 462

Beitrag Mi., 31.10.2012, 23:40

Vincent hat geschrieben:Ach, Freud...
Oh, ich bin beeindruckt über dieses Argument.


Vincent
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Beitrag Mi., 31.10.2012, 23:48

Solche Diskussionen sind müßig. Wie ich sehe, hat es im Forum auch schon einige gegeben.

Freud sagte dies, der andere sagte das. So what? Man findet immer Für- und Widerstimmen, die man zitieren kann.

Im Übrigen sehe ich es so, dass die Psychologie als Orientierungsgebäude eine ebensolche (religiöse) Ausprägung hat. Jedenfalls ist sie auch nur eine Ideologie, die der Orientierung und Lebensbewältigung dient. Hat die Seite einen Mehrwert, wenn sie magisches Denken pathologisiert? Ich glaub`s nicht.
Also letztendlich finde ich Religiösität als eine Verweigerung wirklich reif und erwachsen zu werden.
Aha, so-so, na dann...
"Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu." (Horvàth)

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