Identität und Ambivalenz

Hier können Sie Fragen zu Begriffen, Diagnosen und sonstigen Fachworten stellen, die einem gelegentlich im Zusammenhang mit Psychologie und Psychotherapie begegnen oder die Bedeutung von Begriffen diskutieren.

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ziegenkind
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Identität und Ambivalenz

Beitrag Di., 30.10.2012, 17:53

aus persönichen und wissenschaftlichen gründen interessiere ich mich grad sehr für theoretische annäherungen an das phänomen der ambivalenz, davei v.a. dafür, wie ambivalenz und (personale) identität zusammengedacht werden. ein paar beispiele für fragen:

1. wie viel ambivalenz ist gut? welche ambivalenz ist gesund, welche krank?

2. personale identität haben hieß lange, eine mitte haben, kohärenz konstruieren, zu definieren warum und unter welchen von mir als relevant akzentuierten aspekten ich mit mir identisch bin, ich mir gleich geblieben bin. ist diese aufgabe in der postmoderne noch leistbar?

3. wie kommt man zu reflektierter ambivalenz? wie hält man ambivalenz aus (ganz konkret auch im therapeutischen kontext die ambivalenz zwischen nähe und distanz, professionaliät und intimität, getrennt und verbunden, regression und sich selbst-reflexiv über die schulter schauen, patient und interaktionspartner auf augenhöhe, hilfe suchen und gemeinsam verändernde erfahrungen machen)

ich freue mich auf wortmeldungen, eigene erfahrungen, positionierungen, vielleicht auch auf hinweise auf spannende literatur.

ach ja, wissenschaftlich analysiere ich selbstverortungen von menschen in nachkriegsgesellschaften, die trauma, gewalterfahrung, den zusammenbruch von selbstverständlichkeiten, die entwertung von orientierungswissen hinter sich haben. ich beobachte i den geschichten von vielen eine hoch beeindruckende fähigkeit im umgang mit und im aushalten von ambivalenzen, auch ein einfordern des rechts auf uneindeutige geschichten. dafür suche ich auch noch eine sprache.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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Sabriel
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Beitrag Di., 30.10.2012, 17:58

hallo kenneth,

wenn du sagst, du suchst dafuer noch eine Sprache, was soll das fuer eine Sprache sein? Die Feinheiten der Begriffsbestimmung im akademischen Diskurs und die Alltagserfahrungen von Menschen decken sich oft gar nicht in der Ausdrucksweise - ein Problem, an dem ich wiederholt mit meinem Partner scheitere, als "Bewohner" verschiedener Disziplinen ist ein sprachlicher Austausch manchmal fast nicht möglich.

Herzliche Gruesse
Sabriel
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ziegenkind
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Beitrag Di., 30.10.2012, 18:11

als ethnologin bin ich in einer disziplin unterwegs, in der man sich die freiheit nehmen darf,sehr alltagsnah zu schreiben. gleichzeitig (hoppla ambivalenz!) lass ich mich im durchdenken, im verstehen von alltagserfahrungen gerne von den theoretischen sprachen verschiedener disziplinen inspirieren. manchmal entdeckt man in beschreibungen von phänomenen aus einem anderen feld zusammenhänge, die das eigene denken im eigenen feld erhellen, nach hause leuchten - oder so ähnlich. das gleicht dann oft einem erratischen, wenig systematischen suchprozess. manchmal findet man aber so goldene körner in weit entfernten heuhaufen.

eines meiner probleme: ich spüre, lese, weiß aber auch von mir: es gibt gesunde nd kranke weisen des umgangs mit ambivalenz. die worte gefallen mir nicht. aber sie bringen was zum ausdruck, was ich gerne genauer fassen möchte. ein versuch: ich kann zwischen gegensätzen hin und her hüpfen, ich kann die selbe geschichte in einer ewigen wiederholungsschleife mal in der einen, mal in der anderen schablone erzählen. ich scheitere immer wieder. ich komme aus dem erzählzwang nicht heraus (kenn ich von mir selber und seh ich in meinem material). das ist krank. ich kann erzählen in dem wissen darum, das in meiner geschichte immer ein widerständiger rest bleibt, der in keine schablone passt. das ist gesund. (kenn ich NEUERDINGS auch von mir selber und von meinem feld) das muss nicht einmal heißen, dass es mir gelingt die dritte schablone zu finden. dafür zum beispiel suche ich eine andere sprache, die mir erlaubt das missliche, biologistische, urteilende gesund und krank, gut und schlect, funktional und dysfunional zu vermeiden .
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carö
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Beitrag Di., 30.10.2012, 18:26

hallo kenneth,

interessante fragen....

hierzu fiel mir ein, dass ich mal was gelesen habe...
personale identität haben hieß lange, eine mitte haben, kohärenz konstruieren, zu definieren warum und unter welchen von mir als relevant akzentuierten aspekten ich mit mir identisch bin, ich mir gleich geblieben bin. ist diese aufgabe in der postmoderne noch leistbar?
sinngemäß wird argumentiert, es sei nicht so sinnvoll in einer welt in der individualisierung und flexibilisierung, sich so sehr festzulegen, also auch nicht in bezug auf die eigene identität.

gucksu hier evtl.: Kraus, W., & Mitzscherlich, B. (1995). Identitätsdiffusion als kulturelle Anpassungsleistung.
Psychologie in Erziehung und Unterricht, 42, 65-72

Marcia (google mal nach dem) sagt dazu: "Kulturell adaptive Diffusion (adaptive diffusion) Für die multikulturelle Gesellschaft der Zukunft wird die kulturell adaptive Diffusion zunehmend Bedeutung erlangen und evtl. zu einer regulären Form der Identität. Sie bildet sich, wenn Unverbindlichkeit, Offenheit und Flexibilität gefordert werden. Der Person erscheint es als sinnvoll, sich beruflich und privat nicht festzulegen, um den kulturellen Anforderungen besser gerecht werden zu können. Mit klaren Wertvorstellungen und gefestigten Lebenszielen kann die Person sich an rasch wechselnde Bedingungen nicht so schnell anpassen. Sie wird von den Gesellschaftsformen gefördert, wobei "Normalität" als Identitätsziel angestrebt wird."
hier: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at ... taet.shtml

interessant finde ich auch den ansatz, identität (da durch kohärenzerleben u.a. definiert) sei ein artefakt, das zustandekommt, indem man seine geschichte sozusagen erzählt und erzählen unterliegt wiederum einem kohärenzzwang.

zu deinem punkt eins: krank und gesund finde ich nicht so ganz angemessen... eher ist doch die frage, was passt, womit fühlt man sich wohl ? oder ?


soweit erstmal...

LG
carö

P.S. hatte deinen folgebeitrag noch nicht gelesen
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ziegenkind
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Beitrag Di., 30.10.2012, 18:37

carö, du bist ein schatz. danke dir. ja, das kohärenz v.a. aus der logik des erzählens stammt, im erzählen hergestellt wird, ds kenne ich. gibt es ein wunderbares buch von der amerikanischen lingustin charlotte linde (lifestories), die zeigt, wie das im amerikanischen kontext funktioniert. dann gibt es einen österreicher, der ist wohl histoiker, der sagt, es gibt eine erzählttradition in andeen kulturellen kontexten die noch nie andas märchen von der kohärenz und der eindeutigkeit geglaubt hat. smelser, ein soziologe, der aber auch psychoterapeutisch unterwegs ist, handelt das ambivalente als gegensatz des rationalen. das sind alles ganz spannende fährten.

den von dir ausgelegten werde ich flugs mal folgen. ich wusste, dass es die position gibt, hatte aber noch keine gute referenz. danke noch mal.

gesund und krank, fürcherlich ich weiß. aber da gibt es doch jenseits von dem kriterium, was ist für mich gut, sowas intuitives-intersubjektives, was sich oft herstellt nicht? da weiß man irgendwie, da in dem fall ist es gut, produktiv, möglichkeiten eröffnend, in dem anderen fall, da ist es verdrängend, blind machen, freiräume beschneidend. irgendwie so. siehtgleich aus, wirkt aber ganz anders.
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carö
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Beitrag Di., 30.10.2012, 18:39

nur ganz kurz, zum letzten punkt, weil ich das auch sehr doll spannend finde...

kennst du das gedicht von i. bachmann - was wahr ist ? ich finde, sie gibt darauf eine wunderbare antwort. eine sehr persönliche.

also zumindest MIR gibt sie einen hinweis, worum es gehen könnte...

P.S. und danke DIR für die interessanten hinweise... hab direkt lust, das eine oder andere dazu zu lesen.

bin gerade auf dem sprung...
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Beitrag Di., 30.10.2012, 20:42

ferdin, wo ist denn dein hinweis hin verschwunden? ich hab es vorhin noch gesehen, war dann aber abgelenkt, mit gutem grund, wie ich finde, meine therpeutische bergziege hat mich angerufen. unerhört. fast nie dagewesen. fast. genug fast um mich auf jeden fall zu elektrisieren. erst haben wir lange geredet, über was?, über ambivalenz natürlich, theoretisiert v.a., in herrlicher leichtigkeit, auch ein, zwei kleine blicke auf den zusammenhang zu unserem berühmten prozess riskiert (ich rsikiert, sie elegant geworfen, ich eb es zu, das sind zwei getrennte geschichten...), schwupps, leichtigkeit auf meiner seite raus, fahrradreifen in ner sekunde von prall gefüllt auf total platt, danach hab ich noch recht ambivalent nachgedacht, was mir das alles bedeutet....ein dichter tag das, heute.

ferdin, guck mal, unter diesen umständen, kannst du mir mein schweigen nicht verzeihen? ich würde die geschichte von jakob?, die du erwähnt hast gerne suchen und finden. ich versteh das übrigens, dein rasches sich zurückziehen, löschen, unsichtbar machen, glaub ich zumindestens. solche impulse kenn ich auch. aber könnten wir dann nicht versuchen zu reden, schreiben meine ich, miteinander. ich wollte dich nicht ignorieren. entschuldige.

carö, ich hab noch mal nachgedacht. in einem punkt bin ich fürchterlich ambivalent. einerseits: ich hasse diese terroristische bürgerliche ideologie, die von uns indivudalität, ganzheit, sich treu bleiben, sich gleich bleiben fordert - und das in einer gesellschaft, die uns täglich in die schizophrenie treibende paradoxien zumutet. sei originell, erfinde dich selbst, aber tritt nicht über die linie, sei konformistisch gerade in dem du dein spontan und ich-ganz-ich sein inszenierst. wirklich ich hasse das, ganz intim, ich habe mich so dermaßen jagen lassen von diesem kram. und dann kommt da diese postmoderne mit ihrem sei flexibel, leg dich nicht fest und auf den ersten blick sieht es aus wie befreiung von dem alten terror. aber auf den zweiten blick ist es vielleicht doch nur das selbe in grün. die hand beim maxime-schreiben wird doch irgendwo irgendwie von der selben ökonomistischen verwertungs-(selbst)optimierungslogik geführt. pass dich an, nehm gelegenheiten wahr, bewege dich in netzwerken, kooperiere, wenn du sollst, schotte dich ab, wenn du sollst, spiel flache heirachien, wenn du sollst, bedien heirachien, wenn du sollst. irgendie auch schizophren, nicht?
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Beitrag Di., 30.10.2012, 23:30

krrrass, bislang von niemandem was zum freud'schen begriff der ambivalenz......die gibt es hier doch sonst immer mittenmang, die psychologen.....
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Beitrag Mi., 31.10.2012, 12:53

ein anderer gedanke.

ambivalenz als last, ambivalenz als lust.

ambivalenz, das uneindeutige hat ja historisch oft angst ausgelöst. was man nicht eindeutig kategorisieren kann, wirkbedrohlich. gibt es in der kunst viele beispiele, in derhaltung zu llem, was auch, aber nicht nur in der sexualität als uneindeutig, als deviant gilt.

ambivalenz als chance: genau so lange gibt es das stöhnn über den einengenden zwang hinter der binären logik, die suchenach dem dritten, das als verlockend, als schöner, als wahrer, als klüger erscheint.

ih dekleniere das mal durch mit eingen fragen:

ist das in unterschiedlichen zeiten unterschiedlich ausgeprägt? ist die heroische moderne besonders ambivalenzfeindlich? ist die globalisierte postmoderne, das zweite mittelalter besonders ambivalenzfreundlich?gibt es da eine differenz zwischen the west and the rest? gibt es an jedem ort und in jeder zeit diese differenz zwischen hegemonialem mainstream (ambivalenz als last) und heterodoxen marginalen (ambivalenz als lust)?
ist das eine sache der persönlichen reife? heißt reif sein mit unvermeidlichen ambivalenzen umgehen, sie aushalten zu könen? heißt unreif sein, zu spalten, ambivalenz weg haben wollen?
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carö
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Beitrag Mi., 31.10.2012, 13:17

hallo kenneth,

gerade wollt ich auch dazu ansetzen... wie ich das mit der ambivalenz verstehe .. zur zeit zumindest...

so wie ich ambivalenz verstehe, handelt es sich um etwas "reifes". muss da an die sog. depressive position nach melanie klein denken, wenn der mensch dazu in der lage ist auszuhalten, dass etwas nicht nur gut oder nur böse ist, sondern beides gleichzeitig sein kann.. und die beziehung eben doch aufrecht erhalten werden kann, trotz mancher unpassender und frustrierender anteile. ich glaube der begriff der ambitendenz beschreibt dagegen, was man vielleicht früher (???) unter ambivalenz verstanden hat. ob sich der begriff aber tatsächlich historisch verändert hat oder ob er in unterschiedlichen schulen unterscheidlich definiert wird, weiss ich nicht. ambitendenz wäre dann zum beispiel diese berühmte "hassliebe", wo die beiden gefühle quasi unverbunden nebeneinanderstehen. wo man im grunde mal von dem einen in das andere gefühl kippt. es zeigt also das unverbundenen nebeneinander der gefühle, im grunde also spaltungstendenzen. zumindest verstehe ich es so..

LG
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stern
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Beitrag Mi., 31.10.2012, 13:25

Ganz unwissenschaftlich mehr aus dem Bauch heraus: Ich weiß gar nicht, ob Ambivalenzfreiheit erstrebenswert wäre. Das hätte etwas ziemlich eindimensionales. Kann ich mir praktisch auch nicht vorstellen, dass einen ambivalenzfreien Menschen überhaupt gibt. Ich halte es vielmehr für etwas menschliches.

Für entscheidend erachte ich eher, dass ich beide Standpunkte (bewusst) wahrnehme... und mich dann willentlich für den eine oder anderen entscheiden kann. Kann man das nicht, ist das für mich auch nicht synonym mit krankhaft (siehe deine Eingangfrage), bestenfalls einschränkend. Frage jetzt nicht, wo ich die Grenze zur Pathologie verorten würde... aber dann wenn die Einschränkungen dadurch (z.B. dass man kaum mehr eine Entscheidung treffen kann, UND SO WEITER) sehr groß werden und mit Leidensdruck verbunden sind, wird es wohl kritisch.

Carö noch nicht gelesen.
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stern
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Beitrag Mi., 31.10.2012, 14:17

Noch eine Ergänzung:
Für entscheidend erachte ich eher, dass ich beide Standpunkte (bewusst) wahrnehme... und mich dann willentlich für den eine oder anderen entscheiden kann.
... wobei ich es so sehe, dass man sich nicht für eine Postion entscheiden braucht. Sondern ich erachte es auch für menschlich (und noch lange nicht für per se krankhaft), dass man zu ein und demselben gemischte Gefühle haben haben kann... nebeneinander, die man im Optimalfall auch so stehen lassen kann. Wohl auch je nach Art der Ambivalenz, nicht immer ist eine eindeutige Entscheidung vonnöten... manchmal aber schon. Und wenn man dazu dann nicht mehr in der Lage wäre, hmmm.
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Beitrag Mi., 31.10.2012, 17:08

carö, noch mal dickes danke. der begriff der ambitendenz, der ist genau das, was ich grade brauche. hatte ich total vergessen, dass es die unterscheidung gibt. ich muss aber auch gestehen, erröt, dass ich noch nie was von melanie klein selber gelesen hab.das werde ich jetzt vielleicht nachholen...im moment bin ich noch am googeln.

stern, das glaub ich auch nicht, dass freiheit von ambivalenz was erstrebenswertes ist. ich glaub nur manchmal, dass wir ALLE mit der ambivalenz, wenn sie dann ganz dicht rankommt, oft mehr schwiergkeiten haben als das reden von der fröhlichen postmoderne mit queer und quer so vermuten lässt. und ich denke, die schwierigkeiten haben nicht nur mit der durch ambivalenz vielleicht bedrohten handlungsfähigkeit zu tun. ich denke, ambivalenz macht schon ganz lange und immer noch angst, hin und wieder.

ich habe in meinem freundeskreis jemanden, der gerade dabei ist sein geschlecht zu verändern. das ist trotz alledem immer auch wieder irritierend. und dabei war sie-er nie eindeutig. aber jetzt ist es so sichtbar. es ist anders obwohl doch nichts anders ist, so richtig, der schwerpunkt der ambivalenz hat sich ein bisschen verlagert.

wenn man dann so nachdenkt, warum und weshalb, dann stoße ich auf das wort definieren. das kommt von fines, grenze ziehen. wir sagen, was etwas nicht ist, wenn wir sagen, was es ist. unser hirn kann was nicht anders. wir ordnen die welt in gegensätzen. levi-strausse lässt grüßen: roh und gekocht, die mythen, nichts weiter als eine übung im konstruieren von binären gegensätzen.

da verstehe ich dann schon, dass dinge, menschen, ideen, praktiken, die zwischen und über den grenzen liegen, manchmal verstören. wie die junge studierte neo-muslima, die ihren autoritären linken türkischen gewerkschaftspapi zu hause kräftig in die schranken verweist, auch weil er die mutter schlägt. und gleichzeitig rennt sie tief verschleiert rum. fragt die mal, wie ihre erfahrungen mit dem aushalten von ambivalenzen in der coolen, hippen, postmodernen deutschen gesellschaft so sind. die hat ein bisschen pech, dass sie quer zum hegemonialen kategoriensystem liegt. und da liegt es sich, denke ich, nicht nur gut.
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Sabriel
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Beitrag Mi., 31.10.2012, 17:32

Hallo kenneth,

wo verortest du denn diese Postmoderne, von der du hier schon ein paarmal geschrieben hast?

Viele Gruesse
Sabriel
Zuletzt geändert von Sabriel am Mi., 31.10.2012, 17:41, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag Mi., 31.10.2012, 17:37

ich verordne die nicht, sabriel ich verorte sie auch nicht das tun andere. all die, nein, viele der autoren, die der langweiligen, terroristischen, genozidalen moderne eine unfähigkeit zur ambiguitätstoleranz, ein scheitern am ambivalenten attestieren, etikettieren ihren gegenentwurf als postmodern, mal hochgemut und euphorisch, mal zynisch und resignativ (vielleicht in der depressiven postion von melanie klein angekommen).

magst du den begriff nicht oder worauf zielt die frage?
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