Psychische Krise vs. psychische Krankheit

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mia777
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Psychische Krise vs. psychische Krankheit

Beitrag Mi., 06.08.2008, 13:25

Hallo liebe Forumsmitglieder!
Wisst ihr, was genau unter einer psychischen Krise - im Vergleich zu einer psychischen Krankheit - zu verstehen ist?
Liebe Grüße,
Mia

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Meereszauber
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Beitrag Mi., 06.08.2008, 17:42

Hallo Mia,

am eigenen Beispiel:
eine psychische Krise hatte ich mal vor 4 Jahren:
erst wurde mein Mann arbeitslos,
dann wurde ich arbeitslos,
zeitgleich lag ein 21jähriges enges Familienmitglied im Sterben und
drei Monate nach dessen Tod erfuhr ich, dass mein Vater sterben wird.

In dieser Zeit hatte ich eine psychische Krise.

Diese konnte ich mit psychologischer Unterstützung lösen (ich habe in der Beziehung hervorragende Kontakte und musste erst gar nicht auf die Suche gehen, das war für mich natürlich eine leichte Sache), um entspannter mit diesen Situationen umgehen zu können.


Psychische Krankheiten werden von einem Psychiater behandelt. In meinem Umfeld gibt es die und darunter fallen Begriffe wie
-Schizophrenie,
-bipolare Störung und ich glaube auch
- Borderline (bitte um Korrektur, wenn ich etwas falsches schreibe!!!).

Diese können medikamentös behandelt werden durch Psychopharmaka.

Als ich meine persönliche psychische Krise hatte, habe ich keine Psychopharmaka benötigt und auch keinen Psychiater (eigentlich habe ich in der Zeit am meisten viel Schlaf und viel Ruhe gebraucht, um mich wieder zu "regenerieren").


Ich schildere jetzt aber nur meine persönliche Auffassung dazu, es gibt sicherlich auch andere Empfindungen und Darstellungen.
Herzliche Grüße
Meereszauber





Vergangenheit ist gegenwärtige Erinnerung.
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Augustinus

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mia777
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Beitrag Mi., 06.08.2008, 21:38

Hallo Meereszauber!
Danke für deine Antwort - so etwas ähnliches hatte ich mir auch schon gedacht.
Meine Psychotherapeutin meinte, ich hätte keine psychische Krankheit, sondern eine psychische Krise - bei mir sind ebenfalls viele Faktoren zusammengekommen...
Beim Psychiater war ich noch nicht - ich glaube auch ehrlich gesagt nicht, dass Medikamente in meiner Situation Sinn machen würden, selbst wenn sie vielleicht vorübergehend Erleichterung bringen.
Wie lange hat - wenn ich fragen darf - deine psychische Krise denn damals gedauert?
Liebe Grüße,
Mia

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Meereszauber
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Beitrag Do., 07.08.2008, 08:48

Hallo Mia,
Wie lange hat - wenn ich fragen darf - deine psychische Krise denn damals gedauert?
schwer zu sagen.....
ich kann das höchstens mal phasenweise anreissen, es passierte ja nicht alles an einem Tag.
Die krisenhafteste Zeit war der Zeitraum, an dem ich meinen Job verlor und wir nur wenige Tage vorher erfuhren, dass das uns nahestehende Familienmitglied (damals Anfang 20) sterben wird.
Da war erst mal der Schock, dann kam der Schock des Jobverlustes und so nach und nach hat sich die gefühlte Krise eingeschlichen.

Im Zeitraum der Sterbebegleitung (4 Monate) haben wir teilweise einfach nur noch "funktioniert", in dem Zeitraum habe ich mir auch intensiv psychologische Unterstützung geholt, weil ich Entlastung gebraucht habe.

Wichtig ist mir aber auch zu sagen, dass auf eine unübliche Art und Weise funktionierte - einfach unter dem Aspekt, dass ich doch einen Pool an Psychologen durch mein ehrenamtliches Engagement (Gruppenleiterin) "an der Hand" habe und ich nur mal anklopfen brauchte: "Hey, ich habe da mal ein Problem...".

Nach dem Tod des jungen Mannes kam erst mal ein richtiges "Loch", wobei ich in der Zeit auch viel Zeit für mich gebraucht und weniger auf Beratung zugegriffen habe. Ich kann mich selbst gut einschätzen und greife dann auf Unterstützung zurück, wenn ich der Ansicht bin, dass Notwendigkeit besteht.

Nochmal intensiver wurde es, als ich dann wenige Monate später erfuhr, dass mein Vater sterben wird.
Da musste auch erst mal der Schock verdauet werden und die Phase, in der ich mich intensiver unterstützen habe lassen, dauerte etwa (alles Zirka-Angaben!!!) so ungefähr ein Jahr - aber unregelmässig. Nur nach persönlichem Bedarf. Das hing mit der Krankheit meines Vaters zusammen und den daraus resultierenden Umständen.

Dann hat sich alles einfach wieder relativiert und ab und an habe ich mir noch ein bisschen den Rücken durch Gespräche stärken lassen, um wieder den Boden unter meinen Füssen besser wahrnehmen zu können und wieder ein Gespür für mich selbst zu bekommen (in solchen Zeiten glaubt man ja manchmal "sich selbst zu verlieren").

Ich kann nur ganz schwer sagen, das dauerte z.B. von 1. Januar 2004 bis 7. August 2005.

Das "Schlimme" kam, wurde mehr, hatte irgendwann einen Höhepunkt...dann kam noch ein Höhepunkt, dann wurde es Kuddelmuddel, wenn ich unterstützendes "Entwirren" brauchte, habe ich mir das geholt und irgendwann verschwand alles wieder, Schritt für Schritt und "heute" fühle ich mich ..... gut.

Ich habe mich selbst in der krisenhaften Zeit in keinster Weise "krank" gefühlt. Der einzige Tag, an dem ich zum ersten und bisher einzigen Mal in meinem 38jährigen Leben mit einer Beruhigungsspritze/Psychopharmaka (ich denke schon, dass da kein "Baldrian" injiziert wurde, sondern etwas Richtung Psychopharmaka, im Grunde genommen war es mir auch egal) in Berührung gekommen bin, war der Tag der Beisetzung des jung verstorbenen Familienmitglieds.

Ich hatte das schon in der Sterbephase dieses Familienmitglieds mit einem Psychologen und einem Arzt besprochen, weil ich soviel während der Sterbebegleitung hautnah mit erlebt hatte, dass ich am Tag der Beisetzung einfach nicht noch "mehr" ertragen wollte.
Abschied selbst hatte ich vorher schon am Totenbett genommen, aus eigenem Willen und mit vollster Bewusstheit (ich wollte nichts einnehmen, weil die Verarbeitung für mich so viel besser ging).



Mia, magst Du mal Deine Situation ein wenig anreissen?
Herzliche Grüße
Meereszauber





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Augustinus

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Emma
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Beitrag Do., 07.08.2008, 10:04

Hallo,

also ich hab den Unterschied jetzt irgendwie nicht verstanden. Mein Psychotherapeut redet bei mir von einer psychischen Krankheit. Ich nehme keine Medikamente und würde das auch nicht wollen. Er ist Psychotherapeut, kein Psychiater.

Ich habe es bisher so verstanden, dass psychische Krisen situationsgebunden sind, also z.B. an einem Tod eines nahestehenden Menschen, Arbeitsplatzverlust etc., während eine psychische Krankheit eher ein grundsätzliches Problem darstellt. Versteht ihr was ich meine? Oder irre ich mich hier?

Liebe Grüße,
Emma

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Meereszauber
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Beitrag Do., 07.08.2008, 10:10

Hallo Emma,

so wie Du das ganz klar und verständlich schilderst, verstehe ich es auch.
Während einer Krise kann es sicher möglich sein, mal kurzfristig Psychopharmaka zu nehmen, bei einer psychischen Krankheit kenne ich von Betroffenen Dauermedikation.

Aber auch ich kann mich irren.
Herzliche Grüße
Meereszauber





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Augustinus

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mia777
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Beitrag Do., 07.08.2008, 17:44

@ Emma:
Ich finde deine Definition auch sehr verständlich.

@ Meereszauber:
Ja, ich versuche mal, meine Situation einigermaßen verständlich darzustellen.
So richtig begonnen hat alles mit meiner Akne-Behandlung. Ich hatte jahrelang schwere Akne, unter der ich sehr gelitten habe (Anmerkung: bin nicht 30, sondern 24 ) und habe als letzte Möglichkeit einige Monate ein Medikament eingenommen, das recht starke Nebenwirkungen hat (u.a. auch in Bezug auf die Psyche).
Das Ende der Behandlung fiel zusammen mit meinen letzten Examensprüfungen und der daraufhin folgenden beruflichen Orientierungslosigkeit.
Vorübergehend zog ich bei meinen Eltern ein, wo ich wieder mit den alten familiären Problemen konfrontiert wurde (ich habe zwei behinderte Geschwister und meine Mutter hat seit Jahren Depressionen).
Die Trennung von meinem Freund kam hinzu, und ich habe gemerkt, dass mir einfach alles zu viel wird...
Medikamente habe ich bis jetzt noch nicht eingenommen. Seit November mache ich eine Psychotherapie, mittlerweile allerdings bei einer anderen Therapeutin.
Bei dir ist jetzt auf jeden Fall wieder alles in Ordnung?

Liebe Grüße an euch beide,
Mia

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Meereszauber
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Beitrag Do., 07.08.2008, 19:54

Hallo Mia,

ich habe wieder zu meiner Mitte zurückgefunden.
Übrigens kann ich mich ein wenig in Dich einfühlen:
ich bin Pflegemutter eines schwerbehinderten Kindes und Adoptivmutter eines gesunden Kindes und ich weiss, wie schwer es teilweise für gesunde Geschwisterkinder sein kann, wenn ein behindertes Geschwisterkind in der Familie ist.

Ich wünsche Dir von Herzen eine erfolgreiche Therapie. Deine Hintergrundgeschichte klingt nicht gerade einfach, aber so wie ich Deine Schreibweise wahrnehme, kann ich mir vorstellen, dass auch Du wieder gut zu Dir selbst zurückfinden wirst!
Alles Liebe für Dich!
Herzliche Grüße
Meereszauber





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Augustinus

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mia777
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Beitrag Do., 07.08.2008, 21:22

Hallo Meereszauber,
vielen lieben Dank für deine aufmunternden Worte!
Dass du wieder zu deiner inneren Mitte zurückgefunden hast freut mich für dich - ich hoffe, dass es bei mir auch bald wieder bergauf geht.
Ích wünsche dir ebenfalls alles Gute, vielleicht liest oder schreibt man sich ja noch mal.
Liebe Grüße,
Mia

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comus
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Beitrag Do., 07.08.2008, 21:58

Eine Gegenüberstellung von Krisen und psychischen Krankheiten ist eine falsche Gegenüberstellung. Auch psychische Krankheiten müssen als Krisen aufgefasst werden, freilich als besonders schwere in denen die Selbstbewältigungsmaßnahmen und Laienhilfe nicht genügt. Und auch körperliche Krankheiten und Unfälle enthalten sehr wohl ein Krisenpotential.

Meistens bleiben Krisen fernab von dem was sich krankhaft nennt. Jeder Mensch kann zu jeder Zeit in seinem Leben in eine Krise kommen, es gibt normale Krisenzeiten im Leben jedes Menschen - die Lebensveränderungskrisen (Geburt, Laufen, Beginn der Schulzeit, Ausbildung, Verlassen des Elternhaus, Heirat, Hinterfragung des Lebenssinn, Sterben, .....) also eine Krise ist noch nichts krankhaftes. Ebenso ist am Beginn einer Krise noch offen ob sie gutes oder schlechtes bringt, eine Krise kann auch die Weiterentwicklung fördern und muss nicht automatisch schlechtes bringen.

Im chinesischen ist Krise ein Wort aus zwei Silben zusammengesetzt wei-chi, wei ist die Gefahr und chi ist die Chance. Das zeigt schön, dass eine Krise neben der Gefahr auch eine Chance bietet (zur Weiterentwicklung)

Neben den Lebensveränderungskrisen gibt es die traumatischen Krisen an die wir meist denken wenn wir an Krise denken (Plötzliche Veränderungen, Todesfälle, Unfälle, Stellenverlust, schwere Krankheit, Trennung, ....) und diese können oftmals zur völligen Handlungsunfähigkeit, hilflos und hilfsbedürftig machen, womit die Kriterien von Krankheit erfüllt sind. Und durch Krisen die keine ausreichende Bewältigung finden können leicht psychische Störungen (Flucht in die Sucht, etc.), posttraumatische Belastungsstörungen, usw. entstehen.

Zusammengefasst es gibt Krisen wo die Selbstbewältigungsstrategien und Hilfe durch Freunde, Famile etc. ausreicht und dann eben auch Krisenverläufe die ohne professionelle Betreuung, medikamentöse Unterstützung nicht schadlos bewältigt werden können.

LG, comus

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mia777
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Beitrag Sa., 09.08.2008, 19:27

Hallo comus!
Danke für deine ausführliche Antwort - du bist ja bestens informiert
Den Bezug auf das chinesische Wort für Krise fand ich wirklich interessant.
Hast du dich mit dem Thema mal ausführlicher beschäftigt?
Liebe Grüße,
Mia

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