Freier Wille - Glaubt ihr daran?

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Beitrag Mo., 16.11.2009, 20:20

Anastasius hat geschrieben: Einige Neurobiologen sehen das seit einiger Zeit ja ganz anders. Die Dinge seien längst entschieden, bevor wir uns (bewußt) entschieden haben.

Was meint ihr?
Ich meine, dass dies etwas plakativ dargestellt ist. Ein Neurobiologie würde sich gar nicht wagen, in diesem Sinne lautstark zu spekulieren, nein, die werfen lieber mit Fachwörtern um sich. Den Rest überlassen sie der Wissenschaftsboulevardpresse und der Interpretation derer Leser. *g*

Was du in Klammern geschrieben hast, hätte eigentlich fett und unterstrichen markiert sein sollen.Finde ich. Es zeigt sich eben im Milisekundenbereich schon eine entsprechende Gehirnaktivität bevor ein Proband den linken oder rechten Arm hebt. Ob dass den großen Philosophen so viel weiterhilft bei der Suche nach dem sog. freien Willen?

Zunächst einmal ist eine gewisse Verhaltensvariabilität und Plasitizität definitiv evolutionär lebensnotwenig. Hätten wir gar keinen freien Willen wären wir quasi Robotor. Außerdem wäre es reziprok betrachtet ja recht sinnlos auf so etwas wie Gefühle und Psyche zu selektieren, wenn nur Programme laufen, weil: dann kann ja eh nichts schiefgehen.

Ich denke daher, es ist ein Arbeiten mit Variablen. Nur eben dass dies unterbewusst geschieht. Stelle mir dabei immer ein Pyramidenmodell beziehungsweise Eisberg vor, und das Bewusstsein ist nur die Spitze. Und der Verstand und die Logik nur der geringste Teil davon. Und auch hier reicht ein Blick in die Natur: Zynischerweise bedarf es dem abstrakten Verstand nicht zum Überleben. Ohne lebt es sich gar besser, wenn wir mal langfristig denken. Klar, können wir diese Abnormität (=logisches Denken!) temporär dafür nutzen um unser Überleben entgegen den Naturgesetzmäßigkeiten zu gewährleisten, aber ich bin mir ganz sicher (zumindest hoffe ich es), dass er Mensch es langfristig noch schafft, sich selbst auszurotten.

Zurück zu den un(ter)bewussten Variablen. Ja, ich bin absolut fest überzeugt, dass unser Unterbewusstes sehr, sehr viel mehr zu unseren Entscheidungen beiträgt als der sog. Verstand. Begründung: Wenn man nur lange genug nachdenkt, findet man für alles exakt genauso viele FÜR wie WIDER. Man kann alles zerdenken. Trotzdem treffen wir Entscheidungen. Da alles gleichermaßen falsch wie richtig ist ...(wovon man sich überzeugen kann, wenn man wirklich alles absolut zu Ende denkt)... muss die Entscheidung wohl subjektiv sein. Wir bilden uns nur ein, dass sie per Verstand getroffen wäre. Aber dieser wird eben von Emotionen und dem Unterbewusstsein manipuliert. Umgekehrt lässt sich ein gewisses Bauchgefühl NICHT vom Verstand manipulieren. Es mag zwar angehen, dass der Verstand so lange die Psyche bearbeitet bis etwas bei auch emotional angekommen ist (die Emotionen ziehen dann irgendwann vielleicht nach),aber das wirkt eher schlecht als recht. Das erscheint mir wie mühsames Bergauf tragen von Wasser ohne Eimer. Umgekehrt, dass unbewusste Emotionen unseren Verstand benebeln, das ist ein Kinderspiel, dem man täglich begegnet. Ergo: Das Unterbewusste hat die wesentliche größere Verfügungsgewalt über uns als unsere BEWUSSTEN Entscheidungen.

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Hamna
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Beitrag Mo., 16.11.2009, 22:45

das hätte erhebliche Auswirkungen für das gesamte Rechtswesen.

Und noch alltäglicher, man könnte überhaupt niemandem was vorwerfen, so und nicht anders gehandelt zu haben.
Eine Freisprechung von jeglicher Schuld? Jo, da bin ich dabei!


Eremit
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Beitrag Di., 17.11.2009, 11:06

Hm. Was ist eigentlich das Gegenteil von Schuld? Was bildet mit Schuld eine Dualität?

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Clara11
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Beitrag Di., 17.11.2009, 14:02

unschuld
Das Leben ist wie Salzwasser, je mehr man davon trinkt, je durstiger wird man.
Dagestanisches Sprichwort

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Eremit
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Beitrag Di., 17.11.2009, 14:35

Genau.

Und würde ein Freisprechen von jeder Schuld nicht auch ein Freisprechen jeder Unschuld bedeuten? Denn, wie kann es Unschuld ohne Schuld geben? Somit kann eine Unschuld nicht durch Freisprechen von der Schuld erreicht werden, ergo: Es bleibt alles beim Alten...

Statt "Schuld" dann eben "genetische Disposition".

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Lumpi
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Beitrag Di., 17.11.2009, 14:41

Eremit hat geschrieben: Statt "Schuld" dann eben "genetische Disposition".
Gegen die genetische Disposition hilft aber vielleicht keine herkömmliche Strafe.
Wo wir beim Strafvollzug gelandet wären.

LG, Lumpi


Eremit
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Beitrag Di., 17.11.2009, 14:59

Lumpi hat geschrieben:Gegen die genetische Disposition hilft aber vielleicht keine herkömmliche Strafe.
Wo wir beim Strafvollzug gelandet wären.
Strafvollzug? Was ist mit den Beispielen der Vergangenheit? Zum Beispiel den Holocaust?

In Zukunft wäre es aber viel subtiler. Bei bestimmter genetischer Disposition wird sofort eine Zwangsabtreibung durchgeführt. Dann gibt es auch nur noch seidenweiche Schäfchen, die alle brav gehorchen und ihre Arbeit verrichten. Und die sind dann zufällig alle blond und blauäugig...

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CrazyB
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Beitrag Di., 17.11.2009, 17:57

Ich denke (oder es ist mir vorbestimmt zu denken *g*), dass man das nicht so heiß essen soll wie es derzeit serviert wird.

Wenn man bedenkt was die Medizin vor 50+ Jahren (in manchen Bereichen noch weniger Jahren) ganz bestimmt gewusst hat, was heute absolut nicht mehr anerkannt wird.
Der Mensch ist wie ein Kind. Ständig lernt er etwas Neues über sich und seine Umwelt und ist entweder furchtsam oder überheblich was die neuen Eindrücke und Erkenntnisse betrifft.
Und gerade beim Gehirn steckt die Forschung doch immer noch in ihren Anfängen wenn es ums Verstehen der Abläufe und Ursachen geht.

Jemand stellt eine Theorie auf uns sie gilt so lange bis sie durch eine Gegentheorie widerlegt werden kann.
Zitat Vorlesung Hauptuni Wien: "Im Prinzip kann man auch einem Stein Gefühle unterstellen - da bisher noch niemand bewiesen hat, dass Mineralien keine Emotionen entwickeln können. Nur weil die Mehrheit von uns so einen Gedanken lächerlich findet muss es nicht erwiesen sein, dass wir uns nicht vielleicht doch irren."
Sicherlich ist der Freie Wille rein psychisch und physisch zu einem gewissen Grad nicht so frei wie wir uns das so vorstellen.
Das glaube ich auch.
Sofern wir "wirklich frei" so definieren, dass der Wille nicht von irgendjemandem oder irgendetwas beeinflusst wird als von uns selbst.

Wenn ich z.B. sage: "Das neue Buch von XY kaufe ich nicht weil das sicher nicht gut ist." kann ich zu dem Schluss gekommen sein, weil ich den Autor kenne, weil mir Freunde davon abgeraten haben, weil es schlechte Kritiken in der Zeitung gab.
Also ist der Wille so gesehen nie wirklich frei.

Auch ist zu überlegen was uns dieses Wissen zum aktuellen Zeitpunkt nutzt.
Das kann ganz schön Schaden anrichten wenn die Menschen solche Theorien zu streng nehmen (wie man an geschichtlichen Ereignissen immer wieder sehen kann)
Bei manchen Themen würd' ich mich lieber weniger gut auskennen.
Hätte definitiv Sinnvolleres mit der Zeit anfangen können!
"Misery is almost always the result of thinking" (Joseph Joubert)

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Beitrag Di., 17.11.2009, 18:11

Zum Punkt genetisch,
die entsprechenden Hirnforscher, die sich in der Debatte exponieren meinen nicht (der spielt nur u. a. eine Rolle) den genetischen Aspekt. Soziales etc. spielt auch eine Rolle.

Der Knackpunkt ist: Entscheidungen würden duch neuronale Prozese im Gehirn getroffen bevor sie ins Bewußtsein treten und illusionärerweise als eigene, willentliche Entscheidung des Subjekts, der Person (wie man es auch nenen will) angesehen werden. Wenn also die Entscheidungs / Willensfreiheit im Sinn von "ich kann so oder so handeln" wegfällt, sind natürlich natürlich auch die tradierten Begriffe von Schuld und Verantwortung obsolet.
CrazyBlue hat geschrieben:Ich denke (oder es ist mir vorbestimmt zu denken *g*), dass man das nicht so heiß essen soll wie es derzeit serviert wird.
Das denke ich auch. *nick* Ich bin jetzt nicht in Panik, dass mir mein relativ freier Wille abhanden käme.
Nur wundert mich doch sehr der Wirbel in der "Szene". Es gibt da ziemlich viel Aufhebens, auch in der Auseinandersetzung mit Rechtswissenschaftlern und Philosophen.

Wer Zeit und Lust hat, z. B.
http://www.nida-ruemelin.de/docs/fr_singer.pdf

Gruß
A.

Kann ich mir jetzt nicht verkneifen. Im Netz gefunden:
„Wenn Sie einem Neurobiologen begegnen, der allen Ernstes behauptet, es
gäbe keinen freien Willen, dann erzählen Sie ihm doch folgende Geschichte:
Ein Mann geht in ein Restaurant. Der Kellner bringt ihm eine Karte, und nach
einem Meinungsaustausch über das Wetter fragt der Kellner: „Wünschen Sie
Kalbfleisch oder Schweinefleisch?“ „Wissen Sie“, sagt der Gast, „ich bin
Neurobiologe. Ich glaube nicht an den freien Willen. Ich werde einfach warten
und sehen, was ich bestelle“. Diese kleine Geschichte stammt von dem
großen amerikanischen Sprachphilosophen John Searle. Sie macht auf
ironische Weise darauf aufmerksam, dass auch derjenige, der die Möglichkeit
des freien Willens in Abrede stellt, indem er sich weigert, eine Entscheidung
zu treffen, seinen freien Willen ausübt - ob er will oder nicht.“ (Michael 2005)

Quelle: http://www.sprache-werner.info/62-S-Wir ... .2045.html

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hawi
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Beitrag Mi., 18.11.2009, 14:10

Noch wissen wir eigentlich nur, dass wir zu wenig wissen, denke ich. Gerade wenn es um die Grundlagen menschlichen Verhaltens geht.

Schuld, Verantwortung, Entscheidungsfreiheit, menschlicher Wille, bislang ja mehr von Menschen erdacht ohne größeres naturwissenschaftliches Fundament.

Eins ist, denke ich klar, das individuelle Verhalten wird immer dem einzelnen zugerechnet werden, fragt sich nur wie, in welcher Weise, mit welcher Konsequenz.

In welchem Umfang können wir uns selbst steuern, bzw. wie funktioniert menschliche Steuerung? Das sind für mich spannende Fragen!

@Anastasius

Werden Begriffe wie Schuld oder Verantwortung obsolet, wenn sich erweist, dass unser Tun in weiten Teilen nicht persönlich steuerbar ist? Ich denke nicht! Denn jeder Mensch wird weiterhin für das Stehen, Einstehen müssen, was er tut. Schuldig, das wird es daher als Vorwurf, Urteil immer geben (müssen). Nur das, was dahinter steht, was dieser Begriff bedeutet, beinhaltet, das wird sich wandeln, auch unsere Ansichten, Auffassungen zu Moral, Freiheit etc wahrscheinlich. Ich hoffe es jedenfalls! Denn vieles, was da von Philosophen und anderen Geistesgrößen erdacht wurde, erscheint mir nicht sonderlich realitätsnah, ist eher Wunsch als Wirklichkeit, stilisiert, überhöht Menschen und ihre Fähigkeiten.

Zu deinem Netzfund: Eine schöne Geschichte, nur, soweit ich sehe, mit falschem Ergebnis!
Der Neurobiologe wird sich allenfalls dann, wenn er nicht hungrig ist, so verhalten! Denn Ergebnis seiner Nichtbestellung wäre ja, er kriegt auch nichts, weder Kalb- noch Schweinefleisch! Wollte er also tatsächlich etwas zu essen, würde auch ein Neurobiologe wirklich bestellen.
So weigert er sich mit einer „Neurobiologenbegründung“. Ihm deshalb zu unterstellen, er handele doch aus freiem Willen, das dürfte wenigstens so geschrieben völlig falsch sein, ist kein Argument gegen neurobiologische Erkenntnisse, eher im Gegenteil. Eine Neurobiologe hat einen individuellen Wissensstand. Das von ihm Gelernte sagt ihm, seine Entscheidungen beruhen nicht auf seinem freien Willen! Eben dies Erlernte steuert ihn, beeinflusst als abgespeicherte Information sein Verhalten. Er verhält sich also in der Geschichte durchaus rollenspezifisch unfrei, wenn er sich weigert, eine Entscheidung zu treffen. Dass Erlerntes neuronale Prozesse beeinflusst, stellt, so weit ich weiß, kein Hirnforscher in Abrede. Für mich ist das daher eher eine Geschichte, die die Thesen von Hirnforschern stützt, nicht eine, die ihren Thesen widerspricht.
„Das Ärgerlichste in dieser Welt ist, daß die Dummen todsicher
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Beitrag Mi., 18.11.2009, 17:50

@ hawi,

Also das mit der Nerologengeschichte, da hatte ich schon vorher gewußt, das würde jemand auseinandernehmen. Hatte ich ja auch schon. Aber die ist so schön.

Gruß
Anastasius

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hawi
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Beitrag Mi., 18.11.2009, 18:01

Anastasius hat geschrieben:@ hawi,
Also das mit der Nerologengeschichte, da hatte ich schon vorher gewußt, das würde jemand auseinandernehmen. Hatte ich ja auch schon. Aber die ist so schön.
Gruß
Anastasius

jepp, danke dafür.
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Selene
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Beitrag Mi., 18.11.2009, 19:05

Anastasius hat geschrieben:Der Knackpunkt ist: Entscheidungen würden duch neuronale Prozese im Gehirn getroffen bevor sie ins Bewußtsein treten und illusionärerweise als eigene, willentliche Entscheidung des Subjekts, der Person (wie man es auch nenen will) angesehen werden. Wenn also die Entscheidungs / Willensfreiheit im Sinn von "ich kann so oder so handeln" wegfällt, sind natürlich natürlich auch die tradierten Begriffe von Schuld und Verantwortung obsolet.
Ehrlich gesagt verstehe ich das alles nicht so ganz. Was ist daran so sensationell? Wenn ich vor die Wahl gestellt werde "Käsebrot oder Apfel?" Dann ist es doch ganz klar und erwartbar, dass ich in mich hineinhorche, worauf ich Lust habe und BEVOR mir bewusst wird: 'Momentan hab ich eher Lust auf Apfel' da irgendwelche vorbewussten Prozesse in meinem Gehirn abgelaufen sein müssen, ehe ich das dann "entscheide". Ist doch klar, dass bewusste 'Lust auf Apfel' nur der Gipfel eines Eisberges ist und ich nicht wirklich erklären kann, warum ich jetzt eher den Apfel mag. Und was bedeutet freier Wille in diesem Fall? Ich könnte mich für beide Möglichkeiten entscheiden, ja, aber es ist mir nicht egal, sondern ich habe Vorlieben. Also ist mein Wollen des Apfels zwar frei von äußerem Druck, aber nicht frei von inneren Voreingenommenheiten, denn sonst hätte ich ja keine Präferenz. Natürlich kann ich mich aber auch gegen meine Lust auf Apfel bewusst für das Käsebrot entscheiden. Ich werde das aber nur, wenn mir irgend etwas dazu bringt, ich etwas beweisen will, ich denke, Käsebrot ist gesünder oder warum auch immer.
Und wie ist das dann, wenn es nicht um die Wahl zwischen Apfel und Käsebrot, sondern legal und illegal geht? Der Dieb will die Juwelen und er wird sie sich dann nehmen, wenn die Skrupel, die gegen den Diebstahl sprechen, Moral, Angst vor dem Erwischtwerden usw., nicht so stark sind wie die Gier auf die Juwelen. Unter den gegebenen Bedingungen konnte der Dieb offenbar nicht anders, weil seine Rechnung unter seinen Moralvorstellungen, Selbstbeherrschung, Geldgier usw. nunmal für den Diebstahl sprachen. Und dass seine "Variablen" so sind wie sie sind liegt natürlich in seiner Vergangenheit und "Ausstattung" begründet. Also ist er so frei bzw. unfrei wie ich mit dem Apfel, er hätte theoretisch anders handeln können, aber es hätte Gründe dafür geben müssen und die gab es nach seinen Maßstäben nicht, also war in gewissem Sinne klar, dass er so gehandelt hat, wie er es tat. Und trotzdem muss er sich dafür verantworten. Das bisher Gesagte ist ja der Stand vor den neuen Ergebnissen der Hirnforschung. Warum erschüttern die jetzt aber die Vorstellung von Schuld und Verantwortung? Warum erübrigt ausgerechnet die bereits im Unbewussten angebahnte Entscheidung zum Diebstahl seine Verantwortung, wenn es die Tatsachen, dass er für seine Gene nichts kann, für seine Sozialisation nichts kann, es nicht tun, obwohl wir ja auch ohne Hirnforschung wissen, wie sehr einen bestimmte Erlebnisse, Erfahrungen usw. prägen? Ich würde ja eher denken, dass die Willensfreiheit schon immer nur ein Konstrukt war und sich durch diese neuen Erkenntnisse nicht wirklich etwas ändern muss.
Kann mir das jemand erklären?
Viele Grüße
Selene
Es gibt kein Übermaß an Liebe,
kein Übermaß an Wissen,
und kein Übermaß an Schönheit
Ralph Waldo Emerson

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hawi
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Beitrag Mi., 18.11.2009, 19:49

Selene hat geschrieben: Ich würde ja eher denken, dass die Willensfreiheit schon immer nur ein Konstrukt war und sich durch diese neuen Erkenntnisse nicht wirklich etwas ändern muss.
Kann mir das jemand erklären?
@Selene:

Ganz am Anfang sagte ich ja schon, ich bin da nur Laie! Trotzdem etwas von mir, aber ohne Gewähr!

Das, was du für ganz natürlich erachtest, nämlich dass Willensfreiheit nur ein Konstrukt ist, ist für einige Wissenschaften, Wissenschaftler etwas Revolutionäres, wäre es so!
Gerade im Bereich Recht gilt: Schuldig ist heute nur der, der willentlich etwas getan hat und fähig war, diesen Willen frei zu nutzen! Würde sich jetzt herausstellen, dass unsere Entscheidungen neuronal gefällt werden, dass wir die einzelnen Entscheidungen also nicht einzeln mental durch unseren Willen frei steuern, treffen können, dann müsste nach heutiger Lehre jeder Straftäter wenigstens in Deutschland (denn nur da kenn ich mich halbwegs aus) laufen gelassen werden, eben weil er nicht schuldhaft im strafrechtlichen Sinn gehandelt hat.

Das was du so ganz natürlich zu „Käsebrot und Apfel“ beschreibst, für dich als deine Auffassung zum Treffen von Entscheidungen beschreibst, ist für viele Philosophen und Juristen noch völlig inakzeptabel. Ihr Bild dazu ist völlig anders. Und auch allgemein in der Bevölkerung, auch hier im Forum. Noch wird doch meist davon ausgegangen, dass alles auf unserem freien Willen basiert! Das was du schreibst, was ich für absolut richtig halte, nämlich dass unser Handeln zu großen Teilen, wenn nicht ganz auf „unbewussten“ Prozessen beruhen, die wir dann mental nur noch nachvollziehen aber nicht mehr beeinflussen können, diese Sicht ist so modern, dass sie zur Zeit wahrscheinlich noch nicht einmal mehrheitsfähig ist, Allgemeingut ist sie jedenfalls sicherlich nicht.

LG hawi
„Das Ärgerlichste in dieser Welt ist, daß die Dummen todsicher
und die Intelligenten voller Zweifel sind.“
Bertrand Russell

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debussy
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Beitrag Mi., 18.11.2009, 20:15

freier wille:

ich denke schon, dass es das gibt.

literatur: thomas harris: einführung in die transaktionsanalyse

kindheits-ich / eltern-ich / erwachsenen-ich

das erwachsenen ich IST der frei wille.

und noch ein beispiel: allein dass es diesen thread ÜBERHAUPT GIBT, ist ein beweis für die existenz des freien willen.

lg
deb

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