Panische Angst vor Weihnachten in der Familie

Nicht jedem fällt es leicht, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, "einfach" mal jemanden kennenzulernen oder sich in Gruppen selbstsicher zu verhalten. Hier können Sie Erfahrungen dazu (sowie auch allgemein zum Thema "Selbstsicherheit") austauschen.
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bommel1000
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Panische Angst vor Weihnachten in der Familie

Beitrag Mo., 08.12.2014, 07:00

Hallo Leute,

bin echt froh dieses Forum gefunden zu haben, da mich bereits jetzt schon Ängste quälen, wenn ich an Weihnachten denke.:(

Kurz zu mir, ich bin 30, weiblich und komme aus einer sehr konservativen Großfamilie, in der ich als das schwarzes Schaf gelte. In meiner Familie geht alles sehr konform zu, sie wohnen alle auf dem Land, jeder hat brav sein Abi gemacht und dann einen gut bezahlten Job ergriffen, geheiratet und dann eine Familie gegründet. Alle sind sehr traditionsbewusst und gehen Sonntags in die Kirche. Die einzige, die aus der Reihe fällt, bin ich. Ich habe vor 7 Jahren, die Flucht ergriffen und bin nach Berlin gezogen, u.a. weil ich mich eher zu Frauen hingezogen fühle und das hätte ich auf dem Land viel schwerer ausleben können. Ich bin aber zur Zeit Single. Die meisten in meiner Familie wissen davon, doch darüber geredet wird nie, von meiner Seite auch nicht. Zudem habe ich aus persönlichen Gründen mein Studium geschmissen, war zeitweise arbeitslos und habe nun einen Job im Supermarkt. Mit anderen Worten bin ich all' das, was man in meiner Familie nicht zu sein hat.

Wenn ich auf Familientreffen bin, fühle ich mich beoabachtet, gemustert und ich rede mir ein, dass hinter meinem Rücken über mich getuschelt wird und ich bin auch ziemlich sicher, dass das der Fall ist. Ich merke sogar, dass es einigen schwerfällt auf mich zuzugehen und ein Gespräch mit mir zu beginnen, was früher nie so war. Mir geht es auf solchen Veranstaltungen ziemlich besch..., trotzdem versuche ich mich positiv darzustellen. Ich betone, wie gut es mir geht und versuche zu zeigen, dass ich mein Leben im Griff habe. Oftmals weiß ich allerdings nicht, was ich sagen oder wie ich reagieren soll, wenn alle ihre "Erfolgsgeschichten" zum Besten geben. Dummerweise greife ich dann auch gerne zum "Auflockerer" Alkohol und damit ist es schon zu einigen Abstürzen auf solchen Feiern gekommen, wodurch sich mein Bild bei meinen Verwandten wohl nicht unbedingt gebessert hat. Ein Teufelskreis...

Wesentlich schlimmer als die Feste selber, ist aber die Zeit davor. Es sind jetzt noch zwei Wochen bis Weihnachten (ich werde zu Hause erwartet) und ich habe jetzt schon Angst, die sich vor allem in Bauchkrämpfen und einer Art Schüttelfrost manifestiert. Mein Hirn spielt verrückt, d.h. Horrorszenarien spielen sich in meinem Kopf ab, wie ich mich blamieren, anderen ungewollt vor den Kopf stoßen, oder wie mich jemand als Versager vor versammelter Mannschaft bloßstellen könnte.

Ich weiß, dass ich langfristig an diesem Problem nur etwas ändern werde, indem ich an meinem Selbstwertgefühl arbeite, mein Leben in den Griff bekomme und evtl. auch therapeutische Hilfe in Anspruch nehme. Da es allerdings nur noch kurze Zeit bis Weihnachten ist, würde ich gerne wissen, ob Ihr mir Tipps geben könnt, was ich KURZFRISTIG tun kann, um dieser Angst Herr zu werden und wie ich mich Weihnachten zu Hause relaxed und wohl in meiner Haut fühlen kann.

Ich bin für alles offen, meditative Tricks oder dergleichen oder vielleicht kennt jemand ein nichtverschreibungspflichtiges Beruhigungsmittel, das auch wirkt.

Danke für's Zuhören bzw. Lesen und im Voraus schon Danke für Eure Hilfe.

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kaja
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Beitrag Mo., 08.12.2014, 07:26

Wenn dich dieses Treffen schon jetzt so massiv belastet, warum gehst du dann hin ?
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bommel1000
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Beitrag Mo., 08.12.2014, 07:36

Weil es von mir erwartet wird, insbesondere von meinen Großeltern, die sehr alt sind und mir das sehr übel nehmen würden.


kaja
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Beitrag Mo., 08.12.2014, 07:44

Die Frage ist aber was dir gut tut und nicht was andere von dir wollen.
Wenn man so wenig Rücksicht auf dein Wohlbefinden nimmt und du mit dir selbst so im unreinen bist, stellt so eine Familienfeier und ihre negativen Konsequenzen für dich einfach eine vermeidbare Belastung dar.

Natürlich kann und sollte man nicht dauerhaft in ein Vermeidungsverhalten verfallen, aber bis du eine langfristige Lösung deiner Probleme hast ist das durchaus eine schnell umsetzbare Option.

Es gibt hier in Berlin übrigens z.B. den Krisendienst der die Möglichkeit zu entlastenden Gesprächen anbietet. Das kann hilfreich sein wenn es dir gerade akut so schlecht geht und du Zeit überbrücken musst bis du einen Therapeuten hast.
After all this time ? Always.

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hope_81
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Beitrag Mo., 08.12.2014, 08:55

Hallo Bommel,
ich schließe mich Kaja an. Ich kenne dieses Dilemma es allen recht machen zu wollen und deren Erwartungen zu erfüllen. Der Witz dabei aber ist doch, wer macht es dir recht und wer erfüllt deine Erwartungen?

Offensichtlich niemand dort. Schlimm genug, dass du dich als schwarzes Schaf fühlst und es dir auch noch indirekt zu verstehen gegeben wird. Meist ist es eine Art Neid. Ich wette, da sind einige unter euch, die dich für deinen Mut anders zu sein beneiden und sich wünschen würden, sie lebten in einer Großstadt. Da sie aber auch wahrscheinlich in diesem Familiensog stecken, haben die den Mut nicht... Es ist also etwas, auf das du durchaus stolz sein kannst Wenn du dir das auf die Fahne schreibst und zu dir stehst, kannst du dieses Weihnachten vielleicht einigermaßen würdevoll überstehen.

Ansonsten rate ich dir sehr, auf deinen Körper zu hören. Der sendet dir ja schon Signale und du willst sie nicht akzeptieren, sogar lieber Beruhigungsmittel nehmen...
Langfristig wird dich das sehr krank machen.
Das Beste, was du für einen Menschen tun kannst, ist nicht nur deinen Reichtum mit ihm zu teilen, sondern ihm seinen eigenen zu zeigen.
Benjamin Disraeli

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Nico
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Beitrag Mo., 08.12.2014, 09:06

An den Menschen dort scheint dir nix zu liegen, als schwarzes Schaf wirst du ohnehin schon angesehen, also kannst du ja gleich wegbleiben, es würde doch nichts ändern.
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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Sunny75
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Beitrag Mo., 08.12.2014, 09:22

bommel1000 hat geschrieben:...trotzdem versuche ich mich positiv darzustellen. Ich betone, wie gut es mir geht und versuche zu zeigen, dass ich mein Leben im Griff habe.
Damit würde ich an deiner Stelle schleunigst aufhören! Die Familie kennt dich dein Leben lang. Sie spüren mit Sicherheit ganz genau, dass du theaterspielst, und es dir in Wahrheit keineswegs so gut geht, wie du ihnen vorzugaukeln versuchst. Mit dieser Maskerade provozierst du es, dass hinter deinem Rücken erst recht darüber spekuliert wird, was mit dir los ist.

Steh zu dir, und sei ehrlich, wenn man dich fragt, wie es dir geht:
Ich weiß, dass ich langfristig an diesem Problem nur etwas ändern werde, indem ich an meinem Selbstwertgefühl arbeite, mein Leben in den Griff bekomme und evtl. auch therapeutische Hilfe in Anspruch nehme.
Wenn sie nicht die totalen Psychopathen sind, dann werden sie es schon verstehen. Und wer weiß? Vielleicht erzählt dir auch der eine oder andere Verwandte, was bei ihm im Leben grad nicht so rund läuft, statt zum 100 mal die gleiche Erfolgsstory aufzutischen?!
Die eigene Familie sollte kein Ort sein, an dem man sich seiner selbst schämt. Schließlich stammt ihr alle aus dem selben "Stall".

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Sarana
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Beitrag Mo., 08.12.2014, 18:39

Wie wäre es, wenn du fürs erste einfach nur die Möglichkeit, nicht hinzugehen, ins Auge fasst? Wenn du dir also mal ganz intensiv vorstellst, Weihnachten allein (oder vielleicht auch mit Freunden) in Berlin zu verbringen? Gerade in einer großen Stadt wie Berlin wirds bestimmt so einige Möglichkeiten geben, ein schönes Weihnachten OHNE Familie zu verbringen.

Dass diese Treffen dir nicht gut tun, merkst du ja selbst. Dass es nicht so einfach ist, mal eben nicht hinzugehen, weiß ich aus Erfahrung. Deswegen wärs ja erstmal eine gute Idee, dich überhaupt mit diesem Gedanken vertraut zu machen. Selbst, wenn du momentan überhaupt nicht daran denkst, Weihnachten woanders als bei deiner Familie zu verbringen, es wird dir nicht schaden, das Gedankenspiel einmal durchzuspielen.

Und danach hast du schon mal eine etwas bessere Entscheidungsgrundlage. Denn dein Körper sagt dir ja schon mal ganz klar, dass zumindest gewisse Teile von dir nicht gehen wollen, und dann schau doch mal, was der Rest sagt, wenn du eben TATSÄCHLICH daran denkst, nicht zu gehen.
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Sinarellas
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Beitrag Mo., 08.12.2014, 18:48

kaja hat geschrieben:Wenn dich dieses Treffen schon jetzt so massiv belastet, warum gehst du dann hin ?
So dumms klingt aber da wurde es auf den Punkt getroffen und das mußt jetzt verstehen lernen.

Ich kenne die ähnliche Situation, bin ebenso das schwarze Schaf immer gewesen.
Ich habe mich dann getraut das zu tun was ich will und was mir gut tut und oh wunder: da hab ich mir was gutes getan.
Geh hin und komm mit klar wie mit dir umgegangen wird oder lass es bleiben und tu dir damit einen großen Gefallen.
Die Erwartungen setzt du dir letztlich selbst auf und du kannst sehr wohl sagen: Nein ich komme nicht. Entweder du sagst die Wharheit, nix oder flunkerst.

es G I B T keine andere Lösung. Du änderst die anderen nicht!!! Ich wünschte das könnte ich allen in deiner und meiner ehemaligen SItuation so deutlich machen.
Und letztlich. Blut ist dicker, bedeutet nur weil vll mal einige Treffen ausfallen lässt oder mal zeigst dass du es anders machst (bist doch eh schon der -freak- da würde man es von dir nocham ehesten erwarten) heißt das nicht dass die Familie dann für immer böse ist und nix mehr mit dir zu tun haben will.

tu das was für DICH gut ist. Du bist kein Kleinkind mehr sondern alt genug.
..:..

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Freifrau
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Beitrag Do., 11.12.2014, 17:53

Liebe Bommel,

öff, die aus Deiner Familie klingen aber ganz schön langweilig und engstirnig.

Wie läuft das denn da bei Euch ab? Trifft sich da die ganze Familie bei irgendwem und wie viele sind das denn? Bei wem findet das Treffen statt, was ist mit Deinen Eltern, sind die auch so zu Dir?

Besteht denn nicht die Möglichkeit, dass Du pflichtgemäß auftauchst, etwas isst, Dich ein bißchen mit den Großeltern unterhältst und dann wieder verschwindest?

Liebe Grüße
Freifrau
"Bei den Frauen gibt es zwei Möglichkeiten, entweder sie sind Engel, oder sie leben noch." (Charles Baudelaire)

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sonnenschein1511
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Beitrag Mo., 15.12.2014, 21:50

Das erste Mal etwas zu tun, was ganz und gar entgegen deiner Erwartung an dich selbst geht, nämlich nicht hinzugehen und dich nicht anzupassen, ist verdammt schwer. Da ist diese riesen große Angst, dass sie dir ihre Enttäuschung zeigen, du sie nicht erträgst, sie dich vielleicht fallen lassen.

ich glaube, dass du dich dieser Angst aussetzen musst, weil es das richtige für dich im Moment ist und auf lange Sicht zu einem besseren Selbstwert führen wird, denn du tust das für dich!!!!

Ich hatte es auch mit meiner Mutter. ich konnte sie nicht mehr ertragen, zumindest nicht so oft. Das habe ich ihr gesagt und das bedürfnis geäußert, sie vorerst nicht mehr zu sehen. Es tat mir weh, sehr weh, aber es war richtig. heute ist es gemäßigter und der abstand hat gut getan.

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Birdy
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Beitrag Sa., 27.12.2014, 21:15

Hallo Bommel,
hast du Weihnachten gut überstanden? Dein Problem kenne ich nur zu gut. In meiner Familie bin ich auch das schwarze Schaf, was mir auch des öfteren sehr deutlich gezeigt wird. Es tut verdammt weh, aber wenn man nicht zu den Treffen geht, schießt man sich nur noch mehr ins Abseits. Und man (oder zumindest ich) will ja doch irgendwie dazugehören. Denkst du, du kannst zumindest mit einem Familienmitglied offen darüber reden, wie du dich fühlst? Vielleicht hast du dann zumindest eine Person auf deiner Seite, die dich vor den anderen verteidigt.

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