Angehörige von Gewaltopfern - wie reagiere ich richtig?

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
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Leikos
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Angehörige von Gewaltopfern - wie reagiere ich richtig?

Beitrag So., 24.08.2008, 19:43

Mein Mann hat mich vor 2,5 Wochen verlassen. Nach langem Suchen nach einer Begründung, die mir plausibel erscheint (alle Gründe kamen mir banal und vorgeschoben vor - kleine Probleme des Alltags nach 4 Jahren Ehe und 14 Jahren Beziehung), hat er sich mir gestern anvertraut. Er hat mir von seiner Kindheit erzählt, die geprägt war duch Ablehnung seiner Eltern, körperlicher Gewalt und Selbstzweifel und mangelnde Liebe. Hab ich nach so langer Zeit davon nichts gewußt? Das Verhältnis kam mir schon immer etwas gestört vor (banale Kommunikation am Essenstisch und aufbrausende Emotionen), aber ich hab viel auf den kulturellen Hintergrund und damit einhergehendes Temparament (Jugo) geschoben. Nun höre ich zum ersten Mal, dass bis zu seinem 8. Lebensjahr (ca.) Schläge und Missachtung an der Tagesordnung waren. Seine Mutter wurde früh schwanger (mit 17) und ist dem Mann, der sie geschwängert hat (stimmt das?) nach Deutschland gefolgt, der bereits mit einer anderen Frau zusammen war. Er hat sich doch seiner Pflicht gestellt und sie haben geheiratet. Als aber mein Mann auf die Welt kam, haben sie das Neugeborene noch 2,5 jahre in Jugo bei der Oma aufwachsen lassen. Die Ehe war schwierig und immer wieder davon geprägt, dass seine Mutter ausgezogen ist - ohne ihren Sohn. Beide haben geschlagen - erst sein Vater und als der aufgehört hat, seine Mutter. Warum kann er nicht benennen. Momentan ist er geprägt von Selbthass und Zweifel und vorallem gefangen in einer großen Angst, dass die Bilder, die erst seit 2 Wochen langsam hoch kommen, noch mehr dahinter steckt und wir vielleicht noch von viel schlimmeren Missbrauch irgendwann sprechen müssen.
Ich bin unendlich froh, dass er mit der Offenbarung mir gegenüber den ersten Schritt getan hat.
Er hat mich verlassen, weil er momentan nicht mehrere Baustellen bearbeiten kann. Das kann ich auf der einen Seite verstehen, läßt mich jedoch hilflos zurück. Er sagt, dass die 14 Jahre mit mir ihm das Leben gerettet haben, dass er mich liebt, aber nun sein Leben allein auf die Reihe bekommen muss. In unserer Beziehung- und wir sind ja ein Stück weit miteinander aufgewachsen, da wir als 20-jährige zusammen gekommen sind - war ich immer der zielstrebige und aktive Part. Es ist ihm immer schwer gefallen Entscheidungen zu trefffen und sicherlich habe ich ihn animiert auch ein Stück weit an sich zu glauben und seinen Weg ein zu schlagen - er steht heute erfolgreich im Beruf. Ich bin ein Sonnenkind - glückliche Kindheit, guten Job, selbstsicher, weil geliebt und er ist der Mann mit der dunklen Seite. Das ist seine Sicht. Er ist davon überzeugt, dass er nun ohne meine Hilfe den Weg aus seiner Vergangenheit finden muss. Aber ich liebe ihn und habe nie die Dominanz meiner Person so gesehen, wie er sie sieht. Ich habe immer an ihn geglaubt und nie an seiner Stärke gezweifelt, die für mich da war. Er ist der Mann, mit dem ich zusammen alt werden will und nun läßt er mich nicht helfen.

Mit seiner Familie hat er gebrochen (Streit, weil er Vorwürfe zu unserer Trennung bekommen hat. Er hat ihnen mangelnde Loyalität vorgeworfen da seine Mutter trotz eines abgenommenen Versprechens sich bei mir gemeldet hat) ohne die wahren Gründe zu nennen. Wir hatten in den 14 Jahren 4 wirkliche Krisen - es ging immer darum, dass er ausgebrochen ist und sich für "nicht-gut-genug" empfunden hat - ohne dass er sich an die verdrängten Bilder seiner Kindheit erinnert hat. Wir haben immer wieder zu einander gefunden, weil doch die Liebe immer wieder stark genug war.

Er hat mir versprochen Hilfe in Anspruch zu nehmen - nur nicht meine. Er will mich lieber verlassen, als mich in den Abgrund mitzuziehen. Wir reden zwar, aber er ist ausgezogen. Warum kam das Thema hoch? Vielleicht weil wir uns in naher Zukunft gemeinsam Kinder gewünscht haben. Ich weiß es nicht.

Was kann ich tun, um ihm zu helfen? Was kann ich tun, um ihn nicht zu verlieren?

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F43_1
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Beitrag So., 24.08.2008, 21:58

Mein erster Gedanke:

Lass in ziehen..gebe ihm Raum...
Immer Mensch bleiben!

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Andi
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Beitrag Mo., 25.08.2008, 16:42

Hallo Leikos!


Ich würde nicht von ziehen lassen reden, auch wenn ich dir im Prinzip den selben Tip geben werde:

Lass ihm Zeit.

Dein Mann ist jetzt in einer ungeheuren Stress-Situation. Dass ihr euch getrennt habt, ist vielleicht unglücklich, aber das muss nicht notwendigerweise so bleiben. Wenn dein Mann eine Therapie machen will, dann ist er in meinen Augen auf dem richtigen Weg. Das ist für ihn der einzige Weg, das ganze jemals abzuschließen. Wenn er jetzt anfängt, sich selbst zu helfen, dann ist das eigentlich toll. Bleibt für dich nur der schaale Beigeschmack, dass er dich dafür verlassen will.

Ich würde dir zu folgendem Verhalten raten:

Dränge ihn zu nichts. Und damit meine ich zu gar nichts. Auch wenn dir das ungeheuer schwer fallen wird, du kannst ihn nicht zu seinem Glück zwingen. Und auch wenn du tausend mal sicher bist, dass etwas richtig und besser ist, lass ihn seinen Weg gehen.

Sei für ihn da. Und lass ihn das Wissen. Mach ihm klar, dass er mit dir jederzeit über alles reden kann. Und wenn du sicher bist, dass er das verstanden hat, dann lass ihn seinen Weg gehen. Es ist sehr, sehr wahrscheinlich, dass er immer wieder jemanden zum Reden braucht. Und wenn du dich anbietest, dann findet er vielleicht die Kraft, damit zu dir zu kommen. Höre ihm dann gut zu, zeige ihm dein Interesse und deine Anteilnahme.

Sag ihm, dass er jederzeit zu dir zurückkommen kann. Das kannst du ihm ruhig ab und zu sagen. Nicht zu oft, damit er sich nicht genötigt fühlt, aber doch ab und zu, damit er nie daran zweifelt. Und wenn du ihm das sagst, dann kannst du ihn auch gleich noch wissen lassen, dass du ihn immer noch liebst. Das wird ihm gut tun und ihm vielleicht dabei helfen, irgendwann zu dir zurück zu finden.


Ich wünsche dir viel Kraft, ihm beizustehen und für ihn dazusein. Hoffentlich findet ihr gemeinsam einen Weg, diese Krise zu meistern.

Liebe Grüße, Andi
"Those who would give up essential liberty to purchase a little temporary safety deserve neither liberty nor safety." Benjamin Franklin

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Leikos
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Beitrag Mo., 25.08.2008, 18:19

Hallo Andi,

ich war lange hier im Forum unterwegs und zunächst möchte ich Dir sagen, dass ich beeindruckt bin von Deinen Beiträgen. Woher die große Weissheit und das Interesse an Dir fremden Menschen? Warum gibst Du soviel Hilfe? Kann man so weise und 24 sein? Das beschäftigt mich wirklich, da ich das Gefühl habe, dass ich momentan nichts geben kann und doch soviel zu geben hätte...

Ich will es eigentlich nicht sagen, aber ich weiß dass Deine Antwort richtig ist. Ich weiß, er braucht Zeit und meine Unterstützung, wenn er sie will und ich weiß, dass ich ihn nicht zwingen kann, mit mir gemeinsam diese Situation zu meistern.
Aber diese Hilflosigkeit läßt mich fast verzweifeln und das Wissen, dass er in anderen, fremden Personen momentan mehr Zuspruch findet als bei seiner Frau, die ihn liebt, macht mich so unendlich traurig. Und auch wütend.

Gleichzeitig empfinde ich Schuld, da ich an meine Gefühle denke und nicht nachvollziehen kann, was in ihm vorgeht. Wie auch? In klaren Momenten versuche ich das natürlich, aber dann überkommt mich der Trennungsschmerz und ich versinke in Selbstmitleid. Dann wieder Aktionismus - wir haben vor einem halben Jahr ein Haus gekauft. Mal bin ich kurz davor alle Schritte einzuleiten, dass alles hier aufzulösen, seine Sachen zu packen (er hat nur das Nötigste mitgenommen) und mich von der Situation zu befreien. Alles hinter mir zu lassen. Ich weiß, dass ich momentan nicht wichtig bin, aber bin ich ein schlechter Mensch, wenn ich so empfinde?

Wenn wir uns sehen und er mit mir über Erlebnisse erzählt, dann kann ich das ein Stück weit nach empfinden. Es ist so, als ob es reell ist. Sobald dann wieder Funkstille zwischen uns herrscht, dann kommt mir das surreal und unecht vor. Dann kommen auch ehrlich gesagt Zweifel - ich kenn seine Eltern und irgendwie kann ich mir das auch wieder nicht vorstellen. Nicht dass der falsche Verdacht aufkommt: ich glaube ihm wirklich. Aber ich für mich hab andere Verarbeitungspraktiken: mir hilfet reden und er zieht sich zurück. Damit klar zu kommen ist sehr schwer. Dazu kommt das Umfeld: natürlich hab ich ihm versprochen, dass ich mit niemanden über diese Dinge sprechen werde. Das muss seine Entscheidung sein. Damit haben alle Freunde und meine Familie das Gefühl, dass hinter dieser Trennung mehr steckt. Das tut es ja auch. Und ich will nicht, dass sie ihn verurteilen und mir raten, dass ich dass nicht mit mir machen lassen soll (2 Wochen verschwinden ohne zu sagen wo mit wem er ist und was er macht). Meistens vermuten Sie eine andere Frau. Aber ich glaube ihm. Sowas kann man nicht erfinden. Solchen Schmerz - in seinen Augen - kann man nicht nachspielen.

Ich bekomme lauter Ratschläge, dass ich dass nicht mit mir machen lassen soll. Und ich? Ich werbe für ihn. Sag, dass es Dinge gibt, die wichtiger sind, dass er schon weiß, was er macht und dass er mir nicht weh tun will, aber nicht anders kann. Das versteht niemand. Wie auch! Damit isolier ich mich ein Stück mehr.

Er hat mir heute eine SMS geschrieben, dass er am Mittwoch einen Termin beim Psychologen hat. Ich bete dafür, dass man ihm helfen kann. Und damit auch wiede mir.

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Andi
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Beitrag Di., 26.08.2008, 11:43

Hallo Leikos!

Leikos hat geschrieben:Woher die große Weissheit und das Interesse an Dir fremden Menschen? Warum gibst Du soviel Hilfe? Kann man so weise und 24 sein?
Vielen Dank für die Blumen! Das ist wirklich nett sowas zu schreiben, aber ich finde, du übertreibst da etwas. Ich gebe allerdings zu, dass ich nicht 24 sondern 24 1/2 Jahre alt bin

Um es kurz zu halten: Ich bin in dieses Forum gekommen, als ich über die Folgen von Vergewaltigungen recherchiert habe. Das brauchte ich für eine Art Geschichte, an der ich hobbymäßig arbeitete. Ich habe hier mehr gefunden, als ich ursprünglich wissen wollte. Mir ist dann irgendwann klar geworden, wie viel ich meiner Familie verdanke. Und es tat mit wirklich Leid zu lesen, wie Andere durch ihre Familie keinerlei Rückhalt bekommen. Ich neige ein klein wenig dazu, die Welt verbessern zu wollen und bin vom Grundsatz her ein gläubiger Mensch. Das erklärt in meinen Augen das Interesse für Andere. Ich bin relativ selbstreflektiert und habe mich immer gegen Andere behaupten müssen, die glaubten mich mobben zu können. Vielleicht bin ich dadurch gewachsen.

Leikos hat geschrieben:Aber diese Hilflosigkeit läßt mich fast verzweifeln und das Wissen, dass er in anderen, fremden Personen momentan mehr Zuspruch findet als bei seiner Frau, die ihn liebt, macht mich so unendlich traurig. Und auch wütend.
Ich kann gut nachvollziehen, dass du momentan so empfindest. Ich denke, den meisten Anderen würde es da genauso gehen. Wenn du dich wirklich für ihn stark machen willst, dann lässt du ihn das am besten nicht merken. Denn das Letzte was er jetzt gebrauchen kann, sind Schuldgefühle, weil er dich verlassen hat. Das würde dann vermutlich zwischen euch stehen und ihn daran hindern, sich dir zu öffnen.

Leikos hat geschrieben:Mal bin ich kurz davor alle Schritte einzuleiten, dass alles hier aufzulösen, seine Sachen zu packen (er hat nur das Nötigste mitgenommen) und mich von der Situation zu befreien.
Das kannst du natürlich machen und es ist auch ein Stück weit dein gutes Recht. Aber damit schlägst du ihm die Tür vor der Nase zu und nimmst ihm jede Chance, zu dir zu kommen, wenn er dich braucht. Was er jetzt vermutlich am besten gebrauchen kann ist ein Fixpunkt in seinem Leben, etwas an dem er sich orientieren kann. Dass könntest du wenn du es richtig anstellst vielleicht werden. Aber das geht nur dann, wenn du die Kraft hast einfach auf ihn zu warten, ihm immer wieder die Hand hinzuhalten und abzuwarten. Denn zugreifen muss er selber.

Leikos hat geschrieben:Ich weiß, dass ich momentan nicht wichtig bin, aber bin ich ein schlechter Mensch, wenn ich so empfinde?
Nein, das ist vollkommen normal. Auch für dich ist das eine ungeheure Belastung. Ich hoffe wirklich für euch, dass du die Kraft hast, dass durchzustehen. Dieses Gefühl der Hilflosigkeit ist wirklich gehässig. Versuche, etwas mit Freunden zu unternehmen, mache Sport und finde einen Weg, Stress abzubauen. Das ist der einzige Ratschlag, den ich dir momentan dazu geben kann.

Leikos hat geschrieben:Sobald dann wieder Funkstille zwischen uns herrscht, dann kommt mir das surreal und unecht vor.
Ich weiß was du meinst. Es ging mir hier in dem Forum anfangs ähnlich. Ich glaube das liegt daran, dass du dir das eigentlich nicht vorstellen willst. Also unterbewusst. Weil uns diese Erkenntnis zwingt, unser "heiles" Weltbild zu überdenken. Und in Zweifel zu ziehen. Du wirst dich mit der Zeit daran gewöhnen. Dann kommt es dir viel normaler vor.

Wenn ich dich richtig verstanden habe, dann habt ihr noch Kontakt? Von wem geht er aus? Von ihm oder von dir?

Leikos hat geschrieben:Damit isolier ich mich ein Stück mehr.
Solange du nicht preisgeben kannst, was wirklich los ist, werden sie damit nicht aufhören. Es ist schade, wenn dich das in eine Isolation treibt. Versuche den Anderen zu erklären, dass er gute Gründe hat, du ihm aber versprochen hast nicht darüber zu reden. Vielleicht hilft das ja ein wenig. Wenn du jemanden zum zuhören brauchst, kannst du hier weiter schreiben. Vielleicht hilft dir das ja etwas.


Ich wünsche euch beiden ganz viel Kraft für euren Weg.

Liebe Grüße, dein Andi
"Those who would give up essential liberty to purchase a little temporary safety deserve neither liberty nor safety." Benjamin Franklin

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Leikos
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Beitrag Di., 26.08.2008, 20:30

Hallo Andi,

danke für Deine Antwort. Es tut absonderlicherweise tatsächlich gut zu schreiben und auch Antwort zu bekommen.

Wer von uns beiden den Kontakt hält? Das bin nicht nur ich. Auch von ihm kommt ab und an eine Nachricht, oder der Wunsch eines Treffens. Gestern jedoch hab ich ihm vorgeschlagen, mit mir was zu unternehmen. Darauf hat er abgelehnt mit der Begründung, dass ihm der Abschied dann immer so weh tut. Das ist für mich absurd, denn ich will ja keinen Abschied. Ich versteh einfach nicht so ganz, warum er sich selber "geißeln" muss und zu diesem Familiendrama auch noch ein Beziehungsdrama braucht. Ist es nicht so, dass man in Zeiten, wo man selbst so verletzlich, ängstlich und hilflos ist, einfach den Menschen, den man anscheinend liebt, um sich braucht? Warum hat er das Gefühl, das alles allein durchmachen zu müssen. Du sprichst von Familie, die Dir Halt gibt und genau das will ich doch auch geben.
Er hat das letzte Wochenende Sa auf So hier verbracht. Wir haben stundenlang geredet, geschrien und geheult und sind dann doch gemeinsam eingeschlafen. Am Morgen sagt er dann, dass er seit Wochen nicht mehr so gut geschlafen hat. Hey, das kann er theoretisch jeden Abend haben. Warum zwingt er sich dann dazu, dass nicht haben zu wollen, wenn es ihm doch gut tut. Geht mir nicht in den Kopf. Am Sonntag nachmittag ist er dann gegangen mit der Aussage "wir sehen uns wieder.". Kann jemdan verstehen, was in ihm vorgeht? Für mich ist das so widersprüchlich.
Er spricht von Selbsthass und von sich als Monster. Warum? Ihm wurde Leid zugefügt und nicht umgekehrt. Er ist irgendwie so als ob er sich selbst bestrafen will.
Hast Du Erfahrung, was solche Erlebnisse angeht? Kann man das jahrelang verdrängen ohne dass das Umfeld etwas ahnt? Wie gesagt, Anzeichen gab es teilweise, aber nichts, was aus meiner Sicht auf solch eine Sache hätte schließen lassen. Oder war ich einfach nur so blind? Dachte immer recht empatisch und sensibel zu sein.

Aber nun genug! Warum wollten Dich andere Menschen mobben?
Lg

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Andi
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Beitrag Mi., 27.08.2008, 09:08

Hallo Leikos!

Leikos hat geschrieben:Warum wollten Dich andere Menschen mobben?
"Einfache" Menschen neigen dazu, Andere die vermeintlich klüger sind als Bedrohung aufzufassen. Wenn die dann nicht wirklich gute Softskills haben, werden sie zur Zielscheibe. Gerade wenn sie ihren Weg gehen.

Leikos hat geschrieben:Warum hat er das Gefühl, das alles allein durchmachen zu müssen.
Nach dem was du geschrieben hast, denkt er, dass du ihm jahrelang geholfen hast, ein "normales" Leben zu führen. Nun hat er wenn ich dich richtig verstanden habe Probleme mit seinem Selbstbewusstsein, eine geradezu klassische Folge von durch Gewalt ausgelösten Traumata. Ich vermute, dass er sich ein Stück weit selbst beweisen will. Das er glaubt, dass Problem nur alleine Lösen zu können. Es gibt noch so viele andere Möglichkeiten, dass es müßig ist, hier zu spekulieren. Du kannst ihn fragen, aber damit setzt du ihn unter Druck. Vermittelst ihm, dass du eigentlich erwartest, dass er wieder zurückkommt. Wenn du die Gelegenheit hast das zu fragen, ohne dabei diesen Eindruck zu erwecken (was ziemlich schwierig werden dürfte), dann kannst du es ja mal versuchen. Aber pass gut auf, ihn nicht zu etwas zu drängen. Nicht einmal mit Fragen.

Leikos hat geschrieben:Kann jemdan verstehen, was in ihm vorgeht? Für mich ist das so widersprüchlich.
Das klingt doch gut. Er will wieder kommen. Und ihr könnt über seine Probleme reden. Das ist ein sehr gutes Zeichen. Wie oben schon angedeutet, das warum ist in diesem Fall nicht das entscheidende. Er will jetzt etwas Abstand, und das musst du respektieren, wenn du ihn jemals zurückhaben willst. Dass er immer noch zu dir kommt, um mit dir zu reden, deutet darauf hin, dass auch er noch an dir hängt. Ich kann dir nur den Ratschlag geben, durchzuhalten. Dafür Wünsche ich dir ganz viel Kraft.

Leikos hat geschrieben:Er spricht von Selbsthass und von sich als Monster. Warum? Ihm wurde Leid zugefügt und nicht umgekehrt.
Auch das ist leider eine klassische Folge von häuslicher Gewalt. Er will wie alle Kinder seine Eltern lieben. Und da die nun gut zu seien schienen, muss er etwas falsch gemacht haben. Kinder denken anfangs in Schwarz-Weiß. Eltern gut, ich also böse. Du solltest dich vielleicht hier mal in den Threads zu diesem Thema belesen, dann verstehst du sicher, was ich meine.

Leikos hat geschrieben:Er ist irgendwie so als ob er sich selbst bestrafen will.
Gut möglich. Auch nichts seltenes. Das ändert aber nichts an der Art und Weise, wie du ihm helfen kannst.

Leikos hat geschrieben:Hast Du Erfahrung, was solche Erlebnisse angeht? Kann man das jahrelang verdrängen ohne dass das Umfeld etwas ahnt?
Ich persönlich habe keine Erfahrung dieser Art machen müssen. Trotzdem kann ich seine Zerrissenheit ein Stück weit nachvollziehen. Er wird einige sehr unvernünftige Dinge tun. Lass ihn gewähren. Auch wenn dir das sehr schwer fallen wird. Du kannst und darfst ihn nicht bevormunden.

Ja, sowas kann man über Jahrzehnte verdrängen. Aber irgendwann kommt es hoch. Das tut es immer. Die Frage ist nur wann. Und es ist gut, dass er es jetzt anpacken will. Das er dazu die Kraft hat, dürfte er ein Stück weit dir zu verdanken haben. Ich habe dir geschrieben, was ihm meiner Meinung nach helfen kann. Ich wünsche dir viel Erfolg dabei und euch beiden ganz viel Kraft für diesen schwierigen Abschnitt eurer Beziehung.

Liebe Grüße, dein Andi
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Leikos
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Beitrag Mi., 27.08.2008, 11:14

von was reden wir, wenn wir über Zeit geben sprechen? Reden wir von Tagen, Wochen, Jahren....Wie lange kannman sowas aushalten? Das frag ich mich die ganze Zeit. Und davon hab ich ja gerade mehr als genug.
Ich such einfach so dringend nach einer Perspektive

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Andi
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Beitrag Mi., 27.08.2008, 16:25

Hallo Leikos!

Leikos hat geschrieben:Reden wir von Tagen, Wochen, Jahren...
Das kann ich dir leider auch nicht sagen. Das kommt darauf an, wie stark dein Mann ist, wie gut er in der Therapie vorankommt, und ob sein Auszug mehr eine fixe Idee oder eine Notwendigkeit war. Ich würde mich vorsichtshalber auf eine lange Zeit einstellen. Viele hier im Forum haben Jahre bis Jahrzehnte gebraucht, um ihr Leben in den Griff zu bekommen. Ab wann sich dein Mann wieder dazu im Stande sieht, mit dir zusammen zu leben weiß keiner. Aber wenn ihr noch regelmäßig Kontakt habt und euch immer noch liebt und euch vertraut, dann ist das ja auch eine Form der Beziehung. Für euch beide ist diese Situation vollkommen neu und ihr habt sicher beide eure Schwierigkeiten, damit umzugehen. Wenn ihr weiter mit einander reden könnt und über eure Gefühle sprechen könnt, dann habt ihr langfristig eine ganz gute Perspektive. Richte dich in dieser neuen Lebenssituation ein, es könnte eine ganze Weile so bleiben. Zumindest wenn du ihn nicht aufgibst.

Alles Gute und viel Kraft euch beiden,

dein Andi
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renanyi
neu an Bo(a)rd!
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Beitrag So., 21.12.2008, 17:16

ich moechte mich erstmal bei beiden bedanken fuer die, ohne es zu wissen, hilfe, die mir heute durch euren dialog zuteil wurde. ich lebe derzeit seit monaten in einer fast gleichen situation. meine frau, gewaltopfer als kind, durchlebt diese unglaubliche lebenskrise des erwachens. auch ich leide an den folgen und auswirkungen, da ich diese distanz und verwirrheit, die scheinbare hilflosigkeit und die existierende verzweiflung. sie ist sich der situation sehr bewusst und sucht die schutzraeume wo sie sich sicher fuehlt, unbelastet, da sie sich da scheinbar ohne voebelastung entfalten kann. dazu gehoert denke ich auch die liebe zu einem anderen mann.
natuerlich faellt es sehr schwer immer den ruhigen kopf und vor allem seele zu behalten. herzrasen, schlaflosigkeit, appetitlosigkeit, wut, zorn, .....
ich bin froh eure worte gelesen zu haben und etwas mehr verstanden zu haben. und ich werde jede nur erdenkliche hilfe in anspruch nehmen.
meine situation ist verscharft, da die distanz zwischen mir und den ruhezonen gross ist. deutschland und mallorca.
meine groesste sorge ist wie ich die zweifel aus meinem herzen und meiner seele verdraengen kann und damit offen fuer komplettes vertrauen bin.
glg renato

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Andi
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Beitrag Mi., 24.12.2008, 11:17

Hallo renanyi!

Es ist schön, wenn dir das Forum etwas geholfen hat. Besteht von deiner Seite aus noch Gesprächsbedarf?

Liebe Grüße, Andi
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