Kontakt zu Eltern abgebrochen n. Missbrauch i Kindheit?

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Ravelli
sporadischer Gast
sporadischer Gast
weiblich/female, 32
Beiträge: 5

Kontakt zu Eltern abgebrochen n. Missbrauch i Kindheit?

Beitrag Di., 30.06.2009, 19:15

Hallo,

ich bin neu hier, 32 Jahre alt, und habe jetzt einige Beiträge zum Thema Missbrauch gelesen und merke ich bin nicht alleine. Würde ich meine ganze Geschichte schreiben würde wahrscheinlich jetzt jeder aussteigen beim lesen, ich versuchs nur kurz zu erläutern damit ihr meine Situation kennt um meine Frage zu verstehen.
Mein Vater hat mich in der Kindheit geschlagen und gequält und gedemütigt, meine Mutter hat weggesehen. Er hat mich auch seelisch zum Krüppel gemacht "Du taugst nichts, aus dir wird nie was, du bist dumm etc., mich verspottet für meine Pickel in der Pubertät uvm. Ich bin mit 18 ausgezogen, habe aber noch das Verhältnis zu meinen Eltern aufrecht erhalten, vielleicht auch um heile Welt zu spielen, meine Therapeutin meint, aus Nettigkeit. In den letzten 3-5 Jahren hat sich mein Vater zwar verändert, das ich das Gefühl bekam er zeigt Interesse an mir, er sieht mich nun endlich als Tochter und ist stolz auf mich. Ich habe dann meinen Mann kennengelernt, geheiratet und meine Eltern ein paar Mal zu uns eingeladen, war alles soweit "ok", schaute fast nach Normalität aus. Nach der Geburt meines Sohnes passierte bei mir eine Retraumatisierung, ich erlebte alle Gewalzszenen meiner Kindheit im Kopf nochmal und fühlte sie, es war grauenhaft. Auch hatte ich eine posttraumatische Depression was mein Kind betrifft und habe bis jetzt keine richtige Bindung aufbauen können zu dem Kind, was mich fertig macht, aber auch nicht wundert, danke an meine Scheisseltern.

Ich habe mir eine Therapeutin gesucht bei der ich jetzt meine Kindheit aufarbeite, bin seit 3 Monaten 1x die Woche dort und habe den Kontakt zu meinen Eltern abgebrochen. Durch meine Therapie bekomme ich mehr und mehr Wut auf meine Eltern und bin jetzt zu dem Entschluss gekommen das es besser ist wenn ich den Kontakt komplett abbreche. Ich finde nicht das sie es verdient haben weiter Teil an meinem Leben zu haben, sie sind schuld das ich mit meinem Kind nicht umgehen kann, das ich total fertig bin wenn es schreit weil ich es nicht aushalte angeschrien zu werden (danke an Vater und Mutter für 18 Jahre Schreierei), das ich meinem Kind nicht die Liebe geben kann die es verdient weil ich sie selbst nicht hatte.

So, bevor ich mich zuviel verstricke jetzt und mein Beitrag dann doch zu lange wird, das ihn keiner mehr lesen mag, meine Frage an LeidensgenossInnen, wer von euch hat noch Kontakt zu den Eltern nach einer Aufarbeitung oder auch während, habt ihr euren Eltern gesagt das ihr in Therapie seid ihretwegen, habt ihr sie mit ihren Taten konfrontiert oder den Kontakt so abgebrochen? Ich habe sie durch meinen Bruder wissen lassen weswegen ich in Therapie bin und das ich derzeit keinerlei Kontakt wünsche. Wie war das bei euch?

Danke schon mal im Voraus für eure Antworten,
LG
Ravelli

Werbung

Benutzeravatar

candle
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 42
Beiträge: 6138

Beitrag Di., 30.06.2009, 19:43

Sicher haben sie auch Schuld.
Und ich halte nichts von Racheakten. Hast Du keinen Wunsch mehr nach einer intakten Beziehung zu Deiner Herkunftfamilie?

Ich weiß nicht wie es ist keine Bindung zum Kind aufbauen zu können, aber ich denke nicht, dass es grundsätzlich Schuld Deiner Eltern ist. Es gibt da sicher noch andere Faktoren. Wolltest Du denn ein Kind?

Schuldzuweisung ist vielleicht im ersten moment befriedigend, die Wut berechtigt und hilfreich, aber der Weg sollte in Frieden sein, sonst findet man keine Ruhe.

candle
Es ist besser ein Kerze anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen.
Sommer-Stumpenhorst

Benutzeravatar

vita
Forums-Insider
Forums-Insider
weiblich/female, 53
Beiträge: 178

Beitrag Mi., 01.07.2009, 06:33

Hallo Ravelli,

zuerst einmal finde ich es sehr gut, dass du eine Therapie machst. Zu deiner Frage: Ja, ich habe den Kontakt zu meiner Familie abgebrochen, schon mit 16 Jahren, als ich von zu Hause auszog. Natürlich habe ich damals noch nicht gewusst, dass der Missbrauch durch meine Eltern Spätfolgen für mich haben würde, jedoch war mir damals schon klar, dass ein Kontakt mit diesen Menschen mir nur schadet. Ich habe lediglich Kontakt zu meinem jüngeren Bruder, der genauso gelitten hat wie ich. Ich habe den Bruch mit dem Rest der Familie nie bereut, ganz im Gegenteil. Konfrontiert habe ich damals die ganze Familie, jedoch waren alle entsetzt über mich, NICHT über den Missbrauch. Wie in den meisten solchen Fällen hat mir keiner geglaubt, da die gesamte Familienstruktur krank und verdreht war.

Ich finde nicht, dass ein Bruch mit der Familie etwas mit Rache zu tun hat, sondern mit der einfachen Erkenntnis, dass Menschen sich selten ändern. Ich habe erst sehr viel später, mit 43 eine Therapie gemacht und erst durch die Therapie erfahren, wie schwerwiegend die Spätfolgen des Missbrauchs für mich waren.

Ich wünsche dir alles Gute. Wahrscheinlich wirst du mit der Zeit erkennen, dass das Schreien deines Kindes mit dem Gekeife deiner Eltern in der Kindheit nichts zu tun hat - die Therapie wird dir sicherlich helfen.

lg
vita

Benutzeravatar

vita
Forums-Insider
Forums-Insider
weiblich/female, 53
Beiträge: 178

Beitrag Mi., 01.07.2009, 06:51

liebe candle,

gerade bei MB in der Kindheit geht es um nichts anderes als um Schuld, und zwar in der Form, dass man sich als Kind die Schuld für den Scherbenhaufen "Familie" gibt. Es ist daher meiner Meinung nach absolut angebracht, die Angelegenheit richtig zu stellen und zwar in der Form, dass Kinder keinerlei Schuld an ihrem Missbrauch tragen, sondern die ihnen Schutzbefohlenen sehr wohl die Schuldigen sind.

Natürlich habe ich als Erwachsene die Verantwortung für mich selber zu übernehmen und kann mein Fehlverhalten nicht auf meine üble Kindheit schieben. Ich erkenne, dass etwas mit mir nicht stimmt und suche mir Hilfe durch eine Therapie. Bestenfalls wird durch die Therapie mein Fehlverhalten erkannt und ich kann aus der kranken Struktur ausbrechen.

Um eine friedliche Beziehung mit der Herkunftsfamilie zu haben, müsste die gesamte Familie therapiert werden - und das ist in den meisten Familien eben leider nicht der Fall.

lg
vita

Werbung

Benutzeravatar

Joy
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 38
Beiträge: 60

Beitrag Mi., 01.07.2009, 09:43

Genau, die ganze Familie wird seltenst therapiert, habe weder davn gehört noch kenne ich so einen Fall. Auch ich habe sehr sehr früh meinen Kontakt abgebrochen, bin heute 38 und wenn jemand anruft dann meine Mutter die mich dann mit Vorwürfen überhäuft was für eine Tochter ich wäre und nie an sie denken würde. Ich war mit 14 Jahren von zuhause weg (sie hat mich in ein Heim gesteckt, weil mit 14 wollte ich diesen seelischen und Gewaltmissbrauch nicht mehr aushalten und fing an Gegenwehr zu zeigen) und ich wüsste nicht dass ich ein einziges Mal den Kontakt zu ihr suchte. Das heisst seit 25 Jahren kommt die Frau nicht auf die Idee dass ich keinen Kontakt möchte, weil ich ihr das nie klar gesagt habe (das kommt noch, ganz sicher!)
Ich denke, dass ein Umgang nicht statt finden muss, wenn er für einen schlecht ist und nicht gut tut. Bei mir ist es auch so, genauso wie bei Dir, dass alte Erinnerungen hochkommen. Und das brauche ich echt nicht, ich habe soschon genug mit mir selber zu tun und auch Du hast mehr als genug Arbeit mit einem kleinen Baby, da braucht es diesen Stress auch nicht noch zusätzlich.
Ich denke es ist auf jeden Fall besser den Kontakt zu unterlassen, denn was bringt das letzendlich? Bekommt man eine Entschuldigung? Und wenn schon, was ist diese wert? Bekommt man eine Entschädigung, eine Erklärung? Bringt die jemanden weiter? In der Regel wird doch eh alles verdreht, geleugnet, gelogen, abgestritten und man steht dann wieder wie ein Trottel da und denkt darüber nach, ob man nicht doch selber Schuld hat an der ganzen Sache. Ja, es geht um Schuld! Und die trägst nicht Du, sondern die, die Gewalt anwenden.

Je weniger man damit zu tun hat, um so besser, meine persönliche Meinung als Betroffene und Laie.

Und ja, mir geht es sehr gut ohne den Kontakt zu suchen, ich vermisse diese kranke Frau kein bischen

Benutzeravatar

candle
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 42
Beiträge: 6138

Beitrag Mi., 01.07.2009, 09:47

Hallo vita!
vita hat geschrieben: . Es ist daher meiner Meinung nach absolut angebracht, die Angelegenheit richtig zu stellen und zwar in der Form, dass Kinder keinerlei Schuld an ihrem Missbrauch tragen, sondern die ihnen Schutzbefohlenen sehr wohl die Schuldigen sind.
Ja, das sehe ich auch so! Und es muß in der Therapie bearbeitet werden. Für mich ist und bleibt der schlimmste Mißbrauch an Schutzbefohlenen. Weißt Du eigentlich wie es einem damit gehen kann?
Um eine friedliche Beziehung mit der Herkunftsfamilie zu haben, müsste die gesamte Familie therapiert werden - und das ist in den meisten Familien eben leider nicht der Fall.
Ich kenne dazu gar keinen Fall- ehrlich gesagt.

candle
Es ist besser ein Kerze anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen.
Sommer-Stumpenhorst

Benutzeravatar

nichtmehrda
Forums-Insider
Forums-Insider
männlich/male, 99
Beiträge: 399

Beitrag Mi., 01.07.2009, 11:03

Hallo Ravelli!
Zunächst einmal: willkommen hier! Auch ich gehöre zu denjenigen, die Schlimmes erlebt haben. Auch später gab es immer wieder "Wiederholungen". Ich hab zwar etliche Male in den letzten 15 Jahren oder so mit einer Therapie begonnen, manchmal länger, manchmal kürzer durchgehalten, aber letztlich erfolglos immer wieder abgebrochen. Erst als mein Sohn (er ist praktisch erwachsen) infolge einer schweren Erkrankung fast gestorben ist, hab ich mich entschlossen, wirklich und ernsthaft mit einer Therapie zu beginnen.
Das mit meinem Sohn erwähn ich deswegen, weil ich die ganzen Jahre immer geglaubt hatte, unser Verhältnis wäre wunderbar (das einzige, was in meinem Leben jemals "funktioniert" hat.) Leider liegt die Vermutung nahe, dass ich das irgendwie nicht ganz so richtig gesehen habe und seine Krankheit zumindest teilweise mit meiner Vergangenheit (und meinem Verhalten meiner Umwelt aber auch ihm gegenüber) im Zusammenhang stehen könnte. Was ich damit sagen möchte ist, dass - ganz gleich, ob nun "bewusst", so wie du es beschreibst - oder unbewusst, wie die Dinge eben in meinem Fall zu liegen scheinen - es immer wieder vorkommt, dass Missbrauchsfolgen sich auch über Generationen "weitervererben". Für mich war das eigentlich der wichtigste Grund für den neuen Anlauf zu einer Therapie.

Ich hab inzwischen den Kontakt mit den Tätern meiner Kindheit (und auch mit Folgetätern) "auf Eis gelegt". Das schreib ich deshalb so, weil "Abbruch" für mich so was Endgültiges hat. Für uns ist es auch bis heute nicht leicht, den Kontakt vorerst einmal ruhen zu lassen. Und ohne die Unterstützung unserer Thera hätten wir es wohl nie geschafft, auch nicht über kurze Zeit. Allerdings hat sie auch nie versucht, uns was einzureden, sondern hatte uns immer die Sicherheit gegeben, dass WIR allein die Entscheidung über Ausmaß und Zeitpunkt des „Aufs-Eis-Legens“ treffen DÜRFEN. Sie hat nur immer wieder begonnen, das Thema anzureden, wir haben gemeinsam mit ihr Vor und Nachteile abgewogen, aber auch unsere Ängste immer einbezogen. Auch die (ehemaligen) theras hatten immer wieder mal zum Beziehungsabbruch geraten, aber damals hatten wir nie das Gefühl, dass es unsere Entscheidung war und damit hat es nicht funktioniert.
Erst durch das "Auf-Eis-Legen" wird es uns jetzt ganz langsam und schrittweise möglcih, uns zu erlauben, einmal die "Zuneigung" - richtiger wohl der Ausdruck "Empathie" - der Thera auch nur ansatzweise auszuhalten oder uns zu erlauben Das wird jetzt langsam besser. Allerdings haben auch die (noch am Leben befindlichen) Täter meiner Kindheit über lange Zeit alle Hebel in Bewegung gesetzt, um mich unter Druck zu setzen (und versuchen es immer noch). Leicht ist es also immer noch nicht.
Ich weiß nicht, ob das für alle Betroffenen, Überlebenden etc gilt, es ist halt MEINE, UNSERE ganz persönliche Erfahrung damit Beziehungsabbruch... Hängt wahrscheinlich auch immer mit der eigenen Geschichte zusammen. Bei mir ist es eher schwer, Wut zuzulassen. Meist ist es Hilflosigkeit und Angst, ja Panik. Wenn die Wut allerdings durchbricht, „vernichtet“ dieser Anteil alles und jeden, der sich in den Weg stellt. Im Moment gibt es Gott sei Dank keinen Anlass für diesen "Bösen" in uns aktiv zu werden. Aber alle haben panische Angst davor, dass er wieder aktiv wird. Schon das Wissen über seine Präsenz reicht meist, dass er verhindert, dass auch mal was gut und schön sein könnte. Nur durch die "Abstinenz" von den Tätern und die Geduld meiner Thera gelingt es langsam, ihn einigermaßen in Schach zu halten...
Langsam gelingt es auch, die verschiedenen Personen in mir zumindest zu identifizieren, manchmal auch ein bisschen gemeinsam vorzugehen... Aber das ist eine andere Geschichte.

Ich wünsch dir jedenfalls, dass DU den richtigen Weg für dich findest! Aber lass dir von niemandem was einreden! DU allein entscheidest, ob, wann und wieviel Täterkontakt für dich gut oder schlecht ist. Nur wenn DU entscheidest, dass du keinen Kontakt mehr willst, wirst du es auch durchziehen können!
Alles Liebe
momo
VERGANGENHEIT
ist
wenn es nicht mehr weh tut
Mark Twain

Benutzeravatar

nichtmehrda
Forums-Insider
Forums-Insider
männlich/male, 99
Beiträge: 399

Beitrag Mi., 01.07.2009, 11:09

Hallo nochmal!
... zu deiner Frage der Konfrontation der Täter... nein, das würde ich nicht schaffen. weil sie würden es auch nur abstreiten, vielleicht mich auch noch mehr fertig machen, mit der gefahr, dass alles mühsam erarbeitete "sich-selbst-glauben-dass-es-eine-riesen-sauerei-war-und-ist" und vor allem das "ja, es ist wirklich passiert und ich rede mir das nicht ein" der letzten monate wohl wieder schneller als lieb wegflutschen würde...
aber es gibt dazu auch viele andere Erfahrungen von anderen betroffenen und überlebenden. Für mich gilt das selbe wie schon oben geschrieben: jede/r muss wohl seinen/ihren ganz persönlichen Weg suchen und finden!
momo
VERGANGENHEIT
ist
wenn es nicht mehr weh tut
Mark Twain

Benutzeravatar

candle
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 42
Beiträge: 6138

Beitrag Mi., 01.07.2009, 11:23

momo_will_leben hat geschrieben: Für mich gilt das selbe wie schon oben geschrieben: jede/r muss wohl seinen/ihren ganz persönlichen Weg suchen und finden!
momo
Das was Du schreibst momo ist sehr stimmig und trifft auch meine Linie. Ich kann nicht anders, bekam, obwohl ich mich stark fühlte, im Umgang mit meiner Familie immer wieder Panikatacken. Da hilft nur Distanz.

candle
Es ist besser ein Kerze anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen.
Sommer-Stumpenhorst

Benutzeravatar

Pippi Langstrumpf
Forums-Insider
Forums-Insider
weiblich/female, 22
Beiträge: 320

Beitrag Mi., 01.07.2009, 22:09

Hallo Ravelli!

Kann dich sehr gut verstehen.
Habe in Hinblick auf Misshandlung/sex.Missbrauch in der Kindheit eine ähnliche Geschichte wie du. Und diesen Zwiespalt kenne ich sehr, sehr gut!

Hat man zu den Eltern(die auch die Täter sind) Kontakt, muss man seine Wahrnehmung verleugnen/wesentliche Teile abspalten, um das überhaupt vereínbaren und aushalten zu können.
Bricht man den Kontakt ab, geht möglicherweise eine wichtige "Bindung" verloren. Auch instabile Beziehungen und sehr negative Empfindungen können unglaublich bindend sein.

Dazu kommen Schuldgefühle oder auch Furcht vor den Konsequenzen? Oft hängt ja mehr dran als "bloß" der Kontakt zu den Eltern.
Vielleicht ein Bruder, eine Schwester, etwas anderes, das wichtig ist und für das man Verantwortung trägt.
Ein ziemlicher Zwiespalt.


Und eine konsequente Trennung von den Eltern erfordert sicherlich eine gründliche Trauerarbeit.
Ich wüsste nicht, ob ich zum jetzigen Zeitpunkt damit umgehen könnte.
Gleichzeitig habe ich ein wirklich großes Bedürfnis, diese "Familie" (zum Großteil gibt es eh keinen Kontakt mehr) hinter mir zu lassen. Denn ich befürchte, sonst nie ich selbst werden zu können.

Wie soll man jene lieben, die einen früher so schwer misshandelt/gedemütigt/missbraucht haben?
Aber dennoch "liebt" man diese Menschen oft auf eine eigentümliche Weise oder zumindest meint man, sie zu lieben. Vielleicht hat man in Wirklichkeit einfach nur Angst. Angst davor, ganz alleine zu sein.
Ich bin nicht sicher.

Es ist ein sehr komplexes Thema!

Gruß Pippi
(...)und bräche nicht aus allen seinen Rändern
aus wie ein Stern: denn da ist keine Stelle,
die dich nicht sieht. Du musst dein Leben ändern.

Benutzeravatar

vita
Forums-Insider
Forums-Insider
weiblich/female, 53
Beiträge: 178

Beitrag Do., 02.07.2009, 07:08

Hallo,
sondern die ihnen Schutzbefohlenen sehr wohl die Schuldigen sind.
Da habe ich mich nicht richtig ausgedrückt - ich meinte, dass die die Schutzbefohlene missbrauchen, die einzig Schuldigen sind.

Candle schrieb:
Ja, das sehe ich auch so! Und es muß in der Therapie bearbeitet werden. Für mich ist und bleibt der schlimmste Mißbrauch an Schutzbefohlenen. Weißt Du eigentlich wie es einem damit gehen kann?
Ich verstehe deine Frage nicht.

Pippi L. schrieb:
Wie soll man jene lieben, die einen früher so schwer misshandelt/gedemütigt/missbraucht haben?
Ich denke nicht, dass man die lieben soll. Ich habe mich oft gefragt, welche Vorstellung von Liebe ich hatte und teilweise auch noch habe, da ich ja in keiner liebenden Familie aufgewachsen bin. Über die Angst, ganz allein zu sein, habe ich auch oft nachgedacht. Ich war ja ganz allein in der Familie, denn die Fürsorge, die ein Kind benötigt, war nie gegeben. Ich denke daher, dass es, wie bereits angesprochen, eher die Schuldfrage ist, die an eine solche Familie bindet sowie die irrige Hoffnung, dass die Täter eines Tages ganz von selber merken, dass sie etwas falsch gemacht haben und alles plötzlich besser wird.

lg vita

Benutzeravatar

Elfchen
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 51
Beiträge: 2845

Beitrag Do., 02.07.2009, 07:42

Hallo Ravelli!

Ich gehöre auch zu denjenigen, die va. mit der Mutter absolut keinen Kontakt mehr hat- und das seid bald 20 Jahren. Da mein Vater in Italien lebt, war es ein Einfaches für mich, auch den Kontakt zu ihm zu kanzeln. Obwohl er mich schwerst misshandelt hat, habe ich ihn nach über 35 Jahren wieder gesehen letzten Sommer. Das war eine Begegnung, und ich habe nicht im Sinne, das zu vertiefen.

In dieser Zeit habe ich Therapien gemacht, konnte mich- nach einer 13 jährigen Ehe, aus der ich mich löste- dann endlich anfangen zu leben. Vieles tat weh, denn mit den Spuren der Vergangenheit ist es nicht immer einfach, trotz allem therapieren. In meinem Leben wurde nichts, aber auch gar nichts an Schrecklichkeit und Scheusslichkeit ausgelassen. Über vieles konnte ich niemals reden, va. nicht über die Missbräuche. Mit meiner Mutter möchte ich nie mehr etwas zu tun haben.

Langsam beginne ich zu leben. Mit all meinen Blessuren und Sonderheiten. Langsam, ganz langsam beginne ich zu begreifen, dass das Leben auch schöne Seiten hat. Jetzt muss ich nur noch lernen, dass auch ich sie geniessen darf. Das ist sehr schwierig für mich.

Irgendwann habe ich mich entscheiden müssen, ob ich leben möchte. Da ich zwei Kinder habe dachte ich damals, ich versuche es wenigstens, aber ich hatte nur so, ohne diese Menschen, eine Chance, das war mir klar.

lg
Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben. Epiktet

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Ravelli
sporadischer Gast
sporadischer Gast
weiblich/female, 32
Beiträge: 5

Beitrag Do., 02.07.2009, 08:56

Hallo!

Danke euch erstmal für das große Feedback. Ich glaube auch das es viel um die Schuldfrage geht, meine Thera versucht mir diese unnötigen Schuldgefühle zu nehmen, was auch teilweise wirklich funktioniert und eine unheimliche Wut auf meine Eltern ausgelöst hat, da ich jahrelang versucht habe, klassisch, die Täter zu lieben, vorallem wollte ich immer nur das mein Vater einmal nur stolz auf mich ist. Ich habe auch einen jüngeren Bruder, der war immer sein ein und alles und der hat bis auf ein paar Ohrfeigen sonst nichts abbekommen, durfte aber auch oft zusehen, wie ich geschlagen wurde und meine Schlimmste Zeit war was das betrifft als ich 9 Jahre alt war, d.h. mein Bruder war 4!!! Ich bin sicher das er auch Schaden davon getragen hat, er hat auch diese verdammte gefährliche Wut und Aggression in sich die uns mein Vater mitgegeben hat. Meine Thera meinte dazu das die Opfer immer einen Teil vom Täter mitnehmen, das Böse und das heisst es auch zu erkennen, ich weiß es ja, aber es macht mich auch so wütend das ich das habe, wo wir wieder bei der Schuldfrage wäre, es ist echt ein verdammter Teufelskreis.
Meine Thera meinte auch, "das habens wirklich "gut gemacht" meine Eltern, mich so zu halten und mir die Schuld zu geben für alles"
Es hat ja auch nicht aufgehört als ich mit 18 ausgezogen bin, weil die Wohnung auf meinen Vater gelaufen ist musste ich ja zwangsläufig das Verhältnis aufrecht erhalten er hat ja damals auch gedroht mir die Wohnung jederzeit wegzunehmen.
Erst jetzt, seitdem ich meinen Mann, die Liebe meines Lebens gefunden habe, ist jetzt 2 Jahre her, habe ich gesehen was Liebe eigentlich bedeutet, ich bin scheinbar erst jetzt in der Lage mich von meiner Familie zu lösen.
Ich hatte eine schwere Schwangerschaft und die Geburt meines Sohnes war auch die Hölle, Kaiserschnitt und unendliche Schmerzen und als ich dann vom KH heim kam und mir erlaubt habe einfach total fertig auf die Couch zu fallen und zu schlafen und nicht gleich meinen Eltern bescheid gesagt habe das ich gut daheim angekommen bin, ratet mal was dann kam, Vorwürfe, immer nur Vorwürfe und das war nur ein Beispiel von vielen, da kommt dann das klassische "Du hättest dich schon melden können" "Das gehört sich schon" und ich denke nur mehr WARUM rufen sie dann nicht an wenn sie wissen wollen wie es mir geht? Immer soll ich an allem schuld sein. Was das Melden generell angeht habe ich mich so alle 2 Wochen mal gemeldet bei meiner Mutter, meistens war es dann eh unpassend und man hat am Telefon gemerkt das eh keine Lust und Zeit hat zu plaudern, aber wehe ich habe mich nicht gemeldet, dann wieder Vorwürfe, Vorwürfe, Vorwürfe.

Meine Mutter hat sich auch immer nur als Opfer dargestellt, sie kann ja nichts machen, sie würde sich ja scheiden lassen aber er bringt uns ja um, und wo sollen wir denn hin, blabla. Meine Mutter hat er ja nicht geschlagen, mal eine Ohrfeige schon was ich weiß und auch seelisch immer equält aber die ganze Ladung seiner Gewalt habe ich abbekommen, nur ich, weil ich ein gutes Opfer war, weiblich, körperlich unterlegen.

Ich bin hin und her gerissen was den Kontakt betrifft, ist eine schwere Entscheidung, aber nur wegen meinem schlechten Gewissen, wenn ich in mich hineinhöre und mich nach den Gründen Frage ob und warum ich noch Kontakt zu meinen Eltern haben sollte dann wäre die Antwort klar, zu meinem Vater sicher nicht und zu meiner Mutter nur weil sie mir teilweise leid tut, aber andererseits tut sie mir gar nicht mehr so leid, weil ich ja nicht für sie verantwortlich bin, im Gegenteil, sie ist meine Mutter und hätte mich beschützen müssen, also ist sie an dem ganzen Elend genauso schuld. Mir geht es auch besser seit ich seit Wochen keinen Kontakt habe, aber natürlich habe ich auch meine Oma und meinen Bruder die natürlich nur drauf warten das ich meine Therapie abgeschlossen habe und wieder Kontakt zu den Eltern habe, die sehen das glaube ich so: "Jetzt machts die Therapie, arbeitet ihre Kindheitserlebnisse auf und dann ist sie wieder gesund". Es ist nicht leicht mit dem ganzen Druck der anderern zu leben, das macht es am schwersten.

LG
Ravelli

Benutzeravatar

candle
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 42
Beiträge: 6138

Beitrag Do., 02.07.2009, 12:25

Hallo vita!
vita hat geschrieben:Candle schrieb:
Ja, das sehe ich auch so! Und es muß in der Therapie bearbeitet werden. Für mich ist und bleibt der schlimmste Mißbrauch an Schutzbefohlenen. Weißt Du eigentlich wie es einem damit gehen kann?
Ich verstehe deine Frage nicht.
Es gibt ja auch Mißbräuche, die nicht in der nahen Verwandschaft stattfinden. Deshalb meinte ich, dass es für mich die schlimmste Mißbrauchsform ist innerhalb der Familie, gerade weil einem diese Menschen sehr nahe sind. Man liebt sie, man haßt sie, oder? Diese Faktoren liegen so eng aneinander, dass das mir das "größte" Problem scheint.
Aber ich will mich nun ausklinken, denn ich denke, ich bin einige Stufen weiter. So schlimm alles war, gibt es doch immer etwas Gutes an der Geschichte. Aber dort muß man erstmal hinkommen- das dauert.

candle
Es ist besser ein Kerze anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen.
Sommer-Stumpenhorst

Benutzeravatar

lingaroni
Forums-Gruftie
Forums-Gruftie
weiblich/female, 45
Beiträge: 666

Beitrag Do., 02.07.2009, 15:04

@candle
nein, das glaube ich nicht. ich denke nicht, dass es irgendwas gutes am missbrauch gibt. wenn man denkt, es sei was gutes am missbrauch, dann wäre diese tat ja nur halb so schlimm. wozu dann diese aufregung um dieses thema? ich denke, es gibt menschen, die daraus das beste machen. und ich bin überzeugt, es ist was gutes an einer intakten kindheit.
LG

Werbung

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag