Psychotherapie: Kassen stellen Reformkonzept vor (BRD)

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Jenny Doe
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Psychotherapie: Kassen stellen Reformkonzept vor (BRD)

Beitrag Do., 12.12.2013, 10:18

Krankenkassen wollen Psychotherapie neu organisieren
Mittwoch, 11. Dezember 2013
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/56898
Berlin – Der Spitzenverband Bund der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) möchte die Psychotherapie in Deutschland umorganisieren. „Weniger Bürokratie, orientierende Sprechstunden für die Patienten und ein Ende der Genehmigungspflicht für die Kurz­zeittherapie sollen die Versorgung besser machen und die Wartezeiten verkürzen“, umreißt Johann-Magnus von Stackelberg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes, die Vorschläge.
(...)
Psychotherapie: Kassen stellen Reformkonzept vor
http://www.pharmazeutische-zeitung.de/i ... t_ID=49998
(...)
Es sei zurzeit oft Zufall, ob ein Patient etwa Verhaltenstherapie, tiefenpsychologische Behandlung oder Psychoanalyse erhalte. In einem heute in Berlin veröffentlichten Beschluss fordert der GKV-Spitzenverband, dass Patienten vor Therapiebeginn ein bis zwei Sprechstunden absolvieren und dabei auch besser über die Unterschiede der Therapieformen informiert werden sollen.
(...)
Wir müssen das Leben loslassen, das wir geplant haben, damit wie das Leben leben können, das uns erwartet (Joseph Campbell). Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark. Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen (Hermann Hesse).

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sandrin
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Beitrag Do., 12.12.2013, 13:53

Für die bessere Aufklärung bin ich auch.
Dennoch gibt es einige Vorschläge dieser Reform, die mir gehörig aufstoßen. Das fängt an mit der verpflichtenden Zwangspause nach ca. 15 Stunden von 6 (!) Wochen, um "den eingeschlagenen Weg zu reflektieren". Spinnen die? Da ist einer akut depressiv und soll dann 6 Wochen nichts tun?

Das Nächste ist, dass sie die Höchstgrenze auf 50 Stunden setzen wollen, um die vorhandenen Ressourcen umzuverteilen. Wohlgemerkt: Auch bei Psychoanalysen!

Ich bin sicher keiner, der für Endlostherapien plädiert. Aber 50 Stunden in einer PA? Die ticken doch nicht mehr ganz sauber. Da geht es nicht mehr um effiziente Therapien, sondern um Geldsparen. Dann kann man es gleich sein lassen. So geht mehr kaputt, als geheilt wird.

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Tristezza
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Beitrag Do., 12.12.2013, 14:46

Aber in den Artikeln steht doch, dass Langzeittherapien bis zu 300 Stunden weiter genehmigt werden sollen.
Die Orientierungfrist nach 15 Stunden finde ich gar nicht so schlecht, damit manche nicht einfach in eine Therapie "reinschlittern", nur kommen mir 6 Wochen auch zu lang vor.
Richtig gut gefällt mir die Überlegung, vor Beginn einer Therapie ein Informationsgespräch zur Pflicht zu machen, in dem es darum geht, welche Therapieform am geeignetsten ist (es sei denn, die Psychotherapeuten, die diese Gespräche führen, sind nicht unabhängig von den KK und werden von denen gebrieft, möglichst wenig Langzeittherapien zu empfehlen ...)


Widow
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Beitrag Do., 12.12.2013, 14:50

Als Gegenstimme zum Sparvorschlag (immer hübsch wahrhaftig bleiben!) der GKV:
http://www.bbpp.de/bthk-11-12-2013.htm

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leberblümchen
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Beitrag Do., 12.12.2013, 15:03

Die 'Reflexionsphase' hat doch nur den Sinn, die Hälfte der Patienten wieder elegant zu entsorgen, bevor sie überhaupt angefangen haben. 'Reflektieren' tut ein gewöhnlicher Patient bereits Jahre und Monate, bevor er überhaupt das erste Mal einen Therapeuten kontaktiert. Und dann noch mal Monate (im ungünstigsten Fall), bevor die eigentliche Therapie beginnen kann.

Von dieser 'Reflexionsphase' erhofft man sich dann, dass die, die noch skeptisch sind, wegfallen. Und dass die, die schon erste Übertragungsspontanheilungen wahrnehmen, sicher sind, geheilt zu sein. Bleiben dann noch ein paar Unbeirrbare, für die man sicher auch noch eine Lösung findet...

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Tristezza
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Beitrag Do., 12.12.2013, 15:08

Aber der reflektierte Patient kann trotzdem schnell beim Falschen landen und dann nicht wieder weg kommen. Hier im Forum bekommt man das ja oft genug mit. Schnell wird der erstbeste Therapeut zum vermeintlichen Retter, an den man sich klammert, ohne dass er einem wirklich gut tut.
Dass die KK auch ökonomische Zwecke verfolgen, kann man sich denken. Denn sechs Wochen Bedenkfrist sind nun wirklich etwas übertrieben ... vor allem wenn es jemandem akut schlecht geht.

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sandrin
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Beitrag Do., 12.12.2013, 15:10

Ich hab ja von Vorschlägen geschrieben und nicht behauptet, dass das neues Gesetz sei.

Zu den 50 Stunden: http://www.pharmazeutische-zeitung.de/?type=0&id=49973

Wie gesagt, ich finde auch, man muss als Patient wesentlich besser aufgeklärt werden. Auch stimmt es, dass man in die jeweilige Therapieart nur durch Zufall reinschlittert, zumindest in sehr vielen Fällen. Das sollte nicht sein! Aber sechs Wochen Reflexionsphase. Ne, also da fehlen mir die Worte...

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Tristezza
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Beitrag Do., 12.12.2013, 15:18

Ach so. Haben Pharmazeutische Zeitung und Ärzteblatt zwei unterschiedliche Papiere vorliegen gehabt? Am besten hält man sich offenbar ans Original, soweit auffindbar ...


chaosfee
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Beitrag Do., 12.12.2013, 15:48

Bessere Aufklärung, ja, in vielen Fällen scheint diese vor Therapiebeginn ja wirklich unzureichend zu sein. Aber ich gehe da vollkommen d'accord mit dem Papier der Therapeutenkammer: Wie soll man jemandem, den man nicht kennt, ohne ausreichende Diagnostik nach einem kurzen Gespräch eine Therapieform empfehlen? Das ist doch nichts anderes als das, was jetzt schon bei vielen Therapeuten stattfindet, die sich die probatorischen Sitzungen sparen wollen. Der Patient kommt, der Therapeut empfiehlt das Verfahren, das er selbst anbietet und der Patient darf sich bis zur nächsten Woche überlegen, ob er den Antrag unterschreiben will. Was ist da die große Reform? Die offenen Sprechstunde? Schneller an einen Therapieplatz kommt man damit auch nicht, im Gegenteil, der Therapeut hat weniger Stunden für seine "Terminpatienten".

Es gab, wenn ich mich nicht irre, übrigens mal eine Zeit, da ist man zum Psychiater gegangen, der hat eine Diagnostik durchgeführt und dann eine Therapie empfohlen.
"Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen." Adorno

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Tristezza
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Beitrag Do., 12.12.2013, 17:11

Hier ist der Link zum Original: http://www.gkv-spitzenverband.de/media/ ... erapie.pdf
Auf S. 7 geht es um die Langzeittherapie. Offenbar soll es da tatsächlich Einschränkungen geben, was aber durch die Überschrift verschleiert wird, in der es heißt: "Das Angebot an Psychotherapie muss zukünftig so strukturiert werden, dass Anreize zur Erbringung von Kurzzeittherapien nicht zur Vernachlässigung von Langzeittherapien führen." Klingt gut, oder? So als würde sich bei Langzeittherapien/Analysen eigentlich nichts verändern. Weiter unten steht aber, dass die Behandlung "nicht zu einem Dauerzustand werden darf" und deshalb die Kontigentierung grundsätzlich 50 Stunden umfassen soll; weitere Stunden bedürfen der "Einzelfallentscheidung".

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sandrin
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Beitrag Do., 12.12.2013, 17:30

Harter Tobak. Aber ehrlich gesagt habe ich das ja - wie hier öfter geschrieben - schon lange vermutet, dass den langen Therapien mal ein Riegel vorgeschoben wird. Ich find auch nicht, dass es so oft die 300 Stunden braucht. In manchen Fällen (und ich wage jetzt nicht zu sagen, in welchen, weil ich das nicht weiß!) ist es vielleicht sogar kontraproduktiv.

Ist schon krass. Ich meine, ich stelle jetzt ja auch auf Analyse um. 50 Stunden sind nix, wenn man viele Baustellen hat. Wäre halt schön, wenn das Behandlungskontingent wenigstens 160 Stunden betragen würde. Das wäre meiner Meinung nach ein guter Kompromiss.

Tatsache ist aber auch, dass man ganz sicher davon ausgehen kann, dass diese so genannten "Einzelfallentscheidungen" meistens mit einem "Nein" entschieden werden, weil sie ja letzten Endes die Grundlage für Ablehnungen bieten. Es wird eher die absolute Ausnahme bleiben, dass jemand mehr als 50 Stunden bekommt.

Was mich interessieren würde, ist, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass das auch wirklich so umgesetzt wird, bzw. ob das wirklich schon spruchreif ist.


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Jenny Doe
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Beitrag Do., 12.12.2013, 17:41

@ Tristezza,

erst mal Danke für den Link zum Original.

Eigentlich ändert sich bezüglich einer Langzeittherapie nichts, oder? Das war doch bisher auch so, dass Theras nach, ich glaube 25 Stunden ? (weiß es nicht mehr genau wann) einen Neuantrag stellen mussten. Auf jeden Fall hat keine meiner Therapeutinnen sofort die volle mögliche Stundenzahl bekommen. Alles mussten nach einer bestimmten Anzahl von Stunden einen Neuantrag stellen, über den dann entschieden wurde.

Die Informationsphase finde ich nicht schlecht, denn ich denke auch, dass ja nicht jeder Klient weiß was ihn in den einzelnen Therapieverfahren erwartet.
Übel finde ich hingegen die 6 wöchige Pflichtpause. Ich fands schon Horror, als ich nach den 5 probatorischen Sitzungen wochenlang warten musste, bis die Therapie bewilligt wurde. Z.B. Depressiven kommt diese Neureglungen gewiss nicht entgegen.
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Jenny Doe
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Beitrag Do., 12.12.2013, 17:45

@ sandrin
Tatsache ist aber auch, dass man ganz sicher davon ausgehen kann, dass diese so genannten "Einzelfallentscheidungen" meistens mit einem "Nein" entschieden werden, weil sie ja letzten Endes die Grundlage für Ablehnungen bieten.
Dagegen spricht laut Link, dass die Kassen ein Interesse daran haben, dass Klienten nicht in teuren Kliniken versorgt werden müssen:
In der Langzeittherapie befinden sich vorwiegend Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen, sodass hier eine gute Versorgung gewährleistet sein muss, damit die Patienten nicht in die stationäre Versorgung wechseln müssen.
http://www.gkv-spitzenverband.de/media/ ... erapie.pdf
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Solage
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Beitrag Do., 12.12.2013, 18:06

Hallo Jenny Doe,

ich danke Dir, dass Du diese Informationen hier zugänglich machst.
Muss mir noch einmal alles in Ruhe durchlesen.

Liebe Grüße
Solage

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Tristezza
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Beitrag Do., 12.12.2013, 18:57

Jenny Doe hat geschrieben: Eigentlich ändert sich bezüglich einer Langzeittherapie nichts, oder? Das war doch bisher auch so, dass Theras nach, ich glaube 25 Stunden ? (weiß es nicht mehr genau wann) einen Neuantrag stellen mussten.
Ja, aber "Einzelfallentscheidung" klingt für mich anders als "Möglichkeit, einen Verlängerungsantrag zu stellen" - nämlich nach großer Ausnahme, so wie nach der aktuellen Regelung - zumindest offiziell - 300 Stunden Analyse nur "im Einzelfall" genehmigt werden sollen. Da scheint schon genauer hingeschaut werden und vielleicht nur den erwähnten "Schwerkranken" (die ja gar nicht unbedingt analysegeeignet sind) bzw. schon mehrfach Hospitalisierten eine Langzeittherapie genehmigt werden zu sollen.

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