Psychotherapie: Kassen stellen Reformkonzept vor (BRD)

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chaosfee
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Beitrag So., 15.12.2013, 16:20

Es geht nicht um Villen im Grünen. Es geht nicht um Luxus, es geht um schwerwiegende Erkrankungen.

Eine Ungerechtigkeit rechtfertigt nicht die nächste. Dann kannst du im Prinzip dein zitiertes kostenloses Gymnasium abschaffen: Schule für alle bis Klasse 8, wer mehr möchte, der zahlt. Die Frage ist eben: Was sichert die im Grundgesetz verankerte Chancengerechtigkeit? Die Villa im Grünen weniger als die Behandlung einer psychischen Erkrankung. Zu sagen: 100prozentige Gerechtigkeit gibt es eh nicht, also können wir die bestehenden 50% auch abschaffen, das ist... nun ja.

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leberblümchen
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Beitrag So., 15.12.2013, 16:24

Warum liest du nur, was du lesen WILLST?

Ich sprach von einem System, in dem die staatliche Versorgung den zeitlich uneingeschränkten Zugang zur Psychotherapie beinhaltet.

Nur ist das eben auch mit ANDEREN Einschränkungen verbunden, denn die Parole: "Alles für Alle gratis!" funktioniert eben in der Realität nicht!

In anderen Ländern gibt es das bereits, und das muss nicht immer das Schlechteste sein. Und wer mehr möchte, im Sinne von individueller Betreuung, der zahlt das.

Methoden und Wege, die Geld kosten und die an die Eigenverantwortung appellieren, sind immer unbeliebt und unbequem. Das ist so. Das muss aber nichts heißen.


kaja
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Beitrag So., 15.12.2013, 16:31

Und wer nicht zahlen kann der hat halt Pech gehabt ?
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leberblümchen
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Beitrag So., 15.12.2013, 16:32

Wo wäre jetzt das Problem, einen Psychologen 'auf Staatskosten' aufzusuchen? Nicht vorstellbar?

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kaja
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Beitrag So., 15.12.2013, 16:39

Sieht man ja an den Österreichern wie gut die Versorgung dann ist. Die warten ja auch ewig auf einen Kassenplatz.
Dann kann man auch sagen man macht es am Einkommen fest und die Reichen finanzieren ihre Therapie zu 100% selbst.
Da psychische Erkrankungen eng an Armut gekoppelt sind ist schon klar das sowas kompletter Käse ist.
Gerecht ist das alles nicht.

Aber mal eben ein : Dann muss man halt selber zahlen, einzuwerfen ist doch ein wenig sehr eindimensional. Aber gut so kann man die Anzahl der sozial Schwachen auch dezimieren.
After all this time ? Always.

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sandrin
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Beitrag So., 15.12.2013, 16:48

Zitat: Eine psychodynamische Langzeitpsychotherapie (Long-Term Psychodynamic Psychotherapy, LTPP) über mindestens ein Jahr bzw. 50 Sitzungen hilft den Betroffenen bedeutend besser als eine kürzere Therapie.
http://www.medizin-im-text.de/blog/2013 ... ttherapie/

Da taucht die Zahl 50 wieder auf, die aber im Vergleich zu 300 auch schon wieder gering ist - und dennoch als Langzeittherapie angesehen wird.


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Jenny Doe
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Beitrag So., 15.12.2013, 16:53

@ sandrin,

die von dir zitierte Studie von Leichsenring bezieht bzw. beschränkt sich auf komplexe psychische Störungen.
Wir müssen das Leben loslassen, das wir geplant haben, damit wie das Leben leben können, das uns erwartet (Joseph Campbell). Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark. Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen (Hermann Hesse).

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sandrin
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Beitrag So., 15.12.2013, 16:55

Ja, eben. Selbst für solche Störungen werden in den Studien lediglich 50 Stunden veranschlagt, ok es steht da "mindestens". Aber trotzdem. Wenn mal eine Zahl im Raum steht, dann hat die auch Gewicht, da verschwindet ein "mindestens" schnell aus dem Fokus.

Nur, um nicht missverstanden zu werden: Ich finde das für komplexe Störungen deutlich zu wenig.


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Jenny Doe
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Beitrag So., 15.12.2013, 17:02

Ja, eben. Selbst für solche Störungen werden in den Studien lediglich 50 Stunden veranschlagt
In der Studie wurde die Verhaltenstherapie, die zur Behandlung komplexer psychischer Störungen nur maximal 50 Stunden bekam, verglichen mit der psychodynamischen Langzeittherapie, die wesentlich mehr Stunden bekam. Bei komplexen psychischen Störungen, so Fazit der Studie, ist die psychodynamische Langzeittherapie der kurzzeitigen Verhaltenstherapie überlegen.

Zum Nachlesen hier die Originalstudie
The Emerging Evidence for Long-Term Psychodynamic Therapy
http://guilfordjournals.com/doi/abs/10. ... 3.41.3.361

Ziel der Studie war, eine Studie von Smit et al. zu widerlegen, der zufolge die Verhaltenstherapie besser abschnitt. Also, mal wieder Studien, in denen es darum geht, das jeweils andere Therapieverfahren schlecht darzustellen.
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Broken Wing
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Beitrag So., 15.12.2013, 17:17

@ Kaja: Ich denke, die Situation ließe sich verbessern wenn das Interesse dahin verlagert würde, dass die eine Therapie brauchen, diesie auch nötig haben. Das ginge, wenn der Wille da wäre. Vielleicht nicht 100 % sicher, aber eben angenehmer als es jetztder Fall ist.
Unleiches gleich zu behandeln ist alles andere als gerecht. Aber dazu müsste man mit dem Mythos dass alle gleichermaßen leiden.
Objektive Kriterien gäbe es genug. Man könnte der Arbeitsfähigkeit bsp. einen höheren Stellenwert einräumen, weil das nun ml Lebenswichtig ist. Oder ein anderes System, aber ein wenig Objektivierung könnte echt nicht schaden. Dann kämen auch nicht absurde Diskussionen zustande, ob jetzt 50 Stunden oder 100 Stunden besser sind.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]

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stern
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Beitrag So., 15.12.2013, 17:19

sandrin hat geschrieben:Da taucht die Zahl 50 wieder auf, die aber im Vergleich zu 300 auch schon wieder gering ist - und dennoch als Langzeittherapie angesehen wird.
Ich bin gerade nicht ganz sicher, was die exakte Zahl angeht... aber bei VT/PT ist Langzeittherapie bereits das, was über +/- 25h hinausgeht (bei PA weiß ich nicht, wo ein Therapie aufhört, Kurzzeittherapie zu sein... da die Bewilligungsschritte größer sind, liegt die Grenze etwas höher).

Wie gesagt: Für jede Studie gibt es oft auch gegenteilige... so gibt es wohl welche, die sagen, Kurzzeittherapien sind effizienter. Dem halten manche entgegen, Langzeittherapien sind nachhaltiger und wirksamer... also ganz platt gesagt. Für Details muss man die Studien näher anschauen. Gerne werden manchen Studien auch methodische Mängel vorgeworfen.

Die Kasse wird schon etwas finden, dass notfalls auch löchrige Argumentationen stützt.

Habe jetzt nachgelesen... insbes. auch die Links von Jenny vor einigen Seiten. Krass.

Ist in einem Artikel auch angedeutet: Und ja, ich kann mir vorstellen, dass auch Leute, die derartige Entscheidungen treffen, nicht unbedingt nachvollziehen können, was es bedeutet, psychisch krank zu sein sein. Wobei sich Leiden und Einschränkungen auf ganz unterschiedlichen Arten niederschlagen kann. Ich jedenfalls gehe nicht mehr davon aus, dass jemand, der etwas nicht kennt, das (zwingend) nachvollziehen kann... selbst wenn viel Empathie aufgebracht wird.

Der Witz ist ja, wenn man dann auch noch das Wort individuelle Einzelfallentscheidung in den Mund nimmt... die bisherigen Kontingente sind doch schon relativ pauschal (mit faktisch starrer und relativ pauschaler Obergrenze). Dürfte doch eine leichtes sein, die Obergrenze nach unten zu korrigieren. Dann beißen halt jetzt auch welche in den sauren Apfel, denen das bisher noch erspart blieb. Aber Zwangsbeendigungen gibt es bisher doch auch schon.
Liebe Grüße
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Jenny Doe
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Beitrag So., 15.12.2013, 17:41

@ Stern
Und ja, ich kann mir vorstellen, dass auch Leute, die derartige Entscheidungen treffen, nicht unbedingt nachvollziehen können, was es bedeutet, psychisch krank zu sein sein.
Nein, das können sie nicht. Ich oute mich jetzt mal: Ich hatte ja schon mal erzählt, dass ich derzeit ein Zweitstudium mache, und zwar Gesundheitsökonomie. Und genau das erlebe ich: Das sind meist Wirtschaftswissenschaftler, die ein bisschen rumrechnen, und dann festlegen, was bezahlt wird und was nicht und wie lange etwas bezahlt wird. Von der Psyche haben die Null Ahnung.

Noch was aus eigener Erfahrung: VT wirksamer hin, VT wirksamer her, ... meine Störung war recht komplex und ich musste 2 VTs hintereinander machen. Ich denke auch nicht, dass es bei komplexen Störungen mit 50 Stunden getan ist. Wäre auch unlogisch. Wenn man sich nämlich mal anguckt, wie wirksam die VT bei einzelnen Störungen ist, also z.B. nur Angst oder nur Depression, dann sieht man, dass sie zur Behandlung einer einzigen Störung die Stunden braucht, die sie auch bewilligt bekommt. Hat man jedoch mehr als nur eine Störung, dann reicht auch eine VT nicht bzw. die wenigen Stunden, die sie bekommt, nicht.
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leberblümchen
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Beitrag So., 15.12.2013, 19:01

Kaja, das Problem ist, dass das derzeitige System schon total unbefriedigend ist: Ein Patient, der eine TfP macht bei jemandem, der nicht Analytiker ist, muss nach 100 Stunden aufhören, während jemand, der beim Analytiker ist, 300 Stunden bekommt - auch wenn keine Analyse gemacht wird, sondern die Therapie nur als solche beantragt wird.

Und die, die eine Analyse begonnen haben - ohne zu wissen, was sie erwartet -, werden nach 300 Stunden vor die Tür gesetzt, egal, ob sie so weit sind oder nicht. Es sei denn, sie sind reich.

In einem System, in dem jeder eine Therapie bekommt, egal, wie lange diese dauert, kann das nicht passieren. Dafür hat man dann zwar u.U. keine Auswahl wie bisher, aber man fängt nicht etwas an, das man hinterher nicht beenden kann.

Ich habe nicht von Österreich gesprochen, sondern von Ländern, in denen die Therapie vom Staat gezahlt wird. Das ist etwas ganz anderes.

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stern
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Beitrag So., 15.12.2013, 19:12

Broken Wing hat geschrieben:Objektive Kriterien gäbe es genug. Man könnte der Arbeitsfähigkeit bsp. einen höheren Stellenwert einräumen, weil das nun ml Lebenswichtig ist.
Und welche objektiven Erfolgs-Kriterien legt man denn an denjenigen an, der arbeiten kann, sich aber daheim die Arme blutig ritzt oder depressiv in der Ecke sitzt und nichts mit sich anzufangen weiß oder seiner Esssucht fröhnt oder seine Frau zusammenschlägt, um sich von der Arbeit abzureagieren... und nächsten Tag wieder bei der Arbeit erscheint?

Und man darf ja auch nicht übersehen: Es gibt ja schon Berichte, auf deren Basis Gutachter urteilen... ich weiß echt nicht, warum man daran glaubt, dass Testbatterien objektiver sind in dem Sinn, dass sie eine Grundlage bilden auf deren Basis man den Erfolg und die Angemessenheit für alle Patienen gleichermaßen beurteilen kann.

Und ich bin da bei Jenny: Für jemanden der wirtschaftlich nicht ganz planlos ist, ist es nicht sooo schwer, irgendwelche (u.a. wirtschaftlichen) Kriterien finden bzw. beliebige Dinge zu quantifizieren bzw. in Zahlen zu übersetzen. Die Frage ist dann nur, wird das dem Menschen bzw. der Störung dann wirklich gerecht. Das ökonomische Kriterien auch eine Rolle spielen, ist zwar heute schon so... nur es erscheint mir unmenschlich, wenn man alles an Effizienzkriterien festmachen will und schnell-schnell zunehmend die Devise wird (ist ja schon teilweise Realität... glücklich der, der Ärzte hat, die das nicht so spüren lassen).
Liebe Grüße
stern 🌈💫
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chaosfee
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Beitrag So., 15.12.2013, 19:24

Leberblümchen, habe ich das jetzt richtig verstanden: Arme steckt man in die kostenlose Gruppentherapie und wer es sich leisten kann, gönnt sich eine Einzeltherapie? Und die Gruppentherapie darf der Arme dann sein Leben lang auf Staatskosten (weil der Reiche, der seine Therapie selbst zahlt, dann nicht mehr einsieht, dass er über KK-Beiträge auch noch die Therapie des Armen finanziert) machen, auch wenn in seinem Fall eine Einzeltherapie sinnvoller wäre?
Und worin liegt jetzt der wirtschaftliche Vorteil gegenüber der heutigen Situation, außer, dass du als vermutliche Gutverdienerin endlich nicht mehr mit deinen Kassenbeiträgen anderer Leute Behandlungen bezahlen musst?
"Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen." Adorno

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