Sexuelle Übergriffe in der Therapie

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hope_81
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Beitrag Di., 11.09.2012, 20:12

Liebe Kaja,
dein Einwand sehe ich als durchaus berechtigt und leider habe ich bis auf einen Fall auch nichts konkretes gefunden. Ich denke allerdings schon, dass ein Therapeut als Opfer ganz andere Möglichkeiten zur Verfügung hat als ein Klient.
Ich spinne jetzt mal ein wenig rum:
Ich bin Psychotherapeutin, als solche habe ich in meiner Ausbildung eine ganze ganze Menge an möglichen Reaktionen Seitens Klienten kennengelernt. Ich habe einige hundert Probetherapiestunden abgehalten (bei der mindestens jede 4. supervidiert wurde) ich habe selbst einige hundert Therapiestunden Selbsterfahrung hinter mir. Ich habe unzählige Videos von Therapiesitzungen anderer Therapeuten gesehen, tausende Seiten Fachliteratur in mich geschlungen. Ich behaupte einmal ich kann (auch wenn alle Menschen nocheinmal anders reagieren) sehr gut abschätzen wie der Mensch in Situationen reagiert. Ich weiß das manche mich stalken könnten, ich weiß das manche mir drohen werden, mich schlagen werden, mich vielleicht töten werden,sich in mich verlieben werden, alles nur erdenkliche ausagieren werden. Ich weiß ganz genau worauf ich mich einlasse. Und doch habe ich noch nicht alle Eventualitäten abgedeckt, weil ich manches doch nicht vorhersehen kann. Ich habe allerdings einen ganz ganz anderen Background. Ich kann mir sogar meine Klienten aussuchen und ich kann, wenn ich mich später unwohl fühlen sollte, diese an einen anderen Kollegen verweisen. Ich kann mich supervidieren lassen, wenn mir etwas spanisch vorkommt und ich kann spezielle Vorkehrungen treffen, sollte der Eindruck entstehen, dass mir dieser Klient gefährlich werden könnte. Ich habe also eine völlig andere handhabe, der Klient nicht....
Sollte ich als Therapeuten dennoch von meinem Klienten vergewaltigt werden, dann gehe ich zur Polizei und lasse sofort Spermaspuren sichern, weil ich vielleicht anders ticke, was nicht heißt, das ich nicht traumatisiert bin...Ich behaupte einfach, dass ich anders reagiere als ein Klient....
Das Beste, was du für einen Menschen tun kannst, ist nicht nur deinen Reichtum mit ihm zu teilen, sondern ihm seinen eigenen zu zeigen.
Benjamin Disraeli

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stern
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Beitrag Di., 11.09.2012, 20:15

kaja hat geschrieben:Die Überschrift des Threads war "Sexuelle Übergriffe in der Therapie", mir war nicht klar das er nur für eine Seite sein sollte.
Tut mir leid, dann werde ich mich hier jetzt mal zurückziehen.
och mönsch... die Zeichen in der Überschrift waren dermaßen begrenzt (musste da mehrmals abändern wegen Zeichenbegrenzung). Der Text darunter präzisiert dann, was nicht in die Überschrift passt. Aber wie gesagt: Wenn jemand Infos zu deiner Fragestellung hat:
kaja hat geschrieben:In diesem Zusammenhang stellt sich für mich die Frage was mit den Therapeuten als Opfer ist.
Welche Chancen hat der Therapeut zu beweisen das er Opfer einer Straftat wurde ?
Wer also Informationen zu Therapeuten als Opfer sexueller Übergriffe in der Therapie hat
Als her damit, ich schrieb ja eben: ich bin dafür offen - obwohl es ursprünglich nicht mein Thema sein sollte.

Vielleicht habe ich dazu auch gar keine andere Meinung als dass ich Täterverhalten auf Seiten von Patienten genauso wenig gutheißen würde, wer weiß .
Zuletzt geändert von stern am Di., 11.09.2012, 20:45, insgesamt 1-mal geändert.
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stern
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Beitrag Di., 11.09.2012, 20:35

hopeless81 hat geschrieben:wenn mir etwas spanisch vorkommt und ich kann spezielle Vorkehrungen treffen, sollte der Eindruck entstehen, dass mir dieser Klient gefährlich werden könnte.
Solche Fragen haben m.M.n. in der Tat praktische Relevanz. Z.B. kann ein Therapeut durchaus in die Situation kommen, abschätzen zu müssen, ob er einen Patienten vor sich hat, der (durchaus gerne auch störungsbedingt) z.B. zu Gewaltausbrüchen neigen könnte. Traut er sich zu, die Behandlung aufzunehmen. Kann das Verhalten so therapieschädlich werden, dass es im ambulanten Rahmen schwer mit einer Therapie wird. Braucht es gar eine "speziellere Unterbringung", weil andere akut in Gefahr erscheinen (auch da kann sich dann die Frage stellen, inwieweit die Schweigepflicht bestand hat). Usw. WIRD ein Patient dann wirklich handgreiflich, kann ein Thera natürlich Schritte einleiten (es gäbe hier -auch je nach Einschätzung verschiedene)... kein Thema.
Zuletzt geändert von stern am Di., 11.09.2012, 20:47, insgesamt 1-mal geändert.
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mitsuko
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Beitrag Di., 11.09.2012, 20:46

Nun, es ist wohl klar, dass der Unterschied darin besteht, dass für den Patienten zum Therapeuten ein Abhängigkeitsverhältnis bestehen kann. Umgekehrt eher nicht.
Wenn ein Patient sexuell übergriffig dem Therapeuten gegenüber wird, kann dieser also mühelos die Therapie abbrechen und ich bin der Meinung, dass er das auch tun sollte, sofern er sich bedroht oder belästigt fühlt. Selbstverständlich kann er sich ggf. auch an die Gesetzeshüter wenden und seinen Patienten anzeigen, sofern dieser ihn belästigt, bedroht oder sogar zum Beispiel vergewaltigt haben sollte. Ich kann mir auch vorstellen, dass das gar nicht so selten passiert, denn manche Patienten werden ja völlig obsessiv was ihre Therapeuten angeht.

Für einen sich in Abhängigkeit oder Übertragungsliebe verstrickt befindenden Patienten ist es trotzdem mitunter viel schwieriger sich gegen einen sexuell übergriffigen Therapeuten zu wehren, da es sich in dem Fall um eine Missbrauchssituation handelt.
Natürlich betrifft das nicht jeden Patienten - also nicht jeder Patient wird überhaupt eine derartige Abhängigkeit zum Therapeuten aufbauen, aber wie man unter anderem hier im Forum immer wieder lesen kann gibt es ganz offensichtlich genaug, die es tun. Ich habe auch schon öfter hier gelesen, dass Frauen etwas mit ihrem Thera anfingen, da sie dachten, dass sie das ganz toll finden und easy handeln können würden und hinterher hatten sie erhebliche Schwierigkeiten damit, ganz zu Schweigen davon, dass die Therapie ab diesem Zeitpunkt dann sowieso hinüber ist.

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stern
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Beitrag Di., 11.09.2012, 22:53

mitsuko hat geschrieben:Nun, es ist wohl klar, dass der Unterschied darin besteht, dass für den Patienten zum Therapeuten ein Abhängigkeitsverhältnis bestehen kann. Umgekehrt eher nicht.
Sehe ich auch so. Bzw. auch die Asymmetrie der Beziehung schafft ein Gefälle. Auch das "umkehrt eher nicht" teile ich. Insbes. das "eher". Denn ich mag auch nicht ausschließen, dass es auch Therapeuten geben kann, die in unguter Weise mit dem Patienten verstrickt sind. Nur einen Unterschiede sehe ich z.B. darin, wie hopleless formulierte, dass der Therapeut z.B. Supervision nehmen kann, geschult wird, usw.
Wenn ein Patient sexuell übergriffig dem Therapeuten gegenüber wird, kann dieser also mühelos die Therapie abbrechen und ich bin der Meinung, dass er das auch tun sollte, sofern er sich bedroht oder belästigt fühlt.
ja. Bzw. wenn ein Therapeut Ängste dahingehend hat, wird er den Patienten vermutlich gar nicht erst annehmen (denn es soll ja eine von Vertrauen geprägte Beziehung sein). Ich bin mir auch relativ sicher: Wenn ich meiner Thera eine Watschn verpassen würde (ich habe dies NICHT vor, stand auch nie davor, nichtmal gedanklich) so wäre Schluß mit lustig, und ich wäre die längste Zeit Patientin gewesen (und vielleicht würde sie weitere Schritte einleiten, k.A. Aber es wäre nur recht und billig, wenn ich Konsequenzen zu tragen hätte). Sexuelle Übergriffe analog.
Ich kann mir auch vorstellen, dass das gar nicht so selten passiert, denn manche Patienten werden ja völlig obsessiv was ihre Therapeuten angeht.
Auch ja . Inbes. bezogen auf Stalking habe ich sogar etwas gefunden, falls es Kaja wirklich bzw. noch interessiert :
Patientenübergriffe: Jeder kann Opfer werden . Ein Unterschied ist wohl wirklich der Grad der Abhängigkeit.

Bzw. Patienten dürften sich überproportional häufiger emotional mit dem Thera verbunden fühlen bzw. sich für eine Vergehen eines anderen die Mitschuld bzw. Mitverantwortung oder volle Schuld bzw. Verantwortung zusprechen als dies umgekehrt der Fall sein dürfte (zur Quantifizierung siehe oben). Welcher Therapeut würde der Verantwortung übernehmen, wenn er vom Patienten eine Watschn erhält... oder wenn eine Patient die Blumenvase des Therapeuten (Praxisdeko) aus dem Fenster schmeißt? Hmmm.
Für einen sich in Abhängigkeit oder Übertragungsliebe verstrickt befindenden Patienten ist es trotzdem mitunter viel schwieriger sich gegen einen sexuell übergriffigen Therapeuten zu wehren, da es sich in dem Fall um eine Missbrauchssituation handelt.
Bzw. im Fall einer Übertragungsliebe ist es für manche Patienten vermutlich auch schwer eine Übertragung überhaupt als solche zu erkennen (für manche sicherlich schwer, für andere leichter, für andere vielleicht auch gar kein Problem). Idealtypischerweise sollte der Therapeut eine Übertragung als solche erkennen. So kann hinter einem sexuellen Angebot eines Patienten durchaus eher der Wunsch nach Geborgenheit stecken (also etwas asexuelles). Oder es kann ein Test sein a la: Ist der Therapeut auch so einer wie die anderen, der ... UND SO WEITER. Das verherrende ist m.M.n. noch nicht mal, den Gehalt eines "offensiveren" Verhalten nicht sofort zu erfassen oder unzutreffend zu erfassen. Aber das Angebot annehmen, geht eben nicht - im Grunde unabhängig, was einen Patienten zu sexuellen Avancen veranlasst.

Abhängigkeit finde ich irgendwie ein blödes Wort... mir ist aber noch kein treffenderes eingefallen:

Jedenfalls könnte man sich durchaus fragen: Wie sähe es aus, wenn keine Abhängigkeit/Asymmetrie zwischen Patient und Therapeut vorläge: Ich kann es aber nicht anders sehen, als dass insbes. während einer Psychotherapie IMMER ein gewisses Gefälle besteht, dass sich z.B. allein daraus ergibt:
- Therapeut ist in der Rolle des Helfers - Patient sucht Hilfe auf
- Therapeut erhält relative viele Informationen vom Patient - Patient eher relativ wenige bis gar keine vom Therapeut
- Therapeut hat Wissensvorsprung durch seine Aus- und Fortbildungen - Patient (wenn er nicht gerade selbst PT) ist hat einen anderen Informationsstand und nicht entsprechende Anlaufstellen wie Therapeuten

Bereits DIESES Gefälle kann m.M.n. entgegen stehen, wirklich eine freie Entscheidung treffen zu können... regelmäßig können sich weitere Ungleichgewichte/Machtverhältnisse auftun.

Und ich weiß ja nicht: Von einem Patienten wird ja im Normalfall auch erwartet, dass er sich an Regeln (z.B. in Form von Rahmenbedingungen) halten kann und hält . Und bei einem Therapeuten kann man billigen, dass er es mit seinen Regeln aka z.B. Berufsordnungen locker nehmen kann? Wäre m.M.n. irgendwie schräg. Umso schräger, wenn man einem Therapeuten Straftaten zubilligen würde, wie z.B. sexuelle Übergriffe (ist halt so, dass Therapeuten sogar einen für sie extra geschaffenen Straftatbestand erhalten haben).
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stern
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Beitrag Mi., 12.09.2012, 00:40

Gerade noch darüber gestolpert:

http://extranet.medical-tribune.de/voll ... 02_S10.pdf

Zeit zu handeln: Sexuelle Übergriffe endlich offen aufs Tapet bringen
Jegliche sexuelle Annäherung – ein absolutes „no go“ in der Psychotherapie

sowie

„Immer wieder den Finger in die Wunde legen“
Im Interview: Prof. Dr. Irmgard Vogt ... (DGVT) e.V.

Aus Medical Tribune · Nr. 2 · April 2012 · Neurologie / Psychiatrie


Aber eeeiigentlich wollte ich gerade noch recherchieren, warum das Thema noch so ein Tabuthema ist/sein soll. Bzw. ob und warum in der öffentlichen Meinung Tendenzen bestehen, einem Patienten im Falle eines sexuellen Übergriffs eine Mitverantwortung geben zu wollen (obwohl die Sachlage in puncto einseitiger Verantwortungsverteilung eeeiigentlich recht klar ist. Lt. Vogt geben sich selbst Betroffene dennoch oft sogar Schuld). Vielleicht gibt es hierzu auch noch ein paar Forenmeinungen .

Mglw. sind manche Dissonanzen auch darauf zurückzuführen, dass "Verantwortung" unterschiedliche Bedeutungsinhalte zugeschrieben werden.
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sadmaso67
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Beitrag Mi., 12.09.2012, 08:01

Beim lesen dachte ich mir -anfangs-; Sowas wird wohl eher die Ausnahme sein (egal von welcher Seite ein Übergriff erfolgt), denan liest so gut nie etwas darüber, daß sich Arzt über Patient hermacht, und/oder umgekehrt.

Unabhängig davon, denke ich, daß zu viele Klienten da etwas hineininterpretieren.
Der/die Thera mag zwar das Seelenleben in-/auswendig kennen, und auch die Schwachpunkte,
aber deswegen bleibt er dennoch mein "Arzt", vlt. mein heimlicher Schwarm, aber nicht Objekt der Begierde (wie hier oft zu lesen ist).

Das der/die dann vlt. auch nur mal Mensch ist, und schwach wird; vlt. sogar Wissen nutzt, okay, das ist menschlich/schlimm,

aber wer ohnedies im Thera/Patienten das Sexobjekt sieht, der ist dort def. falsch,
und sowas gehört nicht tabuisiert, noch weniger ein "Übergriff", in welch Art der immer stattfindet.

Mir ist schon bewußt, daß man als "schwacher" Mensch hingeht (als Klient), sich vlt. nicht zu wehren weiß/oder kann,
aber in so nem Fall gehört derdie Thera nicht auf Menschen losgelassen.
Wenn das Klientenseitig losgeht, ja, schleunigst Therawechsel.

Aber für mich ist sowas so oder so unvorstellbar/undenkbar,
und das jetzt nicht nur auf Theras bezogen,
denn in meinem Verständnis lasse ich viele Menschen in meine "Intimzone" ,
hege soweit Vertrauen; auch dann wenn ich ansonsten keines mehr habe,
daß der/die weiß, was er tut - und nichts anderes macht,
und mich hat -nebstbei erwähnt- mein lebtag noch kein Arzt, kein Frisör, keine Sprechstundenhilfe auch nur irgendwie "angemacht", oder hätte mich "interessiert",
auch beste Freunde/Freundinen - die mir vlt. noch näher stehen; die noch eher die Situation nutzen hätten können-

Sowas kenne ich nicht.
Das Krux aber bleibt: Die Beweissicherung,
repektive, daß die nicht das Gegenteil ausgelegt wird (es war ja alles freiwillig)
Das hat man aber als Opfer meistens - leider
Ein Freund ist jemand, der Dein Lächeln sieht, und dennoch erkennt, dass Deine Seele weint...


leberblümchen
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Beitrag Mi., 12.09.2012, 08:03

Kaja, ich denke auch, dass es sich da um zwei verschiedene Probleme handelt, die mehr oder weniger zufällig dasselbe Thema haben. Ein Übergriff eines Patienten ist etwas anderes als ein Übergriff eines Therapeuten.

Natürlich darf ein Patient nicht das Mobiliar zerstören oder die Therapeutin vergewaltigen. Ich denke, darüber muss gar nicht diskutiert werden. Meinst du, dass das irgendwie strittig wäre?

Nur muss ein Therapeut, wenn er schon kein ausgebildeter Kampfsportler ist , halt mental in der Lage sein, den Verführungsversuchen zu widerstehen oder auch 'aufgeladene' Situationen zu erkennen, in denen die Patienten mehr oder weniger subtil mit Gewalt drohen. Während man das - also die subtilen Androhungen oder Verführungsversuche seitens des Therapeuten zu erkennen - von einem Patienten überhaupt nicht erwarten kann, da diese mitten in der Therapie wohl davon regelmäßig emotional hoffnungslos überfordert wären.

Ich weiß nicht, wie oft Patienten tatsächlich von ihren Therapeuten vergewaltigt werden. Ich vermute einfach mal, dass das ein sehr kleiner Prozentsatz ist, während ich davon ausgehe, dass sich die überwiegende Mehrzahl aller Missbrauchsfälle so subtil darstellt, dass der Patient am Ende das Gefühl hat: "Ich bin schuld. Ich hab es ja auch so gewollt" oder: "Ich dachte, ich sei für meinen Therapeuten etwas ganz Besonderes".

Und vor diesem Hintergrund kommt mir die Fragestellung: "Was ist mit den Therapeuten, die zu Opfern werden?" irgendwie bestenfalls theoretisch interessant, praktisch aber eher naiv vor.

Ich sehe es - glaube ich - wie stern: Wenn der Patient in den Stunden nackt auf dem Tisch tanzt, dann sehe ich das Problem da eher nicht, dass der arme Therapeut das Opfer ist, sondern da würde man sich doch in diesem Kontext fragen: "Warum macht der Patient das?" Denn es geht in einer Therapie nun mal regelmäßig um den Patienten und nicht um den Therapeuten. Wenn der damit nicht klarkommt, dann muss er - und das wäre sicher nicht die schlechteste Alternative - den Patienten notfalls an einen Kollegen überweisen.
Zuletzt geändert von leberblümchen am Mi., 12.09.2012, 08:06, insgesamt 1-mal geändert.


leberblümchen
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Beitrag Mi., 12.09.2012, 08:05

sadmaso: Die Beweislage ist eben in diesem Fall eindeutig. Ob vom Patienten gewollt oder nicht. Mir scheint irgendwie, dass das noch nicht so verinnerlicht wurde bei vielen Menschen.

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hope_81
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Beitrag Mi., 12.09.2012, 11:29

Ich denke es ist auch ein wenig in den Köpfen, dass die Parteien beide "Erwachsen" sind und somit für ihr Tun und Handeln eigenverantwortlich. Dem ist jedoch nicht so. Die therapeutische Beziehung ist nun einmal asymmetrisch. Ob es sich um Übertragung, tätsachliche Liebe oder was auch immer handelt, ist der Klient nich als "gleichberechtigt", sondern als Schutzbefohlener zu betrachten.
Ich vergleiche das immer ein wenig mit einem Erzieher, der kann auch nicht hergehen und einem Kind/ Jugendlichen eine Knallen nur weil dieser provoziert oder in irgendeiner Form unsittlich berühren, nur weil selbiger aufreizende Kleidung trägt.Selbstdisziplin und hohes Verantwortungsbewusstsein sind die Schlüssel.
Im Gefängnis und überall dort, wo Menschen in irgendeiner Form einer gewissen Abhängigkeit ausgeliefert sind, ist das ein absolutes NO-GO.
Und wie Titus schrieb in der Therapie gehört das WARUM des Klienten geklärt, und in der Supervision das warum des Therapeuten.
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mitsuko
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Beitrag Mi., 12.09.2012, 14:07

stern hat geschrieben:
mitsuko hat geschrieben:Nun, es ist wohl klar, dass der Unterschied darin besteht, dass für den Patienten zum Therapeuten ein Abhängigkeitsverhältnis bestehen kann. Umgekehrt eher nicht.
Sehe ich auch so. Bzw. auch die Asymmetrie der Beziehung schafft ein Gefälle. Auch das "umkehrt eher nicht" teile ich. Insbes. das "eher". Denn ich mag auch nicht ausschließen, dass es auch Therapeuten geben kann, die in unguter Weise mit dem Patienten verstrickt sind. Nur einen Unterschiede sehe ich z.B. darin, wie hopleless formulierte, dass der Therapeut z.B. Supervision nehmen kann, geschult wird, usw.
Wo ich drüber nachdenke, steht das für mich nicht auf der gleichen Stufe.
Sicher, jeder kann zu anderen Menschen, sei es Partner, Patient, Sekretärin oder weiß der Geier, in eine Art emotionale Abhängigkeit geraten. Es ist für mich aber schon nochmal ausschlaggebend (und für den Gesetzgeber ja auch), ob diese Abhängigkeit, oder nennen wir es Machtgefälle, durch das Wesen der Beziehung selbst bereits institutionalisiert ist. Das trifft in der Beziehung Patient/ Therapeut nur in die eine Richtung zu, ähnlich wie bei Lehrer/Schüler, Professor/Student, Ausbilder/Auszubildender. In all den Fällen ist der eine dem anderen bereits durch die Funktion, die beide in der Beziehung einnehmen, in gewissem Maße ausgeliefert. Während für den einen von dem Gelingen der Beziehung sehr vieles abhängt, ist es für den anderen nicht so. Im Falle Patient/ Therapeut kommt hinzu, dass der Patient in sehr vielen Fällen naturgemäß psychisch labil und damit leichter zu manipulieren ist als ein Mensch mit einer stabilen Psyche.
Zudem gibt es Krankheitsbilder, in denen Patienten es geardezu forcieren missbraucht zu werden, etwa um einen früheren Missbrauch zu reinszenieren oder weil sie der Überzeugung anheim fallen, überhaupt nur wegen ihres Körpers für andere attraktiv sein zu können, was bedeutet, dass sie sich ansonsten für wertlos halten. In diesen Fällen ist es für die Betreffenden therapeutisch gesehen doch eine Katastrophe, wenn das ausgenutzt wird.

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sadmaso67
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Beitrag Mi., 12.09.2012, 16:13

titus2 hat geschrieben:sadmaso: Die Beweislage ist eben in diesem Fall eindeutig. ....
Soweit richtig,

das Thema betrifft aber in Folge verschiedenste Situationen;
daher die Aussage, daß das (im Einzelfall) oft a Krux bzw. ein Spießroutenlauf ist.
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Beitrag Mi., 12.09.2012, 18:06

Ich ziehe das aus einem anderen Thread mal hier: Stichwort: Meldung an die Psychotherapeuten- bzw. Ärztekammer:
Auch das muss man wissen: dass es dabei dann halt ausschließlich um das 'Verhältnis' des Arztes zu seiner Kammer geht. Ist auch ein komisches Gefühl, wenn man als Patient nicht weiß, was am Ende dabei rausgekommen ist.
Ja, so ist das in D, dass man dann nach Prüfung der Kammer keine Möglichkeit hat, zu ersehen, was nun dabei herausgekommen ist. Bestenfalls wenn plötzlich ein Arzt oder Thera von der Bildfläche verschwinden sollte.

In der Schweiz ist im Gespräch, die ärztliche Standesordnung zu ändern, um Patientenrechte noch etwas zu erweitern (dass sexuelle Annäherung an Patienten durch Ärzte verboten ist, ist natürlich bereits vorgesehen). Z.B. u.a. dahingehend dass Patienten Akteneinsicht haben könnten, was das Prüfverfahren angeht. DANN könnte man als Betroffener ersehen, ob und welche Maßnahmen es gab. Und ferner wird überlegt, dass die Betroffenen als eigene Partei anerkannt werden, um im Verfahren mehr Mitsprache zu erhalten. Letzteres fände ich auch gut, denn vielleicht will ein Patient ja gar nicht, dass ein best. Weg bestritten wird.

Hätte eigentlich schon darüber befunden werden solle, wurde aber nochmals vertagt.
Liebe Grüße
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Beitrag Mi., 12.09.2012, 18:20

sadmaso67 hat geschrieben:Beim lesen dachte ich mir -anfangs-; Sowas wird wohl eher die Ausnahme sein (egal von welcher Seite ein Übergriff erfolgt), denan liest so gut nie etwas darüber, daß sich Arzt über Patient hermacht, und/oder umgekehrt.
Zahlen schwanken... was wohl zum einen auf eine gewisse Dunkelziffer zurückzuführen sein dürfte. Als auch darauf, dass man schauen muss, was überhaupt erfasst wurde. Also unethisches ärztliches oder psychotherapeutisches Verhalten fängt ja nicht erst beim sexuellen Übergriff an. Aber um seltene Raritäten scheint es sich wohl nicht zu handeln. Was sexuelle Übergriffe angeht ist oft von Wiederholung auszugehen (80% schnappte ich mal auf).
Aber für mich ist sowas so oder so unvorstellbar/undenkbar,
ja... geht mir auch so... und daher auch manchmal fast unglaublich, hm. Oder: Inwieweit ist man selbst geneigt, zu glauben, wenn jemand missbräuchliches Verhalten berichtet: Denkt oder sagt man dann: kann nicht sein [weil's nicht sein darf], usw.
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oder wo auch ein Gefälle deutlich werden kann: Ein Patient hat dann vielleicht eine Störung oder Wahrnehmungsverzerrung mehr, usw. Für einen Therapeuten WÄRE es zumindest es ein leichtes.
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Beitrag Mi., 12.09.2012, 18:45

Titus hat geschrieben:Ich weiß nicht, wie oft Patienten tatsächlich von ihren Therapeuten vergewaltigt werden.
Ich auch nicht... aber vielleicht wird Kaja ja noch fündig. Glasklar erscheint mir jedoch: Wenn ein Patient einem Therapeuten körperlich auf die Pelle rückt, sei es durch Handgreiflichkeiten oder Begrapschen, wird natürlich eine Grenze überschritten. Dann gehe ich schwer davon aus, dass diese Grenze ein Thera "normal" auch aufzeigt. Es gibt (allerdings in Abhängigkeit von der Tätlichkeit) einigen Handlungsspielraum, um sich zur Wehr zusetzen.

Asymmetrie gibt es wohl auch in der Hinsicht:
Wenn ein Psychotherapeut sein eigenen "privaten" sexuelle Phantasien auschmückend berichten würde, hmmm. Ein Patient kann darüber berichten (je nach Schwierigkeit bzw. Methode ist das vielleicht sogar teils notwendig). Ich gehe aber davon aus, dass es auch hier Grenzen geben kann, wenn ein Patient seeehr auschmückend wird.

Insofern: Für gedankliches ist in PTen einiger Raum vorhanden (wäre ja auch schlimm, wenn man manche Gefühle oder Gedanken ausschließen müsste). Aber (und das ist keine sonderlich neue Erkenntnis) auch als Patient kann man natürlich nicht alles auszuagieren, was gerade in den Sinn kommt - sondern kann dann mit Konsequenzen rechnen. Das muss noch nichtmal eine sexueller Kontakt mit dem Therapeuten sein: Z.B. typische auch stationäre Therapie: Sexueller Kontakt eines Patienten mit einem Mitpatient - und die Patienten sind die längste Zeit in der Therapie gewesen.
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