Mutter-Tochter-Beziehung - gibt es einen Ausweg?

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cowgirl74
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Mutter-Tochter-Beziehung - gibt es einen Ausweg?

Beitrag Mo., 30.07.2012, 20:17

Hallo,
ich bin über google auf dieses Forum gestoßen und habe schon ein wenig quergelesen. Ich hoffe, dass mir vielleicht die eine oder andere von Euch, die schonmal in einer ähnlichen Situation war, ein paar Ratschläge geben kann, was ich noch tun kann...

Ich bin Jahrgang 1974 und war ein Wunschkind. Habe noch eine jüngere Schwester (geb. 1980). Meine Mutter ist heute 71 Jahre alt. Als ich 11 Jahre alt war, trennten sich meine Eltern, was v.a. für mich sehr schmerzhaft war, weil ich bis dahin ein absolutes Papa-Kind gewesen bin. Mein Vater hat danach noch 2 Jahre lang versucht, den Kontakt zu uns zu halten, aber meine Mutter war so verletzt und enttäuscht (es war eine andere Frau im Spiel), dass sie v.a. mich teilweise sehr heftig instrumentalisiert hat, um meinen Vater zu verletzen. Wenn ich mich mit ihm treffen wollte, waren Sätze wie: "Na klar, geh doch zu deinem Vater, wenn du meinst, dass er es verdient hat!" oder (im Streit) "Du bist genauso egoistisch wie dein erbärmlicher Vater!" an der Tagesordnung. Ich durfte meinen Vater nicht mehr lieben, so wie ich es gerne gewollt hätte, ohne mir den Unmut meiner Mutter zuzuziehen... Nach drei Jahren ist mein Vater dann in die Türkei zurückgegangen (sie waren 1970 zusammen hergekommen, meine Mutter kommt aus der Bildungsschicht und hatte bereits ein abgeschl. Hochschulstudium, als sie nach D kam). Er hat von einem Tag auf den anderen keinen Unterhalt mehr bezahlt und meine Mutter auch mit 50.000 DM Schulden sitzenlassen, für die sie mit gebürgt hatte... Ihr könnt Euch vorstellen, wie meine Mutter danach auf ihn zu sprechen war...

Wenn ich an meine Jugend zurückdenke, spüre ich eigentlich nur diesen Hass und die Enttäuschung, den meine Mutter für meinen Vater von da an empfand. Sie musste wieder arbeiten gehen in einem Beruf, den sie noch nie geliebt hatte (dazu später mehr) und an allem, was uns widerfuhr, war einzig und allein mein Vater schuld. Leider kommt meine Mutter aus einer Generation, wo es "peinlich" ist, eine Therapie zu machen - die hätte sie aber bitter nötig gehabt. Die Trennung ist heute fast 30 Jahre (!!!) her und mein Vater ist noch immer das Feindbild Nummer 1. In ihrer Wut gegen ihn hat sie sich, meine Schwester und mich zu einer Symbiose geformt, aus der ich mich erst nach und nach befreien konnte, als ich mit 20 Jahren auszog. Zum Glück war ich schon recht früh finanziell unabhängig, sodass ich mich räumlich von ihr lösen konnte. Aber auch mein Geldsegen wurde mir zum Verhängnis, weil ihre Forderungen an mich einfach nicht mehr aufhörten - ich musste private Schulden bezahlen, die sie "für uns" gemacht hatte, kaputte Haushaltsgeräte ersetzen, ihre Miete bezuschussen usw. Alles immer mit dem Totschlagargument: "du wärst ohne mich niemals da, wo du jetzt bist" und "das, was ich für dich getan/geopfert habe, wirst du mit Geld sowieso nie ausgleichen können!" Es war teilweise echt der blanke Horror, ich hatte Angst vor jedem Telefonat, weil es nur noch um GELD GELD GELD ging...

Ich hoffe, Ihr versteht mich nicht falsch - meine Mutter hat immer gut für uns gesorgt, und uns alles ermöglicht, so weit es ihre finanziellen Umstände zuliessen. Sie hat sich wirklich regelrecht für uns "aufgeopfert", auch wenn wir sie nie darum gebeten haben. Das, was aber bis heute unausgesprochen zwischen uns beiden steht, ist die Trennung von meinem Vater... wie oft habe ich versucht, mal in Ruhe mit ihr darüber zu reden - es ist immer im Streit und Gekreische geendet. Heute denke ich, dass ich seine Rolle übernehmen musste, als er gegangen ist - mit allem, was dazu gehört: Frustableiter, Versorger, Kummerkasten usw. Ich musste mich schon sehr früh um meine Schwester kümmern, Verantwortung übernehmen, weil sie dazu oft nicht in der Lage war. Sie hat zwar nie getrunken, aber heute bin ich mir sicher, dass sie zeitweise bestimmt stark depressiv gewesen ist. Da es immer ein Tabu war, solche internen Sachen mit Aussenstehenden zu besprechen, habe ich mich erst spät, mit Mitte 20, getraut, mich einer ganz langjährigen Freundin von ihr anzuvertrauen - sie und auch einige andere, die noch die Zeit der Trennung miterlebt hatten, haben mir alle bestätigt, dass meine Mutter das nie wirklich aufgearbeitet und damit viel Leid über unsere "Familie" gebracht hat... Dazu kam meine unendliche Sehnsucht nach meinem Vater, der natürlich sich als völliges Ar....entpuppt hatte, den ich aber trotzdem noch so sehr liebte...

(weiter geht's im nächsten Post - zu viele Wörter...sorry)

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cowgirl74
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Beitrag Mo., 30.07.2012, 20:29

weiter geht's:

Vor ca. 8 Jahren eskalierte unsere Situation, als mein Opa starb und meine Mutter eine Immobilie von ihm in der Türkei erbte. Da ging es wieder los mit Forderungen nach finanzieller Unterstützung, obwohl ich da längst nicht mehr so gut verdiente. Ich wurde in die Türkei "zitiert", um ihr zu helfen, dort vor den Verwandten runtergemacht ("Mann, du bist aber ganz schön fett geworden" - Kurz: Ich fühle mich jedes Mal in ihrer Anwesenheit wie 12... Als sie mich dann auch noch vor einem Anwalt total niedermachte, obwohl ich ihr eigentlich helfen sollte, schrieb ich ihr einen Brief: All die Verletzungen der letzten Jahre, das leidige Thema Geld, dass es nie möglich ist, auch mal ein unbeschwertes Telefonat zu führen usw. Ich schrieb ihr auch, dass ich sie liebe und mir nichts mehr wünsche, als dass es wieder gut wird zwischen uns - aber ich brach den Kontakt vorläufig ab, weil es mir einfach immer schlechter ging mit ihr...

Von ihr kam KEINE Reaktion, sie hielt sich an das Kontaktverbot. Kurz darauf wurde ich schwanger, und alle sagten: "Warte ab, wenn der Enkel erstmal da ist, dann ist alles vergessen und es ist alles wieder schön!" Sie wollte meinen Sohn zwar sehen, aber sie hielt ihn im Arm wie ein Stück Holz. Er ist heute fast 5 und hat sie in der ganzen Zeit vielleicht 10x gesehen. Zu Festtagen kommt sie, bringt große Geschenke mit - und meldet sich dann wieder monatelang nicht. Von Unterstützung ganz zu schweigen. Große Versöhnung dann letztes zu ihrem 70. Geburtstag - 2 Wochen vor der Geburt meiner Tochter. Wir einigten uns, dass wir alles vergessen und bei 0 anfangen, worüber ich mich sehr gefreut habe. Nach der Geburt meiner Tochter liess sie sich noch 2x blicken - das war's. Dann wieder an Weihnachten und zum ersten Geburtstag. All meine Bemühungen um ein Treffen wurden entweder immer wieder verschoben oder ganz abgesagt. Dazwischen erzählt meine Schwester immer nur, wie oft sie nach ihren Enkeln fragt....

gestern das erste Wiedersehen seit dem Geburtstag der Kleinen vor 5 (!) Monaten. Ich bitte sie schon lange darum, mir meine Kinderalben mal ausleihen zu dürfen, weil mein Sohn mich so oft nach meiner Kindheit fragt und ich ihm gerne die Bilder zeigen möchte. Die brachte sie mir nun vorbei, aber nicht ohne zu sagen: "Seitdem ich dich in natura verloren habe, sind die Bilder deiner Kindheit das einzige, was mir geblieben ist..."

Meine Mutter ist für mich wie ein Buch mit sieben Siegeln. Wir haben so oft gesagt, wir fangen von vorne an - und dann immer wieder sowas? Ich habe bereits eine Therapie hinter mir und schaffe es immer noch nicht, zu begreifen, dass sie einfach nicht mehr die Frau ist, die sie VOR der Trennung meiner Eltern war - liebevoll, verständnisvoll,zärtlich... All das ist wie verborgen in der hintersten Kammer ihres Herzens. Sie ist einfach nur verhärmt und verbittert. Es tut mir natürlich weh, dass sie mich nicht zu vermissen scheint - aber selbst meine Kinder sind ihr einfach egal... Ich weiss nicht, warum sie meiner Schwester immer erzählt, sie würde uns ja so sehr vermissen - ich SPÜRE es einfach nicht!!! Wenn mein Sohn nach 5 Monaten ihr nicht sofort um den Hals fällt und ihr ein Küsschen gibt, ist sie sofft beleidigt und zeigt ihm das auch. Muss man sich da wundern, wenn sich das Kind abwendet? Wie hat diese Frau mich eigentlich großgezogen, wenn sie so herzlos zu sein scheint?

Trotzdem macht sie dann Fotos von meinen Kindern. Wofür all die Bilder, wenn sie sich doch sonst überhaupt nicht für sie und ihre Entwicklung interessiert? Langsam möchte ich sie auch an den Festtagen nicht mehr hier haben - das ist total verlogen. Schade für meine Schwester, die immer zwischen uns steht, aber das ist dann eben so. Sie versteht mich auch nicht, da ihre Beziehung zu meiner Mutter nicht belastet ist durch die Trennung, da sie damals noch sehr klein war und meinen Vater kaum kannte.

Mein Mann ist knallhart - ich soll den Kontakt endgültig abbrechen - aber ich hoffe immer noch auf eine Wende. Sie ist schon 71 - sie hat doch nur noch ein paar Jahre, warum geniessen wir sie nicht gemeinsam?

Das perfide ist, dass sie selber so ein gestörtes Verhältnis zu ihrem Vater hatte und mir nach seinem Tod vor 7 Jahren erzählte, dass sie an seinem Grab nicht mal um ihn weinen konnte, weil sie so voller Wut auf ihn war. Auch sie schrieb ihm unzählige Briefe, die er nie beantwortet hat. Wenn sie also das gleiche durchlebt hat - warum lässt sie zu, dass es bei uns genau so läuft?

Ich will ihr noch so viel sagen, dass ich sie trotz allem liebe und dankbar bin - aber sie auch einfach nicht mehr verstehe. Vielleicht schreibe ich das alles einmal auf und schicke es ihr, dann wäre ich mit mir im Reinen, wenn sie morgen sterben sollte...

Es tut mir leid, dass es so lang geworden ist - ich bin für jeden Rat dankbar, was ich noch tun könnte, damit es sich vielleicht doch noch zum Guten wendet zwischen uns...

Liebe Grüße. Jasmin

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Innere_Freiheit
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Beitrag Mo., 30.07.2012, 22:22

Besonders was du am Schluss schriebst, hat mich berührt.
Wir wissen es nicht, aber vielleicht hat deine Mutter ja die ganze Wut, die sie auf ihren Vater hatte, auf ihren Mann übertragen, so dass diesem garnichts weiter übrigblieb, als zu gehen?
Und dann übertrug sie ihre Wut auf dich, als sein Kind.


Doch egal ob dies stimmt oder nicht, ich finde, du beschreibst sehr differenziert, was da gelaufen ist.... du scheinst es also gut erkannt zu haben.

Ich glaube, die Frage nach dem Warum ist garnicht so wichtig.
Das was du hier schreibst ist der ganz normale Wahnsinn menschlichen Sein.
Und jeder Mensch bewegt sich auf die eine oder andere Art und Weise darin.

Es geht also nicht darum, nach dem Warum zu fragen, sondern danach, wie du mit dieser Realität umgehen willst.
Manchmal ist es gut, zu dem was sowieso schon ist "Ja" zu sagen. Dann kommt man in 'Inneren Frieden'

L.G. Innere Freiheit

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Wandelröschen
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Beitrag Mo., 30.07.2012, 23:39

Hallo Cowgirl74,

deine Geschichte hat mich sehr berührt, gerade auch, da ich durch eigene Erfahrungen sehr vieles nachvollziehen kann/selber erlebt habe. Das Kapitel Mutter ist bei mir auch noch eine seeehhr große Baustelle, nur mal ganz kurz angerissen in der Therapie, gibt halt leider noch brennenderes. Insofern kann und will ich dir auch nichts raten. Aber ich kann dir vielleicht meine Sicht der Dinge sagen.

Für mich gilt/ein Motto ist:
Ich weiß nicht, ob sich eine für mich belastende Situation bessert, wenn sie sich ändert, aber ich weiß, dass sie sich ändern muss, um überhaupt besser werden zu können.

Daraus folgt für mich: es muss eine Änderung herbeigeführt werden. Welche Möglichkeiten gibt es bei Konflikten mit anderen Personen? Ich sehe prinzipiell drei:
1. Die äußeren Rahmenbedingungen ändern sich
2. Die andere Person ändert sich
3. Man selber ändert sich

Zu 1. Das wäre zum Beispiel, wenn deine Mutter schlagartig stürbe. Hast du darauf Einfluss? (mal abgesehen vom Nachhelfen mit Arsen oder Ähnlichem ) – Nein
Zu 2. Wie groß sind da deine Einflussmöglichkeiten? Ist deine Mutter einsichtig in ihrem Anteil an deinem Leid, so dass sie durch z.B. eine Therapie ihrerseits eine Besserung deiner Beziehung zu ihr herbeiführen kann/will? Eher wohl nicht, hast ja schon was in diese Richtung probiert, also scheidet Möglichkeit zwei auch aus.
Zu 3. Da gibt es Handlungsmöglichkeiten. Teilweise hast du schon gehandelt, z.B. durch teilweisen Kontaktabbruch. Das reicht aber noch nicht, um dich zu schützen. Und du bist nur für dich und deine jetzige Familie/Kinder verantwortlich, nicht für deine Mutter (sie ist erwachsen und für sich selbst verantwortlich) . Also müssen weitere Maßnahmen her, vielleicht doch der totale Kontaktabbruch zu deiner Mutter.

Das wäre ja so einfach (ich stehe nämlich auch an diesem Punkt), wäre da nicht irgendwie dieser große moralischer Druck in mir, gegen den ich mich noch wehre, du wahrscheinlich auch : Aber sie ist doch meine Mutter, das tut man doch nicht, sie war aber doch auch gut, ich lieb sie doch (gut, dieser Punkt fällt bei mir weg), was wird der Rest der Verwandtschaft sagen/tun, wenn ich das mache, …
Alles so unsäglich schwer, der Kopf sagt schon Kontaktabbruch. Aber dann schleicht sich gleich die Angst vor dem Unbekannten ein , was wird dann, kann ich damit umgehen? Wird es dann besser?

War wahrscheinlich nicht so hilfreich meine Gedanken, aber ich kann deine sehr besch-issene Lage sehr gut nachempfinden.
Gruß
Wandelröschen

Wann, wenn nicht jetzt. Wo, wenn nicht hier. Wer, wenn nicht ich.

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cowgirl74
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Beitrag Di., 31.07.2012, 12:27

Hallo "Innere Freiheit",
Innere_Freiheit hat geschrieben: Besonders was du am Schluss schriebst, hat mich berührt.
Wir wissen es nicht, aber vielleicht hat deine Mutter ja die ganze Wut, die sie auf ihren Vater hatte, auf ihren Mann übertragen, so dass diesem garnichts weiter übrigblieb, als zu gehen?
Und dann übertrug sie ihre Wut auf dich, als sein Kind.
Da könnte was dran sein, so ähnlich hatte es auch meine Therapeutin interpretiert...
Innere_Freiheit hat geschrieben:Doch egal ob dies stimmt oder nicht, ich finde, du beschreibst sehr differenziert, was da gelaufen ist.... du scheinst es also gut erkannt zu haben.
Das stimmt, ich habe das Ganze ja schon mehrmals mit Freunden, aber eben auch innerhalb meiner Therapie durchanalysiert - aber auch wenn man das Ganze gut differenzieren kann, heißt es ja nicht, dass es nicht trotzdem wehtut... Ich wünsche mir seit Jahren nichts sehnlicher, als einen Weg zu finden, damit umzugehen. Mit ihren Sticheleien und Abwertungen, die mich wirklich zutiefst verletzen. Viele sagen (auch meine Schwester!): "Aber du kennst sie doch! Sie meint es nicht so. Hör doch einfach drüber hinweg!" Aber das kann ich einfach nicht. Ich könnte jedes Mal vor Wut losheulen, wenn sie wieder anfängt, mich zu kritisieren. Ich fühle mich dann so ungeliebt und frage mich, ob das schon immer so war?
Innere_Freiheit hat geschrieben:Manchmal ist es gut, zu dem was sowieso schon ist "Ja" zu sagen. Dann kommt man in 'Inneren Frieden'
Wenn das so einfach wäre... Du meinst ja den Kontaktabbruch, oder? Oder meinst du, es einfach so weiterlaufen zu lassen wie bisher?

Danke schonmal für deine Worte!

LG, Jasmin

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cowgirl74
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Beitrag Di., 31.07.2012, 19:06

Hallo Wandelröschen,

vielen Dank schonmal für deine mitfühlenden, verständnisvollen Worte. Es tut schon mal gut zu wissen, dass es auch ander Töchter gibt, die ähnliche Probleme mit ihrer Mutter haben. Auch wenn es das nicht besser macht, aber in meinem Umfeld werde ich eigentlich nur verständnislos bis bemitleidend angeschaut, wenn ich davon erzähle, dass meine Mutter in meinem und dem Leben ihrer Enkel keine große Rolle spielen möchte.
Wandelröschen hat geschrieben: Zu 2. Wie groß sind da deine Einflussmöglichkeiten? Ist deine Mutter einsichtig in ihrem Anteil an deinem Leid, so dass sie durch z.B. eine Therapie ihrerseits eine Besserung deiner Beziehung zu ihr herbeiführen kann/will? Eher wohl nicht, hast ja schon was in diese Richtung probiert, also scheidet Möglichkeit zwei auch aus.
Ich habe schon oft überlegt, vielleicht mal eine Familientherapie für uns drei (meine Mutter, meine Schwester und mich) anzuregen. Als letzte Chance, alles aufzuarbeiten, und zwar gemeinsam. Ich habe keine Ahnung, wie der Vorschlag ankommen wird, aber mittlerweile habe ich doch eh nichts mehr zu verlieren - meinen offenen Brief von vor einigen Jahren hat meine Mutter mir ja sehr übel genommen und trägt ihn mir bis heute nach - schlimmer kann's also kaum noch werden.

Ich finde ja sowieso, dass meine Schwester da auch eine wichtige Rolle spielt. Man müsste diese Therapie also unbedingt zu dritt machen, denke ich. Sie ist zwar immer der Meinung, meine Mutter und ich müssten uns einfach nur mal "aussprechen" - aber dafür ist das Ganze einfach viel zu verfahren und verkrustet, denke ich.
Wandelröschen hat geschrieben: Zu 3. Da gibt es Handlungsmöglichkeiten. Teilweise hast du schon gehandelt, z.B. durch teilweisen Kontaktabbruch. Das reicht aber noch nicht, um dich zu schützen. Und du bist nur für dich und deine jetzige Familie/Kinder verantwortlich, nicht für deine Mutter (sie ist erwachsen und für sich selbst verantwortlich) . Also müssen weitere Maßnahmen her, vielleicht doch der totale Kontaktabbruch zu deiner Mutter.
Das wäre ja so einfach (ich stehe nämlich auch an diesem Punkt), wäre da nicht irgendwie dieser große moralischer Druck in mir, gegen den ich mich noch wehre, du wahrscheinlich auch : Aber sie ist doch meine Mutter, das tut man doch nicht, sie war aber doch auch gut, ich lieb sie doch (gut, dieser Punkt fällt bei mir weg), was wird der Rest der Verwandtschaft sagen/tun, wenn ich das mache, …
Alles so unsäglich schwer, der Kopf sagt schon Kontaktabbruch. Aber dann schleicht sich gleich die Angst vor dem Unbekannten ein , was wird dann, kann ich damit umgehen? Wird es dann besser?
Bei mir ist es neben dem moralischen Druck aber eben auch diese Angst, auch noch meinen zweiten Elternteil zu verlieren... Meinen Vater habe ich schon verloren, als ich 11 Jahre alt war - seitdem tue ich mich in meinem ganzen Leben schwer mit Abschieden von Menschen, die mir ans Herz gewachsen sind.... kann es immer nicht begreifen, wenn Ex-Freunde heute nichts mehr mit mir zu tun haben wollen, obwohl ich mich "anständig" verabschiedet habe...
Wandelröschen hat geschrieben:War wahrscheinlich nicht so hilfreich meine Gedanken, aber ich kann deine sehr besch-issene Lage sehr gut nachempfinden. :Trost:
Jeder Gedanke ist eine Anregung, für die ich dankbar bin! Und ein großer Trost. Ich danke dir dafür

LG, Jasmin

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Innere_Freiheit
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Beitrag Mi., 01.08.2012, 22:02

cowgirl74 hat geschrieben:Wenn das so einfach wäre... Du meinst ja den Kontaktabbruch, oder? Oder meinst du, es einfach so weiterlaufen zu lassen wie bisher?
Das weiß ich nicht.

Meiner Ansicht nach ist es wichtig, mit dem was sich nicht ändern lässt in Inneren Frieden zu kommen.
Im zweiten Schritt kann man dann schauen, wie man damit umgehen mag.

L.G. Innere Freiheit
Das was ich ablehne, bleibt an mir kleben!

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cowgirl74
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Beitrag Mi., 01.08.2012, 22:30

Innere_Freiheit hat geschrieben:
cowgirl74 hat geschrieben:Wenn das so einfach wäre... Du meinst ja den Kontaktabbruch, oder? Oder meinst du, es einfach so weiterlaufen zu lassen wie bisher?
Das weiß ich nicht.

Meiner Ansicht nach ist es wichtig, mit dem was sich nicht ändern lässt in Inneren Frieden zu kommen.
Im zweiten Schritt kann man dann schauen, wie man damit umgehen mag.
...ach so, jetzt hab ich Dich verstanden! Der erste Schritt ist die wohl schwerste Aufgabe, denke ich...

Danke Dir
Jasmin


Themis
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Beitrag Do., 02.08.2012, 05:50

Hallo Cowgirl!

Deine Mutter scheint noch immer sehr zu leiden. Vielleicht erinnerst du sie so sehr an ihr Unglück mit ihrem Mann, du warst ja damals ihre Bezugsperson. Sie hat ihre Weichheit, die du erlebt und so wunderbar beschrieben hast, tief vergraben, vielleicht weil sie sie nicht mehr erträgt - weil vielleicht der Schmerz, den sie erlitten hat, so unerträglich ist, und nur gut versteckt und hinter der Fassade von Härte sie leben lässt. Vielleicht würde durch ein Öffnen dir gegenüber, das Zulassen ihrer früheren Gefühle, der Schmerz überwältigend, weil wieder frei.

So wie du es beschreibst glaube ich schon, dass sie Sehnsucht nach dir und ihren Enkeln hat. Sie lässt diese aber nicht zu und verbarrikadiert sich hinter Härte.

Die eigene geliebte Familie, das Vertrauen in den Partner zu verlieren, kann sich anfühlen wie sterben. Damit weiterleben verlangt so unendlich viel, deine Mutter hat einen für dich sehr schmerzhaften Weg gewählt.

Ich würde den Kontakt nicht abbrechen. Deine Kinder verlieren dadurch ihre Oma. Sie haben ja nicht das erlebt, was du erlebt hast.

Vielleicht kannst du ihr zeigen, dass du sie liebst, auch wenn sie es nicht mehr kann.
Ich bin nicht meine Geschichte

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Una
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weiblich/female, 49
Beiträge: 1193

Beitrag Do., 02.08.2012, 08:36

Hallo Cowgirl74,

Deine Geschichte kenne ich ganz gut. Auch meine Mutter wurde von ihrem Mann verlassen und hat das bis heute nicht verwunden.
Sie ist jetzt 72. Auch mir wurde die Rolle des Vaters auferlegt, von meinem Vater sowie von meiner Mutter.
Ich kann Dich sehr gut verstehen.

Auch meine Mutter bombardierte mich mit Sprüchen wie: "Du bist schon wie Dein Vater" und "Leb Du erst mal Dein Leben runter, dann wirst Du schon sehen!" (Wenn ich nachfragte ob sie wirklich nichts mitbekam, wenn er sie betrog- was er sehr intensiv über Jahre tat).
Auch meine Mutter gehört in eine Therapie, aber auch sie schafft es nicht, weil sie das als Eingeständnis der Unzulänglichkeit empfindet,
was sie nie konnte. Sie war absolut Kritikresistent. Nur mein Vater war der Böse, sie war das Opfer. Punkt.

Bis heute zieht sie sich sofort beleidigt zurück, wenn man auch nur mal nachfragt (egal bei was) ob sie an einer Situation auch einen Anteil hat. "Ich weiß ja dass ich nichts richtig machen kann" und dann wird der Hörer aufgeschmissen oder das Haus mit gerümpfter Nase verlassen.

Ich konnte nie etwas richtig machen und bekam nie ein freundliches Wort von ihr, im Gegenteil, sie fing an mich zu schlagen als mein Vater entgültig weg war, ich war ja schuld dass sie damals schwanger mit mir wurde und deshalb überhaupt diesen Mann geheiratet hat.
Mein Vater ist Pädagoge und Schlagen war bis dahin ein Tabu.

Aber er wollte auch nichts davon wissen, wie es ablief als er dann weg war. Er ging zwar nicht ins Ausland,
aber er hatte eindeutig nicht nur die Ehefrau verlassen, sondern auch mich. Der Kontakt bestand ab Auszug hauptsächlich aus Postkarten aus verschiedenen Urlaubsorten. Er hatte kein Interesse an mir und kümmerte sich auch nicht was ich beruflich werde ect....
nur wenn er mal wieder eine neue Freundin hatte die ihn nach Kindern fragte stellte er mich vor, um sein Image aufzupolieren.
Als Pädagoge einer neuen Freundin zu sagen: "Ja ich habe eine Tochter, aber die ist mir inzwischen egal", wäre ja auch peinlich. Aber es wäre die Wahrheit gewesen. Auch mit ihm gab es einen Kontaktabbruch von 7 Jahren, weil auch ihm war nie etwas gut genug was ich tat.
Heute haben wir wieder Kontakt, aber wenn, dann interessiert ihn mehr mein Mann als ich.

Meine Mutter hat von mir ebenfalls verlangt, dass ich meinen Vater als ewigen Feind zu betrachten habe, ihr als Ersatz dienen soll, auf mein Leben verzichten soll. (An Silvester nicht mit Freunden feiern, sondern bei ihr hocken und ähnliches)
Als ich mit 19 Jahren daheim auszog brach sie den Kontakt zu mir beleidigt ganz ab.
Ich habe sie 5 Jahre später zufällig auf der Straße gesehen, da wollte sie mir unbemerkt ausweichen.
Ich habe sie aber angesprochen und dann sprach sie mit mir, als ob ich eine unliebsame Kollegin aus längst vergangener Zeit wäre.

Seit damals haben wir wieder Kontakt. Aber da sie immer das Opfer war, war sie auch mein Opfer und konnte für unsere schlechte Beziehung gar nichts, denn daran war nur ich schuld. Ich war also immer in einer Bringschuld ihr gegenüber, was bedeutete dass ich mich um sie zu kümmern und sie zu bedienen habe, als ob sie ein verletztes Rehlein wäre. Mein Mann hat das unterbunden als er das mitbekam,
mir war das gar nicht bewußt. Aber bis heute ruft sie mich so gut wie nie an, erwartet aber das ich sie anrufe. Ist beleidigt und macht Vorwürfe, wenn es zu lange her ist.

Und bis heute hasst sie Männer und redet von "meinem" wenn es um den Exehemann geht. Nachdem sie schon 20 Jahre getrennt waren,
folgte endlich die Scheidung. Also völlig desolat. Der meistgehasste Mann ist zugleich immer noch "ihrer". Sie hat dann noch eine 11 Jahre lange Beziehung zu einem verheirateten Mann gehabt, welche im Desaster endete als seine Ehefrau davon erfuhr.

Als meine Mutter an einem meiner letzten Geburtstage damit vor meinen Gästen angab,
dass ich ihr nie eine Konfronation mit meinem Vater antun würde, gab ich ihr Contra.
Das es schön wäre, wenn es an meinem über 40igsten Geburtstag nicht das Hauptthema wäre, ob ich meinen Vater einladen würde oder sie, denn leicht wäre das für mich noch nie gewesen, immer eine Wahl treffen zu müssen. An meiner Hochzeit genauso wie an den anderen Feiertagen. Immer wäre ich einem Teil gegenüber schuldig, weil ich den anderen Teil "bevorzuge".

Ich bin inzwischen soweit, dass ich an meinem Geburtstag und an Weihnachten keine Zeit habe für Vater oder Mutter.
Als meine Mutter mitbekam, dass ich mit meinem Vater wieder mehr Kontakt habe, geiferte sie regelrecht los," was dieser Mann je für mich getan hätte?"

Ich habe keine Kinder bekommen, weil das Thema Familie bei mir Würgereiz auslöst und ich aufgrund des miterlebten und selbst erlebten Leides
keinen Grund finde eine Familie zu gründen. Ich hätte Panik davor, ebenfalls als Alleinerziehende zu enden und meine Mutter erzählt mir bis heute was für ein Horror meine Geburt für sie, körperlich und seelisch, gewesen ist.

Ich möchte auch keine Kinder, weil dies ein Grund für mehr Kontakt mit meiner Mutter wäre und ich bis heute darum kämpfe dass sie endlich nicht mehr auf mir drauf hockt mit der Erwartung umsorgt und verwöhnt zu werden wie eine Königin.
Und ich möchte auch nicht erleben, wie meinem Vater mal wieder völlig egal ist ob ich Kinder habe oder nicht.
Ich das ganze Trauerspiel also wieder von vorne erleben muß.

Was ich daraus gelernt habe:
Man kann die in dieser Haltung alt gewordenen Mütter nicht mehr umändern, es sein denn sie wollten es selbst.
Das sehe ich bei Deiner Mutter aber genauso wenig wie bei meiner Mutter.
Auch ich habe Therapie gemacht, werde aber nie meine Mutter dazu bekommen eine zu machen.

Bei Deiner Mutter sehe ich das als aussichtsloses Unterfangen an, sie zu einer Therapie zu bewegen.
Selbst wenn sie hinginge, sie kann doch gar niemandem mehr vertrauen! Nicht mal ihrer eigenen Tochter.
Wie sollte sie das schaffen. dazu noch mit über 70 Jahren?

Ich denke Du mußt Dich von dem Traum, durch Deine Kinder und durch eine neue Generation eure Familie zu heilen, verabschieden.
cowgirl74 hat geschrieben:werde ich eigentlich nur verständnislos bis bemitleidend angeschaut, wenn ich davon erzähle, dass meine Mutter in meinem und dem Leben ihrer Enkel keine große Rolle spielen möchte.
Es ist ungewöhnlich, aber so ist es nun mal.

Deine Mutter kann eventuell wie ich das Thema Familie nach allem was gewesen ist nicht gut vertragen. Es erinnert zu sehr an vergangenes Leid. Bis zu dem, dass nicht geklärt ist, ob Deine Mutter schon von der eigenen Herkunftsgeschichte so vorbelastet ist, dass unglückliche Verstrickungen in ihrer Seele einen Anteil am Ende der Ehe mit Deinem Vater hatten.
cowgirl74 hat geschrieben:und mir nach seinem Tod vor 7 Jahren erzählte, dass sie an seinem Grab nicht mal um ihn weinen konnte, weil sie so voller Wut auf ihn war. Auch sie schrieb ihm unzählige Briefe, die er nie beantwortet hat. Wenn sie also das gleiche durchlebt hat - warum lässt sie zu, dass es bei uns genau so läuft?
Sie wird ein schwer mangelhaftes Selbstwertgefühl haben und wie meine Mutter ihre Anteile am Gelingen einer zwischenmenschlichen Beziehung einfach ausblenden. Sie verhält sich arrogant, aber aus tiefster Unsicherheit.
Also selbst wenn sie Sehnsucht nach euch hätte, geht sie nicht zu euch, weil sie nicht glauben kann, dass es jemanden gibt, der den Kontakt zu ihr wünscht. Siehe Vater und Ehemann.
Das perfide ist, dass sie aufgrund von ihrer Unreflektiertheit gar nicht merkt, dass sie genauso handelt wie sie es als Mißhandlung erlebt hat.
Das ist wie die Erwachsenen die als Kind geschlagen wurden und darunter litten, aber es dann selbst wieder so machen.
Sie hat ja nie darüber reflektiert. Sie hat sich als Opfer des Vaters erlebt, als Opfer des Ehemannes, aber nie als anteilig mitverantwortlich.
Beim Vater war sie das auch nicht, aber später schon.

Warum gehst Du nicht mehr zu ihr wenn Du den Wunsch hast mehr Kontakt mit den Enkeln herzustellen?
Du kannst Deine Mutter nicht therapieren indem Du sie zu einem Therapeut einlädst, damit bestätigst Du wieder,
dass sie unzulänglich ist. Ich habe es ausführlich versucht und bin gescheitert.
Eher mit Handlungen, mit auf sie zugehen.
Lebst sie denn weit weg von Dir? Wenn ja, könnte ja auch das Finanzielle eine Rolle spielen, wenn sie nicht so häufig zu euch kommt.
Das Alter und die Entfernung. Unterschätze das nicht.
Was meinst Du?
Leben heißt, langsam geboren zu werden. Es wäre auch zu bequem, wenn man sich fertige Seelen besorgen könnte.“

Antoine de Saint-Exupéry (1900-44).

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cowgirl74
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Beitrag Fr., 03.08.2012, 19:33

Hallo Themis,
vielen Dank für deinen einfühlsamen Beitrag!
Themis hat geschrieben:
Vielleicht erinnerst du sie so sehr an ihr Unglück mit ihrem Mann, du warst ja damals ihre Bezugsperson. Sie hat ihre Weichheit, die du erlebt und so wunderbar beschrieben hast, tief vergraben, vielleicht weil sie sie nicht mehr erträgt - weil vielleicht der Schmerz, den sie erlitten hat, so unerträglich ist, und nur gut versteckt und hinter der Fassade von Härte sie leben lässt. Vielleicht würde durch ein Öffnen dir gegenüber, das Zulassen ihrer früheren Gefühle, der Schmerz überwältigend, weil wieder frei.
Du hast so Recht mit Deiner Einschätzung und doch tut es so verdammt weh, sich das einzugestehen... Ich glaube, dass es tatsächlich so ist, wie du es beschreibst. Tief im Innern weiß ich ja auch, dass sie mich und meine Kinder liebt, nur kann sie es eben überhaupt nicht zeigen. Und jedes Mal, wenn ich mich ihr öffne, was - nach all den Verletzungen - auch für mich immer wieder schwer ist und eine große Überwindung bedeutet, werde ich wieder zurückgestoßen... Manchmal denke ich, wenn ich ihr einfach nur sage, dass ich sie liebe, dass sie das dankend annimmt.Aber sie kann einfach nicht über ihren Schatten springen. Sie ist wie gefangen hinter dieser Mauer, die sie in all den Jahren aufgebaut hat.

Mir fehlt am meisten die Fürsorge, die ich ganz früher erlebt habe - die aber dann abnahm, nachdem meine Eltern sich trennten. Sie hat Jahre später (als ich schon längst zuhause ausgezogen war) oft zu meiner Schwester gesagt, dass ich ab dem Zeitpunkt der Trennung keine körperliche Nähe mehr zu ihr zugelassen habe und dass sie das sehr verletzt hat. Das war sicher keine bewusste Entscheidung von mir, aber ich denke, dass das Kind in mir - unbewusst - auch ihr einen großen Teil Schuld daran gibt, dass mein Vater für immer von uns, von mir weggegangen ist. Dass sie mit ihrem sturen Verhalten dazu beigetragen hat, davon bin ich bis heute überzeugt. Wäre sie kooperativer gewesen - vielleicht hätte sich mein Vater nicht zu diesem krassen Schritt entschlossen...
Themis hat geschrieben: Die eigene geliebte Familie, das Vertrauen in den Partner zu verlieren, kann sich anfühlen wie sterben. Damit weiterleben verlangt so unendlich viel, deine Mutter hat einen für dich sehr schmerzhaften Weg gewählt.
Mir kommen die Tränen, wenn ich deine Worte lese, denn genau so ist es gewesen. Und wenn ich mir das vor Augen führe, tut mir meine Mutter auch wieder leid, weil sie nie mit diesem Thema abgeschlossen hat. Es war einfacher für sie, meinen Vater als Feindbild hinzustellen und sich selber damit von jeglicher Mitschuld am Scheitern der Ehe freizusprechen... Aber dadurch ist sie all die Jahre nie mehr sie selbst gewesen und hat sich selber so oft im Weg gestanden... viele wirklich enge Freunde haben sich zurückgezogen, weil sie ihr ewiges Selbstmitleid und ihr Gejammer nicht mehr ertragen konnten... das tut mir unendlich leid für sie
Themis hat geschrieben: Ich würde den Kontakt nicht abbrechen. Deine Kinder verlieren dadurch ihre Oma. Sie haben ja nicht das erlebt, was du erlebt hast.
Du hast sicher Recht, auch wenn es mir wehtut, mit anzusehen, wie sie mit den gleichen Mitteln versucht, Zuneigung zu "erpressen": Beim letzten Treffen wollte sie gleich nach 5 Minuten einen Kuss von meinem 5-jährigen Sohn haben - der wollte aber nicht und ich möchte ihn nicht dazu drängen. Er soll ausnahmslos bei JEDEM Menschen selber entscheiden dürfen, ob er ihm einen Kuss geben möchte oder nicht. Daraufhin war meine Mutter totbeleidigt und hat ihn den restlichen Nachmittag keines Blickes mehr gewürdigt. Und mein Sohn, der trotz der langen Phasen ohne Kontakt zu seiner Oma (das war das erste Treffen nach 4 Monaten) immer wieder offen auf sie zugeht und sich über ihr Kommen freut, hat sich daraufhin in sein Zimmer zurückgezogen... Ich finde das schlimm, und mir wird dann jedes Mal deutlich, dass es auch bei mir schon immer so gewesen ist: Ich bin stets mit Liebesentzug bestraft worden, wenn ich nicht "brav" war... bis heute. Der Bruch ist ja auch erst seit meinem ehrlichen Brief vor vielen Jahren drin, für den ich mich bis heute weigere, zu entschuldigen (wie sie es von mir verlangt hat). Insofern erlebt er schon auch das Gleiche mit ihr bzw. wird eines Tages nicht mehr offen auf sie zugehen und sich wohl auch nicht mehr so freuen, wenn sie sich ankündigt... und das macht mich sehr traurig, weil ich mir schon für meine Kinder gewünscht hätte, dass sie auch die tollen Seiten an meiner Mutter miterleben dürfen...
Themis hat geschrieben: Vielleicht kannst du ihr zeigen, dass du sie liebst, auch wenn sie es nicht mehr kann.
Ich habe es schon so oft versucht (siehe oben) und es ist so verdammt schwer, wenn man immer wieder eins "in die Fresse" bekommt... Ich reiche ihr doch die Hand, sie braucht sie nur dankbar anzunehmen - und selbst das kann sie einfach nicht...

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Una
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Beitrag Sa., 04.08.2012, 08:29

Hallo cowgirl,

was Du schreibst ist sehr traurig. Das bittere ist zu sehen was ist und doch ohnmächtig zusehen zu müssen.
Was eben jetzt hinzukommt ist das Alter. Was bis dahin nicht begriffen wurde wird ihr kaum noch vermittelbar sein.
Im Gegenteil, oft verhärtet das Alter gerade solche unguten Strukturen noch.
Ich habe das reihenweise bei Freundinnen miterlebt, deren Eltern dann genau im Alter noch mehr aufdrehten und
die alte und gewohnte Art Probleme abzuschmettern noch mehr hervortrat, ihre Kinder nicht anerkennen können, wenn sie das nie taten ect....
Bei meiner Oma durfte ich zum Beispiel auch so etwas erleben.
Sie war eine furchtbare Mutter und hatte meiner Mutter die Hölle heiß gemacht, als sie schwanger wurde (Du Flittchen) und sich mit meinem Vater verlobte. Da war sie 27 Jahre alt, ging mit abgeschlossener Berufsausbildung arbeiten und mein Vater war 2 Mintuen davor sein Studium zu beenden. Also kein Grund meine Mutter als schlechten Menschen darzustellen.
Aber ihre Mutter tat es und tobte täglich ein halbes Jahr herum.
Jahrzehnte später, als ich daheim auszog und meine Oma anrief, um ihr meine Adresse durchzugeben, fiel sie plötzlich kreischend über mich her,
"das ich schon noch sehen werde was ich davon habe!"
Also völlig abstrus! Irgendwie lief bei ihr da der Film wieder von vorne los. Auch ihrem Sohn, meinem Onkel, versuchte sie die Ehe mit meiner Tante madig zu machen. Meine Tante und sie wurden dadurch spinnefeind. Jahrzehnte der vergifteten Luft wurden daraus.
Meine Mutter die sie gegen Ende ihres Lebens sehr häufig besuchte, wurde immer wieder mit stichelnden und verletzenden Bemerkungen gequält und meine Mutter lief oft verheult nach Hause. Da war schon die Altersdemenz mit am Werk, was oft regelrechte Bösartigkeit nach sich zieht.
Am Ende wollte keiner mehr mit mit meiner Oma zu tun haben. Das ist traurig. Aber so war es.
Versuche ihr Verhalten zu erklären gab es viele, aber es gab Menschen, die hatten es weitaus schwerer als sie und wurden trotzdem nicht so.

Für Deine Situation:
Vielleicht muß man die gegebene Situation nehmen wie sie ist und eher Verständnis und Nachsicht entwickeln.
Einfluß auf ihr Denken und ihren Umgang mit anderen hast Du, habt ihr, eher nicht.
Du bist ihr Kind und sie wird Dir in Dir wahrscheinlich nie die erwachsene und intelligente Frau anerkennen können, die Du heute bist.
Sie tat es bisher nicht und damit wird es auch eher so bleiben.

Die Struktur Deiner Mutter hat viel mit Druck machen und indirekter Gewalt zu tun.
Solche Menschen sehen immer nur entweder sich über einem anderen Menschen oder unter einem anderen Menschen.
Es gibt keine Augenhöhe. Sie sieht es nicht als einen heilsamen Weg an, sich zu reflektieren.
Das wäre für sie gleichbedeutend mit Schwächen eigestehen und das würde bedeuten sie verliert und ist unten.
Lieber sollen andere ihre Schuld eingestehen und sie um Verzeihung bitten.
Damit hat sie Oberwasser. Die einzige Macht die sie noch hat, ist mit ihrer Liebe zu geizen.
Leben heißt, langsam geboren zu werden. Es wäre auch zu bequem, wenn man sich fertige Seelen besorgen könnte.“

Antoine de Saint-Exupéry (1900-44).

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cowgirl74
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Beitrag Sa., 04.08.2012, 12:41

Liebe Una,

vielen Dank erstmal an Dich für Deine beiden sehr hilfreichen Beiträge. Wegen meiner zwei Kleinen komme ich derzeit nur in der Mittagspause und abends dazu, ins Netz zu gehen - gestern habe ich erstmal nur geschafft, auf den Beitrag von Themis zu antworten.

Es passiert auch gerade sehr viel in mir und ich denke eigentlich den ganzen Tag über mein Verhältnis zu meiner Mutter und den Anregungen, die Ihr mir alle schon gegeben habt, nach. Es freut mich sehr, dass man als Neuling in diesem Forum so herzlich und mitfühlend aufgenommen wird - das kenne ich auch anders.
Una hat geschrieben: Was eben jetzt hinzukommt ist das Alter. Was bis dahin nicht begriffen wurde wird ihr kaum noch vermittelbar sein. Im Gegenteil, oft verhärtet das Alter gerade solche unguten Strukturen noch.
Du hast so Recht, das denke ich dann auch oft, wenn ich an meine Mutter denke. Meine Oma (die Mutter meiner Mutter) war übrigens stark depressiv in jungen Jahren (Mitte 30, während der frühen Jugend meiner Mutter) und ist damals in der Türkei wohl auch mind. einmal mit Elektroschocks behandelt worden... Im Alter hat sie dann Alzheimer bekommen und ist letztlich auch daran gestorben.

Die Geschichte wiederholt sich also - meine Mutter musste selbst schon mit einer depressiven Mutter klarkommen und sich während ihrer Jugend um Haushalt und den kleinen Bruder kümmern, der wohl auch immer alles frei entscheiden durfte, z.b. was die Berufswahl anging. Meine Mutter durfte nur das studieren, was auch mein Opa gelernt hatte, um dann seinen Laden zu übernehmen - da gab es keine Diskussion.

Wenn ich also zurückdenke, finde ich es schon beachtlich, wie viel freier sie mich hier in D aufgezogen hat im Vergleich zu dem, wie sie selber erzogen worden ist. Und doch war ich immer noch das Mädchen mit der strengsten Mutter in meinem Freundeskreis...

Ich finde es faszinierend und erschreckend zugleich, wie sehr sich unsere beiden Geschichten (also Deine und meine) ähneln. Du hast so viele Situationen beschrieben, die bei mir exakt genauso abgelaufen sind. Während meiner ganzen Jugend wurde mir von ihr ein schlechtes Gewissen gemacht, wenn ich mal abends mit Freunden ausgehen wollte. Und das kam wirklich selten vor, weil ich überhaupt keine Party-Maus war. Aber ab und zu bin ich natürlich schon gerne mal mit in die Disco oder was trinken gegangen, mit 16 ist das doch ganz normal. Ich hab immer eine beleidigte Mutter zurückgelassen, auch wenn ich mich nicht von ihr erpressen lassen wollte, so bin ich eben doch mit einem schlechten Gefühl gegangen... Das interessante war: Wenn sie dann mal Besuch von einer Freundin hatte, war sie total gut gelaunt und hat mir ganz viel Spaß gewünscht - es ging also gar nicht um mich, sondern nur darum, dass sie nicht alleine sein musste am Abend. Der Fernseher läuft bei meiner Mutter den ganzen Tag - wohl auch ein Mittel gegen die Einsamkeit. Ich finde das immer ganz schrecklich, aber sie würde auch nie auf die Idee kommen, ihn auszuschalten, wenn ich mal zu Besuch komme mit den Kindern z.B. (was ja eh sehr selten vorkommt).

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