belastende Mutter-Tochter-'Beziehung'

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SamuelZ.
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belastende Mutter-Tochter-'Beziehung'

Beitrag Di., 23.06.2009, 16:59

Hallo zusammen,

meine Mutter feiert demnächst ihren 60., ganz groß. Ohne dass sie ihren Wunsch ausgesprochen hätte, weiß ich, dass sie u.a. eine Rede von ihren Kindern erwartet, in der sie als prima Mutter präsentiert wird, am besten mit einer Portion Humor und herzlicher Leichtigkeit für alle Anwesenden verpackt. Ein Resumée ihres Lebens, wie sie es gerne sehen will. Sie ist im Grunde auch ein lieber Mensch und hätte es verdient.

So, nun mein Problem damit.

Nicht nur, dass ich absolut keine lustige Redenschwingerin bin, nein, das Verhältnis zu meiner Mutter ist seit Jahren sehr emotionslos und von meiner Seite distanziert. Sie kommt damit nicht klar, ich eigentlich auch nicht so recht, kann mir aber nicht vorstellen, wie es sonst aussehen könnte.

Wenn ich mit meiner Mutter telefoniere oder sie besuche, fühle ich mich oft nicht wohl dabei, sehr verkrampft, darauf bedacht, mir bloß keine Blöße zu geben.

Dieses Gefühl von Distanz ist mit Schuld vermischt. Wir haben uns im Grunde nicht viel zu sagen, es gibt keine herzlichen Kommentare, kein lebendiges Gespräch, alles irgendwie steif und routiniert.

Das Schuldgefühl entsteht bei mir, weil ich davon ausgehe, dass sie sich mit ihrer Tochter herzliche, lebhafte Gespräche wünscht, erfrischend, mit vielen Neuigkeiten gespickt (die man dann innerhalb der Familie weitererzählen kann)... ich ihr jedoch diese selbstverständliche (?) Mutterfreude vorenthalte.

Weil es nicht klappt, fühle ich mich undankbar, erzwungen distanziert, steif und verstockt.

Spränge ich über meinen Schatten, wäre nicht so abweisend (ich bin es), und spielte für sie die quirlige, unbeschwerte, herzlich-offene Tochter, würde sie dieses GESCHENK nur zu dankbar annehmen und damit tatsächlich zufriedener und glücklicher leben können. (Ihr Leben war hart genug)

Ich kann ihre Beziehungsangebote einfach nicht annehmen, aus Angst mich in ihrer emotionalen Welt zu verstricken, mich ihr emotional wieder verfügbar zu machen. Trotzdem möchte ich sie natürlich glücklich und unbeschwert sehen.

Mein Dilemma: Wie bringe ich ihre (selbstverständlichen?) Erwartungen an ein intaktes Familienleben, ihr Wunsch nach einem positiven Resumée ihres Mutter-Seins, und mein Bedürfnis nach emotionaler Distanz unter einen Hut?

Wie schätzt ihr dieses Problem ein? Kennt ihr es vielleicht selbst?
Wer hat einen Weg für sich gefunden, mit dem Problem klarzukommen, sich von diesen verkrampften Gefühlen zu befreien?

Liebe Grüße
Sandy

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Pippi Langstrumpf
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Beitrag Di., 23.06.2009, 18:11

Hallo Sandy,
Wie bringe ich ihre (selbstverständlichen?) Erwartungen an ein intaktes Familienleben, ihr Wunsch nach einem positiven Resumée ihres Mutter-Seins, und mein Bedürfnis nach emotionaler Distanz unter einen Hut?
Das ist schwer. Ist es überhaupt unter einen Hut zu bringen? Vielleicht kann es gar nicht darum gehen, es unter einen Hut zu bringen?
Du bist Du, du kannst nur nach deinen Erwartungen leben, nicht nach den Erwartungen anderer. Was nicht heißt, dass man rücksichtslos lebt.
Wenn sich die Erwartungen deiner Mutter und die deinen zufällig treffen, wunderbar!!
Aber es zerreisst dich, wenn du ständig etwas spielen musst, um deine Mutter "glücklich" zu machen.
Das kannst du nicht dauerhaft leisten und du sollst es auch nicht.

Vielleicht findest du ein Geschenk/eine Art der Anerkennung, mit der du gut leben kannst, ohne dich dabei zu "verraten" bzw. etwas vorgaukeln zu müssen.
Was könnte das sein?

Liebe Grüße


Pippi
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Elfchen
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Beitrag Di., 23.06.2009, 18:51

Liebe Sandy
Sandy hat geschrieben:Ohne dass sie ihren Wunsch ausgesprochen hätte, weiß ich, dass sie u.a. eine Rede von ihren Kindern erwartet, in der sie als prima Mutter präsentiert wird,...
Unausgesprochene Forderungen also...
Wieso denkst du, dass DU deinen Mutter glücklich machen musst, dafür verantwortlich bist?
Deine Schuldgefühle lassen mich aufhorchen.
Ich denke, da geht langfristig kein Weg an einer Therapie vorbei. Unter "einen Hut" wirst du hier vermutlich gar nichts bringen. Nun steht ihr - unausgesprochener- Wunsch gegen dein Seelenheil.

Zur konkreten Situation: Hast du eigentlich noch Geschwister, die den Part übernehmen könnten? Kannst du nicht vielleicht z.B. eine Musik organisieren und ihr das schenken statt einer persönlichen Rede?

lg
Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben. Epiktet

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SamuelZ.
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Beitrag Di., 23.06.2009, 21:10

Hallo Pippi und Elfchen,

danke für eure Rückmeldungen.

Ich trage dieses unausgegorene Gefühl meiner Mutter gegenüber seit Jahren mit mir herum. Es ist auch Thema in meiner Therapie, bislang aber mehr am Rande, weil ich sie kaum noch eine Rolle in meinem Leben spielen lasse.

Wenn ich nur wüsste warum das so ist??? Wenn ich bemerke, wie ich sie aus meinem Leben ausschließe, kommen mir selbst die Tränen, weil ich weiß, dass es sie unglücklich macht. Ich weiß nicht, warum ich so handle. Bis jetzt schiebe ich es immer auf meine Kindheit. Sie war völlig überfordert (teils allein erziehend, Mann Alkoholiker, ganztags arbeitend, teils alleinige "Versorgerin", zwei Kinder) und hat ihre Kinder oftmals nicht gerade pfleglich behandelt. Trotzdem hat sie immer gekämpft und uns irgendwie durchbekommen.

Ich fühle mich jetzt verpflichtet, ihr etwas zurückzugeben, obwohl ich genau weiß, dass sie kein Anrecht darauf hat. Ich bin da hin und her gerissen.
PIPPI hat geschrieben:Du bist Du, du kannst nur nach deinen Erwartungen leben, nicht nach den Erwartungen anderer.
Wie komme ich da hin, Pippi?

Ihre Erwartungen an mich sind ganz eng mit meinem emotionalen Innenleben verbunden. Gleichzeitig bin ich auch total ärgerlich, dass es so ist.
ELFCHEN hat geschrieben:Wieso denkst du, dass DU deinen Mutter glücklich machen musst, dafür verantwortlich bist?
Deine Schuldgefühle lassen mich aufhorchen.
Ja, das ist genau die Frage, die mich umtreibt. Vielleicht weil ich schon immer als emotionaler Ersatz für den abwesenden Ehemann herhalten musste? Da spielen ganz viele Dinge mit mit rein. Ihr ganzer Lebensentwurf, ihre Vorstellungen von Glück, etc. Es ist alles ganz eng mit ihren Kindern verwoben.

Ich möchte mich emotional gerne davon trennen. Gleichzeitig kann ich dies nicht tun, weil es ihr Unglück besiegeln würde.

Danke für den Tipp mit der Musik. Ich werde mich mal erkundigen, was sie sich so vorstellt. Aber selbst nur die Vorstellung, in diesem Falle ihre Wünsche zur Kenntnis zu nehmen und auf ihre Erfüllung hinzuwirken, fällt mir schon schwer.

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Pippi Langstrumpf
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Beitrag Di., 23.06.2009, 21:21

Hallo Sandy,

auch ich habe eine ganz verstrickte Beziehung zu meiner Mutter. Ich erlebe da ganz ähnliche Ambivalenzen, wie du sie beschreibst.
Einerseits ist sie die, die mich damals im Stich gelassen hat und mich in fürchterliche Situationen brachte. Sie hat ihre Verantwortung nicht wahrgenommen;konnte es nicht.
Aber sie war-wie deine Mutter-eigentlich Alleinerzieherin, mit einem Alkoholiker an ihrer Seite. Sie selbst hat auch nicht wenig getrunken, war aber nicht abhängig. Ich würde eher sagen, dass sie den Alkohol missbräuchlich verwendet hat.
Sie war oft betrunken; in diesen Momenten emotional überhaupt nicht mehr anwesend und da ist dann mit den Männern viel Scheisse passiert. Teilweise hat sie sich einfach verabschiedet und ich musste dann mit ihrem Mann im Ehebett schlafen, während sie in meinem Kinderzimmer schlief(weil sie ihren Platz und ihre Ruhe haben wollte/sie hatte eben keine Kraft) und da ist eben viel Fürchterliches geschehen,wie man sich ausdenken kann.

Gleichzeitig habe ich-aus welchem Grund auch immer- eine sehr starke emotionale Bindung zu ihr.
Es gibt Momente, da liebe ich sie so sehr, dass ich es kaum aushalten kann. Es tut richtig weh.
Wie du,Sandy,kann ich all diese Dinge auch nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Es gelingt mir einfach nicht, all das zusammenzubringen.

Entweder sie ist der wichtigste Mensch in meinem Leben; mein mir vertrautester Mensch.
Oder sie ist die, die mich damals im Stich gelassen und mit dem Mann alleine gelassen hat.

Diesen Widerspruch kann ich nicht ertragen. Deshalb gibt es sie für mich nur entweder so oder so.
Ich kann einfach nicht denken: Sie war sowohl so, als auch so.
Für mich sind diese Dinge so unvereinbar!!


Ich glaube, dass ich deshalb deinen inneren Konflikt sehr gut verstehen kann.

Vielleicht haben dir meine Erzählungen ein wenig geholfen!?

Liebe Grüße

Pippi
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SamuelZ.
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Beitrag Di., 23.06.2009, 21:32

Liebe Pippi,

ja, ich fühle mich sehr gut verstanden. Alkoholikerfamilien sind wohl eine Leidensangelegenheit für sich, v.a. für die Angehörigen.

Diese Ambivalenz, von der du sprichst, kenne ich sehr gut.

Gedanklich halte ich sie aus. Es ist eher die emotionale Seite, die mir zu schaffen macht. Ich bringe meine unterschiedlichen Gefühle für sie nicht zusammen, obwohl ich sie als Menschen mit allen sichtbaren Licht- und Schattenseiten durchaus akzeptieren kann, sogar über sie schmunzeln kann.

Emotional habe ich mein Innenleben nie richtig von ihrem trennen können. Vermutlich aus Angst, ihr damit weh zu tun, weil es ja eine Ablösung bedeuten würde.

Kennst du das Gefühl, sich im Grunde wie eine Mutter für die eigene Mutter zu fühlen? Ich sehe in ihr ständig das verletzte Kind, dessen Bedürfnisse nie erfüllt wurden.

Ich weiß, dass meine eigenen emotionalen Bedürfnisse als Kind ebenfalls zu kurz kamen, ich würde hier schon von emotionaler Vernachlässigung sprechen.

Aber sie richtig meinen Ärger und meine Wut darüber spüren lassen, das geht überhaupt nicht.

Viele Grüße
Sandy

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Pippi Langstrumpf
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Beitrag Di., 23.06.2009, 21:42

Emotional habe ich mein Innenleben nie richtig von ihrem trennen können. Vermutlich aus Angst, ihr damit weh zu tun, weil es ja eine Ablösung bedeuten würde.
Das verstehe ich sehr gut und ich glaube, dies ist auch im Wesentlichen mein Problem.
Oft denke ich mir: Wer bin ich eigentlich ohne sie? Wer kann ich sein? Gibt es mich, auch unabhängig von ihr?
Sie nimmt so unglaublich viel Platz in meinem Leben ein. Mehr als ich oft möchte. Aber ich habe Angst, mich loszulösen, zu trennen. Was würde das bedeuten? Nicht nur für sie; auch für mich.
Vielleicht wäre es für sie sogar leichter!

Manchmal erlebe ich das als richtige Abhängigkeit. Es gibt viel Liebe zwischen uns; das weiß ich.
Andererseits fühle ich mich verraten, missbraucht, nicht gesehen, verlassen...wie damals eben.
Sollte man denken: Okay, das war damals. Heute ist heute. Neubeginn?
Aber wie, wenn das Vergangene so prägend war?

Kennst du das Gefühl, sich im Grunde wie eine Mutter für die eigene Mutter zu fühlen?
Allerdings kenne ich dieses Gefühl.
Auch als Kind war ich wie eine kleine Therapeutin für sie. Ich fühlte mich mehr verantwortlich für sie als umgekehrt, denke ich.
Auch noch heute fühle ich mich sehr verantwortlich für ihre Gefühle.

Aber sie richtig meinen Ärger und meine Wut darüber spüren lassen, das geht überhaupt nicht.

Aber diese Wut ist dennoch da,oder?
Wohin gelangt sie, wenn sie sich nicht gegen deine Mutter richten darf?

Gruß

Pippi
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SamuelZ.
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Beitrag Di., 23.06.2009, 21:55

Hallo Pippi,
Oft denke ich mir: Wer bin ich eigentlich ohne sie? Wer kann ich sein? Gibt es mich, auch unabhängig von ihr?
Sie nimmt so unglaublich viel Platz in meinem Leben ein. Mehr als ich oft möchte.
Seht ihr euch denn oft? Manchmal habe ich das Gefühl, sie lebt eingenistet in mir drin, dirigiert dort mein Gefühlsleben, mein Handeln und Sprechen, obwohl ich in der Realität alles versuche, um sie von meinem Innenleben fern zu halten.
Ja, manchmal bin ich total geschockt, wenn ich mich reden höre. Das könnte sie sein, ihre Stimmlage, ihre Gedankengänge, Vorurteile, Stresstiraden... Das kann ja nicht alles vererbt sein.
Sollte man denken: Okay, das war damals. Heute ist heute. Neubeginn?
Aber wie, wenn das Vergangene so prägend war?
Es ist wie ein Gefängnis, aus dem man nicht herauskommt. Sie wartet draußen, bereit für einen Neubeginn. Ich kann nicht raus (oder will es nicht). Manchmal frage ich mich auch, ob sie überhaupt in der Lage wäre, einen Neubeginn durchzuhalten. Müsste ich dann nicht doch wieder zur Therapeutin werden? Das will ich nicht. Schon jetzt habe ich ständig das Gefühl für sie und ihren Mann als Paartherapeutin herangezogen zu werden. Ist mir alles zu viel. Oder ihre Traurigkeit, weil es ihrem Bruder so schlecht geht. Es überfordert mich total. Andere Töchter könnten damit wahrscheinlich besser umgehen.
Aber diese Wut ist dennoch da,oder?
Wohin gelangt sie, wenn sie sich nicht gegen deine Mutter richten darf?
Ich vermute, dass meine langjährige Depression u.a. ihre Ursachen in dieser ganzen vertrackten Angelegenheit hat. Das Gefühl von Vernachlässigung im Kontrast zu ihren Bedürfnissen nach Nähe und Innigkeit.

Grüße
sandy

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Elena
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Beitrag Di., 23.06.2009, 21:56

Hallo Sandy
SandyP. hat geschrieben:Kennst du das Gefühl, sich im Grunde wie eine Mutter für die eigene Mutter zu fühlen? Ich sehe in ihr ständig das verletzte Kind, dessen Bedürfnisse nie erfüllt wurden.
Diese Situation kenne ich nur zu gut aus meiner eigenen Kindheit.....Und immer ist man gedanklich damit beschäftigt, was man alles tun kann, um der Mutter einen Gefallen zu tun, damit es ihr besser geht. Dann dieses Verantwortungsgefühl, sich Gedanken, Sorgen zu machen, weil man schon als Kind spürt, dass sie so wenig stabil ist.
Genau in diesem Muster bewegst Du dich bei den Gedanken für die Geburtstagsfeier Deiner Mutter. Du bist nur damit beschäftigt, was Du glaubst, was gut für sie wäre. Ich meine, ist ja ganz normal, wenn es um ein Geburtstagsgeschenk geht. Aber STOPP!!!!!
Überlege erst einmal, was Du zu geben bereit bist. Wenn Du ein Problem damit hast, locker, flockig eine Rede vorzubereiten, in der Du Deiner Mutter die Wertschätzung entgegenbringst, die sie gerne hätte und sicher auch verdient hat, dann lässt Du dies eben bleiben.
Es geht schliesslich darum, authentisch zu sein, und nicht irgendwas zu überspielen (Maske).
Vielleicht kannst du mit Deinen Geschwistern gemeinsam etwas vorbereiten. Muss doch keine Rede sein, könntet ja ein Lied dichten und zusammen singen etc.
Also, ich würde alles vermeiden, bei dem Du Dich krumm legen musst. Damit meine ich, dass es gegen Deine Gefühle spricht. Und wenn Eurer Verhältnis distanziert ist, dann ist es nicht stimmig, am Geburtstag Nähe vorzuspielen. Für was denn? Für Deine Mutter, weil sie es gerne hätte?
Ich konnte meine Mutter noch nie knuddeln, und werd es vermutlich auch nie mehr können. Es war ein harter Weg für mich, zu kapieren, wie wenig ich mich mit ihr verbunden fühle und umgekehrt. Nie konnte ich dazu stehen, kam mir immer wie eine Verräterin vor.
Warum sollte ich es dann also an ihrem Geburtstag können, genau wie Du es sicher auch nicht kannst?
Steh dazu!

LG Elena

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Pippi Langstrumpf
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Beitrag Di., 23.06.2009, 22:13

Seht ihr euch denn oft?
Ja, schon eher.
Es fällt uns beiden sehr schwer, ein "richtiges", angemessenes Nähe-Distanz-Verhältnis zu finden. Symbiose(mehr oder weniger) versus totale Distanz(die aber immer ich herstelle; sie könnte diese absolute Nähe ewig aushalten)
Wie sieht es bei dir aus? Seht ihr euch oft?

Sie wartet draußen, bereit für einen Neubeginn. Ich kann nicht raus (oder will es nicht).
Genauso ist es bei uns auch. Aber wie?
Manchmal kann ich mir eingestehen, dass ich zu verletzt bin. Aber was wäre die Konsequenz dieser Einsicht?
Wahrscheinlich, dass ich mehr auf Distanz gehe. Es fällt mir so schwer. Ich habe unglaubliche Trennungsangst. Vielleicht halte ich etwas zwanghaft aufrecht; ich weiß es nicht!?
Schon jetzt habe ich ständig das Gefühl für sie und ihren Mann als Paartherapeutin herangezogen zu werden.
In dieser Rolle finde ich mich auch immer wieder.
Ich vermittle. Einmal rede ich mit ihr total ausführlich, dann mit ihm, dann mit beiden.
Auseinandersetzung, Auseinandersetzung,Auseinandersetzung. Einfach zu viel des Guten.
Aber ,auch ich müsste meine Haltung ändern und mich besser abgrenzen. Mein Problem ist, dass ich unendlich belastbar bin bzw. glaube, es sein zu müssen und mich dann wirklich unglaublich intensiv auf mein Gegenüber einlasse. Wie eine Therapeutin eben. Mehr oder weniger.
Andere Töchter könnten damit wahrscheinlich besser umgehen.
Vielleicht können die sich eben einfach besser abgrenzen. Wahrscheinlich kann man das lernen. Viele sagen ja, es wird leichter, je älter man wird. Kann einerseits stimmen, hängt aber wohl auch sehr von der Persönlichkeit ab.
Manchmal glaubt man ja, dass man sich nicht abgrenzen/Stop/Nein-Sagen darf.
Kennst du das?
Überlege erst einmal, was Du zu geben bereit bist.
Das finde ich auch. Was liegt für dich im Bereich des Vorstellbaren?
Du sollst nichts spielen müssen!

Liebe Grüße

Pippi
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candle
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Beitrag Di., 23.06.2009, 22:28

Frage ich mal so: Was wäre denn Dein Wunsch in Deinen Möglichkeiten diesen Feiertag zu überstehen?

candle
Es ist besser ein Kerze anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen.
Sommer-Stumpenhorst

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Beitrag Mi., 24.06.2009, 20:14

Ja, meine Mutter ist wenig stabil. Mein Thera hat sie und meinen Vater als "schwach" bezeichnet, keiner von beiden war imstande, den Kindern Orientierung im Leben zu bieten. Sie waren / sind selbst noch bedürftige Kinder.

Mein Ärger kommt immer dann hoch, wenn ich merke, sie sucht bei mir Halt. Z.B. streitet sie sich mit ihrem (auch nicht einfachen) Mann VOR MEINEN AUGEN, sie in der Rolle des quengelnden und trotzigen Kindes, er als vorwurfsvoller "Vater". Es ist wirklich absurd das mitzuerleben. Sie steigert sich dann immer mehr in diese Rolle hinein, kann gar nicht richtig argumentieren, greift ihn persönlich an, und schlussendlich wendet sie sich dann an mich, weinerlich, ich möge ihm doch mal sagen, wie besch****en er sich gerade verhalte.

Ich habe dann nur noch das Bedürfnis zu gehen, sehe aber ihr Leid und bleibe, handle aber nicht so wie sie es sich erwünscht, was sie todtraurig macht.

Es ist halt diese kaum erträgliche Ambivalenz ihr gegenüber, die mich in solchen Momenten absolut handlungsunfähig. Ich fühle mich dann so unwohl und traurig in einem. Sie selbst ist nicht imstande ihr Verhalten zu reflektieren, dafür ist sie nicht geschaffen, jeden Hinweis nimmt sie als Kritik an ihrer Person und Beweis meiner Lieblosigkeit ihr gegenüber.

Es ist da kein Herauskommen aus diesem emotionalen Dilemma für mich. Es ist für mich eine erzwungene Distanz, ich will mich vor ihr schützen. Gerne hätte ich aber ein ungezwungeneres Verhältnis zu ihr. Aber wie, wenn die eigene Mutter ihr Verhalten nicht reflektieren kann und die Schuld nur beim Kind sucht?

Ich habe den Kontakt fast abgebrochen. Wir sind nur noch sporadisch am Telefon. Besuche versuche ich zu vermeiden. Es belastet mich zu sehr, mich in ihrem neuen Haushalt wieder an ihre Regeln zu halten, den dankbaren Gast zu spielen. Streit will ich aber auch nicht in ihre vier Wände tragen, würde sie auch gar nicht aushalten, sondern heulend vor mir zusammenbrechen. Wer wollte das schon verantworten?

Wer hat denn hier schon eine "heilende Auseinandersetzung" mit der eigenen Mutter erlebt? Mir graut davor, obwohl ich weiß, dass es für mich die einzige Möglichkeit wäre, mich emotional von ihr zu lösen und meinen Selbstwert wieder herzustellen. Aber ich kann ihr einfach nicht mehr weh tun. Als Teenager ging es, jetzt nicht mehr.

Liebe Grüße
Sandy

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Beitrag Mi., 24.06.2009, 20:26

PIPPI hat geschrieben:Manchmal glaubt man ja, dass man sich nicht abgrenzen/Stop/Nein-Sagen darf.
Kennst du das?
Ja, kenne ich zu gut. Erst über meine Therapie habe ich gelernt, mich und mein Befinden in Gesprächen besser wahrzunehmen und dieses zu äußern.

Ich habe meiner Mutter am Telefon schon häufiger - z.B. in ihren garstigen Verunglimpfungen anderer Leute, v.a. ihrer Geschwister - Einhalt geboten. Alles ohne Aggressionen. Es hat geklappt. Sie war dann still. Hat es ohne Kommentar angenommen. Es gelingt mir aber nicht immer. Außerdem will ich mich nicht als ihre Verhaltenstherapeutin oder Mutter fühlen. Macht mich dann wieder ärgerlich.

Ich will eine Mutter, die emotional reif ist, ihrer Tochter Halt und erwachsenen Rat geben kann, die eine eigene Meinung zu den Dingen hat und ihre Bedürfigkeit (ewige Nähe) nicht an ihren Kindern stillen muss.

Davon sind wir leider weit entfernt.
ELENA hat geschrieben:Ich konnte meine Mutter noch nie knuddeln

Freut mich zu lesen. Dachte immer, ich sei die einzige "schwierige" Tochter. Es gibt Bilder von mir (etwa 10 Jahre) und meiner Mutter, wie wir auf dem Sofa sitzen; sie zieht mich an sich, schaut in die Kamera, ich lasse mich ziehen auf der anderen Seite drängt es mich sichtbar in die entgegen gesetzte Richtung. Schon damals wurde mir mitgeteilt, dass ich schwierig sei, nicht so wie andere Töchter, meine Mutter nicht zu beneiden...

LG
Sandy

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Beitrag Mi., 24.06.2009, 20:39

Man darf auch von der Veranstaltung fernbleiben.

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Beitrag Do., 25.06.2009, 08:05

hey ihr anderen ...kinder ,

wollte euch nur sagen, dass ich alles, was ihr schreibt kenne und total gut verstehen kann.
vor allem diese ambivalenz.

ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich darüber hinweg bin, oder dass mich das nicht mehr beeinträchtigt in meinem leben.
das ist wahrscheinlich ein lebenslanger prozess....

aber ich bin ein ganzes stück weitergekommen, als ich begonnen habe, für mich selbst zu sorgen. also mir sehr konsequent und liebevoll selbst das zu geben und zu holen, was ich brauche. (ganz viel gebracht hat da die innere kind arbeit mit den theras, um überhaupt erstmal herauszufinden, was meine kleine eigentlich braucht. hatte ja meine selbstwahrnehmung ausgeblendet und irgendwann vergessen).

und der satz: "JETZT bin ich erwachsen und nicht mehr das hilflose kind. ich kann jetzt selbst für mich sorgen."

irgendwie ist dann mit der zeit der schmerz über dieses nicht gesehen zu werden, emotional missbraucht zu werden, für andere da sein zu müssen etc weniger geworden.
inzwischen habe ich diese erwartungen, die man als kind seinen eltern gegenüber hat zumindest teilweise auch innerlich abgehakt. ich weiß, dass ich das alles nie so bekommen werde, wie ich es mir gewünscht hätte.
aber je mehr ich es schaffe, mir das alles selbst zu geben und mich mit menschen zu umgeben, die mir guttun, desto geringer werden die erwartungen an meine eltern.
und desto weniger brauche ich diese distanziertheit als schutz und kann mehr und mehr meinen frieden schließen.

mein ziel ist, irgendwann mich so gut selbst zu versorgen, dass ich keinerlei offene erwartungen mehr an meine eltern habe.
dann kann man wohl auch ohne groll und distanz ihnen begegnen.


die frage ist aber ja auch: weshalb willst du die distanziertheit unbedingt aufgeben, sandy?
also: leidest DU SELBST darunter?
oder fühlst du dich nur wieder für die gefühlslage deiner mutter verantwortlich?
verändern solltest du das nur, wenn du das gefühl hast, dass es für dich gut wäre, weniger distanziert zu sein....
Nimm was du willst und zahl dafür.

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