Wie mit meiner Verwandten umgehen?

In diesem Forumsbereich können Sie sich über Schwierigkeiten austauschen, die Sie als Angehörige(r) oder Freund(in) von psychisch Erkrankten bzw. leidenden Personen konfrontiert sind.
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Sofia
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Wie mit meiner Verwandten umgehen?

Beitrag So., 11.10.2015, 17:15

Liebes Forum,

ich habe seit gestern hier einiges gelesen und mich jetzt zu einer Anmeldung entschlossen um einen eigenen Thread zu eröffnen.

Es geht um eine Verwandte von mir. Sie lebt nicht im meiner Stadt und wir haben keinen besonders engen Kontakt, obwohl sie sich immer wieder telefonisch bei mir meldet.
Gestern stand sie dann abends einfach vor meiner Haustür (sie klingelte quasi sturm). Ich war unheimlich überrascht sie zu sehen, sie hatte sich nicht angekündigt und bis zu mir sind es einige hundert Kilometer. Der Zeitpunkt war auch echt ungünstig, wir sind hier alle total krank.

Ich habe sie nur selten bisher gesehen, da sie im Ausland lebte. Aber vor einigen Jahren habe ich sie länger besucht und mir wurde deutlich, dass sie psychische Schwierigkeiten hatte.
Seit dem wurde es wohl schlechter und ich weiß dass ihre Familie immer wieder versuchte sie in Behandlung zu bekommen. Doch dies war nicht möglich, sie lehnte es ab.

Im Gespräch mit ihr gestern bekam ich den Eindruck, dass sie psychisch und körperlich jetzt sehr abgebaut hat. Sie ist unglaublich dünn und wirkt viel älter als sie ist.
Sie schilderte mir, dass sie aufgrund eines Verlustes in ihrer Familie in der Stadt sei. Auf meine Nachfragen stellte sich irgendwann heraus dass die besagte Person schon eine weile (ich würde mal sagen ca 10 Jahre) verstorben ist. Sie wollte nun der Familie kondolieren. Die wohl nicht bereit war sie zu treffen.
Im allgemeinen schien sie sehr traurig, dass sie kaum Kontakt herstellen kann zu Leuten aus der Familie. Ich sagte ihr, dass es auch sehr schwer sei mit ihr zu telefonieren. Sie ruft an und redet nur, ein Gespräch ist nicht möglich. Dann legt sie das Telefon weg und spricht mit jemand anderem. Oder sie ruft mitten in der Nacht an. Sie spricht als ob sie noch mit ihrem Mann zusammen leben würden (sie sind bereits einige Jahre getrennt) und sie hat lange Zeit im Auto vor seinem Haus gelebt.

Sie war gestern überhaupt nicht in der Lage meine Bedürfnisse zu erkennen - ich kam gerade aus der Dusche und sagte ihr mehrmals sie solle sich setzen, ich würde mir etwas anziehen wollen... ging gar nicht.
Sie war zeitlich überhaupt nicht orientiert. Konnte meinen Gesprächsbeiträgen nicht folgen. War kaum wieder zum gehen zu bewegen.
Wusste anscheinend auch nicht wohin über Nacht..

Heute Nacht erhielt ich dann einen Anruf von ihr und sie sprach auch auf meine Mailbox. Sie wolle in der Stadt bleiben, sei in einem Hotel, und mich gerne noch einmal besuchen. Ich solle mich schnell melden (es ist mitten in der Nacht...).

Als ich sie heute morgen anrief habe ich ihr gesagt, sie könne kommen, müsse aber vorher anrufen. Bisher ist sie nicht mehr her gekommen oder hat sich gemeldet.

Ich weiß dass sie bei ihrer Mutter lebt (schon eine sehr alte Dame) die sich große Sorgen macht weil sie nicht isst, nicht schläft und die ganze Nacht unterwegs ist.

Ich bin ein wenig ratlos was ich nun tun soll. Ich mache mir sorgen um sie, weiß aber auch genau dass sie sich freiwillig in Behandlung begeben müsste. Ich glaube aber auch dass sie wirklich Hilfe braucht und wahrscheinlich auch Medikamente ihr helfen würden.
Andererseits habe ich wirklich nicht die Zeit mich intensiver um sie zu kümmern. Ich kann keine stabile Ansprechpartnerin für sie sein. Doch irgendwie fühle ich mich verpflichtet.

Was würdet ihr mir raten? Was glaubt ihr, würde ihr gut tun? Ich hoffe mein Text ist einigermaßen verständlich...

(Hinweis Admin: Betreffzeile etwas präzisiert)

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Fundevogel
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Beitrag So., 11.10.2015, 20:21

Hallo Sofia,

willkommen im Forum.

Das ist eine traurige Geschichte, finde ich immer wieder erschreckend zu hören, was eine psychische Krankheit aus und mit Menschen machen kann.
Ich glaube nach deinen Erzählungen auch, dass deine Verwandte fachkundige Behandlung bräuchte und ja, das ist mit gutem Grund eine (mit gewissen Grenzen) freiwillige Angelegenheit. Wenn sie sich nicht mehr meldet, könntest du eventuell ihre Mutter anrufen; vielleicht ist sie ja beruhigt, wenn sie weiß, wo sich ihre Tochter gerade aufhält und kann eventuell auch etwas raten, sollte sie sich nochmal bei dir melden. Vielleicht gibt es ja vertraute Bezugspersonen, vielleicht sogar eine Behandlung. Du könntest auch bei einem psychosozialen Dienst anrufen und dich nach Möglichkeiten erkundigen.

Ich wünsche ihr alles Gute und dir und deiner Familie gute Besserung
Fundevogel

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Sofia
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Beitrag Mo., 12.10.2015, 18:12

Hallo Fundevogel,

vielen Dank für die Optimierung meiner Betreffzeile.

Meine Verwandte hat sich gestern spät abends per SMS bei mir gemeldet. Sie sei wieder zu Hause. Ich bin ganz erleichtert...

Ja, an ihre Mutter habe ich auch bereits gedacht. Doch die alte Dame (Anfang 90) kennt mich gar nicht... und irgendwie will ich mich nicht an diese schon sehr beeinträchtigte und besorge Dame wenden und ihr eventuell Hoffnung auf Unterstützung machen die ich letztlich nicht verlässlich leisten kann.

Ich habe überlegt, ob ich mich ein mal an den Sozialpsychiatrischen Dienst bei ihr in der Stadt wenden soll. Ich müsste dazu wohl wissen wo sie wohnt, oder? Es ist eine Großstadt.

Auf der anderen Seite war sie schon häufig (durch ihre Familie initiieret) bei Ärzten und hat scheinbar eine Behandlung immer abgelehnt. Das ist aber schon einige Jahre her... ich weiß nicht ob ein Fremder jetzt bemerken würde dass es ihr nicht gut geht. Was meint ihr?

Eine anderer Möglichkeit wäre, dass ich sie darüber informiere dass ich mich um sie Sorge (und das ich daran denke den SPD zu informieren? Oder dass ich finde sie braucht eine Therapie?). Das hätte ich, wenn sie gestern noch einmal zu mir gekommen wäre, auf jeden Fall gemacht. Aber jetzt müsste ich mit ihr telefonieren und das geht nicht so gut... sie hört nicht zu, redet ständig und es kommt nicht an was ich sage. So war es bisher auf jeden Fall immer. Das ist auch im persönlichen Gespräch der Fall, aber da kann ich besser abschätzen als am Handy ob ich "ankomme".

Es ist halt auch irgendwie eine moralische / menschliche Frage für mich. Einerseits geht sie mich eigentlich "nichts an". Sie hat ihre eigene Familie (Geschwister, Eltern) die in örtlicher Nähe sind und sich viel Verantwortlicher fühlen (müssten ) als ich.

Von "meiner Familie" ist sie geschieden (was sie scheinbar immer noch nicht realisiert hat).
Trotzdem finde ich das moralisch so nicht gut. Sie war immerhin lange Teil meiner Familie und mit Sicherheit hatte ihre Erkrankung große Anteile daran, dass die Ehe letztlich nach vielen Jahren nicht mehr funktionierte und es eine Trennung geben musste. Sie hätte ihre Familie weiterhin "verrückt gemacht". Das ging so wirklich nicht mehr. Auch sucht sie immer noch heftig Kontakt zu allen. Die lehnen dies aber ab.
Nichts desto trotz frage ich mich, ob man es nicht weiter versuchen muss? Man kann sie doch nicht einfach so aufgeben.

Ich in ihrer Situation würde so sehr hoffen dass die Menschen in meinem Leben immer wieder versuchen mir zu helfen

Was denkt ihr?

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Sofia
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Beitrag Mo., 19.10.2015, 14:38

Ich habe jetzt ein paar Tage drüber nachgedacht und jetzt bei meiner Verwandtschaft nach den Kontaktdaten ihrer Schwester gefragt.
Mein Plan ist diese anzurufen und mich zu erkundigen ob es Kontakt gibt. Und ob sie vielleicht in Deutschland mal bei nem Arzt war, behandelt wird etc.

Ich hoffe das wird was...

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Ephraim
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Beitrag Mo., 19.10.2015, 17:09

Ich mußte mal jemanden in meiner Familie davon überzeugen psychatrische Hilfe aufzusuchen, war schwierige Situation, Halluzinationen usw., was sehr gezogen hat, war in dem Gespräch auf das Leidempfinden abzielen, das klar herausstellen das diese Person selber sagt , ich leide, es ist schwer und dann das Argument nachziehen, daß Medikamente/Psychopharmaka dabei helfen das Leid zu verringern.

In jenem Fall half es, halt das drehen von "Ich bin doch nicht verrückt" zu "Mir kann geholfen werden". IM nachhinein klingt es so klar, aber es war echt eine brutale Auseinandersetzung, war auch nicht überlegt, ergab sich so, hab mir viel anhören müssen und immer wieder von vorne bittend und sanft angefangen.

Ging dann zuerst über den Hausarzt, welcher eine Überweisung zum sozialpsychatrischen Dienst herstellte, da liefs dann ganz gut, ein paar Monate Medikamente unter Aufsicht, alles zuhause, dann gings.
"Sometimes we battle to protect someone, sometimes we battle to protect someones honor" Ichigo Kurosaki; Ich stelle keine rhetorischen Fragen

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