Meine Schwester ist weg

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hatschik
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Meine Schwester ist weg

Beitrag Di., 07.10.2014, 09:49

Hallo an Alle,

es ist ganz komisch für mich das zu schreiben, aber ich weiß einfach nicht was ich sonst machen soll. Ich hoffe sehr stark, dass mir der ein oder andere einen hilfreichen Ratschlag geben kann, wie ich mit der aktuellen Situation umgehen soll.

Also, erstmal kurz eine Einführung:

Meine Schwester(24) leidet unter Depressionen. Ob es darüber hinaus ein konkreteres Krankheitsbild/Bezeichnung gibt, weiß ich nicht. Ich möchte auch keine Diagnosen stellen, dafür kenne ich mich nicht genug aus. Sie ist sehr extrem in allem was sie macht. Beziehungen halten meist nicht ewig, da sie diese meistens beendet, was mich wundert, da ich, wenn ich an der Stelle ihrer Partner wäre, wohl immer vorher das Weite gesucht hätte. Sie ist unglaublich eifersüchtig, was sie aber anfangs gut überspielt, um einem bestimmten Bild zu entsprechen. Sie sieht ziemlich gut aus und ist ein toller Mensch, wenn sie gut drauf ist, von daher kann ich verstehen, dass das auch immer erstmal klappt. Aber irgendwann fällt der Vorhang und dann wird es schwer sie davon zu überzeugen, dass viele Dinge viel harmloser sind, als sie sie sieht. Sie ist außerdem sehr unsicher, was man ihr aber ebenso wenig anmerken würde, wenn man sie kennenlernt. Deshalb braucht sie unglaublich viel Bestätigung, die sie natürlich auch bekommt - ich habe noch keinen Typen gesehen, der sie nicht toll fand.
Sie kann mit Geld nicht umgehen und leidet außerdem unter einer Essstörung, was ihren Alltag unglaublich schwierig macht.
All das wäre irgendwie zu händeln, wenn sie nicht zusätzlich alleinerziehende Mutter wäre. Ihr Sohn ist vier Jahre alt, sie arbeitet als Krankenschwester und studiert nebenbei noch mit einer Präsenzveranstaltung alle vier Wochen.

Vor einigen Wochen hat sie mir erzählt, dass sie sich total überfordert fühlt und dass sie manchmal schlimme Gedanken hat, zum Beispiel, dass sie keine Mutter mehr sein will.

Ich kann vieles davon verstehen. Sie steht jeden Tag um 4:15 auf, macht sich und ihren Sohn fertig, macht Frühstück, bringt ihn in den Kindergarten und fährt im Anschluss auf Arbeit. Alles mit Öffentlichen Verkehrsmitteln, sie hat keinen Führerschein. Das macht das ganz etwas stressiger, da sie allein im Kindergarten nur 5 Minuten hat, bis der Anschlussbus fährt.
Nach der Arbeit, fährt sie wieder zum Kindergarten, kommt nach Hause, spielt, macht Abendbrot und ist kurz nachdem ihr Sohn im Bett ist, selber so fertig, dass auch sie schlafen geht. Das ist der normale Alltag. Leider gibt es dazu kaum Alternativen. Sie hat ja auch keine Freunde. Immer irgendwann EINE beste Freundin, dann irgendwann nicht mehr, weil sie meistens die Freundschaften vernachlässigt. Ihr einziger Ausgleich ist Sport - wenn sie dazu kommt und das ist meistens nicht der Fall.
Sie ist also einfach nur überfordert, das Ganze plus ihre psychisch eh schon heikle Verfassung musste irgendwann schief gehen.

Tut mir leid für die ewige Einleitung, jetzt kommt eigentlich erst der wichtige Punkt.

Letztes Wochenende war mein Neffe mit meiner Mama und ihrem Mann unterwegs und hat die Tage bei ihnen verbracht. Gestern wollte meine Mama ihn dann wieder zurück bringen zu meiner Schwester, aber die war nicht da. Meine Mama war sich sicher, dass sie kurz weg ist und gleich wiederkommen würde, bis sie einen Brief gefunden hat. Darin stand, dass sie (meine schwester) raus müsste, klare Gedanken fassen müsste, allein sein müsste und sie nicht erreichbar ist. dass sie sie nichts antun würde, das hat sie versprochen, aber wann sie wiederkommt stand nicht in ihrem Brief.
Jetzt sind wir völlig ratlos und hoffen ganz stark, dass meine schwester sich vielleicht selber eingewiesen hat, aber leider bezweifeln wir es auch. mein kleiner neffe ist grad noch bei der oma, die ihm erzählt hat, dass sich sein "urlaub" noch verlängert hat und er noch ein bisschen bei ihnen bleibt. Das ist aber natürlich keine Lösung. meine Mutter arbeitet in einer hohen Position und kann es sich nicht leisten frei zu machen und unkonzentriert zu sein. Mein Studium beginnt jetzt wieder, weshalb auch nicht nicht weiß was wir jetzt machen sollen und was mir meinem leinen Neffen jetzt erzählen...

Es ist eine ganz ganz schlimme Situation, weil wir nicht wissen, was wir tun und wie wir damit umgehen sollen.

Hat einer von euch vielleicht etwas ähnliches erlebt, oder trotzdem einen Rat?

Vielen Dank!

Hatschik

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Beitrag Di., 07.10.2014, 10:12

hatschik hat geschrieben:....... Letztes Wochenende war mein Neffe mit meiner Mama und ihrem Mann unterwegs und hat die Tage bei ihnen verbracht. Gestern wollte meine Mama ihn dann wieder zurück bringen zu meiner Schwester, aber die war nicht da. Meine Mama war sich sicher, dass sie kurz weg ist und gleich wiederkommen würde, bis sie einen Brief gefunden hat. Darin stand, dass sie (meine schwester) raus müsste, klare Gedanken fassen müsste, allein sein müsste und sie nicht erreichbar ist. dass sie sie nichts antun würde, das hat sie versprochen, aber wann sie wiederkommt stand nicht in ihrem Brief.
Jetzt sind wir völlig ratlos und hoffen ganz stark, dass meine schwester sich vielleicht selber eingewiesen hat, aber leider bezweifeln wir es auch. mein kleiner neffe ist grad noch bei der oma, die ihm erzählt hat, dass sich sein "urlaub" noch verlängert hat und er noch ein bisschen bei ihnen bleibt. Das ist aber natürlich keine Lösung. meine Mutter arbeitet in einer hohen Position und kann es sich nicht leisten frei zu machen und unkonzentriert zu sein. Mein Studium beginnt jetzt wieder, weshalb auch nicht nicht weiß was wir jetzt machen sollen und was mir meinem leinen Neffen jetzt erzählen...

Es ist eine ganz ganz schlimme Situation, weil wir nicht wissen, was wir tun und wie wir damit umgehen sollen.
hallo hatschik,

sehr verständlich, wie sehr euch diese angelegenheit umtreibt und belastet; natürlich wird es zweifel geben und weiss man auch nicht wie sehr ihr darin vertraut, was sie da schreibt. ich ganz persönlich tendiere auf grund des geschriebenen jedoch dazu, euch trotz allem - zumindest mal vorläufig/mittelfristig - auf diese "auffang"situation einzustellen, die stabile betreuung deines neffen - trotz allem - vorrangig sicherzustellen und deiner schwester diese auszeit zu geben. die bewertung, ob das jetzt von ihr ok ist oder sonst was macht da keinen sinn, denn bei einer scheinbar derartigen überforderung kann es schon sein, dass sie dieses ventil der vorübergehenden "flucht" einfach für sich braucht. selbst falls sie sich eingewiesen haben sollte oder morgen wieder auftaucht, wird sie wohl nicht so einfach weitermachen können wie bisher, weshalb die betreuung des kindes so oder so ein thema ist und bleibt - zumindest, bis sie sich wieder stabilisiert hat. sie wird eure unterstützung mit hoher wahrscheinlichkeit jedenfalls benötigen.

.. etwas direkt grossartig sinnvoll anderes könnt ihr kurzfristig - wie es aussieht - fürs erste ohnehin nicht unternehmen, ausser sie selbst zu erreichen bzw. eventuell die psychiatrien durchzutelefonieren und/oder euch an eine beratungsstelle* und/oder die behörden wenden; sollte sie nicht in angemessener zeit von selbst auftauchen, werdet ihr sie wohl in jedem fall als vermisst melden müssen (was bei gefahr im verzug allerdings eine fahndung auslösen kann).

*: bezüglich beratung melden sich hier hoffentlich andere, denn ich weiss nicht, wer sich da in deutschland anbietet.

.. ich wünsch euch jedenfalls einen für alle beteiligten guten ausgang!


montagne
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Beitrag Di., 07.10.2014, 15:33

Schwierige Situation. Es ist ja keine Straftat zu verschwinden. Zumal, wenn wie den Brief hinterlassen hat, mit der klaren Ansage, dass sie sich nichts antun wird, wird die Polizei nichts unternehmen.
Anders sieht es in Bezug auf deinen Neffen aus. Sie hat eine Fürsorgepflicht ihm gegenüber, der sie nicht nachkommt. Das würde zwar das Jugendamt interessieren, aber es ist fraglich ob es ihr und euch hilft, das Jugendamt zum jetzigen zeitpunkt zu informieren. Wenn der junge bei seiner Oma gut aufgehoben ist und sie sich erstmal um ihn kümmern möchte, würde ich noch damit warten.

Eine Bewertung kann ich mir dennoch nicht ersparen. Sie häte sich die Auszeit ja auch in Absprache mit euch nehmen können. Ihr wärt vorbereitet gewesen, man häte vor allem das Kind vorbereiten können. Zu dem Zeitpunkt, zu dem das Kind anfängt zu spüren, dass etwas nicht stimmt, dass es nicht um "Urlaub" geht, wird es schon schlimm für ihn. Und dieser Zeitpunkt wird schneller kommen, als euch lieb ist.
Sowas hinterlässt Wunden bei einem Kind, wenn die Mutter einfach so verschwindet, ohne das Sicherheit besteht ob und wann sie wiederkommt.

Ggf. solltest ihr euch jetzt schon mal abstimmt, was ihr dem Kind sagt, wnen er anfängt nach seiner Mutter zu fragen und zu ihr zurück zu wollen. Vielleicht sollte deine Mutter da auch professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Hier auf die richtige Weise Klarheit zu schaffen, kann für das Kind schon Sicherheit bieten und damit einen Teil des Schadens von ihm abwenden.

Allerdings muss man sehen, wo man sich hinwendet. Niedergelassene Therapeuten, bzw. Familientherapeuten dürften der Schweigepflicht unterliegen, solange sie den Eindruck haben, dem Kind geht es den Umständen entsprechend gut. Wie es bei Beratungsstellen aussieht weiß ich nicht, ob die dann nicht doch das Jugendamt informieren.
amor fati


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hatschik
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Beitrag Di., 07.10.2014, 17:50

Genau darum mache ich mir auch Sorgen, da ich mir sicher bin, das er mehr mitbekommt als wir zunächst denken. Meine Mitbewohnerin ist glücklicherweise Kinder- und jugendtherapeutin, was insofern natürlich hilfreich ist, als dass sie uns für die erste Zeit Ratschläge geben kann. Das Problem ist aber, dass keiner von uns weiß wie lange das gehen wird. Sie könnte morgen wiederkommen, oder in zwei Wochen, oder... Man weiß es nicht und muss sich irgendwie arrangieren. Bei meiner Mama und auch bei mir ist er gut aufgehoben, aber wir sind ja beide nicht auf Dauer drauf eingestellt. Es ist die Ungewissheit und Hilflosigkeit der Situation gegenüber, die so schlimm sind...

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viciente
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Beitrag Di., 07.10.2014, 17:59

.. ja, vermutlich eines der allerschlimmsten gefühle .. hilflosigkeit und ohnmacht. bleibt (leider) nur, sich eisern auf die dinge zu konzentrieren, auf die man im augenblick tatsächlich einfluss hat statt auf das, was grad nicht geht (oder zumindest so erscheint).

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