Doppelleben wegen Heroinsucht?!

Dieser Bereich dient zum Austausch über Entzug, Entwöhnung und Therapie von substanzbezogenen Abhängigkeiten (wie Alkohol, Heroin, Psychedelische Drogen, Kokain, Nikotin, Cannabis, Zucker,..)
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Enny
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Doppelleben wegen Heroinsucht?!

Beitrag Do., 08.05.2008, 10:03

Hallo zusammen!
Schon lange ringe ich mit mir, denke über das geschehene nach und kann es nicht begreifen - vorallem, weil ich es nicht fassen / glauben kann, dass eine Droge (Heroin) einen Menschen so sehr verändern kann...
Vor knapp vier Jahren bin ich hergezogen, und recht schnell habe ich meinen Freund kennengelernt - das erste mal, dass ich mich wirklich eingelassen, und geliebt habe...Ich war zwar kein Kind von Traurigkeit, aber außer ein paar mal zum tanzen am WE bisschen schnelles ein "normales" Mädel... Er hingegen, dass habe ich alles erst später mitgekriegt, war in der Gegend sehr bekannt - jüngstes von 5 Kindern, Mutter verstarb als er 2 war, Vater war Quartalsalkoholiker, und ohne Grenzen und Regeln ist er recht schnell "auffällig" gewesen, als "Kleinkrimineller", Frauenheld etc.
Ich konnte das teilweise gar nicht glauben, wenn er von seiner Jugend erzählte, waren das so abnormale, krasse geschichten, er Erlebnisse und Taten, dass ich einerseits nicht glauben konnte, dass das der selbe ist, und gleichzeitig skeptisch war, ob jemand der so eine Vergangenheit hat, ein ganz normaler "Familienvater" werden kann... Aber wir hatten eine wunderschöne, innige Zeit und ich dachte wirklich, ich hätte ihm Werte vermittelt bzw. mit meiner Liebe ihm gezeigt, dass er jetzt seinen Platz und sein Zuhause gefunden hat... Er hatte irgendwann schon mal erzählt, dass er immer 1x im Jahr mit seinem Bruder (gescheiterte, verlebte, hoffnungslose existenz) ein Heroinwochenende einlegt - ich war total geschockt, er hat mir aber versprochen, dass damit Schluss ist, schließlich hat er noch die Chance auf eine schöne und glückliche Zukunft...
Da er schon viele Schulden hatte wegen seiner Selbstständigkeit musste er auf einmal immer öfter auf Montage und kam meist nur am WE. Er war schon anders, ich war nicht mehr richtig glücklich da er so "abwesend" und lieblos war, aber ich dachte, dass läge an der vielen Arbeit, und war sogar recht stolz...
Eines Sonntags waren wir frühstücken und von einer auf die andere Minute konnte er nicht mehr sprechen, sein Brötchen nicht schmieren und seine Motorik nicht mehr steuern - ich hab gleich gedacht, parkinson, schlaganfall etc., dann kam raus, dass er irgendwelche tabletten gegen den Entzug genommen hatte, meine Welt ist zusammen gebrochen und ich bin aus allen Wolken gefallen... ich habe mich schlau gemacht, ihm alles rausgesucht, hilfe angeboten, aber er hat alles runtergespielt, gesagt, dass er erst seit zwei wochen ab und zu was geschnupft hat.... irgendwann hat er das so gut abgewürgt, dass ich ihm glaubte. Etwas später kam er das WE nicht zu mir, wollte aber Samstag anrufen - bis montag kam kein lebenszeichen... er tischte mir eine geschichte auf, dass er sich koks mit auf die baustelle genommen hat und das war gestreckt, so dass er über´s WE im Krankenhaus war... ich wusste irgendwas stimmt ganz und gar nicht, aber er war ja nie greifbar und ich konnte mir keinen richtgen reim drauf machen...
Ziemlich genau ein Jahr nach dem ganzen, seit er auswärts gearbeitet hatte, habe ich herausgefunden, dass er nicht kilometerweit entfernt an unserer Zukunft gearbeitet hat, sonder in unserer Stadt war, eine Wohnung mit einem jungen, verkorksten, billigen, drogenabhängigen mädchen gemietet und da seiner Heroinsucht Tag für Tag nachgegangen ist - ausser am WE, wenn er denn bei mir war....
Ich kann jetzt hier nicht alles schreiben, aber ich habe schon sehr viel gekämpft, ertragen, gehofft, geglaubt.... ich bin hin und her gerissen, einerseits kann ich´s nicht vergessen und der schmerz ist immer da, andererseits ist er selbst auch nur noch ein schatten seiner selbst, weil er erst jetzt richtig merkt, was er uns angetan hat...
Er ist jetzt ins Ausland gegangen zum arbeiten und will mir beweisen, dass er der mann ein kann, für den ich ihn gehalten habe, damit es vielleicht irgendwann ein happy end gibt.
Kann diese Droge jemanden so zu einer Marionette machen und jegliche Versprechen, Gewissen, Liebe und Vertrauen ausblenden?

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Tante Käthe
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Beitrag Do., 08.05.2008, 19:25

Hi Enny,

bewegende Geschichte, echt verfilmenswert. Aber glaubst Du, dass er im Ausland ist????
Ich habe keine Ahnung von Drogen aber bin sehr sensibel geworden und ich kann mir nicht vorstellen, dass er in der Lage ist - so hört es sich an - alleine dagegen anzukämpfen. Du hast von Familie geschrieben, habt ihr Kind(er) gemeinsam?

Es hört sich echt nach Doppelleben an, aber wie man sieht, kann man es nicht dauerhaft ausleben. Ich weiß nicht, aber pass auf Dich auf, ganz ganz extrem.


Ich wünsch Dir viel Kraft Käthe
Es ist schwieriger eine vorgefasste Meinung zu zertrümmern als ein Atom
(Albert Einstein)

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Enny
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Beitrag Do., 08.05.2008, 21:39

Nach dem WE, als er wegen Überdosis im Krankenhaus war - zu mir sagte er ja, gestrecktes Koks - hab ich einfach gedacht, bohrst Du mal ein bisschen nach, denn obwohl ich für ihn wirklich die Hand in Feuer gehalten hätte, manche Dinge waren bei genauerem hinsehen doch merkwürdig. Er hatte ja immer für alles eine Erklärung, hat sogar einfach mal paar banale Geschichten zur Untermalung einfließen lassen, ich wäre wirklich nie auf die Idee gekommen, dass unsere ganze Beziehung nur noch ein Luftschloss ist.
Also von daher, ist nichts unmöglich - ich habe ein Jahr lang gedacht, wir sind gemeinsam einsam und kämpfen für unsere Zukunft....
Sommer 2006 hat es angefangen, dass er sich "verloren" hat - durch die falschen Leute und erdrückende Finanzielle Situation war er der Meinung im "Rotlicht" die einzige Chance zu haben aus den Schulden zu kommen.... Von jetzt auf gleich war mein Partner nicht mehr mein, sondern musste sich um ein anderes Mädel kümmern - ich kannte hier noch fast niemanden, wusste gar nicht wie mir geschieht, ich dachte unsere Bindung wäre hart wie kruppstahl... Es waren die schlimmsten vier Monate meines Lebens, denn i, alles war wichtiger, er hat mich versetzt, vertröstet, ausgeschlossen, weinend, flehend und allein zurück gelassen und war meilenweit entfernt.
Im Oktober dann, gab es einen Abend, da hatte ich das erste mal wieder das Gefühl "durchzukommen" und bei dem Gespräch wurde mir wieder mal bewußt, dass wir eigentlich keine Chance haben/hatten. Aber er hat dann voller Zuversicht gesagt, doch, wenn er weggehe, dann können wir es schaffen... Auf einmal hat er wieder neuen Lebensmut versprüht und auch kurz darauf das mit dem Mädchen beendet.... dachte ich.
Wir erlebten wirklich einen zweiten Frühling, und obwohl ich noch sehr verletzt und skeptisch war, da ich mir nicht erklären konnte, wie jemand so eiskalt sein kann, und dann wieder der Mann den ich so vermisste.
Voller Optimismus erzählte er über seine kommenden Aufträge, Ideen, wollte auch unbedingt mit mir richtig zusammen ziehen (hab aber gesagt, dass er dafür mal ein halbes Jahr skandalfrei auskommen müsste), sind durch die Schrebergärten und wollten uns ein Stück Idylle schaffen und er "hoffte" dass die Montagezeit bald vorbei ist und er öfter hier sein kann
Ja, und Stück für Stück habe ich dann selbst herausfinden müssen, dass er den sich dieses "Mädchen", wegen dem ich schon so viel Kummer hatte, die ganze Zeit für gemütlich Abende mit Heroin und Sex warmgehalten hat (er sagt, er kam da nicht mehr raus, er hat sich in sich "verlaufen")
Und da möchte ich wirklich gern mal wissen - drogensüchtig hin oder her, aber um so abgebrüht und selbstsüchtig zu handlen, kann doch nicht allein das die Begründung sein, oder???!!!
Das ist das, was es mir noch bisschen schwer macht, nicht zu wissen, wo ich es ablegen soll, ob es schon begründet ist, ihn teilweise so fertig zu machen damit auch er den schmerz spürt, oder großmütig sein und mir einzureden, dass es nicht wirklich mein Schatz war???
Und wenn ich das hier alles so lese - ist es überhaupt zu verantworten mit einem /ex-Heroinabhänigen eine Familie zu planen?

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win
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Beitrag Do., 08.05.2008, 22:50

Hallo,

ich habe mich vor ca. einem Jahr hier angemeldet, als mein Freund damals eine Therapie gemacht hat (Heroin) Ich hatte genau die gleichen Fragen wie du und war lange Zeit voller Hoffnung, Zuversicht. Ja ich war mir sogar sicher, dass er es schaffen wird, weil wir seit 4 JAhren ein normeles Leben geführt haben und ich das Gefühl hatte, er hat dieses "normale" Leben kennengelernt, er findet es schön, also braucht er sich nicht mehr den Kopf zuzuknallen (hat vorher schon 4 Jahre wegen Dealen usw gesessen)
Nach der erfolgreichen Therapie hat es 3 Monate gedauet und er ist wieder ruckfällig geworden, er hat
mich wieder angelogen und all das gemacht, was Menschen machen wenn sie abhängig sind
Ich habe mich nach wunderschönen 4 Jahren von ihm getrennt, weil ich diese Lügen, Geschichten, Entschuldigungen und Erklärungen einfach nicht mehr ertragen konnte. Und ich konnte nicht mehr damit leben, dass es zwei Menschen in einem Körper gab, claen war/ist er der wundervollste Mensch der Welt und auf Drogen das größte A.... dass über Leichen geht um an sein Zeug zu kommen
Er hat immer gesagt und sagt es auch heute noch, dass ich für ihn der wichtigste Mensch auf Erden bin und dass er micht mehr als alles andere auf dieser Welt liebt-und ich glaube ihm das- aber ich glaube auch dass eine Heroinabhängigkeit stärker ist, als manche sich eingestehen wollen
Das schlimmste für mich war/ist dass er,als er hier ausgezogen ist innerhalb von kurzester Zeit wieder ganz unten war und ich immer gegen das Gefühl ankämpfen muss, wenn du das alles nicht beendet hättest, wäre er jetzt nicht da wo er ist
Naja momentan ist er wieder mal im Subutexprogramm, möchte nochmal eine Therapie machen (wären dann seine 3) und ich wünsche ihm wirkliuch, dass er es schafft, aber ich habe keine Kraft mehr noch einmal diesen Weg mit ihm zu gehen, auch wenn es nur noch weh tut, jeden morgen ohne ihn aufstehen zu müssen...


Puhhh langer Text sorry hab jetzt mehr über mich geschrieben als ich wollte, aber einmal angefangen zu schreiben, gabs kein Ende mehr:-)
Was ich dir eigentlich sagen möchte, pass sehr gut auf dich auf , denn ich habe die Erfahrungt gemacht, dass jemand der Süchtig ist Dinge tut die wir nie verstehen werden können und die verdamt weh tun

Alles Lieben und viel Kraft wünsche ich dir

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Enny
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Beitrag Sa., 10.05.2008, 10:58

Vielen Dank für Deine Antwort.

Es hilft mir schon auch, einfach die Erfahrungen und Geschichten von anderen zu hören.
Erst seit ich in diesem Forum bin, habe ich einigermaßen ein Bild davon, wie sehr man sich wirklich durch die Sucht verändern kann.
In der Zeit, nachdem alles raus kam, und ich immer wieder fragte WARUM!!!???, und keine, mir ausreichend erscheinende Antwort gekriegt habe, war das so frustrierend... immer wieder sagte er, weil ich Heroinabhängig war... ich hab gedacht, der macht sich´s aber leicht, "nur" deswegen so skrupellos und berechnend zu handeln, die Droge kann doch nicht etwas aus einem Menschen machen, was er nicht schon irgendwo war...

Aber vielleicht habe ich ihm damit "unrecht getan", denn er war selbst sehr entsetzt von sich - aber was kann man denn schon glauben???

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