Innenpolitik und Außenpolitik würde ich an der Stelle nicht miteinander vermischen wollen, da es zwei verschiedene Baustellen sind. Wenn man damit anfängt, könnte man ebenso auf Assange verweisen, einen btw australischen Staatsbürger, der Kriegsverbrechen der USA publik gemacht hat und vermutlich nie wieder das Tageslicht sehen wird. In dem Fall manifestiert sich dasselbe Machtstreben. Juckt hier aber keinen, denn er wird nicht von den bösen Russen gejagt.
Eine Reduktion auf wirtschaftliche Interessen greift zu kurz, das Narrativ des bösen Putins aber ebenso. Ich finde es nur wichtig, die Interessen aller Konfliktparteien zu verstehen, um den Konflikt als ganzen, jenseits der Kriegspropaganda aller Seiten, verstehen zu können.
Da haben wir Russland, das definitiv eine multipolare Weltordnung anstrebt mit Russland als erneuter Supermacht und das eine weitere Osterweiterung der NATO nicht akzeptiert.
Wir haben die USA, die weder ein Interesse an einer multipolaren Weltordnung noch an einem engeren Zusammenrücken von Europa und Russland haben.
Wir haben eine gespaltene Ukraine mit pro-russischen Separatisten im Osten und einer pro-westlichen Ausrichtung im Rest des Landes, das momentan zum Spielball dieser divergierenden Interessen wird.
Wir haben außerdem die NATO, die in den letzten Jahrzehnten die Osterweiterungen gnadenlos durchgezogen und den Konflikt damit erst geschürt hat.
Die EU kann ich gerade gar nicht wirklich einordnen.
Korrigier mich gerne, wenn ich etwas vergessen, offen gelassen oder verzerrt dargestellt habe. Ich stecke thematisch auch nicht allzu sehr drin, das ist wie bei den meisten eher oberflächliches Halbwissen.
Nun würde sich Russland mittel- und langfristig selbst ins Bein schießen, wenn es die Ukraine überfällt. Chinas Reaktion darauf kann ich nicht abschätzen, aber ich denke, im Großen und Ganzen würde es sich damit international isolieren und auch die Sanktionen würden eine ohnehin schwächelnde russische Wirtschaft hart treffen. Dem Status Supermacht kommt es damit nicht näher. Und Putin ist vieles, aber er ist nicht doof, sondern handelt im Wesentlichen strategisch und ich denke schon, dass ihm das bewusst ist.
Hingegen würden die USA von einem Überfall profitieren, nicht nur in Bezug auf wirtschaftliche, sondern ebenso geopolitische Interessen. Das ist ein schwieriges diskursives Terrain, da in dem Zusammenhang auch sehr viel Blödsinn kursiert und geschrieben wird. Aber es sind eben auch historische Tatsachen, dass die USA schon mehr als einmal aus wirtschaftlichen Gründen einen Krieg angezettelt und dafür massiv gelogen und betrogen haben. Daher bin ich an der Stelle sehr skeptisch.
stern hat geschrieben: ↑So., 13.02.2022, 13:31 Die andere Seite ist die, dass D (noch) auch von Gas abhängig ist. Die durch Nordstream 2 noch größer wäre. Das ist ja auch eine Befürchtung der USA (abgesehen davon, dass die natürlich auch gerne Flüssig-Gas liefern würde, was deren Handelsbilanz gut täte).
Dazu noch kurz: Von wem Deutschland Gas bezieht, geht die USA nichts an. Das hat nicht deren Befürchtung zu sein.
Die Abhängigkeit vom Gas ist so oder so kein schöner Zustand. Unter klimapolitischen Gesichtspunkten ist auch Nord Stream 2 ein Irrweg. Allerdings muss man auch die Realität zur Kenntnis nehmen und die sieht so aus, dass wir noch nicht ohne externe Gaslieferungen können, auch wenn wir alles dafür tun sollten, diese Abhängigkeit so schnell wie möglich zu überwinden. Aber bis es soweit ist, gibt es im Grunde nur zwei Optionen: 1) russisches Gas oder 2) US-amerikanisches Fracking-Gas. Fracking ist noch schädlicher für die Umwelt, der Transport von den USA nach Europa noch aufwändiger, daher präferiere ich Option 1.
Es gibt in dem Kontext aber noch eine andere Frage, die mich beschäftigt, die ich nicht verstehe und die ich daher gerne hier stellen möchte: Warum ist es so unmöglich, einen Schritt näher auf Russland zuzugehen und die von russischer Seite geforderten Sicherheitsgarantien zu geben?