Will hier auch was los werden...

Manchen Menschen fällt es leichter, über ihre Gefühle und Gedanken zu schreiben oder zu malen, als sie auszusprechen. Hier ist Platz dafür: Bilder, Gedichte, Erfahrungsberichte und andere Texte (bitte nur eigene).
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Aditi
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Beitrag Mi., 23.02.2011, 13:57

leise hat geschrieben:nichts geht,
zur Zeit jedenfalls nicht,
und ich weiß nicht ob es überhaupt irgendwann geht.
liebe leise,

andreas salcher hat ein sehr interessantes buch geschrieben "der verletzte mensch". er fragt: was unterscheidet menschen, die an ihren wunden zerbrechen, von jenen, die sogar daran wachsen? wie können wir verhindern, dass die angst vor weiteren verletzungen unsere sehnsucht nach liebe erstickt?
und u.a. schreibt salcher:
"die resilientforschung zeigt, dass es um mehr als die anpassung an die schwierigen umstände geht, also nicht nur um das durchstehen und aushalten. menschen, die sich von ihren handicaps befreien können, entwicklen ihre stärken nicht trotz der widrigen umstände, sondern wegen dieser."

und in folgenden kapiteln:
"sieger interpretieren verletzungen anders als verlierer":
egal wie tief, egal wie oft, egal wie ungerecht sieger verletzt wurden, sie fühlen sich nicht als ohnmächtige opfer. sieger leiden sicher nicht weniger als verlierer, aber sie fühlen sich immer für ihr leben selbst verantwortlich.

"sieger richten ihre anstrengungen auf ihre natürlichen talente und nützen diese stärken für sich und andere"
sieger richten die kräfte, die sie antreiben, auf gebiete, wo sie natürliche begabungen haben undn verschwenden diese nicht auf andere bereiche.

"sieger geben ihrer verletzung sinn"
sieger schaffen es irgendwann, ihre verletzung zu akzeptieren und sie in ihre lebensgeschichte zu integrieren. das ist eine lebenslange aufgabe, das ist ein beschwerlicher weg, an dessen ende aber die versöhnung mit sich selbst und der welt steht.


du bist eine siegerin, liebe leise, mach es dir immer wieder bewusst!!!

aditi

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Aditi
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Beitrag Mi., 23.02.2011, 14:10

ich möchte noch ein paar gedanken aus diesem buch anfügen, weil ich bei mir auch diesen prozess festgestellt habe. im kapitel "die macht der vergebung" schreibt andreas salcher u.a.:

der gedanke an das, was man uns angetan hat, beherrscht unser denken, unser handeln und unsere gefühle. unser gehirn kann leider nicht unterscheiden, ob bestimmte gefühle gut oder schlecht für uns sind, es schüttet einfach zusätzlich botenstoffe aus, wann immer wir uns in den negativen fantasien verlieren, und das macht uns mit der zeit davon abhängig. wir werden süchtig nach unserem leiden, ohne es zu merken - ein ganz normaler chemischer vorgang.

aditi

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leise
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Beitrag Mi., 23.02.2011, 20:27

Liebe Aditi,

meine Thera wäre von deinen Worten begeistert.
Aditi hat geschrieben:wie können wir verhindern, dass die angst vor weiteren verletzungen unsere sehnsucht nach liebe erstickt?
Ich glaube das beschreibt meinen Zustand zur Zeit recht gut.

Ich weiß grad gar nicht mehr wohin mit mir.
einfach scheußlich


Es ist alles zu laut,
schon das leise Rauschen der Blätter im Wind.

Es ist alles zu grell,
schon das zarte, Gelb an der Zimmerwand.

Es ist verloren,
das kleine warme Licht, das in mir war.

Da ist nur noch ein unruhig flackerndes, schwaches, erbärmliches Lichtlein.

Kaum erhebt der Wind da draußen seine Stimme,
so wird aus dem ohnehin schon so unsicheren Flackern
ein hektisches, von Panik ergriffenes Auf und Ab, ein An und Aus,
ein Getöse bis zum erschöpften Zusammenbruch.

Doch auch in dieser stillen Endgültigkeit des Niederganges
liegt keine Ruhe, keine Erholung.

Lähmende Einsamkeit, beklemmende Machtlosigkeit, erstickender Schmerz
verhindern Erlösung aus dieser grenzenlosen Umarmung des Leids.

Warum haben Sie mir das angetan.

Aditi hat geschrieben:"sieger interpretieren verletzungen anders als verlierer"
Bin aber kein Sieger!
Hab bisher nur meine ausgeprägten Fluchtgedanken bezwungen.
...ähm, und das auch nur aus Feigheit.

Ich bin soooooo klein, ein Winzling!
Aditi hat geschrieben:wir werden süchtig nach unserem leiden, ohne es zu merken - ein ganz normaler chemischer vorgang.
Diesen Satz mag ich nicht. Wahrscheinlich weil er stimmt!
Ich krame nach einem letzten bischen Galgenhumor und sag es mal so:
Ich klammere mich nicht an mein Leiden, eher umgekehrt, das klammert sich an mich.


Ja, ja, ich weiß, ich denke falsch, ich fühle falsch, ich empfinde falsch.....

...an mir und in mir ist auch alles falsch.

bäh

leise
(die sich aber sehr freut, über deine klugen Nachdenkworte, die müssen aber erst ein Plätzchen in mir finden...)


Sch..... ich hab so Panik vor all dem was da grad auf mich zurumpelt!
Da ist nirgends mehr ein sicherer Ort!
Ich schaff das einfach nicht.

Sorry.

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leise
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Beitrag So., 27.02.2011, 10:03

Wozu noch?
Alles so unerträglich doch.



Mein so beschämendes Leben, nur noch an Thera hängt,
es tut mir so leid, wie sehr habe ich sie damit bedrängt.



Voll Traurigkeit ich am Dienstag zu ihr geh,
in mir tun Leid und Tod und Schrecken so unendlich weh.

Bringe so viel Kummer mit, wie nie zuvor,
all mein Schmerz quillt so unaufhaltsam hervor.

Meine Seele ist nur noch eine aufgerissene Wunde,
wie sehr fürchte ich ihr diese zu bringen in die Stunde.

Wie wenig ich doch leisten kann,
das sehe ich erst, seit ich mit der Arbeit fing an.



Ein paar Tage Arbeit erst liegen hinter mir,
und ich flüchte gedanklich ständig zu ihr.

Die Arbeit ist vielleicht nicht so schwer,
doch ich weiß zu wenig und das bedrückt mich sehr.

Eine Glaserei ist nun mein neues Firmen-Zuhaus,
die Scherben in mir drin reichen alleine wohl nicht aus.



Glas ist nun also meine Welt,
ein Material, schön und zerbrechlich, mir eigentlich gut gefällt.

Ein Mann kommt und möchte ein neues Glas in seiner Zimmertür,
ich notiere die Daten, muss mich verlassen auf mein Gespür.



Ich weiß nicht, was alles zu tun ist, für mich ist alles neu,
etwas Wichtiges zu vergessen, ich mich so vor allem scheu.

Es fehlt auch etwas, die Zustimmung, dass wir die Türe holen kommen,
die Chance dies zu klären, hab ich gar nicht bekommen.

Chef und Lehrbub fahren noch am selben Tag,
holen die Türe, ich hab das Gefühl, ich hab versagt.

Am nächsten Tag erfahr ich von der Kollegin,
es gibt Ärger, bei der Tür haut etwas nicht hin.



Ein Monteur braust los und holt die Türe zurück,
die Maserung läuft falsch, ich bin nicht schuld an diesem Unglück.

Wie wird der Chef lösen diese unangenehme Geschichte,
ich fürchte nicht gut, macht damit seinen guten Ruf zunichte.

Ich hege diesen Verdacht wohl nicht zu Unrecht,
es gibt einige Beschwerden, mir ist dabei ganz schlecht.



Die Geschäfte laufen nicht gut,
in so einer Firma zu arbeiten macht mir nicht gerade Mut.

Warum sucht die Firma in dieser Lage zusätzliches Personal?
Meine Kollegin tut so, als wär ihr alles egal.

Gesucht wird noch eine Ganztagskraft,
ich hoffe sehr, dass der Chef dies bald schafft.

Seit Freitag kenne ich nämlich den wahren Grund,
die Kollegin bekommt ein Baby, eh erst in drei Monaten, na und?



Drei Monate nur habe ich Zeit zu lernen wie man alles richtig macht,
ich fühle mich überrumpelt, an so etwas habe ich nicht gedacht.

Hoffentlich findet sich bald eine zweite Mitarbeiterin,
zu zweit das Büro zu schupfen, das bekommen wir vielleicht hin.

Ich bezweifle, dass der Chef mir eine große Hilfe ist,
er sich darum nicht kümmert, die Kollegin sein eigentliches Büro ist.

Das mag ich gar nicht,
sich um sein Büro zu kümmern wär seine Pflicht.



Auch hatte ich gehofft einen Chef zu haben,
der seine Arbeit so macht, dass es gibt nicht so viele Klagen.

Es herrscht überhaupt so ein schreckliches Zettel-Chaos in diesem Büro,
wenn ich da einmal durchblicke, dann bin ich herzlich froh.

Ich muss dort nicht bleiben wenn es mir nicht gefällt,
und hoffe doch so sehr, dass der erste schlechte Eindruck nicht hält.

So chaotisch sieht mein neues Firmen-Zuhause aus,
mir geht es dabei nicht gut, Angst und Panik brechen ständig in mir aus.

Die Arbeit verfolgt mich Tag und Nacht,
Albträume in denen ich nötige Berechnungen nicht habe zusammen gebracht.



So unsicher, so bange, so unaushaltbar fühlt er sich an, der neue Tag,
in mir ist diese grauenhaft Angst, dass ich heute wieder versag.

Ich fühle mich so zerbrechlich und klein,
und dann noch die Sache mit Thera und dem Gefühl, ich bin mit all diesem Mist völlig allein.



Ich weiß nicht mehr wie es weiter geht,
es fühlt sich an, als wäre es einfach zu spät,
mein sehnlicher Wunsch nach einem sicheren Ort scheint endgültig verweht.





leise

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Aditi
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Beitrag Mo., 28.02.2011, 18:58

leise hat geschrieben: mein sehnlicher Wunsch nach einem sicheren Ort scheint endgültig verweht.
liebe leise,

"den sicheren ort", den gibt es nicht da draussen, den gibt es nur in dir drinnen.
wenn es dir so schlecht geht, so bitte doch deine therapeutin um zusätzliche stunden. mach dir dieses geschenk.

mlg
aditi

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leise
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Beitrag Mo., 28.02.2011, 19:40

Ach Aditi,

dafür muss ich dir gleich um den Hals fallen.



leise

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Clara11
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Beitrag Mo., 28.02.2011, 20:58

Liebe Leise,

ganz praktisch, der sichere Ort, der noch nicht in Dir ist, kann der ein bißchen die Vorstellung sein, in der Praxis der Therapeutin auf Deinem dortigen Platz sein?

und das: "Mein so beschämendes Leben, nur noch an Thera hängt,". Sie ist Dein Strohhalm ja, aber Du läßt Dich auf sie ein, bringst die Kraft auf regelmäßig hinzugehen und Dich Dir zu stellen. Ich habe auch mal so an meiner Therapeutin gehangen, mich von Termin zu Termin gehangelt, mich damit selbst beruhigt, dass ich dann und dann wieder zu ihr kann, fühlte mich nur noch da sicher, war wie ein kleines Kind, aber das hat mich gerettet und war auch mit der mir damals irrwitzig erscheinenden Hoffnung verbunden, dass sie mir helfen kann mich aus dem Elend zu befreien. Dadurch, dass ich meine Tage danach eingeteilt habe, habe ich es Stück für Stück geschafft wieder vorwärts zu gehen. Da steckt m.M.n. auch sehr viel positives hinter.

Clara
Das Leben ist wie Salzwasser, je mehr man davon trinkt, je durstiger wird man.
Dagestanisches Sprichwort

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leise
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Beitrag Mo., 28.02.2011, 21:54

Danke Clara,

du hast mich so gut verstanden!
Clara11 hat geschrieben:der sichere Ort, der noch nicht in Dir ist, kann der ein bißchen die Vorstellung sein, in der Praxis der Therapeutin auf Deinem dortigen Platz sein?
Nur dort! Gedanklich flüchte ich allerdings immer unter ihr Pianino und dabei bin ich nur so groß wie eine Maus.
Clara11 hat geschrieben:bringst die Kraft auf regelmäßig hinzugehen
Es ist leichter zu ihr zu gehen, als es aushalten zu müssen, nicht zu ihr zu dürfen.
Das geht gar nicht!





Ich hoffe sie versteht das morgen! Es wäre so wichtig.
Es ist so schlimm zweifeln zu müssen, ob sie mich versteht.
Wenn nicht sie, wer denn dann?

Clara11 hat geschrieben:und Dich Dir zu stellen


...das könnte blöd ausgehen...

Clara11 hat geschrieben:Dadurch, dass ich meine Tage danach eingeteilt habe, habe ich es Stück für Stück geschafft wieder vorwärts zu gehen.
Ich wünschte ich könnte das auch.


leise

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leise
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Beitrag Mo., 28.02.2011, 22:00

...leise Gedanken vor der Stunde morgen...
(ist ein scheußliches "Gedicht" aber so sieht es leider in mir aus.....
ein Graus...)



Bitte Thera ich brauche Sie so sehr,
ich kann ohne Sie einfach nicht mehr.

Bitte, verschließen Sie mir nicht ihre Tür,
zeigen Sie, dass sie haben das richtige Gespür.

Dabei fürchte ich diese Stunde so sehr,
habe Angst Sie ganz zu verlieren und mich noch viel mehr.

Habe Angst Ihnen von dem Grauen zu erzählen,
von den vielen Gefühlen und Bildern, die so sehr quälen.

Am Schlimmsten: ich sehe vor mir ein so grauenhaftes und schreckliches Bild,
ein undefinierbares Etwas, fleischig und verwesend, der Tod aus ihm quillt.

Es sitzt in mir drin, dort wo es schön sein sollte,
es zittert und bebt, ich glaube, nur leben es wollte.

Doch etwas ist passiert und hat es fast tödlich verwundet,
zu einem Bild geworden ist der Schmerz, das ist, was es bekundet.

Ich ertrage es nicht, es erschreckt mich zu sehr,
werde seiner zerstörerischen Kraft nicht Herr.

Zu schwer ist die Wunde, zu tief verletzt die kleine schutzsuchende Seele,
sie schreit nur noch vor Schmerz:
„Bitte mach etwas, damit ich mich nicht mehr so quäle.“

Was ist das und warum ist das so beherrschend, so machtvoll, in mir drin,
was hat dieser lebendig gewordene Schmerzensschrei für einen Sinn.

Hilfe brauche ich ganz dringend, ganz, ganz schnell,
Sie brauche ich, Ihre Zuversicht und Ihre Stärke, es wird sonst nie wieder in mir hell.

Ich brauche Ihre Worte, so tröstlich, so stark: „ich bin da.“
Nur diese können verhindern, dass mir der Tod noch einmal ist so nah.

Will mich gar nicht mehr erinnern an diese schreckliche Nacht,
wie hilflos ausgeliefert war ich doch dieser entsetzlich mächtigen Kraft.

Nie, NIE wieder will ich erleben diese Verzweiflung, diese Angst,
dieses Gefühl allem schutzlos ausgeliefert zu sein, den Hass, weil du alleine nichts kannst.

Beinahe habe ich getötet das kleine, verzweifelte, innere Kind,
dessen Wünsche und Träume noch nicht einmal begonnen sind.

So darf, so kann das nicht mehr weiter gehen,
bitte Thera helfen sie mir, die Ängste des Kindes und meinen Selbsthass zu verstehen.

Und weil der innere Kummer gar so unerträglich ist,
leise sich bange mit einem Wunsch an den wendet, der stets die letzte Hoffnung ist.

Bitte lieber Gott, mach dass Thera mich nie, nie mehr lässt allein,
bewahre doch der kleinen leise dieses „bei Thera bin ich sicher“-Heim.


leise

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leise
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Beitrag Do., 03.03.2011, 05:08

Verloren…….

Ich stehe auf der Treppe in ihrem Stiegenhaus, im 3. Stock.
Die Stunde ist vorbei, ich muss wieder fort von ihr, fort von ihrer sanften warmen Stimme, ihrer Zuversicht, ihrer Fröhlichkeit. Ich kann nicht weiter, stehe einfach still auf der Treppe, verloren, ich sehe die Fenster in den Hof mit den Müllcontainern, ein Gedanke blitzt in mir auf, ich wische ihn weg, genauso wie die vielen Tränen. „Du hast dir etwas vorgenommen für nach der Stunde, also los, mach das jetzt, JETZT! Das andere ist Blödsinn.“ Die Sonne scheint, doch es ist alles so kalt und leer und schrecklich dreckig, so wie ich. Mir graust davor die Stiege weiter hinunter zu laufen, mir graust davor den kalten Gang zum Ausgang zu gehen, mir graust vor dem weißhaarigen Mann im blauen Arbeitsgewand, ich weiß er wird erneut seine Schubkarre so laut vor dem Sandhaufen vor dem Haus abstellen, dass mir wieder der Schreck in alle Glieder fährt.

Genauso erschreckend wie es war, als ich mich verkrochen habe in der Einfahrt neben dem Eingang, zitternd den Zeitpunkt abwartend um dann doch den Klingelknopf zu drücken und zu ihr hinauf zu eilen. Als ob nichts gewesen ist, werde ich freundlich lächelnd empfangen. Ich lande irgendwie auf meinem Platz, ich bin gar nicht richtig da, alles wirkt fremd und zugleich erdrückt mich der Raum, sie ist so weit weg, ich habe sie verloren, ich bin nur noch Tränen und Zittern.

Da sind keine Worte nur der ganze Schmerz, der Kummer, das sich ausgeliefert fühlen, und dieses „Warum haben Sie mir keinen Termin gegeben, Sie wollen mich hier nicht mehr und jetzt habe ich Sie mit meinen Worten verletzt, habe Sie verloren, endgültig, geschieht mir recht“ das so grauenhaft in mir tobt. Nur Tränen und Zittern und eine große Schachtel Taschentücher, die sie mir freundlich zuschiebt.

Ich klammere mich an diese freundliche Geste, verinnerliche sie geradezu und empfinde sie gleichzeitig als zu wenig, ich brauche Worte, Worte die mir sagen, warum das alles passiert ist, und dass sie mich verstehen kann. Ich bekomme sie nicht, verloren….. verloren….. alles

Der Job, die Kollegin, die so mit privaten Problemen voll ist, dass sie mich gar nicht einschulen kann, das Chaos dort, der Chef, der vom Aussehen her so erschreckend dem grauen Mann aus meinem Gartenbild ähnelt. Alles werfe ich Thera vor die Füße, ich bekomme gleich die ganze Schachtel mit Taschentüchern, und viel Verständnis und die dringende Aufforderung mit dem Chef zu reden. Ich muss es gleich sagen, dass das mit dem Einschulen nicht klappt, es fällt mir sonst später auf den Kopf.
Mein ganzes Gefühl nicht wirklich vorhanden zu sein verschwindet, da ist er wieder der Druck in meiner Brust, der Schmerz, die eiserne Umklammerung der Angst. Eine neue Flutwelle an Tränen schwappt das Thema „Job“ weg.

„Was ist mit Mutter?“
Tiefste Ratlosigkeit, unendliche Einsamkeit, schreckliche Traurigkeit.

Ablenkungsmanöver: „Ich habe ihr Buch, es ist grauenhaft.“
Sie muss lachen,“ Ja, das Buch ist wirklich keine leichte Kost, nicht gleich alles lesen, langsam.“

„Was ist mit Mutter?“
Mutter ist da, sehr freundlich, aber verstehen kann sie mich nicht.

„Was ist mir der Wohnung?“
unaushaltbar

„Was ist mit der Geige?“
Schlimm, die Angst kriecht bis in die Fingerspitzen, da geht auch nichts.
Ich will nicht mehr die 1. Stimme spielen, der Horror vom letzen Vorspielen sitzt mir noch in allen Knochen, ich flüchte jetzt mal zur Viola, da muss ich nicht mehr die 1.Geige sein.
Thera schaut mich verständnislos an.
Ich zerbreche noch mehr daran, warum versteht sie das nicht.Ist doch nicht so schwer, ich kann einfach nichts! Nicht mal Geige.

„Was ist mit den Bildern? Gibt es da neue?“
Nein, mir reicht was da ist, ich kann nicht ein einziges Neues mehr aushalten!
Ich erzähle von meinem Verdacht, das ich das nicht glauben kann, wir sind wieder bei verfälschten Bildern. bäh...


„Wie ist das mit Gefühlen, gibt es da welche dazu?“
Außer der aufsteigenden Panik bei dem Bild mit dem Gewitter, wo der Bruder ins Zimmer kommt, nein, nichts….
„Das ist aber merkwürdig“ Sie sieht mich sehr nachdenklich an.
Ich werde total unsicher, warum, was soll denn daran merkwürdig sein, ich will gar nichts fühlen, ich kann nicht!!! Und ich hab Angst, dass die Bilder wirklich sind.

„Zweifeln Sie an den Bildern?“
Hups!!!
Ähm, nicht wirklich, was da in mir ist, das muss echt sein, aber das ist so schlimm, das darf einfach nicht wahr sein, da…(ist etwas aber ich weiß nicht was)

Wie waren sie als Kind? Waren sie sehr traurig, ruhig?
In meinem Kopf nur Leere. Ich glaube nicht, ich sehe mich immer als sehr fröhlich, zumindest tagsüber, die große Angst und Verzweiflung kam sobald ich abends allein in meinem Zimmer sein musste.
Die Frage verwirrt mich, ich bin mir nicht sicher ob das stimmt, ich finde da nichts…

Ich bin so entmutigt, das wird heute nicht gut, ich hab verloren.
Jetzt ist es egal, ich muss doch fragen.
„Warum haben Sie mir keinen Termin gegeben.“
Und dann folgen Worte, wie „ihr neuer Job, da schien mir Trost wichtiger, es war keine böse Absicht von mir, es musste sein um sie aus dieser Abhängigkeit herauszubekommen.

Ich erschrecke. "Ich weiß doch, dass Sie das nicht in böser Absicht gesagt haben."

Mit einem Schlag ist mir bewusst, wie sehr ich sie mit meinen Worten getroffen haben muss.
Wie konnte ich nur, wie konnte ich nur, ich habe alles zerstört!


Sie: "Es ist das gleiche Spielchen wie bei ihrer Mutter. Lass mich nicht allein!“
Ihre Worte treffen mich erneut mit solcher Wucht,
nur zu, noch mehr von meiner Schlechtigkeit oben drauf packen, ich hab das verdient.

Ein Spielchen, ein Spielchen……
Ich habe keinen Boden mehr unter mir.
Es ist kein Spielchen, es ist KEIN Spielchen!

Es stimmt ich bin von ihnen abhängig.

Ich dachte ich darf mich bei Ihnen anklammern, wenigstens einmal im Monat mich bei Ihnen verkriechen, vor all dem was so schrecklich ist.

Doch nein, ich darf das nicht, auch das nicht.

Ende der Stunde, sie fragen ganz freundlich: „Sie melden sich wieder?
Ich ersticke fast an dieser Frage.

Ich versuche zu nicken, versuche diese entsetzliche Mauer eines unüberbrückbaren Schuldgefühls zu überwinden und versinke im Morast der totalen Verzweiflung.
Ich muss doch wieder kommen, wie soll ich es anders auch nur noch einen Tag aushalten.

Ein freundlicher, aufmunternder Händedruck, ein ebensolcher Blick und draußen bin ich wieder, im kalten grauen Stiegenhaus, auf der Treppe, ich kann nicht weiter, ich habe verloren... verloren... alles...

Für diesen Tag war es gut, dass ich mir noch vorgenommen hatte die Viola zu holen. Ein Zeitraum von drei Monaten, eine Verpflichtung die ich einhalten muss, eine Viola, sie wird meine Fluchtgedanken stoppen.


leise

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Mirjam
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Beitrag Sa., 05.03.2011, 07:44

Liebe leise,

ich les hier immer wieder mit, finde, Du kannst sehr schön, treffend und nachvollziehbar ausdrücken, was da in Dir ist - das ist eine schöne Gabe.

Wies Dir jetzt grad geht, Deinen letzten Beitrag, finde ich sehr schmerzlich und kann ich gut nachvollziehen, ich kenn das so ähnlich auch von mir, solche Stimmungen, Strudel und Abgründe. Mehr kann man dazu eh nicht sagen - ich wünsch Dir jedenfalls, dass das bald wieder vorbei geht und auch wieder ein wenig Sonnenschein vorbei kommt bei Dir, innerlich.

Erhol Dich ein bisserl von der anstrengenden Arbeit am WE! (Leider gehts in 90% aller Firmen so zu wie in Deiner, fürchte ich, da kann man nur auf den Gewöhnungseffekt hoffen...)

lg
Mirjam
Sieh dich nicht um.
Schnür deinen Schuh.
Jag die Hunde zurück.
Wirf die Fische ins Meer.
Lösch die Lupinen!
Es kommen härtere Tage.

(I.Bachmann)

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leise
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Beitrag Mi., 16.03.2011, 21:00

[video][/video]

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ENA
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Beitrag Mi., 16.03.2011, 21:03

Bleib da, leise! Ja?

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leise
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Beitrag Mi., 16.03.2011, 21:23

ENA ????

ENA hat geschrieben:Bleib da, leise!
keine Sorge

Das Video passt nur gerade, da ist ein neues Bild in mir.

Wenn ich Glück habe dann ist es wieder so ein "false memory" Fall.

Einen lieben Gruß
schickt dir

leise

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ENA
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Beitrag Mi., 16.03.2011, 21:36

Achso!!!

Na dann,....was soll ich sagen....: Viel Erfolg? (Mit der false memory? ).

Wünsche Dir eine angenehm ruhige Nacht!

ENA!

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