Das Leben ist hart - und ich bin härter, doch...

Alle Themen, die in keines der obigen Foren zum Thema "Psychische Leiden und Beschwerden" passen.
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Amazönchen
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Das Leben ist hart - und ich bin härter, doch...

Beitrag Do., 03.03.2011, 10:07

Hallo,

ein spontaner Entschluss, mich hier anzumelden. Und eigentlich fast absurd, denn ich - gehe auf die 40 zu, kinderlos, feste Beziehung, eigentlich Akademikerin, doch zurzeit "nur" Teilzeitjob, Pflege der demenzkranken Mutter - gehöre nach meiner eigenen Einschätzung inzwischen eher zu der seelisch stabileren Hälfte der Menschen um mich herum.

Das war nicht immer so, meine Teenager- und Twenjahre habe ich genutzt, um mal alles an Psychokisten ein bisschen mitzunehmen, von Essstörungen über SVV und zu viel Alkohol bis zu vielen depressiven und ein paar manische Phasen. Trotzdem erfolgreich studiert, promoviert.

Vor 2-3 Jahren prägten mich vor allem lähmende Unsicherheit und soziale Ängste, und beruflich wie auch kreativ ging gar nichts und ich war auch recht übergewichtig.

Inzwischen mache ich einen Teilzeitjob von zu Hause aus, habe auch im künstlerischen Bereich einen ersten Erfolg erzielt, und kümmere mich zusammen mit meinem Partner um meine pflegebedürftige Mutter. Ich lebe viel gesünder, trinke nur noch maßvoll Alkohol, bewege mich mehr, habe wieder Normalgewicht und bin generell sehr "patent". Meine Stimmungsschwankungen halten sich in Grenzen, ich bin sogar ohne Johanniskraut über den Winter gekommen.

Und trotzdem. "Fröhlich und unbeschwert" sieht anders aus. Wegen meiner Mutter und ihrer Pflege und einem ständigen Kampf mit Pflegekassen usw. um jeden Pfennig, meiner Gesundheit (habe immer wieder massive Zahnprobleme trotz dauernder Behandlungen), unserem niedrigen Einkommen, meinem Job, wo ich zwar wenig verdiene, aber viel Verantwortung habe - wegen allem mache ich mir Sorgen. Immerzu. Ununterbrochen.

Ich kann kaum abschalten.

Zwar bemühe ich mich - recht erfolgreich - mit Achtsamkeitstraining und Bewegung, mit vielen freundschaftlichen Kontakten, der Pflege meiner sehr positiven Liebesbeziehung und - last but not least - gesundem Essen meinen Alltag zu verschönern und aufzuwerten, aber ich habe das Gefühl, es ist einfach zu viel auf Dauer. Ich befürchte, so eine dieser Frauen zu werden, die immer griesgrämig gucken, weil die "böse Welt" ihnen zu viel aufbürdet (Pflege) und ihnen zu wenig dafür gibt (Geld, abgemessener Job usw.).

Ich bemühe mich so weit es geht um praktische Hilfen v.a. bei der Pflege, aber ich merke, das das ständige Sorgen etwas ist, was nicht nur an den etwas kantigen Umständen liegt, sondern an der Art, wie ich Probleme (über-)bewerte und es mir schwer fällt, Dinge locker(er) zu sehen.

Aber ich will einfach mal wieder etwas mehr, als "durchzuhalten". Und ich weiß gerade nicht, wie ich es bekommen soll.

Liebe Grüße
das Amazönchen

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wichtel
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Beitrag Do., 03.03.2011, 10:36

Erstmal herzlich willkommen im Forum.
Einige von uns haben ähnliche Probleme wie Du. Ich würde das mal als chronische Überlastung bezeichnen.
Wir alle versuchen, das Problem individuell in den Griff zu kriegen, ich glaube aber, es ist ein kollektives:
http://www.zeit.de/2010/28/Arbeitswelt-Burnout
Das bedeutet:
a) Keiner von uns braucht sich persönlich schuldig zu fühlen dafür, dass er dieses Problem hat.
b) Keinem von uns wird es leicht fallen, es zu lösen.
In grauer Vorzeit kannte man für sowas noch den Begriff "strukturelle Gewalt"...
Wichtel
(der jetzt wieder zurück an die Front geht...)

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Amazönchen
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Beitrag Fr., 04.03.2011, 08:47

Lieber Wichtel,

danke!

Bei Burn-Out denkt ja jeder an den gestressten Manager... dabei würde ich auch lieber für 10 000€ im Monat Management machen (zumidnest einen Monat lang ) als für 100 € 24Stunden-Haushaltshilfe zu machen.

Ich weiß auch gar nciht, ob ich hier richtig bin. Ich fühle mich nicht krank - eher so, als wäre ich sehr verständlicherweise erschöpft.

Amazönchen

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Innere_Freiheit
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Beitrag Fr., 04.03.2011, 10:19

Hallo Amazönchen,

mir sticht dein Thread-Titel sehr stark ins Auge.

Vielleicht wäre es gut, zwar äußerlich dasselbe zu tun wie bisher,
aber innerlich nicht härter als das Leben sein zu wollen,
sondern ganz lebendig mit dem Leben zu fließen.

(Aber wie du mit dem Leben und mit dir selbst umgehen magst, kannst natürlich nur du selbst entscheiden.)

Innere Freiheit
Das was ich ablehne, bleibt an mir kleben!

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Amazönchen
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Beitrag Fr., 04.03.2011, 10:29

Innere_Freiheit hat geschrieben: Vielleicht wäre es gut, zwar äußerlich dasselbe zu tun wie bisher,
aber innerlich nicht härter als das Leben sein zu wollen,
sondern ganz lebendig mit dem Leben zu fließen.
Hallo,

ich gebe dir vollkommen recht - ich weiß auch, dass das besser ist - aber es ist schwer, sehr schwer, sich locker zu machen, wenn man gefühltermaßen sehr unter Druck steht. Sei locker ist fast dann als Befehl an sich selbst so schlimm wie - sei spontan, denke nicht an rosa Elefanten...

Amazönchen

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Innere_Freiheit
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Beitrag Fr., 04.03.2011, 11:38

Hallo nochmals,

naja, für mich kommt es immer sehr stark darauf an, worauf ich mich innerlich ausrichte.

Wenn ich der Meinung bin, 'härter als das Leben zu sein und gegen das Leben und Andere kämpfen zu müssen' dann wird mein Leben anders verlaufen -
wie wenn ich schaue: 'wie ich äußerlich und innerlich mit dem Fluss des Lebens fließen kann - und trotzdem meine Sachen gebacken kriege!'

Bei dem was ich schreibe geht es also um die zunächst mal nur um die "innerliche Ausrichtung", die das Leben vielleicht einfacher machen könnte......


Soweit die 2 Cents, die ich zu diesem Thema beitragen kann.

Einen lieben Gruß

Innere Freiheit
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Beitrag Fr., 04.03.2011, 12:04

Hallo innere Freiheit,

Sei mir nicht böse, aber den Hinweis "du musst einfach deine Einstellung ändern und alle lockerer sehen und fließen" finde ich nicht hilfreich, wenn es mein Problem ist, dass ich eben das zurzeit nicht schaffe.

Das ist so, als würde man zu der Anorektikerin sagen "dann iss halt mehr!"... oder zum Depressiven "dann denk halt an was Schönes"...

Amazönchen

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Innere_Freiheit
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Beitrag Fr., 04.03.2011, 12:29

Hallo Amazönchen,

so wie du meine Aussagen aufgreifst, bekommen sie eine ganz andere Schwingung ... als meine Aussagen, so wie ich sie gemeint habe.

Ich wollte jetzt versuchen, es nochmals anders und ausführlicher darstellen, doch ich habe den Text wieder gelöscht, weil ich glaube, dass wir noch ewig hin- und herschreiben könnten, ohne dass ich es wirklich rüberbringen kann.
Amazönchen hat geschrieben:Das ist so, als würde man zu der Anorektikerin sagen "dann iss halt mehr!"... oder zum Depressiven "dann denk halt an was Schönes"...
Beide Aussagen würde ich ganz bestimmt nie sagen, eher das Gegenteil.

Innere Freiheit

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Ratlosigkeit
[nicht mehr wegzudenken]
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Beitrag Fr., 25.03.2011, 08:39

hallo amazönchen,
ich sehe in dir eine Leidensgenossin.
Bin auch gerade an einem Punkt, wo mir alles zu viel wird. Und was mich so richtig wütend macht, sind folgende Aussagen aus meinem Umfeld:

1) "So gehts doch allen! Und mir selber erst...." Es folgt eine Aufzählung von ganz schrecklichen Problemen meines Gegenübers, und dann fühle ich mich direkt schuldig, weil ich meine alltäglichen Sorgen so "überbewerte" und die Menschheit damit belästige.

2) "Das ist doch eh kein Problem!" Und es folgt eine Aufzählung völlig banaler Ratschläge, die ich nicht brauchen kann, immer mit dem Unterton "was bist Du blöd und unfähig, ich (normaler Mensch) krieg alles super hin"

3) "Die Welt ist so schlecht! Lass uns gemeinsam darüber weinen, ich schicke Dir noch ein paar Links zu Leuten, die das auch sagen." Ja, gut. UND?

4) "Du mußt an Dir selbst arbeiten! Bist Du in Therapie?" Ja klar, ich lasse mich therapieren und dann ist die Welt automatisch in Ordnung. Danke, das ist zuviel Verantwortung für mich allein.


Wenn man es zusammenfasst, sieht man erst, wie absurd das Ganze ist. Und trotzdem regt es einen auf.
Alles ist gut, wenn es aus Schokolade ist.

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today
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Beitrag Fr., 25.03.2011, 14:59

Vielleicht ist dir so ein grundsätzliches Freiheitsgefühl abhanden gekommen:
Mal einfach ziellos den Tag vergammeln, völlig planlos sein, einfach nur sein ...
Das ist schwer und extrem kräftezehrend, sich ständig nach jemandem Hilfsbedürftigen richten zu müssen und auch noch ohne jede Ahnung, für wie lange. 24-Stunden-Job ohne jede Aussicht auf Besserung. Selbst wenn man sich Hilfe holt, man bleibt ja trotzdem für alles verantwortlich.

Tja. Ich habe keinen wirklichen Rat.
Vielleicht: Such dir wenigstens Erholungsinseln, vielleicht wär auch was so Entspannungsmethoden zu lernen, bei denen man sich innerhalb kürzester Zeit völlig rausbeamen aus dem Alltag lernt.
Vielleicht gibts ja doch noch irgendwie die Möglichkeit, die Mutter in der Tagespflege unterzubringen, macht eine Arbeitskollegin von mir, weiß aber nicht, was das kostet.

Das Leben ist für den einen mehr, für den anderen weniger hart und so ist das eben, kann keiner ändern.
Das ändert aber nichts daran, dass wir darin erschöpfbare menschen sind, irgendwann nicht mehr können.
Hör nicht denen zu, denen es nicht so geht, sondern such dir solche, die in einer ähnlichen Lage sind, mit den selben Problemen kämpfen. Ich glaube, das ist der beste Ort, um sich qualifizierten Rat zu holen.

Alles Gute dir und meine Hochachtung dafür, wie sehr du kämpfst.
und tschüss, das ist mir zu viel wortzensur hier

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