Der Moment

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

Gast
[nicht mehr wegzudenken]
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Beitrag Mo., 20.06.2011, 23:45

Anastasius hat geschrieben: Wie ich vermute, hast du nicht einmal nachgefragt, was sie mit ihrer vieldeutigen Bemerkung denn meinte. Ob sie irgendwo im stillen Kämmerlein vielleicht eher oder das eine sein wollte.
Stimmt, ich hab' nicht nachgefragt. Ich ärgere mich häufig über mich, nicht gleich nachgefragt zu haben. Manchmal mach' ich's dann in der nächsten Stunde noch.
Anastasius hat geschrieben:
Sir hat geschrieben:Fehlt hier nicht ein 'nicht'?
Solche Formulierungen machen mich immer ganz wirr im Kopf, wenn statt ein "nicht" "nicht ein ´nicht`" fehlt.

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Medea
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Beiträge: 410

Beitrag Di., 21.06.2011, 06:52

Hallo Anastasius!

Ja, diese Momente kenne ich. Wobei ich mir beim ersten Moment, also wenn ich von meiner Rolle "alltagsmedea" in " klientmedea" eher schwer tue.
Ich brauche recht lang um zu meinen Gefühlen zu kommen und wirklich für mich zu sprechen.
Bis dahin ist es mir recht unangenehm.
Aber wenn ich dann die Rolle gewechselt habe, geht's mir gut.

Am Ende kann ich wie auf Knopfdruck den Schalter umlegen. Sobald ich meine Geldtasche raushole und wir den nächsten Termin vereinbaren, ich bezahle - da bin ich Kundin wie beim Bäcker oder an der kinokasse...

Manchmal gibt er mir dann noch was mit auf den weg. Das nehme ich dann ganz anders wahr als in der Klienten Rolle.

Naja, ist ganz fein so. Ich mag beide rollen.

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TimpeTe
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Beiträge: 467

Beitrag Di., 21.06.2011, 07:10

Hallo Anastasius

Die Qualität dieses "Moment's" kann sich im Laufe einer Therapie auch verändern. Anfänglich war bei mir das Begrüssungsritual / Abschiedsritual etc. immer ähnlich -freundlich, fast liebevoll zu nennen - aber distanziert.

Heute werde ich mit den Worten :" wottsch än Kaffi" (möchtest du einen Kaffe)?" begrüsst. Wir reden "auf Augenhöhe" und es ist nicht so, dass dadurch die Therapie nicht mehr greifen würde- im Gegenteil.

Was geblieben ist- "der Moment" - wenn ich nach der Therapiestunde auf die Strasse trete und mich der Stadtlärm wieder "hat" - dann habe ich das Gefühl aus einer kurzen Zeit der Zeitlosigkeit zurückzukehren.

Dieses Gefühl ist geblieben - während all dieser vielen Jahre...

glG. TimpeTe
Wenn wir bedenken, dass wir alle verrückt sind, ist das Leben erklärt. (Mark Twain 1835-1910)

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Medea
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Beiträge: 410

Beitrag Di., 21.06.2011, 07:16

Timpete,

Schön gesagt, da wird's mir ganz warm ums Herz...

Und ja, die Rückkehr in die Stadt vom therapieraum aus ist wie eine Zeitreise.

Was für eine Therapie machst du? Ich Krieg immer nur Wasser! Ich glaub ich muss wehseln

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Sahra-Marie
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Beiträge: 347

Beitrag Di., 21.06.2011, 08:04

ohja , einiges kenne ich auch , nur , bei mir fängt die veränderung zur patientin schon unten im hausflur an wenn ich hingehe und ändert sich erst dann wenn ich die treppe nach der stunde wieder runter gehe - draussen im reallife bin ich dann wieder fr.xxx und muss im auto erst mal eine rauchen
danach kann ich im alltag weiter machen ....

grüsse sahra-marie

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NoWomanNoCry
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Beiträge: 31

Beitrag Di., 21.06.2011, 09:51

Sahra-Marie hat geschrieben:ohja , einiges kenne ich auch , nur , bei mir fängt die veränderung zur patientin schon unten im hausflur an wenn ich hingehe und ändert sich erst dann wenn ich die treppe nach der stunde wieder runter gehe - draussen im reallife bin ich dann wieder fr.xxx und muss im auto erst mal eine rauchen
danach kann ich im alltag weiter machen ....

grüsse sahra-marie
So ungefähr spielt sich das auch bei mir ab. So einen besonderen Moment gibts bei mir wieder vorher noch nachher, auch wenns bei uns das übliche wie bei den meisten anderen gibt, mit reinkommen, begrüßen und am Ende ausklingen lassen und verabschieden. Ich komm mir jeweils vorher und nachher aber trotzdem schon/noch wie die Patientin vor. Und das klingt dann langsam auf dem Nachhauseweg ab. Spätestens bei der post-therapeutischen Zigarette bin ich dann wieder angekommen

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Erdbeermütze
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Beiträge: 257

Beitrag Di., 21.06.2011, 14:33

Hallo,

wenn er mir die Tür öffnet, gibt er mir die Hand und sagt "Hallo" und ich sage "Guten Morgen" (also mehr Distanz von mir). Gehe dann schnell ins Zimmer, warte dann bis er kommt und wärend er sich hinsetzt lege ich mich hin, kein Wort bis dahin bis ich irgendetwas sage. Dann schalte ich um. Oder jemand anderes macht mir die Tür offen dann fällt Hand geben, Hallo und Guten Morgen weg. Wenn die Stunde zu ende ist, steht er auf und geht ohne irgendwelchen Abschiedsfloskeln, wünsche, handgeben usw. In dem Moment wo er aufsteht, schalte ich um. Einmal hat er nochmal an der Tür was unpassendes gesagt und ich konnte mich nicht mehr wehren, weil ich schon umgeschaltet habe. Wenn ich aus der Praxis raus bin, bin ich wie ein Roboter, ich will einfach nur weg. Setzte mich in mein Auto und fahre erstmal Richtung Arbeit, dann halte ich am Straßenrand an und schreibe mein Theratagebuch. Ich könnte das aber nie bevor ich losfahre, bin dann wie geteuert. Wollte mir auch mal anschließend was im Laden an der Ecke der Praxis, was ich umbedingt brauchte, kaufen, nichts zu machen, nehme nichts mehr war.

GLG
Erdbeermütze

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Dunkle
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Beiträge: 839

Beitrag Di., 21.06.2011, 15:37

Erdbeermütze hat geschrieben:Wenn die Stunde zu ende ist, steht er auf und geht ohne irgendwelchen Abschiedsfloskeln, wünsche, handgeben usw.
Nein! Noch ne distanziertere Variante!
Mensch, Erdbeermütze, wie gehts Dir dann da?
Erdbeermütze hat geschrieben:In dem Moment wo er aufsteht, schalte ich um.
Ja, so ist es. Schalter umlegen. Und dass man das einfach so lernt und kann, das erstaunte mich auch immer wieder. Auch danach war ich noch eine Weile wie "wattiert".

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Erdbeermütze
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Beiträge: 257

Beitrag Di., 21.06.2011, 17:43

Dunkle hat geschrieben:
Erdbeermütze hat geschrieben:Wenn die Stunde zu ende ist, steht er auf und geht ohne irgendwelchen Abschiedsfloskeln, wünsche, handgeben usw.
Nein! Noch ne distanziertere Variante!
Mensch, Erdbeermütze, wie gehts Dir dann da?
Am Anfang fand ich es auch sehr befremdlich und komisch, alleingelassen irgendwie, war auch sehr irretiert darüber. Mittlerweile ist es halt normal. Hat sein für und wieder. Auf der einen Seite brauche ich ihn wenigsten nicht mehr in den Augen schauen, keinen Körperkontakt zulassen müssen und auf der anderen Seite fehlt doch was, auch das Menschliche, Smaltalk (also bezogen auf Abschied). Auf der einen Seite brauche ich die Distanz und auf der anderen Seite verfluche ich sie. Durch seine Distanz werde ich mich immer nur unwichtig und störend fühlen aber nähe lasse ich auch nicht zu. Der Rest wäre hier jetzt zu OT.

GLG
Erdbeermütze

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kleines2010
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Beiträge: 109

Beitrag Di., 21.06.2011, 18:12

Hallo, also bei mir ist's so, das ich meistens nach der Sitzung zu tun habe mich wieder zu finden und oft nichts groß wahr nehme, wie ferngesteuert so zu sagen oder weggetriftet. Der Abschied ist ganz normal, sie sagt " Auf wieder sehen, Frau...." und ich wünsche ihr ein schönes Wochenende zu dem.
Gehe meist wie ein Roboter durch die Tür, nach unten und muss dann immer erstmal eine rauchen und wieder zu mir finden.

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Thread-EröffnerIn
Gast
[nicht mehr wegzudenken]
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Beiträge: 2049

Beitrag Mi., 22.06.2011, 00:14

Hallo TimpeTe,
TimpeTe hat geschrieben:Wir reden "auf Augenhöhe" und es ist nicht so, dass dadurch die Therapie nicht mehr greifen würde- im Gegenteil.
So ähnlich kenne ich das auch. Ich würde auch sagen, BEIDES ist irgendwie stimmiger und auch müheloser, leichter geworden.

Gruß
Anastasius

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beitingon
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Beiträge: 71

Beitrag Sa., 25.06.2011, 00:49

Unser Abschied ist meistens recht neutral ("ein schoenes Wochenende" und "vielen Dank"). Mir geht es so aehnlich wie Kleines2010 "bei mir ist's so, das ich meistens nach der Sitzung zu tun habe mich wieder zu finden und oft nichts groß wahr nehme, wie ferngesteuert so zu sagen oder weggetriftet."
Wenn in der Stunde etwas Tiefes oder Neues oder sonst irgendwie Einschneidendes oder auch nur ein kleiner Fortschritt vorkam, dann weiss sie (aus Erfahrung), dass ich eine kleine Warnung brauche, dass die Stunde nun fast vorbei ist. Sie sagt dann, "Du, wir haben nur noch ca. 5 Minuten, wie sollen wir abschliessen? Ich moechte nur sicherstellen, dass das Ende der session Dich nicht ueberrumpelt." Das gibt mir dann die Kontrolle, das Thema fuer die Stunde abzuschliessen, oder vielleicht den Hinweis zu geben, "naechstes Mal mehr dazu."

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today
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Beiträge: 428

Beitrag Sa., 25.06.2011, 06:22

Mir gehts danach, wie wenn ich aus dem Kino komme, ich hänge noch zwei-drei-vier Stunden lang "drin" im Film, wie eingetaucht darin und langsam wieder auftauchend sozusagen. Und ulkig ist, dass, wenn das Gefühl, welches ich dort wie getankt habe, heitere Freundlichkeit und Zuwendung ist, ich dieses irgendwie nach Außen abgeben muss, also wie weiterreichen an andere. Das fühlt sich wie sich ausgießen an, weil man überläuft. Und dann denke ich, ich würde einen Teil davon gern behalten, also nicht alles weiterreichen, sondern in mir konservieren.
und tschüss, das ist mir zu viel wortzensur hier

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