Diagnostik, Diagnose und passende Therapie

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Scars
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Beitrag So., 17.09.2023, 22:25

lisbeth hat geschrieben: So., 17.09.2023, 15:51 Das mit den anderen Therapien verstehe ich auch nicht so richtig. Ist ja nicht so, dass man erst mit einer "offiziellen" Traumadiagnose bei PTs mit Traumafortbildung aufgenommen wird.
Wir scheinen sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht zu haben. Ich war schon in Beratungszentren für Trauma für mich selbst + als Angehörige und bei Therapeuten zum Vorgespräch und da lief gar nix ohne konkrete Diagnose, einen „triftigen Verdacht“ oder Aussagen zu traumatischen Ereignissen.

Mit offiziell meine ich eine offizielle Diagnose…?!

Vielleicht bin ich da gerade auch an einem Punkt in meinem Leben, wo es wirklich keine Rolle spielt, weil ich mit Therapie und co. nichts mehr zu tun haben will. Ich bin ja soweit stabil nur unzufrieden mit mir selbst und meinem Dasein in der Welt und suche dafür halt einen Ansatzpunkt.
chrysokoll hat geschrieben: So., 17.09.2023, 16:00 Und ich hadere mit mir und mit Therapeuten und mit dem "Schicksal", dass alles so spät erkannt wurde. Mein Leben hätte anders laufen können. Es hilft nichts, aber oft ist dieser Gedanke auch da.
Das glaube ich, das ist echt blöd gelaufen. Du wirst ja nicht die einzige sein, bei der es so lange übersehen wurde, liest man ja hier schon. Da fragt man sich wirklich, wie sowas passieren kann, wie vielen Menschen es einfach besser gehen könnte, wenn es mehr Kompetenzen in dem Bereich gäbe. Das macht mich echt sauer :kopfschuettel:
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candle.
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Beitrag Mo., 18.09.2023, 09:35

Scars hat geschrieben: So., 17.09.2023, 22:25 Wir scheinen sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht zu haben. Ich war schon in Beratungszentren für Trauma für mich selbst + als Angehörige und bei Therapeuten zum Vorgespräch und da lief gar nix ohne konkrete Diagnose, einen „triftigen Verdacht“ oder Aussagen zu traumatischen Ereignissen.
Ich kann mir das gar nicht so richtig vorstellen, weil ich ja nun schon eine "Traumatherapie" gemacht habe und da habe ich nicht so an eine Diagnose gedacht. Das war wohl auch Zufall damals an so einen Therapeuten gekommen zu sein.
Jedenfalls lese ich bei dir viel Frust heraus und irgendwie auch, dass es dir kaum "recht zu machen ist".
Und eine "offizielle Diagnose" habe ich auch völlig falsch verstanden. Ich dachte dir ginge es um eine Schadensersatzleistung. Das ist wohl möglich bei allem was juristisch verhandelt wurde. Bei mir als Kind im stinknormalen Haushalt gibt es so keine Anerkennung, was mich auch lange sehr belastet hat. Da versagt der Staat ja heute noch irgendwie, wenn es um den Kinderschutz geht.
Die andere Anerkennung ist dann vielleicht noch der GdB, den man ja mittlerweile steuerlich geltend machen kann, das gab es früher so nicht für niedrige GdB's.

Mich frustriert es eher, dass es dann doch wieder eher um Geld geht als um Hilfe. Gut, Hilfe kann ich mir definitiv nicht einkaufen, da bin ich von der Krankenkasse abhängig.
Vielleicht bin ich da gerade auch an einem Punkt in meinem Leben, wo es wirklich keine Rolle spielt, weil ich mit Therapie und co. nichts mehr zu tun haben will.
Doch glaube ich deine Unzufriedenheit zu spüren, dass das Thema nicht grundsätzlich vom Tisch ist.
Ich bin ja soweit stabil nur unzufrieden mit mir selbst und meinem Dasein in der Welt und suche dafür halt einen Ansatzpunkt.
In meiner Orientierung stelle ich gerade fest, dass ein geregelter Tag offenbar die Frage aufwirft was einem fehlt, jedenfalls erlebe ich das so. Geregeltes Leben gleich gutes Leben? Da weiß ich gerade nicht wie ich mich kenntlich machen soll, dass ich mich krank fühle. Und ich habe da auch Ansätze wo ich weiß was an manchen Dingen "Schuld" ist, aber ich allein da nicht rauskomme. Aber das ist ein anderes Thema.
Da fragt man sich wirklich, wie sowas passieren kann, wie vielen Menschen es einfach besser gehen könnte, wenn es mehr Kompetenzen in dem Bereich gäbe. Das macht mich echt sauer :kopfschuettel:
Es ist eben ein sehr junges "Fach" und denke, dass erst jetzt so manche Erkenntnisse hervorkommen. Was ich interessant, aber auch gefährlich finde, dass mir scheint, dass die Ursachen zunehmend nicht wichtig genommen werden, sondern mehr was sich genetisch verändert, was Medikamente helfen, obwohl man ja auch weiß, dass Traumata Hirnstrukturen verändern. Und da ist es auch so: Was Jahre dauert- und das sind ja doch oft ein bis zwei Jahrzehnte- kann doch nicht schnell wieder weggemacht werden?

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diesoderdas
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Beitrag Mo., 18.09.2023, 09:55

lisbeth hat geschrieben: Fr., 15.09.2023, 06:37
diesoderdas hat geschrieben: Do., 14.09.2023, 22:44 Wenn vergangene Situationen als übel empfunden wurden oder ganze Zeiträume als sehr überfordernd mit vielen Gefühlen von Ausweglosigkeit, Hilflosigkeit, Machtlosigkeit und diese Gefühle in Situationen im Hier und Jetzt wieder entstehen? Auch wenn diese neuen Situationen an sich gar nicht soooo ganz krass sind, aber einen in so eine Art Schreckstarre und ich-mache-einfach-nichts-Stimmung bringen, weil handeln ja bedeuten könnte, dass alles schlimmer wird? Wenn handeln als bedrohlich empfunden wird?
Das sind klassische Flashbacks. Entweder ganz konkret (Feuerwerk triggert die Körperreaktionen die zb ein Soldat im Krieg in seiner Todesangst hatte). Oder als emotionaler Flashback: aktuelle, harmlose Situation bzw deren emotionale Dynamik triggert deine Gefühle die du in solchen bzw ähnlichen Situationen hattest als du jünger warst (und der Situation entsprechend ausgeliefert warst, weil du dich nicht wehren konntest) und du empfindest unendlich große Verzweiflung, Ohnmacht, Panik usw die in keinem Verhältnis zur aktuellen Situatuon stehen.
Ich dachte immer, dass flashback irgendwie heftiger sein müssen... Auch weil die belastenden Situationen bei mir gar nicht aus der Kindheit sondern aus dem Erwachsenenalter stammen. Ich denke jetzt im Erwachsenenalter an frühere Situationen aus dem Erwachsenenalter.

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Beitrag Mo., 18.09.2023, 10:00

diesoderdas hat geschrieben: Mo., 18.09.2023, 09:55 Ich dachte immer, dass flashback irgendwie heftiger sein müssen... Auch weil die belastenden Situationen bei mir gar nicht aus der Kindheit sondern aus dem Erwachsenenalter stammen. Ich denke jetzt im Erwachsenenalter an frühere Situationen aus dem Erwachsenenalter.
Vielleicht ist das auch gar kein Flashback bei dir? Du schriebst ja etwas von Schockstarre und nichts mehr tun aus Angst vor weiteren. Das scheint mir schon sehr bewußt.
Flashbacks waren bei mir irgendwie anders und überhaupt nicht angenehm.

candle
PS: Angst oder Panik fällt mir dazu gerade ein.
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Scars
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Beitrag Mo., 18.09.2023, 10:18

candle. hat geschrieben: Mo., 18.09.2023, 09:35 In meiner Orientierung stelle ich gerade fest, dass ein geregelter Tag offenbar die Frage aufwirft was einem fehlt, jedenfalls erlebe ich das so. Geregeltes Leben gleich gutes Leben?
Stimmt, irgendwie ist das echt so…

Frustriert bin ich ja, zudem sehr sehr wütend. Müsste ich mal in mich gehen, ob da was dran ist mit dem „nicht recht machen können“. Brauche ich allerdings innerlich erstmal wieder Abstand, aktuell sind’s eher hochentzündliche Gefühle, wo ich nicht klar denken kann. :roll:
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Beitrag Mo., 18.09.2023, 10:21

Das tut mir leid Scars und hoffe, dass du gut durch diese Gefühle durchkommst.

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lisbeth
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Beitrag Mo., 18.09.2023, 20:42

diesoderdas hat geschrieben: Mo., 18.09.2023, 09:55 Ich dachte immer, dass flashback irgendwie heftiger sein müssen... Auch weil die belastenden Situationen bei mir gar nicht aus der Kindheit sondern aus dem Erwachsenenalter stammen. Ich denke jetzt im Erwachsenenalter an frühere Situationen aus dem Erwachsenenalter.
Was heißt schon "heftig"? Das ist doch auch von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Das was du beschreibst liest sich für mich schon so, als ob diese Situationen, an die du erinnert wirst, dich (emotional) traumatisiert hätten. Möglicherweise "erinnern" dich diese Situationen aus deinem (früheren) Erwachsenenleben auch an Situationen/Gefühle aus deiner Kindheit, die du aber überhaupt nicht mehr bewusst abgespeichert hast, weil die Gefühle damals zu zerstörerisch gewesen wären. Dh deine Reaktion als Erwachsene war evtl. auch schon eine Art emotionaler Flashback. Schreckstarre und Nix-mehr-tun-können/wollen liest sich für mich wie Totstellreflex. Das sind jetzt alles reine Vermutungen, ich will dir da aber absolut nix einreden. ;-)

Hier ist eine Seite, wo emotionale Flashbacks ganz gut beschrieben sind, was sie ausmachen, aber auch die Abgrenzung zB zur "normalen" Panikattacke. https://lindsaybraman.com/emotional-flashbacks/
Und Pete Walker hat auch eine Menge zu emotionalen Flashbacks geschrieben, zB hier: https://www.pete-walker.com/fAQsComplex ... #Flashback
Gibt noch ne Menge mehr Infos dazu, einfach mal googeln, falls es dich interessiert :-)
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

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Joa
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Beitrag Di., 19.09.2023, 02:58

Hat schon mal jemand den Begriff "Kumulatives Trauma" gehört? Davon hat mein Therapeut mal gesprochen. Kann kaum was darüber finden.

Also wenn Ereignisse, die für sich genommen keine traumatischen Auswirkungen haben, sich addieren und es in Summe dann "zu viel" ist.

Hier ein Link zu einem PDF, in dem der Aspekt kurz erwähnt wird. Fast das Einzige zum Thema, das ich finden konnte:

https://klinik-bedburg-hau.lvr.de/media ... Trauma.pdf

Aus Folie 10: "Kumulative Traumata" (Khan 1963) durch Addition von Ereignissen von denen jedes Einzelne keine Traumatisierung ausgelöst hätte (....)"

Kann mich nicht erinnern, den Begriff hier (oder sonstwo) gelesen zu haben. Irgendwie komisch, dass ich dazu so gut wie nix finden kann.

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Leyndin
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Beitrag Di., 19.09.2023, 05:39

Ja, doch. Bei Reddemann und Nijnhuis, wenn ich mich recht erinnere. Und in einem Fachvortrag vom KJPD, den ich mal gehört habe. Und bei Porges im Zusammenhang mit der Polyvagaltheorie.
Und es ist auch sehr logisch, wenn man sich vor Augen hält, dass Traumafolgestörungen aus der Dysregulation des Nervensystems entstehen. Wenn vor der Erholung von einem Ereignis direkt das nächste passiert, oder mässig verheilte seelische Wunden nach längerer Zeit wieder verletzt werden, dann kann das uU verheerende Folgen haben und Dysregulation auch in anderen Situationen = Traumafolgestörung zur Folge haben.

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Shukria
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Beitrag Di., 19.09.2023, 07:04

Das ist ja der Unterschied

Die PTBS die aus einem einmaligen Ereugnis entsteht

Und die

Komplexe Traumafolgestörung, welche aus vielen kleinen sich wiederholenden Beladtungen sich entwickelt.

Faktisch hat das eine mit dem anderen nichts! zu tun. Aber in der Diskussion um den ICD11 haben sich diese Betrachtungsweisen nicht durchgesetzt und es ging wohl sehr knapp in der Diskussion aus und sie haben beides zusammen gehauen zu eine Diagnose. Der komplexen PTBS.

Ich hoffe auf den ICD 12, das es dann endlich auch eine diagnostische Trennung beider Störungen gibt. Was in der klinischen Praxis schon der Fall ist.

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Montana
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Beitrag Di., 19.09.2023, 08:11

Was auch ein wichtiger Aspekt ist: bei einer kPTBS fehlte in aller Regel eine gute Bezugsperson, die mit dem Betroffenen das Geschehene aufarbeitet. Bei einer PTBS die durch ein einzelnes Ereignis verursacht wurde ist das anders. Da liegt nicht der Fehler "im System". Da ist nach einem Ereignis wer da, aus der Familie oder professionelle Helfer. Der von kPTBS Betroffene hat erfahren, allein zu sein mit dem was er erlebt hat. Das kann Situationen, die an sich weniger schlimm wären, zu traumatischen Situationen machen.

Es gibt ja diesen Spruch "Die Zeit heilt alle Wunden." Das war mal Thema in meiner Therapie. Mein Therapeut hat eine Betroffene zitiert, die ein Buch geschrieben hat, leider weiß ich den Namen nicht mehr. Aber die schrieb sinngemäß: "Die Zeit heilt gar nichts. Was heilt, das ist das, was ein Mensch in der Zeit erlebt. Und erlebt er nichts gutes von anderen Menschen, dann heilt auch nichts."

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Beitrag Di., 19.09.2023, 08:36

Was du da sagst, stimmt für mich nicht ganz. Ich sage bewußt mal "mich", weil ich diagnostisch ja völlig falsch liegen kann.
Montana hat geschrieben: Di., 19.09.2023, 08:11 Was auch ein wichtiger Aspekt ist: bei einer kPTBS fehlte in aller Regel eine gute Bezugsperson, die mit dem Betroffenen das Geschehene aufarbeitet.
Was meinst du denn damit? Dass der "Täter" mit dir hätte aufarbeiten müssen?
Bei einer PTBS die durch ein einzelnes Ereignis verursacht wurde ist das anders. Da liegt nicht der Fehler "im System". Da ist nach einem Ereignis wer da, aus der Familie oder professionelle Helfer.
Stimmt für mich auch nicht. Meine erste PTBS wurde durch ein familiäres Ereignis ausgelöst und da hatte ich keinen Helfer in dem Sinne und war damit allein. OK, ich habe Therapie gemacht.
Der von kPTBS Betroffene hat erfahren, allein zu sein mit dem was er erlebt hat. Das kann Situationen, die an sich weniger schlimm wären, zu traumatischen Situationen machen.
Da liegt für mich auch ein Denkfehler, denn ich glaube diese Sache nicht, dass es Dinge gibt, die weniger schlimm sind, wenn es zu einer Traumafolgestörung führt.

Für Joa fand ich gleich oben bei google folgendes: Kumulative Traumata (Khan 1963) durch Addition von Ereignissen von denen jedes einzelne keine Traumatisierung ausgelöst hätte, z.B. Beschämungen, Bagatellunfälle, Bedrohungserlebnisse, Mobbing etc. Wenn man als Beispiel ständig gedemütigt wird, ist es traumatisierend. Von daher finde ich das als "Einzelereignis" zu betiteln schwierig, weil das einfach nicht so ist, sondern es erfolgen permanent Wiederholungen dazu oft auch in verschiedenen Bereichen.
Am besten paßt mir das Bild: "Steter Tropfen höhlt den Stein".
Es gibt ja diesen Spruch "Die Zeit heilt alle Wunden." Das war mal Thema in meiner Therapie. Mein Therapeut hat eine Betroffene zitiert, die ein Buch geschrieben hat, leider weiß ich den Namen nicht mehr. Aber die schrieb sinngemäß: "Die Zeit heilt gar nichts. Was heilt, das ist das, was ein Mensch in der Zeit erlebt. Und erlebt er nichts gutes von anderen Menschen, dann heilt auch nichts."
Ja, gute Beziehungserfahrungen heilen, aber inwieweit manch traumatisierter Mensch bereit ist das zu versuchen, weiß ich nicht.

Meine Logik bleibt, dass die kPTBS die Erweiterung der PTBS beschreibt. Man kann nicht sagen, da hast du nur eine Traumatisierung, weil PTBS und kPTBS sind eben viele Traumata. Im ICD ist das ja recht klar, nur wiederfinden kann ich mich da schlecht, weil beides gerade nicht mehr paßt von der Symptomatik. Da wäre so ein "Zwischending" vielleicht doch angebracht. Oder man muß die kPTBS im Symptombild nacharbeiten mal DIS ausgeschlossen.

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Montana
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Beitrag Di., 19.09.2023, 09:29

candle. hat geschrieben: Di., 19.09.2023, 08:36 Man kann nicht sagen, da hast du nur eine Traumatisierung, weil PTBS und kPTBS sind eben viele Traumata.
Nein!!! kPTBS sind immer viele, aber eine PTBS kann aus einer Reihe von Ereignissen resultieren, muss aber nicht. Ein einziges kann auch eine PTBS auslösen.

Und weiter oben schreibst du:
"Was meinst du denn damit? Dass der "Täter" mit dir hätte aufarbeiten müssen?"

Es gibt nicht immer einen Täter. Und wenn es einen gibt, dann ist das nicht automatisch ein oder beide Elternteile. Man kann z.B. einen schweren Unfall erleben und dabei stirbt meinetwegen noch der kleine Bruder. Einen Täter gibt es nicht. Das Ereignis an sich ist fürchterlich, und das kann eine PTBS auslösen. Wenn aber die Familie einen liebevollen Umgang miteinander pflegt und ein Kind da so aufgefangen wird wie man sich das im besten Fall vorstellen würde, dann kann es auch sein, dass keine PTBS entsteht. Das macht das Ereignis an sich kein Stück weniger schlimm, denn das wird dadurch nicht rückgängig gemacht. Aber es wird verarbeitet.

Bei einer sich oft wiederholenden Traumatisierung kann ebenfalls die Ursache außerhalb der Familie liegen. So geschehen beim Bruder einer Freundin. Da gab es einen Täter, über längere Zeit, im Pfadfinderverein. Die Familie hätte also theoretisch hilfreich sein können, praktisch hat das aber nicht funktioniert, weil der Bruder zur Geheimhaltung verpflichtet wurde und sich dran gehalten hat. Als alles aufflog war es zu spät, er hat es nicht geschafft. Aber hier hätte die Familie helfen wollen, sehr dringend sogar, und das konnte nur noch im Nachhinein miteinander geschehen (denn die waren durch die Ereignisse ebenfalls traumatisiert).

Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, was für Ereignisse traumatisch sein können, und in welcher Beziehung beteiligte Personen zueinander stehen, ob Familie oder andere Bezugspersonen verfügbar sind oder nicht. Die grobe Richtung ist aber eindeutig und das ist auch belegt. Wer allein ist und keine anderen Menschen hat die bei der Verarbeitung helfen, der ist in jedem Fall schlechter dran.

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Shukria
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Beitrag Di., 19.09.2023, 09:35

Ein einzelnes Ereignis kann! eine PTBS auslösen, muss aber nicht

Ein einzelnes Ereignis kann keine komplexe Traumafolgestörung auslösen

Und es kann Menschen geben, die haben beides! Eine klassische PTBS und eine komplexe Traumafolgestörung, weshalb es null Sinn macht beide Störungen zu einer einzigen Diagnosen in einen Topf zu hauen. Davon wird’s nicht klarer/besser.

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Montana
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Beitrag Di., 19.09.2023, 09:40

Klar, es kann auch noch jede denkbare Kombination auftreten. Sowohl, was die Art von Ereignissen betrifft, die Häufigkeit, die Verfügbarkeit von Helfern, die daraus resultierenden Folgen.

Wenn man älter wird, dann passiert das sogar mit recht hoher Wahrscheinlichkeit, dass neue Ereignisse "auflaufen", für die man weniger gut gerüstet ist als man es hätte sein können, wenn nicht sehr viel früher schon so viel gewesen wäre.

PS: Außerdem wird beides nicht gleich behandelt. Schon deshalb macht es keinen Sinn, es in einen Topf zu werfen.

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