Positive Übertragung nach Therapieende/ Was tun gegen Übertragung?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Eleria
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Beitrag Mo., 22.08.2016, 08:13

Ich sags ja nicht gern, aber zum Glück ist Montag! Was bedeuted ich habe die Wohnung für mich und kann in Ruhe schreiben, da ich im Gegensatz zu meinem Mann erst um 14:30 zur Arbeit muss!

Ja Lockenkopf, Deine Beschreibung kommt dem Gefühl ziemlich nahe!!
Und ich vermute tatsächlich, dass es sich da zum einen tatsächlich um Loslösung und Trauer handelt, zum anderen aber letztendlich doch Übertragung mit dabei ist. Ich weiss aber gar nicht ob eine tiefenpsychologische Auflösung in meinem Fall wirklich sinnvoll ist, da ich eigentlich recht sicher bin zu wissen woher das bei mir kommt.

In meiner Kindheit und Jugend bin ich lange agressiv (sowohl psychisch als auch körperlich) gemobbt worden. Daran waren zwar auch Mädchen aber doch vorwiegend Jungs beteiligt. In dieser Zeit habe ich auch weitgehends das Vertrauen zu meinen wenigen Freundinnen verloren und mich zunehmend abgekapselt. Von meinen Eltern wurde meiner Angst und Verzweiflung nie mit Verständniss und Fürsorge begegnet sondern mit Härte und Strenge (zumindest in meiner damaligen Wahrnehmung, heute sehe ich das etwas anders). Nachdem ich dann zum Studieren die Heimat und somit die letzten sozialen Bindungen verlassen habe, habe ich nie wieder Freundschaften schliessen können, die für mich wirklich vertrauensvoll wären.

Ich habe zwar mittlerweile einige, auch wie ich sagen würde gute Freundinnen, aber ich kann letztendlich auch denen nicht das Vertrauen entgegen bringen was ich eigentlich gerne würde. Ich war auch lange Zeit in einer Beziehung (fast 10 Jahre) die letztendlich aber glaube ich zum grossen Teil daran gescheitert ist, das ich eben nicht vertrauen konnte und meine Gefühle und Sorgen nie wirklich geteilt habe. Meine Kontakte habe ich überwiegend über das Internet gehabt, denn dort hatte ich immer eine gewisse Sicherheit den Menschen gegenüber. Sowohl meinen Ex-Freund, als auch meinen jetztigen Mann habe ich (tatsächlich ohne aktives Suchen und rein zufällig) im Internet kennengelernt.

In der Therapie, bei der es sich um eine Schematherapie (also auch VT) handelte, haben wir viel an diesem Misstrauen gearbeitet was mich immer begleitet und daran wie das mein Handeln beeinflusst. Mir ist unter anderem immer mehr klar geworden, dass ich alles was ich tue, letzendlich immer tue um anderen zu gefallen ohne aufzufallen. Auch wenn ich immer behauptet habe die anderen sind mir vollkommen egal. Und während der Therapie war das gar nicht so viel anders, ich musste mich zum Beispiel immer daran erinnern, dass ich die Hausaufgaben nicht für den Therpeuten sondern für mich mache. Im Nachhinein fällt mir jetzt auch auf dass ich zwar weniger darauf geachtet habe wie ich auf die Anderen gewirkt habe, mir aber immer wichtiger geworden ist, wie ich auf den Therapeuten wirke.

Er hat eben Interesse gezeigt, sich auf mich eingelassen, mir zugehört, war immer empatisch und gerecht ... und das auch noch als Mann .... Ihr kennt das vermutlich. Mein Verstand (um es mit Worten der Schematherapie zu sagen: der gesunde Erwachsenen) weiss ganz genau, dass er eben dafür bezahlt wurde und vorallem dass das seine profesionelle Seite war die ich zu Gesicht bekommen habe. Mein Gefühl (Schematherapie: vermutlich das verletzliche Kind) sagt, der kümmert sich um mich, dem liegt etwas an mir, usw ... In dem Fall nimmt er dann nicht wie oft in der Therapie die Rolle der Eltern ein, sondern bei mir die eines gleichaltrigen engen Freundes. "Nachbefreundung" anstelle von Nachbeelterung könnte man sagen. Und ich denke da habe ich dann auf ihn auch einfach dieses sehr positive Rollenbild übertragen, was ja für die Therapie sogar sehr von Vorteil ist, aber jetzt wo die Therapie zu Ende ist zu einem Problem wird.
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Eleria
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Beitrag Mo., 22.08.2016, 08:16

Ja und nun? Also, da ich gelernt habe wie wichtig es ist über solche Dinge zu sprechen, ist mein Plan zuerst mal halbwegs zeitnah mit meinen Freundinnen darüber zu sprechen, auch wenn ich Angst habe nicht verstanden und evtl. sogar belächelt zu werden. Über kurz oder lang werde ich auch mit meinem Mann darüber sprechen müssen, ich habe am Wocheende schon mehrfach dazu angesetzt, aber ich habe noch keine Ahung wie ich das konkret anstellen soll und habe es bisher nicht über mich gebracht. Aber ich weiss ich Muss!!

Lockenkopf: Deine Idee von ein paar selbstfinanzierten Stunden finde ich eigentlich ganz gut. Ich würde das gerne nochmal angehen, allerdings muss es glaube ich nicht tiefenpsychologisch sein. Und von einem anderen Therapeuten halte ich tatsächlich gar nicht so viel, denn ich weiss wie viel Glück ich hatte meinen zu finden. Auch wenn für mich im Nachhinein betrachtet eine Therapeutin die nicht genau mein Alter hat evtl. die bessere Wahl gewesen wäre ...
Naja nachdem ich Deinen Beitrag gestern gelesen habe ist mein jetziger Plan in mir gewachsen.

Mein Therapeut ist jetzt noch für ca. 9 Wochen in Elternzeit, diese Zeit möchte ich nutzen um die Trauer zuzulassen und um mich evtl. loszulösen. Wenn es dann in 9 Wochen noch nötig ist, möchte ich Kontakt zum Therapeuten aufnehmen und dann eben nocheinmal ein paar Stunden selbst finanzieren um die Situation aufzuarbeiten. Ich weiss nicht genau ob die Idee gut ist und ob sie nicht vielleicht eher mein Bedürfniss tarnt wieder bei ihm zu sein, aber im Moment klingt es für mich ganz sinnvoll. Auch im Hinblick darauf dass ich gelernt habe, dass ich eben auch direkt mit den Menschen sprechen muss die das Problem betrifft. Über Nacht habe ich zwar schon wieder ganz stark das Gefühl bekommen, dass ich mich niemals trauen würde ihn damit zu konfrontieren erstens aus Angst vor der Reaktion, zweitens weil ich vor Scham im Boden versinken werde und drittens weil ich Ihn nicht belästigen möchte, aber dass ich genau diese Gefühle manchmal abschalten bzw. aushalten muss, war ein Teil der Therapie. Vermutlich wird der Therapeut genau das Vorgehn sogar als richtig erachten ... und vielleicht sollte ich das auch machen wenn es mir in 9 Wochen erstmal nicht nötig erscheint.

Nun gut, im Moment habe ich erstmal keine andere Wahl als abzuwarten zumindest wenn ich nicht zu einem anderen Therapeuten gehen möchte. Zum Glück fahre ich Mittwoch erstmal für ein paar Tage mit Freundinnen in einen Kurzurlaub und bin somit diese Woche erstmal reichlich eingespannt und abgelenkt, was sicherlich auch ein Bisschen heilend wirken wird! Und danach muss ich weitersehen ... evtl. zeitnah Kontakt aufnehmen und einen Termin vereinbaren. Mir geht es zwar erstmal nicht gut damit, aber dadurch dass ich einen konkreten Plan habe, wird es ein wenig besser. Könnte aber auch einfach nur die Aussicht sein wieder Kontakt zum Therapeuten zu haben und das in einem Plan zu tarnen ... vielleicht unterstellt mir dass aber nur mein innerer Kritiker (Schematherapie) .... ich weiss es nicht, evtl finde ich das in den nächsten Wochen noch heraus.

Hmmm, ich glaube dass es mehr als reicht was ich hier nun geschrieben habe .... also entschuldigt die Wall of Text!! Ich hoffe das wiederspricht nicht den Forenregeln, da es ja fast ein wenig wie therapeutisches Schreiben ist.
Wenn das alles also noch jemand gelesen hat, vielen Dank für das Interesse und die Aufmerksamkeit!! Ich würde mich freuen Eure Meinung dazu zu hören!
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Eleria
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Beitrag Mo., 22.08.2016, 08:23

Achso... @Isabe: mit dem Cut hast Du föllig Recht, das wäre ja wieder Verdängung letztendlich und führt selten zu etwas Gutem ...
Allerdings habe ich auch ohne den Cut schon wieder reichlich somatisiert glaube ich ... zunehmende Übelkeit, starke körperliche Anspannung und Unruhe, Kopfschmerzen, Schwindel, teils Herzrhythmusstörungen ... das volle Programm halt ...
Aber evtl. gibt sich das jetzt ja wieder, wo ich einen halbwegs "vernünftigen" Plan habe ....

P.S.: Mein Therapeut würde, falls es doch nötig werden sollte, tatsächlich auch tiefenpsychologisch arbeiten, ich hatte zu Therapiebeginn die Wahl nach welchem Verfahren ich gerne arbeiten möchte.
Zuletzt geändert von Eleria am Mo., 22.08.2016, 08:45, insgesamt 1-mal geändert.
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StatueOfFreedom
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Beitrag Mo., 22.08.2016, 08:30

Ich würde es ehrlich gesagt nicht mit meinem Partner oder Freundinnen besprechen. Ich glaube dass jemand, der es nicht selbst erlebt hat, nicht so versteht, dass es dir mit der Reaktion besser geht. Ich würde es bei dem Austausch hier im Forum belassen.
Ich denke, dass es vielleicht eine gute Idee ist, sich offen zu halten, in 9 Wochen Kontakt aufzunehmen, falls es einfach nicht besser wird. Ich habe damals bei meinem Physiotherapeuten ähnliche Gefühle gehabt und als die Sitzungen (immerhin fast 1 Jahr) beendet waren, habe ich mir auch fest vorgenommen, zu einem späteren Zeitpunkt wieder hinzugehen, auf eigene Kosten. Als dann aber der Zeitpunkt kam, an dem ich hätte wieder hingehen können (finanziell, zeitlich), spürte ich das Bedürfnis gar nicht mehr so stark. Vielleicht ist es nicht verkehrt, sich ein erneutes Treffen offen zu halten, aber auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass es in 3 Monaten nicht mehr nötig ist.

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Candykills
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Beitrag Mo., 22.08.2016, 08:44

Ich kann mich da nur anschließen. Sowas würde ich nicht mit Freunden besprechen, weil die Übertragung im seltensten Fall nachempfinden können und dich im schlechtesten Fall noch schief beäugen.

Dein Therapeut wird sich mit Übertragungen auskennen. Das ist nichts wofür du dich schämen müsstest, auch wenn es sich für dich so anfühlt. Dir sollte nur bewusst sein, falls du die Therapie nochmal für wenige Stunden aufnimmst, dass du die Zeit wirklich für die Loslösung nutzt und nicht zum Aufwärmen der eh schon vorhandenen Gefühle. Dann kann ein erneuter Kontakt glaube ich wirklich hilfreich und wirksam sein, falls es sich bis dahin nicht sowieso von selber klärt.
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Eleria
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Beitrag Mo., 22.08.2016, 09:10

Vom Gefühl her, möchte ich Euch da voll und ganz zustimmen und am liebsten sonst mit niemandem darüber sprechen ausser mit Leuten die eben die selben Erfahrungen gemacht habe.

Aber letztendlich werde ich mit meinem Mann sprechen müssen, denn durch diese Situation von innerem Konflikt, verhalte ich mich ihm gegenüber auch ganz anders als sonst. Er merkt das natürlich und projeziert das natürlich auf unsere Beziehung und denkt da läuft was schief. Irgendwo hat er ja sogar Recht wenn ich ihm sowas nicht anvertrauen kann. Um also zu vrmeiden, dass die Partnerschaft darunter leidet, sollte ich es nicht unangesprochen lassen denke ich.

Dass ich mit Freundinnen darüber sprechen sollte rührt bei mir von der Therapie her, denn ich habe ja nie etwas von mir preis gegeben und so auch nie gesehen wie eine Freundschaft sowas aushalten kann. Womöglich verstehen sie es nicht und vielleicht belächen sie es auch ein wenig, aber als Freundinnen stehen sie mir eben trotzdem bei .... und wenn nicht, sollte ich drüber nachdenken was an der Freundschaft wirklich dran ist. "Gefährliche" Sache, aber ich möchte eben auch aus diesem Misstrauensschema raus! So muss ich den Menschen auch die Chance zu geben sich meinem Vertrauen "würdig zu erweisen".

@StatueOfFreedom: Es beruhigt mich zu lesen, dass Du einen ähnlichen Plan hattest und damit scheinbar auch ganz gut ausgekommen bist! Ich habe zwar fast ein bisschen Angst davor dass ein Termin in 9 Wochen nicht mehr nötig ist, aber wenn es dann so ist, fühlt es sich eh wieder anders an! Naja und die Zeit wird es auch einfach brauchen, meine Therapie ging über 1,5 Jahre, da braucht die Loslösung sicher auch dementsprechend lange.

@Candykills: Da stimme ich Dir zu, mein Therapeut wird ganz sicher professionelles Verständniss für meine Sitution haben, sodass ich eigentlich keine Angst vor der Reaktion haben oder mich schämen müssste, aber ihr wisst ja wie man so tickt ...
Für ganz wichtig halte ich es auch, neuerliche Stunden dann nicht zum aufwärmen zu benutzen sondern wirklich zum bearbeiten. Im Moment wäre eine erneute Stunde ganz und gar nicht sinnvoll, denn die wäre nur aus dem Gefühl heraus wieder in der Nähe vom Therapeuten zu sein. Daher kam ja auch meine Idee mit dem absoluten Cut .... Aber in ein paar Wochen wird das vermutlich ganz anders aussehen und ich kann die Situation hoffentlich mit genügend Abstand aufarbeiten! Wenn nicht, sollte ich mir dann doch lieber über einen neuen Therapeuten (oder besser Therapeutin) Gedanken machen.
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Eleria
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Beitrag Mo., 22.08.2016, 09:16

Was mir gerade noch so im Kopf rumgeistert, ist dass ich gegen Ende der Therapie eigentlich ganz froh war dass sie zuende war, ich fand die Verpflichtung zu der Zeit sehr anstrengend und wusste auch teilweise gar nicht so recht worüber ich reden sollte ... deshalb hat es sicher so lange gedauert, bis ich gemerkt habe wie sehr mir die Zeit mit dem Therapeuten fehlt.
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isabe
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Beitrag Mo., 22.08.2016, 09:17

Eleria hat geschrieben: Irgendwo hat er ja sogar Recht wenn ich ihm sowas nicht anvertrauen kann.
Nein, das ist so nicht. Eine therapeutische Beziehung ist (oft) etwas ganz Besonderes und Einzigartiges, worüber du mit niemandem reden musst, einfach weil es so intim ist, dass es nicht mit anderen Beziehungen verglichen werden kann. Und es kann von vielen Menschen auch nicht nachvollzogen werden, sodass du denen und deinen Beziehungen (und auch dir selbst) u.U. schaden würdest, wenn du alles offenlegst.

Was du deinem Therapeuten gegenüber empfindest, musst du niemandem mitteilen.

Etwas anderes ist es natürlich, wenn du irgendwann bemerkst, dass du deinen Partner nicht mehr liebst. Aber selbst eine - meist vorübergehende - Verliebtheit in andere Menschen musst du nicht gestehen. Du hast ja auch ein eigenes (Innen)leben, das sich nicht mit dem deines Partners decken muss und auch nicht decken sollte. Stabile Beziehungen können solche Phasen des Getrenntseins bzw. Getrennterlebens ganz gut aushalten.

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Candykills
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Beitrag Mo., 22.08.2016, 09:27

Eleria hat geschrieben:Was mir gerade noch so im Kopf rumgeistert, ist dass ich gegen Ende der Therapie eigentlich ganz froh war dass sie zuende war, ich fand die Verpflichtung zu der Zeit sehr anstrengend und wusste auch teilweise gar nicht so recht worüber ich reden sollte ... deshalb hat es sicher so lange gedauert, bis ich gemerkt habe wie sehr mir die Zeit mit dem Therapeuten fehlt.
Es ist aber durchaus natürlich, dass einem der Verlust eines Mitmenschen erst im Nachhinein bewusst wird. Wäre uns immer bewusst, dass es von jetzt auf gleich vorbei sein könnte, würden wir uns nie streiten und nie Zeit vergeuden oder etwas als Verpflichtung sehen. Man kann ja selbst Familienbesuche als Verpflichtung wahrnehmen, auch wenn man die Oma lieb hat...
Und wenn sie dann nicht mehr da ist und man zu spüren bekommt, dass ein wichtiger Anker fehlt, dann denkt man "hätte ich nur mehr Zeit...". Aber ich vermute, du hast die Zeit so genützt, wie es für dich sinnvoll war und als die Themen ausblieben kam es dir eben wie eine Verpflichtung vor.
Nur das hat ja nichts mit der emotionalen Bindung, die man zu einem Menschen hat, zu tun und die wirkt eben nach. Trauer ist auch nur ein Gefühl, dass man im Nachhinein haben kann. Vielleicht ist es halt das häufigste Gefühl bei der emotionalen Loslösung. Es braucht halt Zeit und aktive Arbeit daran. Aber das Gute ist: es lässt in den meisten Fällen irgendwann an Wucht nach.
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Eleria
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Beitrag Mo., 22.08.2016, 09:42

@Isabe: Eigentlich möchte ich Dir da absolut Recht geben und so habe ich es die ganze Zeit während der Therapie auch gehandhabt, aber in dem Momement in dem ich mich meinem Mann gegenüber nicht mehr "normal" verhalten kann, bin ich ihm doch irgendwie eine Erklärung schuldig oder? Bzw. nicht mal so richtig schuldig .... könnte ja auch einfach sagen es geht mir halt nicht gut .... aber ich habe Angst damit die Beziehung zu gefährden, weil er eben keine Ahnung hat was eigentlich los ist und das Problem viel mehr auf sich bezieht.
Letzendlich merke ich aber auch muss ich das für mich trennen, das Gefühl das mich zu meinem Therapeuten zieht, hat eigentlich nichts damit zu tuen, wie ich mich meinem Mann gegenüber fühle. Denn diese Zuneigung zum Therapeuten kommt nicht aus einem Gefühl von grundsätzlicher Liebe sondern durch das in der Therapie aufgebaute Vertrauen, was zum Teil ja auch darauf beruht, dass der Therapeut dem Patienten ein Stück weit verpflichtet ist weil er bezahlt wird und sich so natürlich auch von "der Besten Seite" zeigt.
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Beitrag Mo., 22.08.2016, 09:56

@Candykills: Dieses Dilemma wird uns als Menschen mit unserer vergänglichen Zeit wohl immer begleiten .... man vergisst diese Endlichkeit viel zu leicht ...

Mich wundert es bei mir eben sehr, das ich das nicht habe kommen sehn, denn ich bin tatsächlich jemand der schon weit vorher darüber nachdenkt was ist wenn etwas zu Ende ist. Zum Beispiel habe ich 3 Wochen Urlaub und bin schon in der 1. Woche traurig über das Ende des Urlaubes. Mag daran liegen, dass eine Therapie auch immer antrenged ist, egal wie gut man mit dem Therapeuten harmoniert oder wie effektiv und selbst gewollt sie auch ist.

Dass man Trauer nur im Nachhinein spüren kann, möchte ich so nicht unterschreiben, ich würde sagen man kann auch durchaus schon in Erwartung des Endes trauern, wobei diese Trauer sicherlich mit Angst vermischt ist. Und vorallem handelt es sich bei dieser Art von Trauer zumindest wenn sie so arg ist dass sie lähmt doch letzendlich um Zeitverschwändung ...
Ich bin eigentlich ganz gross darin schonmal vorweg zu trauern ...
Die Trauer danach hingegen halte ich auch für sehr wichtig und glaube das man die nötige Zeit und Arbeit auch investieren sollte. Ich kann aber den Moment gar nicht abwarten, in dem die Wucht des Gefühls nachlässt!!
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StatueOfFreedom
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Beitrag Mo., 22.08.2016, 10:01

Es ist natürlich deine Entscheidung, was du wem mitteilst. Ich bin mir nur nicht sicher, welche Reaktion du erwartest und was du dir davon versprichst. Natürlich sollte man sich anderen mitteilen dürfen, aber die Frage ist auch, a) wo die eigene Grenze ist und b) wo die Grenze des Gegenübers ist. Diese Grenzen können unterschiedlich sein und entsprechend auch unerwünschte Reaktionen hervorrufen, die nichts damit zu tun haben müssen, dass man selbst zu verschlossen ist oder das gegenüber nicht empathisch genug.
Mein Thera ist im Moment im Urlaub und - ich vermisse ihn. Ich steigere mich manchmal ein wenig hinein und konnte nicht anders, als das auch gegenüber meinem Partner zu erwähnen (allerdings mehr im Spaß als in der Erwartung, dass er mich darüber hinwegtrösten würde). Die Reaktion hat mir gezeigt, dass ich das Thema besser nicht nochmal anspreche. Nicht, weil er nicht empathisch genug ist, sondern weil es seine Vorstellung überschreitet.

Ich glaube, es ist wirklich wie eine Art Verliebtheit und die möchte man auch in die Welt hinausschreien. Auch wenn es schwer fällt, würde ich dir raten, für dich selbst am Abstand zu deinem Therapeuten zu arbeiten. Wenn du wirklich das Gefühl hast, dass es deine Partnerschaft belastet und du keinen Ausweg siehst (bitte prüfe das genau), dann kannst du ja vielleicht anklingen lassen, dass du die Therapie an sich vermisst, weil sie dir Halt gegeben hat und du nun lernen musst, ohne diese Gehhilfe zu laufen. Ich glaube, dass du dich mit einer Offenbarung auf zwischenmenschlicher Ebene ("ich vermisse meinen Therapeuten") unnötig verletzbar machst und die Gefahr groß ist, dass du verletzt wirst. Keiner möchte in der Phase einer Verliebtheit hören "ach, der ist doch eh nichts für dich" (also Unverständnis, vielleicht sogar belächelt zu werden). Nur du kannst daran arbeiten, dass der Abstand zwischen dir und deinem Therapeuten größer wird und dich wieder frei werden lässt, für all die anderen tollen Beziehungen in deinem Leben! Genieße doch einfach den Kurzurlaub mit deinen Mädels. Es gibt bestimmt noch genug andere Dinge, die ihr besprechen könnt. Man muss sich in einer Beziehung seelisch nicht immer komplett nackt machen. Sie sind ja nicht dein Therapeut.

Mir hilft es in manchen schwierigen Situationen daran zu denken, wie mein Therapeut meine Entscheidung finden würde. Vielleicht hilft es dir ja auch.

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Candykills
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Beitrag Mo., 22.08.2016, 10:05

Naja, ich schrieb auch nicht, dass man nicht im Vornherein trauern kann, nur dass es halt üblich ist, dieses im Nachhinein zu tun und für die Psyche wahrscheinlich gesünder. Denn wie du sagst: Trauert man schon vor dem Ende, vergeudet man wertvolle Zeit. Man sollte ja wenn möglich auch Zeit für andere Dinge als nur Trauer haben - im Optimalfall, dass das oft nicht so ist, weiß ich. Kenne ich auch von meinen Depressionen.
Sicher ist das etwas, woran man auch arbeiten könnte.
Wie auch immer, jetzt hat es dich im Nachhinein erwischt und das ist eben ein Prozess. Anscheinend hast du diesmal vergessen dich seelisch darauf vorzubereiten. Aber ich glaube trotzdem, dass du das packen kannst. Vielleicht in dem du dir bewusst machst, dass du die Zeit vorher dafür sinnvoll genutzt hast und eben nicht vergeudet mit Angst und Trauer.

Anfangs zu meiner Therapie hab ich während meinen heftigen Übertragungen auch immer schon ans Ende - was noch weit weg lag - gedacht und mich gleichzeitig immer versucht zu lösen, was natürlich nicht funktioniert hat. Inzwischen ist es so, dass das Ende konkret wird und ich zum Glück rechtzeitig aufgewacht bin, die Therapie sinnvoll zu nutzen und mich nicht die ganze Zeit mit den Ängsten vorm Ende zu quälen. Das wird sowieso kommen, mit und ohne Ängste! Dann lieber ohne.
(Liest sich so leicht, dahinter steckt aber ne menge Arbeit und einiges an Medikamenten )
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Eleria
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Beitrag Mo., 22.08.2016, 11:12

@StatueOfFreedom:

Tatsächlich denke ich schon daran was mir mein Therapeut raten würde, allerdings schiesse ich dabei vielleicht gerade einfach übers Ziel hinaus und unterstelle ihm da zu viel. Allerdings haben wir immer daran gearbeitet, dass ich offener werde den Leuten gegenüber die mir wichtig sind. Das es da auch für mich mal in Richtung "zu offen" gehen könnte war für mich eigentlich undenkbar!
StatueOfFreedom hat geschrieben:... dann kannst du ja vielleicht anklingen lassen, dass du die Therapie an sich vermisst, weil sie dir Halt gegeben hat und du nun lernen musst, ohne diese Gehhilfe zu laufen.
Ich finde diese Formulierung ist eine ganz gute Idee, so erkläre ich zwar warum ich gerade im Moment so "anders" bin aber mache mich trotzdem nicht sohr sehr verletzlich wie wenn ich alles Preis geben würde. Zumindest meinem Mann gegenüber könnte das funktionieren.

Ob und was ich meinen Freundinnen davon erzähle weiss ich tatsächlich gerade noch nicht genau, aber irgendwie habe ich mittlerweile eigentlich weniger Angst davor, einfach gerade weil ich ja weiss, dass sie es auch mit genauer Erklärung eher nicht verstehen können. Vor solchen Aussagen wie "der ist doch eh nichts für Dich" fürchtet es mich am allerwenigsten, denn das steht ausser Debatte. Ich sollte vielleicht an dieser Stelle erwähnen, das mein Therapeut schwul und mit einem Mann verheiratet ist. Also, alle Ansagen bezüglich einer Freundschaft die über platonisch hinaus gehen würden, kann ich mir auch schon selbst machen und belächle mich bereits selbst dafür! Eine platonische Freundschaft ist allerdings etwas was man nie ausschliessen kann ... wobei in diesem Fall schon ziemlich unmöglich, aber die Ansagen meinerselbst dagegen sind doch wesentlich schwächer.
Wenn ich mit ihnen darüber sprechen werde, werde ich allerdings darauf achten dass das ganze nicht zum Dauerthema wird, sondern eher zu was Informativen, damit sie etwas besser verstehen können warum ich gerade "komisch" bin und naja um letzendlich jemanden zu haben der weiss was los ist ... um es nicht zum Geheimnis zu machen, was dem ganzen irgendwie soetwas von verboten gibt.
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Beitrag Mo., 22.08.2016, 11:27

@Candykills:

Oh, Verzeihung, das wollte ich Dir auch nicht unterstellen, ist nur in meiner Erläuterung so mit herausgeblubbert ...
Ich kenne es eben auch sehr gut, dass ich schon vorweg trauere und somit die Zeit die mir bleibt weder nutze noch geniesse. Ja, im Optimalfall sollte man nachher trauen und dass dann auch verarbeiten ...

Ich glaube ich ticke da ähnlich wie Du, es ging mir zu Anfang der Therapie nicht ganz unähnlich. So geht es mir generell eigentlich auch in zwischenmenschlichen Beziehungen immer, ich bereit mich bereits auf das Ende vor was womöglich kommen könnte und verpasse so die mögliche Nähe.

Tatsächlich denke ich zwar habe ich es letzendlich geschafft die Therapie sinnvoll zu nutzen, allerdings ärgere ich mich gerade auch etwas dass ich sie zum Ende nicht intensiver genutzt sondern als Verpflichtung betrachtet habe.

Und jetzt erzählt mir mein innerer Kritiker auch noch, dass der Therapeut wahrscheinlich froh war dass seine Arbeit mit mir beendet war ...
Mein Gegenargument ist, dass er sich einfach auf sein neues Lebensabschnitt als Vater gefreut hat und so ganz froh über das vorerstige Ende aller Therapien war.

Immer diese Diskussionen im eigenen Kopf!!

Anfang September habe ich routinemäßig einen Termin bei meinem Psychiater der sich um die Medikamente kümmert, wäre eine Überlegung die Situation dort anzusprechen ... aber zu diesem besteht eigentlich nicht im geringsten ein Vertrauensverhältniss, er kümmert sich wirklich nur um das medizinische.
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