Was macht ihr gegen 'unaushaltbare' Gefühlszustände?

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Fairness
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Beitrag Fr., 09.11.2018, 21:01

Nouvamente, und bist du in der Therapie? Manchmal können solche Ängste auch einen unbewussten Bedürfniss nach Ablösung repräsentieren. D.h. es könnte sein, dass du ein Thema mit manchen Familienangehörigen hast, für welches ihr noch keinen guten Umgang gefunden habt. Und deine Angst würde dich dann daran erinnern, dass da noch etwas wichtiges zu besprechen sein könnte, mit diesen Menschen.. Nur weitere mögliche Interpretation, gibt bestimmt auch noch ein paar mehr.. ich werde mir dann dein Thread anschauen. Alles Gute... :)
Man sieht, was man am besten aus sich sehen kann. (C.G.Jung)

Grief is just love with no place to go. (Jamie Anderson)

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Nouvamente
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Beiträge: 26

Beitrag Sa., 10.11.2018, 11:39

Ich danke dir sehr, dass du dich mit mir auseinandersetzt. Das bewegt auch einiges in mir.
Der neue Thread ist jetzt eröffnet.

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Reini42
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Beiträge: 138

Beitrag Do., 15.11.2018, 23:18

Bei mir kommen diese sch.. Gefühle wieder.

Letzte Woche hatte ich "Pause", fühlte mich solala gut. Aber vor einigen Tage spürte ich schon wieder die Unruhe kommen. Ich wollte darüber schon schreiben.

Aber dann, und dann bin ich bei so einem Online-Game, Goodgame Empire. Eigentlich blödsinnig das Spiel. Aber es baut auf Gemeinschaften auf, die Interaktion mit anderen Mitspielern. Man bildet Allianzen und so. Was blöderweise zu einer Art psychische Abhängigkeit führt. Und dann hört jemand auf den man seit Jahren kennt - kennen ist gut gesagt, man sieht nur Pixeln, und schreibt minimal, manchmal nur ein Hallo. Aber trotzdem, man sieht sich, oder sein Profil, regelmäßig wenn nicht sogar täglich. So heute bzw. vor ein paar Tagen, einer hört auf den ich seit mindestens drei Jahren kannte. Ich könnt weinen.

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Pianolullaby
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Beiträge: 2246

Beitrag Fr., 16.11.2018, 00:32

Du kannst ja fragen ob ihr per Email in Kontakt bleiben könntet
Träume nicht Dein Leben, lebe Deinen Traum

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Reini42
Helferlein
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männlich/male, 42
Beiträge: 138

Beitrag Fr., 16.11.2018, 08:58

Diese Taktik hab ich früher angewendet. Es ist aber nur eine Erleichterung für das Loslassen. Eine Reserve: Wir bleiben in Kontakt, ja... Außerhalb des Spieles wird der Kontakt gar nicht gesucht. Im Gegenteil, oftmals ist man vom andern schwer enttäuscht wenn man sich real trifft und kennenlernt. Das sind die Tücken der virtuellen Realität. Die wiederum eine Flucht von der wahren Realität, dem realen Leben. Und das sind wohl Warnzeichen für ein psychisches Problem.

Eigentlich hat diese Person, die mit diesem Online-Spiel aufgehört hat, richtig gehandelt. Ich kann für ihn nur hoffen, dass er auch die Kraft hat durchzuhalten. Für mich wiederum ist das ein Verlust. Nur diese Realität, oder wie man das bezeichnen könnte, hab ich mir selbst geschaffen, und weist u.a. auf meine Vereinsamung hin.

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Madelaine
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Beiträge: 8

Beitrag Sa., 26.01.2019, 19:01

Ich hol diesen Thread mal hoch - aus aktuellem Anlass da ich gerade in einer depressive Episode stecke und oft mit Gefühlen zu tun habe, die mir fast "unaushaltbar" vorkommen.

Danke also Le_na - falls Du hier noch liest.
Genau so ein Gefühl aus dem Eingangsposting kenne ich auch:
"...wahnsinnige Hoffnungslosigkeit, gemischt mit Angst und starker Traurigkeit".
Das kommt in der Depression oft über mich, auch dann ganz stark körperlich (innere Unruhe und gleichzeitig aber totale Schlappheit, Druck weil ich eigentlich heulen will), und oft dann bei der Arbeit - wo ich mich eben nicht "gehen lassen" kann.
Ganz schlimm! Ich weiß dann eben auch gar nicht was ich tun soll außer ertragen und habe aber dann eben Angst, dass ich es dieses mal "nicht aushalte". Was immer das auch heißen mag!
Und leider hab ich eben derzeit kein gutes Mittel, was mich dann so richtig runterbringt.
Bei der Arbeit bin ich ab und zu schon mal kurz raus, ne Runde um den Block und muss dann jemanden Vertrautes anrufen (meine Eltern oder beste Freundin) und einfach drüber reden, meine Sorgen äußern und mir sagen lassen "das geht vorbei".

Ansonsten:
heulen, wenn ich daheim bin und die Tränen kommen können (ab und zu ging das dann nicht mal)
Arme/Beine ausschütteln (naja, bringt nicht wirklich viel)
Mandalas anmalen hab ich auch schon probiert. Auch keine Sofortlösung bei mir
Auch in der Verwzeiflung noch versuchen mir zu sagen "es geht nicht vorbei, es ist nur ein Gefühl, es passiert nichts"
und letztendlich: ertragen. Immer wieder. Und hoffen, dass ich irgendwann aus der Depression draußen bin.

Was ich auch manchmal sehr schwer auszuhalten finde, sind Heulanfälle. Wenn mich die Traurigkeit usw so überwältigt, dass ich dann ewig heulen könnte. Da hab ich auch manchmal Angst, dass ich nicht mehr aufhören kann.
Da hilft mir:
alles rauslassen
warmen Tee trinken
mir vorstellen, dass es gut ist, die Trauer rauszuweinen

Wenn ich nicht in einer Episode stecke, habe ich zum Glück keine derartigen Gefühle.
Also unangenehme klar, aber eben nicht diese Verzweiflung gepaart mit Traurigkeit.


Marilen
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Beiträge: 1941

Beitrag Sa., 26.01.2019, 19:44

Nichts, ausser mir klar zu machen, dass es wieder anders wird und dann warten bis es vorbei ist.
Rabbi Nachman lehrt uns etwas Bahnbrechendes. Wenn es schwer wird, bleibt dir nur noch eines: Sei glücklich und freue dich.

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Madelaine
sporadischer Gast
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Beiträge: 8

Beitrag Sa., 26.01.2019, 21:27

Marilen hat geschrieben: Sa., 26.01.2019, 19:44 Nichts, ausser mir klar zu machen, dass es wieder anders wird und dann warten bis es vorbei ist.
Das ist eigentlich die pragmatischste und "vernünftigste" Option!
Ich finde das eben nur soooo schwer wenn man gerade in seinem Elend steckt. Eigentlich weiß man ja, das kann nicht ewig anhalten, aber allein schon dass es wannanders wiederkommt - das Gefühl - ist eine schlimme Vorstellung.

Was mir auch hilft (vielleicht nicht im Moment der Verzweiflung, aber es sich in bessere Momenten klarzumachen) ist, sich bewusst zu machen, dass es diesen schrecklichen "point of no return", diesen Kontrollverlust, dieses "Ich kann nicht mehr und brech laut heulend zusammen und dann geht gar nichts mehr und ..und und"..Schreckens-Szenario so wohl nicht geben wird.
Hat es noch nie, wird es auch nicht.
Mehr als dass ich mich ganz arg schlecht fühle, evtl früher von der Arbeit gehe, evtl in der Bahn gegen Tränen kämpfe etc. passiert nicht.

Es heißt ja auch, wenn man die Gefühle einfach zulässt, da sein lässt, nicht so sehr dagegen ankämpft, werden sie irgendwann automatisch weniger. Und wenn man generell weiß, man kann mit ihnen umgehen, kommen sie vielleicht auch seltener...
Schön wäre das!

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Pianolullaby
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Beitrag Sa., 26.01.2019, 22:32

Doch klar gibt es den Punkt, wieso sollte es wohl sonst Nervenzusammenbrüche geben?
Kenne ich übrigens selber ganz gut.
Wenn Du dich einfach mitten auf Arbeit einfach auf den Boden setzt und hemmungslos weinst, weil es eben nicht mehr anders geht. sich die Tränen nicht mehr zurück halten lassen
Träume nicht Dein Leben, lebe Deinen Traum


cinikus
Forums-Insider
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Beitrag So., 27.01.2019, 16:43

Pianolullaby hat geschrieben: Sa., 26.01.2019, 22:32 wieso sollte es wohl sonst Nervenzusammenbrüche geben?
Geht mir auch so. In depressiven Episoden manchmal mehrmals die Woche. Da habe ich das Gefühl, meine Seele kalbt wie ein Eisberg und irgendwann, noch ein paar depressive Episoden und Nervenzusammenbrüche, und von mir ist nichts mehr übrig. DAS ist ein schreckliches Gefühl. Hinterher tagelang dann auch dieses Gefühl, dass tatsächlich ein Teil der Seele fehlt, nach einigen Wochen die Erkenntnis, dass man sich verändert hat, nicht mehr man selbst ist.
Bei mir sind die Depressionen chronisch, habe sie etwa acht von zwölf Monaten. Mit Unterbrechungen von zwei bis vier Monaten. Die Vorstellung, dass ich das so noch vielleicht zwanzig Jahre durchhalten muss, ist in diesen Phasen unertäglich. Da kann ich mir das keine zwei Wochen vorstellen. Geht es mir gut, möchte ich durchaus noch vierzig oder sechzig Jahre leben.
Mich frustriert, dass ich scheinbar nichts gegen diese Episoden machen kann. Habe echt alles versucht. Bin immer wieder am Recherchieren. Jahrelang Therapie gemacht (austherapiert), Reha, Medikamente (helfen gegen die Tiefe, heilen aber nicht). Die komplette Ernährung umgestellt, mich dazu gebracht, jeden Tag ein bis zwei Stunden draußen im Grünen spazierenzugehen, Krafttraining regelmäßig, mehr soziale Unternehmungen, sehr darauf achten, dass ich etwa genug Omega 3-Fettsäuren zu mir nehme, B-Vitamine, Vitamin D3 und so weiter. Schlafrhytmus optimiert. Regelmäßigkeit reingebracht. Eigentlich alles, wie es sein sollte. Wie es angeblich gegen Depressionen hilft. Und dann, BAMMM, voll rein. Ich versuche es zu ignorieren, will es nicht wahrhaben, mache verzweifelt alles weiter so, "renne" der Depression praktisch davon, ich tu doch alles, verdammt, aber irgendwann ist der Punkt erreicht. Zusammenbruch. Total. Und dann geht nichts mehr. Wochenlang. Monatelang. Plötzlich ist es schon anstrengend, den Arm zu heben, als flösse Blei statt Blut durch die Adern.
Das Schlimmste ist dann dieses Gefühl, wieder versagt zu haben. Es wieder nicht geschafft zu haben, die Depression zu bezwingen. Wieder alles umsonst. All die Mühe, der Aufwand, die Vorsorge, alles umsonst. Dieser Selbsthasst, der dann kommt, die Verzweiflung. Gerade WEIL es mir davor gut ging, richtig gut, so gut, dass ich dachte, jetzt wär ichs für immer los, ich habe DAS Mittel. Und dann wieder dieser Mist. Dann glaube ich, es wird mir nie wieder so gut gehen. Oder ich hasse dieses Gutgehen, weil sich das Schlechtgehen danach noch schlimmer anfühlt, ein noch größeres Versagen ist. Dann durch den ganzen Albtraum wühlen, bis man sich nach Wochen und Monaten wieder herausgestrudelt hat. Für ein paar Wochen, mit etwas Glück sogar Monaten, bis einem diese Depression wieder mit voller Wucht in die Kniekehlen tritt.
Schlimm finde ich, wie das alles zerstört, wie es an den sozialen Bindungen kaut, meinen Beruf zersetzt. Wie oft kann man aufstehen?

Sorry. Überkommt mich gerade. Ich habs so satt, manchmal. Dieses ständige Kämpfen, dabei nie hochkommen zu können, sondern nur nicht komplett unterzugehen. Die besten Tage bloß so, wie für andere die schlechten Tag. Ich habs echt satt.
Auch der Anblick des Schlechten kann eine Schulung für das Gute sein! Niccolò Tommaseo


Mia1503
neu an Bo(a)rd!
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Beiträge: 1

Beitrag So., 27.01.2019, 18:17

Hallo, bisher habe ich immer versucht mich mit Übungen, Affirmationen, etc. aufzurichten. Vor zwei Jahren hatte ich dann einen Auslöser der zu Weinkrämpfen führt. Es zehrt einem regelrecht aus, sodass man kaum die Kraft für die Arbeit hat und man kann auch Konflikte nicht mehr kompensieren. Sch.... Gefühl. Alles egal. Warum noch weiterkämfen, warum überhaupt kämpfen müssen? Fragen über Fragen. Warum immer ich....
Muss man auf die Welt kommen, um ständig getreten zu werden? Hmmmm.....Leere....

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aut89
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Beiträge: 30

Beitrag Mo., 04.11.2019, 19:58

@ cinikus

GENAU so geht es mir auch, egal was du machst, erbährung, sport, medikamente, therapie,...
es kommt immer wieder. Ich denke es wird das ganze Leben so sein.
Zuletzt geändert von Tristezza am Di., 05.11.2019, 14:28, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Fullquote entfernt. Bitte keine Komplettzitate verwenden, siehe Netiquette.

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Beitrag Mo., 04.11.2019, 22:49

cinikus hat geschrieben: So., 27.01.2019, 16:43 ...
Keine Ahnung, ob du hier noch liest... aber.
Hammer, wie gut du das in Worte fassen kannst.

Manchmal liest man einen Text und ist irgendwie beeindruckt von dem Menschen dahinter, den man doch gar nicht kennt.
"You cannot find peace by avoiding life."
Virginia Woolf

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Möbius
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Beitrag Di., 05.11.2019, 10:13

Meine „unterträglichen Zustände“ sind regelmässig andere, als die im Startpost von der TE beschriebenen - „jeder Jeck ist anners“. Ich bezeichne diese meine Zustände idR als „paranoide Psychose“(wenn der Zustand mehr als ein paar Tage andauert) , „Mini-Psychose“ (bei kürzer Dauer oder „psychotische Schübe“, wenn der Zustand nur kurz andauert und „flach“ bleibt.

Die erste Maßnahme ist stets eine „therapeutische Ichspaltung“, wie sie in der Wikipedia unter diesem Stichwort beschrieben ist. In meinen Worten: ich ziehe mich ganz in das bewußt-rationale Ich zurück und distanziere mich vom Rest meiner Psyche, dh Affekten, Gefühlen usw., die ich als vom „Dämon“ (was nur eine Metapher ist) beherrscht ansehe. Das Leben in dieser Ichspaltung ist sehr anstrengend, weil man wirklich sein gesammtes Handeln „voll bewußt“ vornehmen muß. Man versuche nur einmal „voll bewußt“ eine einfache Mahlzeit zu sich zu nehmen ! Der Vorzug dieser Ichspaltung ist jedoch den Erhalt einer mehr oder weniger großen Rest-Handlungsfähigkeit und durch die bewußte Kontrolle kann man auch recht zuverlässig (selbst-)schädigendes Verhalten unterbinden.

In diesem Zustand nutze ich sodann die von Freud in den „Drei Abhandlungen“ beschriebenen Möglichkeiten der Abfuhr von Libido: Sexualbetätigung („schierer, purer Sex“) in der promiskuitiven Szene oder autoerotisch, Sport und schnelle Bewegung durch den Raum – bei mir im Fahrradfahren kombiniert, und starke Temperaturreize, bei mir kalte Bäder nach Kneipp, die gerade zu dieser Jahreszeit hoch effektiv sind und zudem in der „Reaktion“ eine Tiefenentspannung herbeiführen können. „Intellektuelle Leistung“ (ein weiterer „parasexueller Reiz“) ist mir im psychotischen Zustand nicht möglich – ich kann mir aber vorstellen, daß es Menschen gibt, die auch in diesem Zustand zu anspruchsvollen Denksportaufgaben fähig sind und diese therapeutisch nutzen können, etwa ambitionierte Schachspieler.

Die harten Kälteanwendungen nach Kneipp, wie das „Winterbaden“ setzt entsprechende Abhärtung voraus, aber „Wassertreten“ - in etwa knietiefem kalten Wasser waten – oder kalte Armgüsse zuhause kann jederman praktizieren. Auch die Sauna ist eine Möglichkeit solcher starken Temperaturreize mit therpeutischem Potential. Sie ist aber recht teuer und nach meiner Erfahrung weit weniger effektiv, als die Kneippschen Anwendungen, die nichts oder fast nichts kosten.

Mit Sport und Bewegung ist es so eine Sache – man muß sich auch hier Betätigungen suchen, die man in diesem Zustand der Ichspaltung zuverlässig beherrschen kann. Radeln im Großstadtverkehr ist in diesem Zustand schon sehr grenzwertig.

Der therapeutische Einsatz von Sexualität, den ich unter der „Supervision“ meines Therapeuten entwickelt habe, ist m.E. nur sehr wenigen Menschen möglich. Er setzt eine „sexpositive“ Einstellung, überdurchschnittliche promiskuitiv-sexuelle Erfahrung und gute Affektkontrolle voraus um dysexuelle Verhaltensweisen zB selbst- oder fremdverletzendes Verhalten (vor allem beim „BDSM“ um welches man „in Zuständen“ einen riesigen Bogen machen muß!), unsafe-sex etc ausschließen zu können. Ich nehme diese vorgenannten Eigenschaften für mich in Anspruch. Ich sehe sie als Ergebnis der bisherigen Lebenserfahrung, va der seit 1993 gelebten promiskuitiven Sexualität – wer regelmässig in der ultraharten „offenen Szene“ verkehrt, entwickelt eine starke Affektkontrolle – oder macht „schlechte Erfahrungen“, wird vergewaltigt, bestohlen, körperlich oder seelisch verletzt und mit allen möglichen Krankheiten infiziert.

All diesen Tätigkeiten ist gemein, daß sie starke Reizen von Aussen zuführen, die von den psychotischen Vorgängen zunächst buchstäblich „ablenken“. Wer im November im See badet und sich danach an der Luft abtrocknen lässt, denkt oder fühlt nichts anderes mehr als diesen ultrastarken Temperaturreiz.

Sie führen Libido, dh seelische Energie ab, auch dann, wenn der wahrgenommene Impuls nicht libidinös, sondern aggressiv ist wie bei Depressionen, paranoiden Zuständen etc. Im Lichte der Libidotheorie Freuds, die ich aufgrund meiner eigenen Erfahrungen für richtig halte, werden pathologische Zustände regelmässig durch „freie Libido“ erzeugt, die sich in „pathogene Kollateralkanäle“ ergießt und Symptome produziert, wenn sie nicht unverzüglich abgeführt wird, wozu ich die beschriebenen „Kanäle“ intensiv nutze, bis die „pathogenen Kollateralkanäle“ trockengelegt sind. Den psychotischen Affekten wird also „der Saft abgedreht“.

Diese Form der Akuttherapie hat mir bislang zuverlässig Psychopharmaka und Psychiatrie vom Leib halten können. So haben auch Psychosen für mich viel von ihrem Schrecken verloren, seit ich weiß, wie ich sie auch ohne fremde Hilfe zuverlässig kleinkriege.


cinikus
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Beitrag Di., 05.11.2019, 14:17

~~~ hat geschrieben: Mo., 04.11.2019, 22:49
cinikus hat geschrieben: So., 27.01.2019, 16:43 ...
Keine Ahnung, ob du hier noch liest... aber.
Hammer, wie gut du das in Worte fassen kannst.

Manchmal liest man einen Text und ist irgendwie beeindruckt von dem Menschen dahinter, den man doch gar nicht kennt.
Ich bin noch da. Und danke. Aktuell kämpfe ich wieder massiv. Wobei ich, wenn ich das so lese, und das war vom Jänner, ich jetzt wirklich sehe, ich HABE mich verändert. Meine Psyche ist anders. Da ist was passiert, im Jänner, und die Male danach. Es könnte erklären, warum es mir im Moment geht, wie es mir geht. Ich existiere irgendwie nicht. Es geht mir nicht akut schlecht, nicht so, wie hier beschrieben. Es ist, als wäre ein Faden gerissen, oder ein Gummi, der mich zurückholt. Jetzt bin ich irgendwie da und weiß nicht, wer ich bin. Und mit dem fehlt auch so ziemlich alles, was mich ausgemacht hat. Irgendwie, als würde ich im All dahindriften. Es ist nicht schlecht, aber wenn ich nicht bald ein Ufer finde, stehe ich auf der Straße.
Möbius hat geschrieben: Di., 05.11.2019, 10:13 In diesem Zustand nutze ich sodann die von Freud in den „Drei Abhandlungen“ beschriebenen Möglichkeiten der Abfuhr von Libido: Sexualbetätigung („schierer, purer Sex“) in der promiskuitiven Szene oder autoerotisch, Sport und schnelle Bewegung durch den Raum – bei mir im Fahrradfahren kombiniert, und starke Temperaturreize, bei mir kalte Bäder nach Kneipp, die gerade zu dieser Jahreszeit hoch effektiv sind und zudem in der „Reaktion“ eine Tiefenentspannung herbeiführen können. „Intellektuelle Leistung“ (ein weiterer „parasexueller Reiz“) ist mir im psychotischen Zustand nicht möglich – ich kann mir aber vorstellen, daß es Menschen gibt, die auch in diesem Zustand zu anspruchsvollen Denksportaufgaben fähig sind und diese therapeutisch nutzen können, etwa ambitionierte Schachspieler.
Also das Sexuelle geht da gar nicht. Null Libido. Selbst der Gedanke, mir jetzt einen runterholen "zu müssen" ist nervig. Denn ja, ich habe auch das versucht. Dachte, wenn ich irgendwie die Sexualität belebe oder forciere, könnte das gegen Depressionen helfen. Nein. Tut es nicht. Nicht bei mir. Eher vertreibt es den bisschen Rest, falls noch einer da ist, völlig. Und ein absolut triebfreies Leben ist noch sinnloser. Zumindest kreativ kann ich dann nimmer sein.
Sport, bzw. schnelle Bewegung durch den Raum, geht in akuten Phasen nicht. Aber es hilft manchmal, eine Depressive Episode zu verzögern. Ebenso Kälteschocks. Habe mich mitunter fünf Mal am Tag bis zu fünf Minuten eiskalt geduscht, um eine Depressive Episode zu vertreiben oder zu verzögern. Hilft. Aber abwenden konnte ich sie nicht. Heilen konnte ich mich damit nicht. Es ist echt nur ein Rauszögern. Da fragt man sich auch: Wofür? Ist die Depressive Episode drei Tage später irgendwie "besser"?
Und was mein Denken betrifft, werde ich in Depressiven Episoden regelrecht blöd. Ich kann mich nicht konzentrieren, oft nicht einmal auf meine eigenen neurotischen Gedanken. Alles zerfranst und verliert sich. Ich drifte ab oder starre irgendwann nur noch hirnlos. Oft fällt es mir dann sogar schwer, einen Satz, den ich lese, zu kapieren, weil ich nach den ersten fünf Wörtern nicht mehr weiß, wie der Satz angefangen hat. Sehr entmutigend. ABER: Es hilft, zu zählen. Also wenn ich in sinnlose Grübelschleifen falle, oder dazu neige, mir vor wild um sich beissenden Sorgen die Haare auszureißen, fange ich an, von dreihundert rückwärts zu zählen. Dass das hilft, habe ich mal zufällig bei einer Selbsthilfe-CD entdeckt. Die CD selbst war nutzlos, aber das Zählen wende ich seither in der Tat als Trick an. Wenn ich etwa nicht einschlafen kann vor lauter seelischer Gespenster. Ich zähle von dreihundert rückwärts. Schlafe ich dabei nicht ein, stehe ich auf und lenke mich mit bunten schrillen Sachen ab, bis das Schwarze vergeht.
Laut einer Studie reicht es, zwei Minuten etwas anderes zu tun/denken, um eine Grübelschleife erfolgreich zu unterbrechen. Das scheint zu stimmen. Klappt bei mir jedenfalls. Nur darf man nicht so neurotisch sein, und hinterher denken: oh, hat geklappt, ich denke gar nicht mehr an ... und dann ist man wieder drin. Wobei das eher selten vorkommt. Und dann eben einfach noch mal. Es hilft wirklich außerordentlich gut. Seit ich das mit den zwei Minuten gelesen habe, begreife ich auch, warum das Zählen so gut hilft.
Auch der Anblick des Schlechten kann eine Schulung für das Gute sein! Niccolò Tommaseo

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