Verhaltenstherapie beendet - Wechsel sinnvoll?

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Talamaur
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Verhaltenstherapie beendet - Wechsel sinnvoll?

Beitrag Mi., 16.11.2016, 07:53

Hallo zusammen,

ich bin neu hier, im Moment gerade zu meiner Situation vollkommen ratlos und daher für jeden Input dankbar.

Ich hatte Anfang 2015 bei einigen tiefenpsychologisch arbeitenden Therapeuten Vorgespräche, die mir einhellig dazu geraten haben, aufgrund meiner Mobbing-Vergangenheit eine Verhaltenstherapie zu machen. Ich war damals schon sehr skeptisch, ob das das richtige für mich ist, dachte mir dann aber, es ist besser ich versuche es als es gar nicht zu versuchen.
Die Verhaltenstherapie habe ich dann im Oktober 2015 begonnen.

Sie hat bei mir eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert, hat aber nie ein diagnostisches Interview mit mir geführt, ich hab 50 Stunden hinter mir. Es geht mir zwar grundsätzlich etwas besser als noch vor einem Jahr, aber eben nur etwas besser. In der letzten Stunde sprachen wir über die Möglichkeit eines Verlängerungsantrags, sie war nicht so begeistert davon, würde ihn aber stellen, unter der Voraussetzung, dass ich mir überlege, was ich in der Verlängerung erreichen will. Sie sagte aber auch, dass sie eigentlich nicht wirklich eine Notwendigkeit für eine Verlängerung sieht, weil ich "alles wüsste, was man wissen muss, um gesund zu werden, und das auch anwenden kann".

Das größte Problem ist aber, dass ich nach wie vor extreme Selbstwertprobleme habe, die sie aber in einer Verlängerung überhaupt nicht angehen wollen würde. "Das könnten wir allerhöchstens nebenbei ein bisschen besprechen, aber nicht mehrere Stunden dafür nutzen" sagte sie. Das hat in mir den Eindruck verstärkt, dass sie mich einfach nur loswerden will. Den Eindruck habe ich ohnehin bei allen Menschen, wie gesagt, wirklich extreme Selbstwertprobleme. Mein Selbstwert ist absolut nicht vorhanden, ich halte mich für den letzten Menschen, für eine Ausgeburt an Hässlichkeit, Dummheit und Inkompetenz. Überlegt euch das negativste Wort, dass ihr für einen Menschen im Reportoire habt, ich bin sicher, es trifft auf mich zu.

Jedenfalls, ich habe mich dazu entschlossen, die Therapie nicht zu verlängern, weil ich, genau wie sie, denke, dass ich das, was sie in einer Verlängerung mit mir machen wollen würde, genau so gut ohne sie machen kann. Dafür muss ich nicht 50km die Woche fahren, ihr und mir eine Stunde unserer Zeit stehlen und den Therapieplatz besetzen, den jemand anders auch gebrauchen könnte. Dazu kommt noch, dass ich mich schon in den letzten ~5-7 Stunden nicht mehr wirklich gut bei ihr aufgehoben gefühlt habe. Sie hängt sich an einigen Punkten auf, die ich persönlich als Kleinigkeiten ohne Relevanz empfinde. Meine Selbstwertprobleme sieht sie dafür als vollkommen unkritisch. Es scheint mir, als hätte sie ein Menschenbild, in das sie mich mit aller Gewalt pressen will, in das ich aber überhaupt nicht passe.

Jetzt überlege ich natürlich, wie es weiter gehen kann. ich habe tatsächlich einiges in der Therapie gelernt, über mich, über andere Menschen, aber ich fühle mich noch nicht in der Lage, alleine meinen Weg zu beschreiten, eben maßgeblich aufgrund dieser Selbstwertproblematik, der sie keinen Krankheitswert beimisst. Es gibt freilich noch zwei oder drei andere, kleine Themen, die aber nicht im Vordergrund stehen.
Eine Verhaltenstherapie ist glaube ich nicht das richtige für mich. Aber die Frage ist: Was ist das richtige für mich? Doch tiefenpsychologisch? Aber wie bringe ich die Therapeuten dazu, mit mir zu arbeiten, wenn die alle der Meinung sind, ich sollte doch eine Verhaltenstherapie machen? Mein Selbstwert sagt dazu: Die suchen nur eine Ausrede, um dich nicht regelmäßig sehen zu müssen, weil sie dich unglaublich abstoßend und eklig finden.
Ich persönlich würde gerne eine Psychoanalyse nach Freud machen, aber aus irgend einem Grund scheint es in meiner Gegend keine Psychoanalytiker zu geben. Kann das sein, oder verstecken die sich nur? Gibt's da irgendwelche Tricks, welche zu finden? Überhaupt scheint der bei weitem größte Teil der Therapeuten Verhaltenstherapie zu machen. Mir kommt das komisch vor. Suche ich nur nach den falschen Stichworten oder ist das wirklich so?

Ja, ist doch ein ziemlicher Roman geworden. Irgendwie hab ich es verlernt mich kurz auszudrücken.
Ich danke allen, die sich meinen Text durchgelesen haben und vielleicht einen Ratschlag für mich haben.

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isabe
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Beitrag Mi., 16.11.2016, 08:05

Hi, ich weiß nicht, wo du wohnst, aber ich könnte mir vorstellen, dass die Dichte von Analytikern in einem Dorf auf dem Land nicht so wahnsinnig groß ist. Du kannst vielleicht davon ausgehen, dass es in Münster mehr Analytiker geben wird als in Hopsten; viele (?) Studenten machen analytische Therapien, sodass du in Universitätsstädten sicher fündig wirst. Hast du denn auf den Seiten der KV geschaut? Oder bei der Therapeutenkammer nachgefragt?

Ich weiß nicht, wieso man dir damals zu einer VT geraten hat; aber die hast du ja nun hinter dich gebracht, sodass man annehmen können sollte, dass du diesbezüglich versorgt bist und dich daher deinem eigentlichen Interesse widmen kannst: der Erforschung deiner selbst. Es ist auch nicht so ungewöhnlich, die Therapieform zu wechseln.

Nicht jeder Tiefenpsychologe ist ja Analytiker; darauf müsstest du natürlich achten.

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Beitrag Mi., 16.11.2016, 10:07

Hi isabe. Danke für deine Antwort.
isabe hat geschrieben:Hi, ich weiß nicht, wo du wohnst, aber ich könnte mir vorstellen, dass die Dichte von Analytikern in einem Dorf auf dem Land nicht so wahnsinnig groß ist. Du kannst vielleicht davon ausgehen, dass es in Münster mehr Analytiker geben wird als in Hopsten; viele (?) Studenten machen analytische Therapien, sodass du in Universitätsstädten sicher fündig wirst. Hast du denn auf den Seiten der KV geschaut? Oder bei der Therapeutenkammer nachgefragt?
Ich wohne leider sehr ländlich. Das Ruhrgebiet ist leider zu weit weg, um da regelmäßig hin zu pendeln (ich komme aus dem Süden NRWs), Siegen wäre die nächste Universitätsstadt, das könnte ich auch finanziell stemmen, da hin zu pendeln, aber da ist meine kassenärztliche Vereinigung nicht mehr zuständig (in NRW gibt's ja zwei), deswegen weiß ich nicht, ob ich da überhaupt hin darf? Auf den Seiten der KV hab ich natürlich geschaut, da gibt's gar keine Adressen. :/ Ich war dann auch mal hier vor Ort in der Beratung der Krankenkasse, da hat man mir eine Liste der kassenärztlichen Vereinigung ausgehändigt, die ich auch vorher schon im Internet gefunden habe, aus der aber nicht hervor ging, welcher Therapeut welches Verfahren macht. Ich hab aber damals bei fast allen angerufen, und da war kein Analytiker dabei.
Ich weiß nicht, wieso man dir damals zu einer VT geraten hat; aber die hast du ja nun hinter dich gebracht, sodass man annehmen können sollte, dass du diesbezüglich versorgt bist und dich daher deinem eigentlichen Interesse widmen kannst: der Erforschung deiner selbst. Es ist auch nicht so ungewöhnlich, die Therapieform zu wechseln.

Nicht jeder Tiefenpsychologe ist ja Analytiker; darauf müsstest du natürlich achten.
Zur VT wurde mir aufgrund meiner Mobbing-Vergangenheit und Problemen im Elternhaus geraten. Das wäre prädestiniert für VT, wurde mir gesagt. Ich hatte da ursprünglich im Eingangsbeitrag auch noch was zu geschrieben, aber leider musste ich den um ca. 10% kürzen.
Meine Erfahrung ist da nun leider eine ganz andere. Meine Therapeutin ging ziemlich steil auf "sich seinen Ängsten stellen", in meinem Fall die Angst vor Ablehnung. Mit dem vermuteten Effekt, dass ich feststelle, dass ich gar nicht so oft auf Ablehnung stoße und wenn, dass es nicht so schlimm ist wie ich mir das vorstelle. Das hab ich auch längere Zeit brav durchgezogen. Der vermutete Effekt trat bloß nie auf. Tatsächlich ist es leider so, dass ich ziemlich viel auf Ablehnung stoße, und dass es für mich jedes Mal wieder die Hölle ist. Das ändert leider nur in sofern etwas an meinem Selbstbild, als dass es noch schlechter wird. Daher ist meine Hoffnung, dass ich mit Hilfe eines anderen Verfahrens irgendwie besser an meinem Selbstbild arbeiten kann. Ich weiß auch gar nicht, ob das überhaupt so funktionieren kann, wie ich mir das denke, weil alles, was ich zu dem Thema auch im Internet immer finde, ist eben doch wieder diese Konfrontationstherapie. In anderen Bereichen hat mir das auch durchaus gut geholfen - bei meiner Angst vor Spinnen zum Beispiel, Zahnarzt wird auch immer besser, seit ich da mal ne langwierigere Behandlung brauchte, aber bei diesem Thema scheint es irgendwie nicht zu helfen.

Die Tiefenpsychologen, die ich hier so gefunden habe, machen leider alle keine Psychoanalyse.


isabe
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Beitrag Mi., 16.11.2016, 10:24

Das tut mir leid, dass du nicht fündig wirst. Soweit ich weiß (?), kannst du zum Arzt, wo du willst; das muss nicht mal im selben Bundesland sein; das dürfte also kein Problem sein. Also frag am besten mal bei der Therapeutenkammer. Es MUSS ja irgendwo Analytiker geben... (Koblenz, Köln, Marburg?) Wenn du hoch motiviert bist, müsste das auch mit dem Pendeln klappen, denke ich.

Selbstwertproblematiken können durchaus ganz hervorragend mit analytischen Therapien behandelt werden. Ist immer ein bisschen blöd, wenn die Leute in der falschen Therapie stecken, weil es sein kann, dass es einfach nicht passt: Wenn jemand verstehen will, wie er zu dem geworden ist, was er ist, dann ist die Aussage: "Stellen Sie sich Ihren Ängsten" ungefähr so passend, als wenn jemandem mit Zahnschmerzen geraten wird, er könnte es ja mal mit einer Fußpflege versuchen. Daher ist es umso wichtiger, dass die Patienten wissen, was sie wollen, was bei ersten Therapien schwierig sein kann, da die Auswahl des Therapeuten oft eine Frage des Zufalls ist. Es kann also sein, dass du in deinen ersten Gesprächen damals die Mobbingerfahrung betont hast und man daraus (fälschlicherweise?) geschlossen hat, dass es dir darum geht, im "Hier und Jetzt" zu erkennen, was du tun kannst, um solche Erfahrungen künftig im Ansatz zu unterbinden.

Und abgesehen von der offensichtlich für dich nicht passenden Therapieform hat sich die Therapeutin nicht auf dich als Individuum eingestellt, sondern ihr Programm abgespult, was sich - neben den womöglich durchaus nützlichen Interventionen - für dich eventuell so angefühlt hat, als würde sie dich gar nicht wahrnehmen, wodurch der Aufbau eines stabilen Selbstbildes, wenn nicht verunmöglicht, so doch erschwert wird.

Ich denke, da du genau weißt, was du willst, dass du das Problem, den passenden Therapeuten zu finden, sicher irgendwie lösen kannst; ich würde mal bei der Therapeutenkammer anrufen.

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isabe
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Beitrag Mi., 16.11.2016, 10:28

Wow! Ganze zwei Analytiker in Siegen?!

https://www.ptk-nrw.de/de/patienten/nrw ... he+starten

Und einer in Bergisch-Gladbach...

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Talamaur
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Beitrag Mi., 16.11.2016, 10:32

Danke nochmal für deine Beiträge!
Bei Prof. Dr. Heck werde ich die Tage mal anrufen.
Der andere in Siegen ist wohl Kinder- und Jugendtherapeut.
Komisch, die standen damals nicht auf der Liste, obwohls die richtige kassenärztliche Vereinigung ist. Oder ich hab sie ausgeblendet, weil ich damals unbedingt zu einer Frau wollte.

Jedenfalls, danke, bei dem ersten werde ich diese Woche noch anrufen. Das hilft mir schon mal weiter. Danke.


Landkärtchen
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Beitrag Mi., 16.11.2016, 12:44

Hallo Talamaur,

vor etwa einem halben Jahr suchte ich auch intensiv eine neue Therapeutin. Schaute mich im Internet um und landete auf den Seiten der KV (wo auch nicht das therapeutische Verfahren mit aufgelistet war). Schließlich rief ich bei der KV an und fragte nach den Therapeutinnen/Therapeuten die eine analytische Therapie anbieten. Ich war sehr überrascht, dass sie mir wesentlich mehr Namen sagen konnten als auf ihren Seiten veröffentlicht waren. Sie erklärten mir, dass das daran liegt, dass der Therapeut/die Therapeutin nicht verpflichtet ist auf der KV Seite zu erscheinen. Es kann also sein, dass es mehr Therapeutinnen/Therapeuten gibt die jedoch nicht auf den Seiten der KV mit Namen erscheinen und trotzdem über die Krankenkasse behandeln und abrechnen können. Die Frau von der KV ist dann ihre gesamte Liste durchgegangen und ich musste mir jeden einzelnen Namen aufschreiben. Vielleicht ist das ja bei euch in NRW auch so wie in Brandenburg? Dann lohnt es sich dort nochmal nachzufragen.

Deinen Wunsch die Therapeutin und das therapeutische Verfahren zu wechseln kann ich gut nachvollziehen.

LG-Landkärtchen
Was wäre das Leben, hätten wir nicht den Mut, etwas zu riskieren?

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