Therapie, ja oder nein?

Dieser Bereich dient zum Austausch über Entzug, Entwöhnung und Therapie von substanzbezogenen Abhängigkeiten (wie Alkohol, Heroin, Psychedelische Drogen, Kokain, Nikotin, Cannabis, Zucker,..)
Antworten
Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
amelie_
neu an Bo(a)rd!
neu an Bo(a)rd!
weiblich/female, 20
Beiträge: 1

Therapie, ja oder nein?

Beitrag Di., 17.06.2008, 18:35

Hallo,
ich bin ein Ex-Junkie und komm damit nicht klar. Ich hab während meiner Drogenkarrierre eigentlich nicht viel ausgelassen, aber mein größtes Problem bleibt H.

Angefangen hat eigentlich alles mit 14. Ich wollte professionell tanzen, hatte eine Aufnahmeprüfung eigentlich so gut wie in der Tasche - leider haben mir dann meine Knie 'nen Strich durch die Rechnung gemacht. Traum vorbei, 9 Jahre Training umsonst. Das hat mich fertig gemacht. Ich hatte keinen Bock mehr auf gar nix, hab von einem Tag auf den anderen mit dem Tanzen aufgehört und hatte auf einmal ziemlich viel Zeit. Und keine Perspektive. Zumindest hab ich das mit 14 so gesehen. Und dann kam das, was man eigentlich immer hört - mit den falschen Leuten rumgehangen und irgendwann mit H angefangen. Bei mir gabs keinen leichten Einstieg über Gras oder Zigaretten, ich rauche nicht mal. Ich fand mein Leben beschissen und n Typ, den ich damals ziemlich toll fand, meinte, er hätte was dagegen. H. Klingt blöd, war aber so.

Da hab ich mir zum ersten Mal H geballert und das ging dann auch ca. 1 Jahr so weiter. Ich dachte halt eben sowas wie, ja, die anderen sind voll drauf, aber bei mir is das nich so. Obwohl ich wahrscheinlich die Allerschlimmste war. Keine Ahnung. Ein Jahr nach meinem ersten Mal mit H saß ich immer noch mit denselben Leuten rum, es war Abend, ich war total drauf, so wie alle, und neben mir auf der Couch saß ein sehr guter Freund, natürlich auch drauf, ich hatte meinen Kopf auf seiner Schulter. Er ist gestorben. Einfach so, an diesem Abend, neben mir. Erstickt. Und ich hab nichts mitbekommen, weil ich so verdammt drauf war. Ich hab überhaupt nix gecheckt.

Das wars. Ich hab von einen Tag auf den anderen aufgehört. Mich daheim eingesperrt, kalter Entzug, nie wieder was mit den Leuten zu tun gehabt.

Eineinhalb Jahre hab ich nicht mal im Traum dran gedacht, mir wieder was zu ballern. Der Schock war zu heftig. Manchmal hab ich gekifft, ich war auch öfter mal betrunken, nix Ungewöhnliches. Und dann fing das alles so langsam an. Nicht mit H. Sondern n bisschen Speed. Dann Crystal. LSD. Am Wochenende, später auch unter der Woche, am besten andauernd. Ich wollte nix mitkriegen, weil ich es einfach nicht gepackt hab - dieser eine Gedanke: Wenn ich damals nicht so dicht gewesen wäre, würde mein Kumpel noch leben.

Das werd ich einfach nicht los. Dieser Gedanke hängt über allem. Ich bin jetzt fast 20. Vor einem Jahr hab ich meinen jetzigen Freund kennengelernt. Der hat sich das alles ne Zeit lang mit angeschaut, wie ich jeden Sonntag total fertig von meinen üblichen Speed-Crystal-etc-Wochenenden rumgelegen bin. Ich hab mir ca. vier Jahre kein H mehr geballert. Vor einem dreiviertel Jahr ist ein guter Freund von mir gestorben und da war mir kurzzeitig alles egal. Also hab ich mir wieder H geballert. Nur einmal. Mein Freund hat damals ziemlich ernst mit mir geredet. Dass er sowas nicht mitmacht, weil er schon einmal einen wichtigen Menschen durch Drogen verloren hat und dass ich mich entscheiden muss.

Ich habs dann mit einer Therapie probiert, im Dezember, bin aber mit dem Therapeuten überhaupt nicht klargekommen und hab sie dann nach einem Monat wieder abgebrochen. Seitdem bin ich clean. Das Heftigste, was ich mir genehmige, sind n paar Schlucke Bier am Wochenende oder so. Mein Problem bleibt die psychische Abhängigkeit. H ist immer in meinen Hinterkopf. Wenn mich irgendwas stresst, sagt mein Kopf sofort: Dann baller dir was, dann wirds besser. Ich tu's nicht. Aber eigentlich würde ich es gern. Ich komm einfach nicht von dem Gedanken los. Und das ist das Schlimme - H nehmen war das geilste Gefühl in meinem Leben. Egal was passiert, ich hab das beste Gefühl schon erlebt. Das klingt arm, aber so siehts aus in meinem Kopf. Ich will das Zeug, das meinen damaligen Freund sterben lassen hat. Das pack ich nich. Ich kann nicht schlafen, weil ich immer von der einen Nacht träume, in der ich einfach zu dicht war, um das zu bemerken. Das macht mich fertig, ich komm einfach nicht davon weg.

Man sieht und merkt mir das nicht an. Ich denke, die meisten Leute würde mich als total lebenslustigen, aufgedrehten, optimistischen Menschen beschreiben. Ich hab mich auch fürs Leben entschieden und nicht
für H. Trotzdem krieg ich das alles nicht los.

Ich weiß nicht, ob ich es noch einmal mit einem anderen Therapeuten probieren soll. Im Moment bin ich einfach nur total verzweifelt und weiß einfach nicht was ich tun soll. Ich bin clean und trotzdem werden meine Gedanken von H bestimmt. Ich kann so einfach nicht weiter machen.

Das war jetz ziemlich lang. Danke an alle, die durchgehalten haben.
Ich würde mich über jede Antwort total freuen.

Werbung

Benutzeravatar

Tante Käthe
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 58
Beiträge: 1293

Beitrag Di., 17.06.2008, 20:37

Hi Amelie,

ich habe keine Ahnung von Drogen, da ich keine konsumiere aber erlaube mir trotzdem zu reagieren.

Meiner Meinung nach solltest Du Dich unbedingt in eine fachspezifische Betreuung begeben, einen Psychologen z. B.. Ich könne mir vorstellen, dass die Sache mit dem Tod des Bekannten/Freundes nicht richtig verarbeitet hast und solltest Dir dabei helfen lassen. Da denke ich, bist Du bei einem Psychologen aus meiner Sicht sehr gut aufgehoben. Eines steht fest, auch wenn Du damals "zu" warst, kannst Du nichts für den Tod, Du hättest ihm bestimmt auch nicht helfen können, wenn Du nicht zu gewesen wärst. Es würde Dir bestimmt auch helfen, von den grausamen Gedanken ans H mehr weg zu kommen, bzw. besser zu lernen, damit umzugehen.

Ich wünsch Dir ganz viel Glück

LG Käthe
Es ist schwieriger eine vorgefasste Meinung zu zertrümmern als ein Atom
(Albert Einstein)

Benutzeravatar

R.L.Fellner
Psychotherapeut
männlich/male
Beiträge: 822

Beitrag Di., 17.06.2008, 22:53

Hallo Amelie,

es tut mir leid, keine "einfachere" Antwort für Sie zu haben, aber ein nachhaltiger Entzug v.a. von harten Drogen ist üblicherweise nur mit psychotherapeutischer Begleitung möglich und erfolgversprechend - nicht umsonst ist diese Bestandteil aller staatlichen Entzugsprogramme.

Langfristiges "clean sein" besteht eben nicht nur aus einem entwöhnten Körper, sondern auch aus einem von Drogen befreiten Geist - einem Bewußtsein, das keinen Rausch mehr braucht. Dies zu erreichen, wird häufig zunächst vernachlässigt und stellt dann eine latente Gefahr dar, wieder in eine Sucht abzugleiten.

Freundliche Grüße und alles Gute,
R.L.Fellner

Benutzeravatar

EX-H
Forums-Insider
Forums-Insider
männlich/male, 28
Beiträge: 305

Beitrag Mi., 18.06.2008, 05:29

Guten Morgen Amelie!

Kann Fellner nur zustimmen - du bist körperlich clean.
Geistig dauert das lange!
Hat bei mir min. 18 Monate gedauert bis ich halbwegs ok war im Kopf.
Hatte dazwischen arge Anfälle - mit Schwitzen, Zittern und nur mehr H im Kopf. Das ist leider die oft gehörte Fehlmeinung, dass clean nur auf den Körper bezogen wird. Körperliche Entzug ist der Anfang, dann kommt der psychische.
Denke jetzt auch noch oft an H aber nicht mehr mit der Intensität.
H hat sich bei mir wahrscheinlich für immer eingebrannt - werde es nie vergessen. (Hab mal den Spruch gehört - H ist wie die erste Liebe - daran erinnert man sich sein Leben lang)
Die Freude an anderen Dingen kommt mir der Zeit wieder. Dauert halt auch ein Zeiterl.
Bleib jetzt stark, erinnere dich immer wieder was das Scheiss Zeug getan hat! und unternimm alles was dir beim geistigen Entzug hilft!
Probier es noch einmal bei einem Thera.
Schau mal zu einer Drogenberatung in deiner Nähe - die kennen Theras die Erfahrung im Umgang mir Ex-Abhängigen haben.

Wünsch dir alles Gute und viel Kraft!

lg
EX
Krebs = Krank!
Aids = Krank!
Schizophrenie = Krank!
Sucht = willenloser Versager?

Werbung

Benutzeravatar

helpless71
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 38
Beiträge: 97

Beitrag Mi., 18.06.2008, 10:40

hallo amelie,

wenn man deine geschichte liest, denkt man es wäre das drehbuch zu nem film. ich selber nehme keine drogen, und find es immer erschütternd aus welch unterschiedlichen gründen menschen abhängig werden.

aber mein freund ist abhängig. (H, Alk - seine hauptthemen) und er hat in seinem leben so einige körperliche entgiftungen durchgemacht und ist immer wieder rückfällig geworden und kam voll drauf. bis vor ca 1 1/2 jahren.
er hat nach der entgiftung eine langzeittherapie gemacht und das hat ihn wirklich nach vorne gebracht. auch er hat heute noch gedanken an das zeug, besonders in stress situationen aber er hat durch die thera gelernt damit besser umzugehen. man hat ihm sehr viele wege aufzeigen können, und er nutzt diese für sich und arbeitet jeden tag weiter an sich und gegen das verlangen den sch**ss zu konsumieren.

da er nicht ganz weg wollte, ist er in eine tagesklinik gegangen. ich weiss ja nicht wo du in deutschland wohnst, aber ich glaube das gibt es in mehreren städten. da ist man nicht eingesperrt, aber für 1/2 jahr geht man dort morgens hin und nachmittags wieder nach hause. seine ist in düsseldorf.

ich weiss ja nicht ob du einen job hast und sich das vereinbaren liesse, aber ich kann nur sagen das diese intensive art der therapie meinen freund meilenweit nach vorne gebracht hat. man muss es natürlich auch wirklich wollen und mit bzw. an sich arbeiten.

und er sagt auch das die gedanken daran weniger werden, aber es oft noch präsent ist. aber es wird immer leihter dagegen anzugehen.

ich glaube auch das du sehr stark bist, denn trotz das du willst tust du es nicht! und das ist schon ein großer schritt finde ich.

vielleicht konnte ich dir eine anregung geben?! ich denke auch das so alle 2 wo mal ne thera stunde erstmal nicht so gut hilft wenn das problem noch so brennt.

alles liebe
helpless
Shit happens! - Life goes on!

Benutzeravatar

Burzl
sporadischer Gast
sporadischer Gast
männlich/male, 61
Beiträge: 21

Beitrag Mi., 08.02.2017, 15:35

Hallo liebe Leute

Vielleicht denkt ihr ich bin verrückt ,nein das bin ich nicht ,
warum ich so offen schreibe ist, deswegen ich möchte Menschen die dies lesen aber sich nicht wagen den nächsten Schritt zu tun ,zu ermutigen .
voriges Jahr hat es bei mir noch sehr anders ausgesehen ,wichtig war das ich ab 14:00 meine Spritzer, Weinschorle bekam naja wichtig naja okay ich hatte Verlangen danach
jetzt nach der Therapie sehe ich sehr vieles anders ,auch in der5 Beziehung hat sich einiges verändert,da ich mich ja sehr verändert habe ,zum glück positiv
auch meinen Enkelkindern ist das aufgefallen und sie haben es mir auch gesagt was mich sehr berührt hat
natürlich geht die Veränderung auch am Partner nicht vorbei,wenn er von anfang dafür war hilft es ,aber man verändert sich so das oft der Partner nicht damit zu Rande kommt,aber da helfen Gespräche es ist bei mir genauso
meine frau hatte voriges Jahr am 1 Oktober Geburtstag und sie hat gesagt das sic sich nix anders wünscht als das ich so werde wie früher,das geht aber nicht, weil wenn du so wirst wie früher trinkst du wieder,nein du wirst anders aber besser, auch meine frau hat sich gewundert und war überrascht ,aber sie muss auch einiges in Kauf nehmen was anders ist als vorher ,
wie gesagt ich kann nur jeden ermutigen den Schritt zur Therapie zu wagen sich zu Auten ,es bringt dir selber das Meiste ,deine Lebenserwartung steigt wieder,deine Energie,deine Lebensfreude und Familie und Freund kommen wieder, nur Du musst es zugeben und dich bei den Anderen entschuldigen können für dein Fehlverhalten ,es ist nicht leicht ,aber es geht ich mache es auch so

ich möchte kein Lehrer sein ,ich möchte euch nur Mut machen und euch ermutigen diesen Schritt zu gehen

herzliche Grüße
Burzl

ich schreibe Euch gerne über meine Erfahrungen

Werbung

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag