Gut zu sich selbst sein können

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Nouvamente
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Gut zu sich selbst sein können

Beitrag Sa., 10.11.2018, 11:30

In den letzten Tagen wurde mir bewusst, wie groß der Kampf in mir ist zwischen dem Wunsch und der Einsicht, mir selber etwas Gutes zu tun, mich weiterzuentwickeln und der Tendenz des Verharrens in schlechten Gewohnheiten bzw. dem Drang sich selber zu schaden.

Ich empfinde es als unglaublich schwer irgendetwas zu tun, was nicht von außen als Auftrag an mich herangetragen wird und was mir selber gut tun könnte. Beispielsweise: Ich rauche sehr viel. Manchmal überkommt mich die Angst, bald einen Herzinfarkt zu erleiden und gerade in solchen Momenten ist es ein Zwang, sich die nächste Zigarette anzuzünden. Am liebsten zwei zeitgleich. Dabei ist es dann in diesen Momenten nicht der Suchtzwang nach dem Nikotin, sondern wie ein Zwang sich zu schaden.
Oder: Ich kann seit Monaten kaum noch schmerzfrei gehen und habe ein Rezept für Einlagen bekommen. Nicht mehr so beweglich zu sein, macht mir zu schaffen. Aber ich war erst nach 10 Wochen dazu in der Lage mir die Einlagen zu besorgen. Ich will gehen können und will es gleichzeitig nicht.

Ich glaube, Ähnliches läuft auch ab, wo es um Seelenhygiene geht. Ich versage mir Gedanken oder Tätigkeiten, die mir helfen könnten und schreie gleichzeitig nach Hilfe.
Dieses Spannungsverhältnis trägt dann dazu bei, dass ich wie eine Laborratte in meinem Käfig sitze und mich eigentlich nicht weiterentwickle. Es ist fast wie ein selbstverletzendes Verhalten, nur dass ich mir keine offensichtlichen Wunden zufüge.

Es würde mich sehr interessieren, ob ihr solche Kämpfe in euch auch kennt und ob und wie es euch gelingt sie auszutragen bzw was ihr konkret tut, um zu euch selber gut zu sein.

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Joa
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Beitrag Sa., 10.11.2018, 21:20

Hi Nouvamente,

ja, kenne das auch so ähnlich.

Eben das mit den Zigaretten, in letzter Zeit bei mir aber noch viel mehr mit Essen und Süßkram. Wenn ich im Laden zu viel Süßes kaufe, welches dann in 3 Minuten weg ist, denkt ein Teil von mir immer "Ha! In your face!" und spürt eine gewisse Genugtuung dabei, mir damit zu schaden.

Ebenso mit zu vielen Medikamenten, ungesunder Ernährung generell und null Sport seit längerer Zeit. Dabei wäre gerade das wichtig, da ich auch ein paar gesundheitliche Probleme inklusive ständiger (wenn auch meistens erträglicher) Schmerzen habe. Übergewicht ist eine besonders schlechte Idee bei mir, und dennoch... Meinen Job setze ich auch gerade auf's Spiel. Kann mich zu kaum was aufraffen, das gut für mich wäre.

Ein großer Teil will gar nix mehr, manchmal meldet sich aber noch ein anderes Teilchen. Ich weiß, dass es mir körperlich und vor Allem psychisch deutlich besser ginge, würde ich regelmäßig Sport treiben. Da entwickelt sich gerade ein größerer Kampf was das Thema angeht. Ich versuche mich zu überlisten, indem ich meine Hirn abschalte und einfach TUE. Erfahrungsgemäß funktioniert das, wenn erstmal 3,4 Schritte getan sind. Bin optimistisch, mich in 1-2 Wochen so weit zu haben, wenigstens was das Thema angeht.

Genau genommen existiert ein Spannungsfeld bei mir eher zwischen mich endgültig kaputt machen wollen und gleichzeitig aber funktionieren zu müssen, da ich es meinem Freund nicht antun kann, dem vollends nachzugeben. Das trifft dein Thema zwar nicht ganz, fühle mich dadurch jedoch auch bewegungslos und sitze fest, könnte innerlich oft ausflippen aufgrund dieser Diskrepanz und Spannung.

Z.B. in Therapie zu gehen widerspricht komplett meinem Wunsch danach, mir selbst zu schaden. U.A. deshalb kämpfe ich ständig gegen den Abbruch. Andererseits wünsche ich mir so, dass das klappt.

Erfahrungsgemäß ist die Antwort bei mir persönlich eben: nicht denken, TUN! Muss mich (im wahrsten Sinne des Wortes) bewegen um aus dieser passiven, selbstzerstörerischen, negative Schleife rauszukommen. Hab's schon 2-3 mal geschafft und den Fehler gemacht, nicht dran zu bleiben, wenn etwas anderes viel Energie verbraucht hat. Erstmal ein bisschen in Bewegung kommen und dann immer mehr.... Wie ein kleiner Tornado, der kontinuierlich anwächst. 😉

Würde mich auch interessieren, wie andere damit umgehen...

Hoffe, das geht jetzt nicht zu sehr an deinem Thema vorbei, Nouvamente. Hab jetzt so viel geschrieben und meine Konzentration ist aufgrund von Benzos oft nicht die beste 🤨.

LG Joa

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Fairness
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Beitrag So., 11.11.2018, 10:44

Nouvamente, da tauchen in einem ganz viele Fragen auf... und so viel Mitgefühl.

Vielleicht hast du Angst das Gute zuzulassen, weil du dir unsicher bist, was dir das alles bringen könnte. Vielleicht wirst du dadurch frei, vielleicht ruhiger, vielleicht wirst du klare Sicht bekommen und sehen, dass deine Situation besser ist als sie schien, vielleicht wirft es dein Glauben und Vorstellung der Beziehungen durcheinander. Ich finde das so wichtig, dass du an deiner Seite jemanden hast, wer Außenstehender ist und dich hält, wenn du deinen Weg gehst. Bist du in einer Therapie?
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Nouvamente
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Beitrag So., 11.11.2018, 11:05

Danke für eure Rückmeldungen.

Ja, das es einfach Tun, ist sicherlich der erste Schritt. Aber meiner Erfahrung nach, bleibt es bei dem ersten Schritt oder vielleicht noch ein paar danach, wenn es einem nicht gelingt zu verinnerlichen, dass man es für sich tut. Vielleicht ist es dir, Joa, auch deshalb zwar 2-3 mal gelungen und dann kam der Einbruch. Ich glaube man kann sich und seinen Körper auch nur bedingt konditionieren ab einem bestimmten Alter oder nach einer langen Dauer von Gewohnheiten. Die Idee, dass es nach dem Anfang sozusagen von alleine weitergeht, ist ein Irrglaube.

Die Wurzeln liegen wie bei allem eben in der Wurzel, sprich Kindheit. Ich bin unglaublich stark geprägt durch meine Mutter, die mir nie vorgelebt hat, wie es ist, sich etwas Gutes zu tun. Das einzig Gute, was man tun kann, ist zu funktionieren, zu arbeiten, Pflichten zu erledigen. Ich habe meine Mutter nie etwas anderes tun sehen als putzen und im Haushalt rumwerkeln. Wenn es ihr schlecht ging, war Arbeit die Medizin. Wenn ich als Kind z.B. im Wohnzimmer saß um zu lesen, kam garantiert meine Mutter mit dem Staubsauger oder dem Putzeimer ins Zimmer und putzte um mich rum, oder das Zimmer musste gelüftet werden, so dass jegliche Behaglichkeit verloren ging.
Vermutlich steckt in mir tief drin der Gedanke, dass ich es nicht wert bin, dass es mir nicht zusteht, dass es mir gut geht. Und gleichzeitig ist in mir der Gedanke, dass ich es eben doch wert bin.
Es ist so erschreckend, dass man als Mensch, der die Lebensmitte schon überschritten hat, noch immer in den Mustern der Kindheit hängt. Man durchschaut es, ab und zu bricht man mal kurz ein und dann holt es einen auf ganz hinterhältige Weise und auf Umwegen wieder ein.
Ich bin seit vielen Jahren in Therapie und kann wirklich mit Fug und Recht sagen, dass sie mir das Leben gerettet hat. Aber immer wieder falle ich in Phasen, in denen ich eher überlebe als zu leben. Durchhalten ist die halbe Miete, aber eben nur die halbe. Das, was über das Durchhalten hinausgeht, fällt mir so schwer.
Ich habe auch einen liebe- und verständnisvollen Partner an meiner Seite. Aber auch hier durchkreuzt mein innerer Teufel oft das positive Erleben. Wenn es mir in der Partnerschaft zu gut geht, dann muss ich das zwangsweise durchkreuzen, weil ich denke, dass mir das nicht zusteht, weil meine beiden erwachsenen Kinder keine Beziehung führen und sie dieses Glück nicht haben. Da vermischt sich dann die Mutter in mir mit dem Kind oder so irgendwie.

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Fairness
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Beitrag So., 11.11.2018, 11:28

Nouvamente, weißt du, dass Schuldgefühle helfen deinen Kindern nicht... Und dass du auch nicht schuld bist, für etwas, was durch viele Generationen an Dich weitergegeben wurde. Deine Mutter hat das auch geerbt...
In deiner Kindheit waren beide Eltern da, stimmt das? Wie war dein Vater?
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Nouvamente
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Beitrag So., 11.11.2018, 18:26

Das ist auch so eine kuriose Sache.
Ich komme nicht auf die Idee, meiner Mutter Schuld zuzusprechen. Sie hat wirklich sehr viele Fehler gemacht, aber in mir drin ist der Gedanke, dass sie eben nicht anders konnte, sonst hätte sie es anders gemacht.
Sie weiß auch, dass sie vieles falsch gemacht hat und auf ihre Art leistet sie seit vielen Jahren an uns Kindern und ihren Enkeln Wiedergutmachung.
Wenn ich an mich als Mutter denke, kommt sofort der Schuldgedanke. Mir gegenüber kann ich da gar nicht milde sein und denken: Du hast es eben so gemacht wie du konntest.
Ich bin in einer klassischen Familie groß geworden, Vater, Mutter, zwei Kinder. Mein Papa ist warm und weich und eigentlich auch der Herr im Haus. Aber wenn es um den Umgang meiner Mutter mit uns Kindern ging, ist er nur einmal eingeschritten. Ansonsten hat er das Ganze eher hilflos verfolgt.
Das war eben früher so. Die Väter waren in der Erziehung nicht so aktiv, wie das heute meistens der Fall ist.

Ich habe einen ersten zaghaften Schritt gemacht und mich endlich mal für eine Woche krankschreiben lassen. Die Woche will ich dazu nutzen, mir über vieles noch klarer zu werden. Ich bin so uferlos erschöpft, dass nichts mehr geht.
Spazierengehen steht auf dem Programm und eine überschaubare to-do-Liste gibt es, was ich innerhalb meiner vier Wände tun will, um mich wieder wohler zu fühlen.

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Fairness
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Beitrag So., 11.11.2018, 18:45

Und was beinhalten die Vorwürfe, welche du dir machst...?
Ich kann das teilweise nachvollziehen, nicht weil ich Kinder auf einer Weise erzogen habe, sondern weil ich mir noch keine Kindeserziehung zugetraut habe. Habe noch keine Kinder. Ich war schuld schon im Vorfeld, sozusagen. Und meine Zeit fließt weg... Dass ich mir heute denke, es ist besser, eine Mutter zu werden die Fehler macht, als gar keine Mutter zu sein ...
:rose:
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Beitrag Di., 13.11.2018, 09:24

Leider läuft uns Frauen ja die Zeit weg, wenn es um die Frage geht Kinder in die Welt zu setzen. Wenn dein angegebenes Alter stimmt, hast du ja noch ein paar Jährchen Zeit, Mutter zu werden. Heutzutage ist es ja nicht ungewöhnlich noch mit 40 und älter ein Kind zu bekommen.
Der Anspruch eine Mutter zu sein, die keine Fehler macht, ist viel zu groß.
Die Vorwürfe, die ich mir mache sind verschiedenster Art: Nicht genügend Geduld gehabt zu haben, eines der Kinder benachteiligt zu haben, mich nicht genügend um das Thema Schule gekümmert zu haben, solche Sachen eben.
Und wenn ich in einer ganz schlechten Phase bin, dann fühle ich mich schuldig, weil ich Kinder in die Welt gesetzt habe und die nun in dieser zurechtkommen müssen, obwohl sie gar nicht gefragt wurden, ob sie das wollen. Fertigwerden mit den Grausamkeiten und Ungerechtigkeiten dieser Welt. Auch solche Gedanken wie, dass ich Menschen geboren habe, die sterben müssen.

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blade
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Beitrag Di., 13.11.2018, 11:30

ein Fehler wäre es, es als Fehler zu werten, jetzt da es nun mal so ist.

jetzt das Richtige tun, dann wird es kein Fehler gewesen sein.


das braucht Kraft

Kraft, die man gewinnt indem man sich stärkt.
man stärkt sich besser, wenn man sich gern hat (evtl liebt, falls möglich)


dann ist man gut zu sich, für sich UND für die, welche um einen sind.


der Einstieg in den Teufelskreis würde jetzt beginnen mit: aber wie soll....wenn ich doch....dann?


aus dem Kreis führt nur weg eine Spirale, und aktives persistentes Bemühen, wobei die Fluchtrichtung (zentral, zentripetal, links rechts.....tja darüber kann ich nix sagen....vielleicht ist es egal, kann ich nicht sagen


PS: danke, daß Sie sich diese Gedanken machen und sich diesen stellen auch wenn es nicht sehr angenehm ist. aber das bedeutet nicht zwangsläufig, daß man leiden soll. im Gegenteil, für den umgang mit unerfreulichen fragen, welche evtl Realität sind braucht es kraft und siehe oben
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Fairness
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Beitrag Do., 15.11.2018, 20:02

Nouvamente hat geschrieben: Di., 13.11.2018, 09:24 Nicht genügend Geduld gehabt zu haben, eines der Kinder benachteiligt zu haben, mich nicht genügend um das Thema Schule gekümmert zu haben, solche Sachen eben.
Wenn du das Gefühl hast, dass du ein deiner Kinder benachteiligt hast, hast du versucht mit diesem Kind darüber zu sprechen? Am besten persönlich... um nachzuspüren, ob auch dein Kind das so wahrnimmt... Falls ja, wenn du denkst, du konntest irgendwann früher mehr tun, würde das vielleicht auch heute noch gehen...

Ich denke, für die Verbesserung einer (familiären) Beziehung ist es nie zu spät, solange die Gesprächspartner für ein Gespräch seelisch gegenseitig erreichbar sind... manchmal braucht es Zeit, etwas zu verdauen, und dann die Wärme, welche dank der Klärung entsteht, kann so schön sein... Das schreibe ich aus meiner Erfahrung. :)
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Nouvamente
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Beitrag Sa., 04.05.2019, 18:59

Ich wollte mich nur mal kurz melden. Da es mir immer schlechter ging in letzter Zeit, habe ich mich entschlossen in eine Klinik zu gehen, um genau das zu lernen, was der Titel meines Threads ist. Seit einer Woche bin ich jetzt hier und hoffe, dass ich ein paar gute Impulse bekomme und die Therapie mir insgesamt hilft.

Liebe Grüße an alle, die hier geantwortet oder aber still mitgelesen haben.

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CrazyChild
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Beitrag So., 05.05.2019, 07:26

Viel Erfolg und alles Gute!
LG, CrazyChild

***stay strong***

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