krankschreiben? Übertrieben? Nötig?

Das Leben ist wesentlich durch unsere Arbeit geprägt. Der Job kann jedoch auch Quelle von Ärger und Frustration sein, oder persönliche Probleme geradezu auf die Spitze treiben...
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mathilda1981
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Beitrag Sa., 18.09.2021, 20:41

Sadako hat geschrieben: Sa., 18.09.2021, 19:50 mein Job war mir so wichtig. Ich war so stolz, dass ich trotz großer Belastung arbeiten konnte. War als Projektleitung auch unersetzlich bzw habe mir das eingeredet.

Ich hab weitergemacht. Und bin völlig zusammengebrochen. War am Ende monatelang zu gar nichts mehr fähig und habe meinen Job verloren.
Danke für deine Erfahrung. Ich glaube, wir "teilen" auch eine Erkrankung (meine mich zu erinnern es mal hier gelesen zu haben falls ich dich nicht verwechsle).

Das was du schreibst, hat mir meine Therapeutin prophezeit. Sie meinte, in seltenen Fällen geht es gut - die meisten stürzen ab und dann dauert es lange bis man wieder fit ist...Ich hoffe, diesen Weg nicht zu gehen...

Aber dieses eingestehen, etwas nicht zu schaffen... eine Krankmeldung holen (ich weiß ja gar nicht wie ich das machen soll....vielleicht hält mich der Hausarzt ja für einen Hypochonder? - ich war jahrelang nicht bei ihm....vielleicht schreibt er mich ja gar nicht krank...). Wie soll ich das meinen Kollegen erklären? Die werden sicher fragen....

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mathilda1981
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Beitrag Sa., 18.09.2021, 20:47

Bluemoon123 hat geschrieben: Sa., 18.09.2021, 20:18 Zwischen "unersetzlich" und "nutzlos" gibt es aber schon noch ganz viel anderes. ;-)
Da musste ich tatsächlich lachen... Klar, da hast du recht. Könnte ich mir mal tatsächlich verinnerlichen. Bisher gab es nur "ganz oder gar nicht"....
Bluemoon123 hat geschrieben: Sa., 18.09.2021, 20:18 Bei mir war die Krankschreibung das Beste was ich mir damals zustehen konnte. Erstens war ich tatsächlich danach wieder einsatzfähig. Zweitens haben sowohl mein Chef als auch meine Kollegen komplett anders reagiert, als ich es mir vorher eingeredet hatte - nämlich absolut positiv und keiner hat blöd gefragt oder irgendwas kommentiert.
Wie lange warst du denn krank geschrieben? Und hast du deinen Kollegen gesagt, warum?

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Sadako
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Beitrag Sa., 18.09.2021, 20:53

mathilda1981 hat geschrieben: Sa., 18.09.2021, 20:41
Aber dieses eingestehen, etwas nicht zu schaffen... eine Krankmeldung holen (ich weiß ja gar nicht wie ich das machen soll....vielleicht hält mich der Hausarzt ja für einen Hypochonder? - ich war jahrelang nicht bei ihm....vielleicht schreibt er mich ja gar nicht krank...). Wie soll ich das meinen Kollegen erklären? Die werden sicher fragen....
Fast immer ist es absolut nicht schwierig krankgeschrieben zu werden.
Aber diese Angst, dass man mir nicht glaubt und mich für einen Drückeberger hält, die kenne ich gut.
Vielleicht kannst du das noch mal mit deiner Therapeutin durchsprechen.
Mir hat es geholfen, die worst case Konsequenzen und die möglichen Chancen beider Entscheidungswege anzugucken.
Auch was die Kommunikation einer möglichen Krankschreibung angeht, kann man ja in der Therapie erarbeiten.
Oft ist Offenheit gut. In manchen Fällen, wenn man schon in einer Mobbingsituation steckt, eher nicht.
Du bist nicht verpflichtet, näheres zu deiner Gesundheit preiszugeben aber ich weiß, dass es fast überall normal ist, dass Kollegen und Vorgesetzte fragen.

Lass dir da Zeit und treffe die Entscheidung dann, wenn du merkst, dass du innerlich klar bist.


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Beitrag Sa., 18.09.2021, 22:22

mathilda1981 hat geschrieben: Sa., 18.09.2021, 20:47 Wie lange warst du denn krank geschrieben? Und hast du deinen Kollegen gesagt, warum?
Ich weiß nicht, ob es Dir hilft, wenn Du weißt wie lange andere krank waren. Ich sag das jetzt bewusst nicht, um Dich nicht zu triggern, dass Du dann wieder irgendetwas hast, woran Du Dich festhalten kannst, dass es nach x Tagen/Wochen/Monaten wieder gut sein muss. Das ist ja bei jedem anders. Es dauert so lange wie es dauert.

Meine Kollegen haben nicht von selbst gefragt. Das ist auch so eine Sache, die man sich immer selbst einredet, dass jeder unbedingt wissen will was man gehabt hat. Das ist gar nicht so. Auch mein Vorgesetzter hat nicht gefragt. Ich frage übrigens kranke Kollegen auch nie, was sie gehabt haben. Wenn jemand krank war und wieder kommt, dann frage ich nur ob es wieder besser geht. Welche Krankheit das war, das erfahre ich nur, wenn derjenige das von selbst sagt.

Ich hab an dem ersten Tag der Krankmeldung meine direkte Kollegin angerufen und ihr Bescheid gesagt, dass ich nicht komme (weil sie mich ja vertreten musste, bzw. meine Termine absagen) und hab da nur gesagt, dass ich krank bin und dass sie sich keine Sorgen machen soll, dass es kein Corona ist. Wie lange ich da krank geschrieben werden würde, wusste ich noch nicht und hab ich auch nicht gesagt. Ich hab nur gesagt, dass ich zum Arzt gehe und ihr dann Bescheid gebe und danach hab ich ihr dann immer nur gemail, wie lange die AU geht. Als ich wieder da war, hab ich mit ihr offen gesprochen und sie hat sich das schon gedacht, weil sie mich ja vorher auch erlebt hat. Auch wenn man selbst von sich denkt, dass man "stark wirkt" so ist das ja nicht so. Meine Kollegin hat ja hautnah mitbekommen, dass ich durch war, und da musste ich dann nicht viel erklären. Sie hat absolut positiv reagiert.

Meinem Chef hab ich erst jetzt davon erzählt, als ich mit ihm wegen der Arbeitszeitreduzierung gesprochen habe. Auch er hat überhaupt nicht negativ reagiert, sondern unterstützt mich darin, dass ich neben der Stundenreduzierung auch einen Teil der Arbeit entsprechend verlagern kann. So dass es nicht darauf hinausläuft, dass ich die gleiche Arbeit in weniger Zeit erledigen muss.

PS: Inzwischen weiß ich übrigens auch, dass ich nicht die Einzige bei uns bin, die wegen psychischer Probleme krank geschrieben war. Je offener damit umgeht, umso mehr Rückmeldung bekommt man von anderen, denen es genauso ging. Auch das ist ein Phänomen, dass ich mir vorher nicht hab vorstellen können. Da dachte ich auch noch, ich wäre die Einzige, die "schwach ist" und "nichts auf die Reihe bekommt". Gerade wenn Du im medizinischen Bereich tätig bist, wage ich zu behaupten, dass es sicher mehrere gibt, die ähnliches durchmachen oder durchgemacht haben.

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Beitrag So., 19.09.2021, 06:09

Sadako hat geschrieben: Sa., 18.09.2021, 20:53
Dankeschön für deine Worte. Mir ist heute Nacht eigentlich das erste mal klar geworden, wie bescheiden meine Krankheitskarriere ist. Mit den 2 Autoimmunerkrankung (2. Diagnose erst Anfang dieses Jahres) habe ich wenig Chancen auf ein "gutes Alter". Jedenfalls nicht ohne massive Einschränkungen und Schmerzen. Und das ist mir tatsächlich noch gar nicht wirklich bewusst gewesen. Theoretisch schon - aber gefühlt habe ich es noch nicht.... Wie lange bin ich rein körperlich überhaupt noch arbeitsfähig? Und dafür ruiniere ich meine Gesundheit weiter? Ich glaube, die Diagnose habe ich noch gar nicht richtig angenommen sondern eher verdrängt. Mein Körper zeigt mir seit Jahren das es nicht gut ist was ich tue. Ich habe seit Monaten Rücken/Ischias/Gelenk/Muskel....Schmerzen und bin überall verspannt (die sich nicht klassisch zu meinen bisherigen Krankheiten zuordnen lassen). Diese haben während diesem Projekt vor ein paar Monaten mit dem Rücken angefangen . und steigern sich auf den ganzen Körper. Eigentlich dachte ich, ich habe mich einfach "verhoben". Mittlerweile tut aber alles weh und ich weiß so gar nicht warum (hab keine schulmedizinische Antwort drauf), MRT war auch ok. Vielleicht bin ich doch mehr durch, als ich es wahrhaben wollte....

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Beitrag So., 19.09.2021, 06:19

Bluemoon123 hat geschrieben: Sa., 18.09.2021, 22:22 ....dass Du dann wieder irgendetwas hast, woran Du Dich festhalten kannst, dass es nach x Tagen/Wochen/Monaten wieder gut sein muss.
:anonym: :anonym: ...du hast recht, genau das war "mein Plan". Bei xy Leuten ging es nach x Wochen gut - also wird es auch so bei dir sein. Ich bin ein "Statistiker" und muss alles planen....
Bluemoon123 hat geschrieben: Sa., 18.09.2021, 22:22 Meine Kollegin hat ja hautnah mitbekommen, dass ich durch war, und da musste ich dann nicht viel erklären. Sie hat absolut positiv reagiert.
Ich habe überlegt, meine liebste und näheste Kollegin (die mich auch vertreten müsste) mal anzurufen und mit ihr zu reden. Sie weiß über all das eigentlich bescheid. Nur das es so schlimm die letzten Wochen geworden ist, weiß sie nicht (hatte Urlaub). Und eigentlich weiß ich, dass sie mich verstehen würde. Und die anderen Kollegen würden es auch größtenteils verstehen. Ich glaube, es machen sich einige Sorgen weil sie merken, dass es mir nicht gut geht (wenn ich ständig heule ist das auch schwer zu verbergen :anonym: :red: ). Mir wurde schon öfter gesagt, dass ich -auch wegen meiner anderen Erkrankungen und der fam. zusätzlichen Belastung- auf mich aufpassen soll. Das ich diesen Perfektionismus ablegen muss weil ich mich sonst kaputt mache. Nur ist das so verdammt schwer. "Einfach" so eine Gewohnheit los werden....eigentlich eher ein innerer Zwang.... Aber wenn ich daran nichts ändere, bin ich wirklich bald so richtig durch....

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lisbeth
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Beitrag So., 19.09.2021, 06:48

mathilda1981 hat geschrieben: Sa., 18.09.2021, 20:34 Hast du es mittlerweile geschafft, diese Frage für dich zu beantwoten?
Ich würde sagen, eine endgültige oder allgemeingültige Antwort gibt es vielleicht gar nicht, sondern Annäherungen.
Und selbst wenn ich es schaffe, vom Kopf her zu sagen, dass meine "Leistung" mich und meinen Wert nicht definiert, und mein Empfinden aber das Gegenteil ist, dann verändert diese kognitive Überzeugung erstmal recht wenig.

Für mich ging es erstmal darum zu lernen "auszuhalten", dass ich aufgrund meines Zusammenbruchs gerade nichts "Produktives" tun kann. Das war verdammt schwierig. Und ja, das hatte wirklich etwas von Entzug. Und erst wenn ich dieses Vakuum aushalten kann, dann kann ich anfangen, da mal hineinzuhorchen. Und zu entdecken: Was ist da noch außer einem inneren Zwang, mich ständig über meine Leistung zu definieren und meine Existenz darüber zu rechtfertigen? Oder einfach mal etwas Neues auszuprobieren, abgekoppelt vom Leistungsgedanken - also ohne den Anspruch, dass das Ergebnis besonders toll oder überragend sein müsste. Und zu schauen: was passiert dann? Und zu entdecken, dass es da so viele Nuancen zu erkunden und zu entdecken gibt, eine ganz neue Welt, die ich aber in meinem Leistungsdruck bisher immer ignoriert hatte.

Einfach sein. Ohne wenn und aber. Und den Augenblick dann auch genießen können. Darum geht es eigentlich.
Das gelingt mir mittlerweile immer öfter, allerdings war der Weg dorthin auch echt nicht einfach, da will ich nichts beschönigen. Trotzdem bin ich froh darüber, dass ich mich getraut habe, mich aus dieser Leistungszwang-Erfolgsdruck-Sackgasse mal rauszuwagen und zu entdecken, was das Leben noch so alles zu bieten hat... Gleichzeitig bin ich mir auch im Klaren darüber, dass ich weiterhin "gefährdet" bin und ganz schnell wieder in dieses "ich definiere mich über meinen Erfolg und meine Leistung" reinrutschen kann.
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Beitrag So., 19.09.2021, 06:56

mathilda1981 hat geschrieben: So., 19.09.2021, 06:19 Ich habe überlegt, meine liebste und näheste Kollegin (die mich auch vertreten müsste) mal anzurufen und mit ihr zu reden. Sie weiß über all das eigentlich bescheid. Nur das es so schlimm die letzten Wochen geworden ist, weiß sie nicht (hatte Urlaub). Und eigentlich weiß ich, dass sie mich verstehen würde. Und die anderen Kollegen würden es auch größtenteils verstehen. Ich glaube, es machen sich einige Sorgen weil sie merken, dass es mir nicht gut geht
Vielleicht geht es eher darum, dass du es dir selbst erlauben musst, dass du "krank" sein darfst? Und die Verantwortung dafür nicht auf andere abschiebst, egal ob das jetzt die Kolleginnen sind, oder die Chefin, oder die Therapeutin?

Das ist auch so eine dieser ewigen Ausflüchte in diesem Teufelskreis: Nur wenn ich Verständnis von den anderen dafür bekomme (weil ich körperlich/psychisch so am Ende bin und das inzwischen auch nicht mehr verbergen kann), darf ich mich krank schreiben lassen. Damit wäre die AU ja eine Art von "Belohnung" dafür, dass du vorher so extra hart mit dir umgegangen bist und extra viel geleistet hast?

Du bringst deine Kollegin damit auch in eine ganz schöne Zwickmühle, denn sie soll dir die "Absolution" erteilen, und erklären, dass du krank sein "darfst". Und mit dieser "Erlaubnis" an dich würde sie sich ja selbst unweigerlich ins Knie schießen.
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Beitrag So., 19.09.2021, 08:49

lisbeth hat geschrieben: So., 19.09.2021, 06:56 Vielleicht geht es eher darum, dass du es dir selbst erlauben musst, dass du "krank" sein darfst? Und die Verantwortung dafür nicht auf andere abschiebst, egal ob das jetzt die Kolleginnen sind, oder die Chefin, oder die Therapeutin?
Ob das hier jetzt so der Fall ist muß mathilda selber beurteilen.

Für mich war es das nicht.

Meine Erlebnisse sind da eher negativ. Kollegen, die sauer sind, dass man ausfällt, was sich dann sehr negativ bemerkbar machte, wenn man wieder da war. Und das setzt allem natürlich noch eines oben drauf. Chefs sind da auch nicht begeistert. Und finaziell ist eine längere Krankmeldung schon existenzbedrohend- zumindest wenn man alleine lebt.

Von einer Arbeitszeitverringerung halte ich auch nur bedingt etwas, gerade wenn man am gleichen Arbeitsplatz bleibt, kann ich nicht positiv sagen, dass sich die Arbeit anpaßt. Es bleibt doch gleich, der Stress bleibt gleich...

Damals mit meinen ersten zwei Wochen Krankmeldung bin ich ja ganz frisch in diese "Branche" eingetreten und die zwei Wochen haben auch noch "geholfen", aber je tiefer man in der Materie steckt und in sich selbst, desto schlimmer wird es irgendwie.

Und kaum einer ist so frei sich mit kreativen Elementen ein neues Leben aufzubauen. Da bleibt alternativ nur noch der Absturz.

Leider sehe ich es auch so, dass Psychotherapeuten da auch oft sehr fern einer normalen nichtakademischen Arbeitswelt sind und sich wundern, dass man sich nicht mal mehr ein Busticket zum Therapeuten leisten kann.

mathilda1981 ich kann dich absolut verstehen! Und ich habe solche Menschen wie dich immer bewundert, die krank sind, aber es schaffen immer noch im Leben zu stehen, weil meine Erfahrung eben nach wie vor ist, wenn du keinen Job hast, dann bist du nichts mehr. Diese Haltung gibt es auch bei Psychologen. Und weil man nicht arbeitsfähig wird, braucht man doch eigentlich keine Therapie mehr, oder?

Leider ist die Welt noch immer nicht so plüschig geworden trotz Öffentlichkeitsarbeit.

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Beitrag So., 19.09.2021, 10:53

candle. hat geschrieben: So., 19.09.2021, 08:49 Kollegen, die sauer sind, dass man ausfällt, was sich dann sehr negativ bemerkbar machte, wenn man wieder da war. Und das setzt allem natürlich noch eines oben drauf. Chefs sind da auch nicht begeistert.
Öhm candle, das habe ich auch überhaupt nicht behauptet?? Keine Ahnung warum du dich da auf mein Zitat beziehst?

Klar werden Kollegen nicht in Jubelschreie ausbrechen, wenn man sich krank meldet, denn sie haben dadurch mehr Arbeit und mehr Belastung. Von daher finde ich es eher naiv, darauf zu warten, dass die anderen (egal ob Chefin oder Kollegin) erkennen, wie sehr man am Ende ist und einen dazu ermutigen, mal ein paar Wochen Pause zu machen.

Das ist eine Entscheidung, die ich selbst für mich treffen muss. Und für diese Entscheidung muss ich auch die Verantwortung übernehmen.

Aber ich frag mich auch, auf was du, mathilda noch wartest: wenn du über Tage hinweg am Arbeitsplatz in Tränen ausbrichst und das nicht mehr steuern kannst, wenn du am Arbeitsplatz durchgängig in Panik bist - was soll noch passieren, um dir klar zu machen, dass es hier um dich und deine Gesundheit geht?

Wenn sich da in dem Ganzen was ändern soll, dann musst du bei dir anfangen. Und dir eingestehen, dass du nicht immer noch mehr leisten und tragen kannst. Und vielleicht auch aufhören musst, den anderen gegenüber so zu tun, als ginge das. Und dann halt auch mal deutliche Grenzen ziehen und sagen: Nein, das geht so nicht.
Die Welt wird davon nicht untergehen, das ist deine Vorstellung, die du (und ich auch und viele andere auch) da mit dir herumträgst.
candle. hat geschrieben: So., 19.09.2021, 08:49 mathilda1981 ich kann dich absolut verstehen! Und ich habe solche Menschen wie dich immer bewundert, die krank sind, aber es schaffen immer noch im Leben zu stehen, weil meine Erfahrung eben nach wie vor ist, wenn du keinen Job hast, dann bist du nichts mehr. Diese Haltung gibt es auch bei Psychologen. Und weil man nicht arbeitsfähig wird, braucht man doch eigentlich keine Therapie mehr, oder?
Auch ohne Job kann man im Leben stehen. Wir sind viel mehr als unsere (berufliche) Leistung. Leider ist uns das von kleinauf so eingehämmert worden, dass man sich über seine Erwerbsarbeit definieren muss. Und genau das ist es ja, was viele so krank macht, weil wir da an Strukturen kleben und diese auch selbst mittragen, die absolut ungesund sind. Weil Alternativen nicht mehr vorstellbar und denkbar sind. Ich kann auch ohne Erwerbsarbeit mich ausprobieren, mich engagieren, Selbstwirksamkeit erleben, mit anderen Menschen in Kontakt sein, etwas "Sinnvolles" tun. Auch das ist "im Leben stehen".

Klar, man kann das bewundern, dass jemand sich trotz chronischer Erkrankungen immer weiter selbst verausgabt und kein Limit kennt. Dann kann es aber auch sein, dass dann mit Mitte 50 das Licht komplett ausgeht, weil der Körper absolut nicht mehr mitmacht...
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Beitrag So., 19.09.2021, 12:08

lisbeth hat geschrieben: So., 19.09.2021, 10:53 Auch ohne Job kann man im Leben stehen.
Wie sieht das deiner Meinung nach aus? Und was wäre dann "ohne Job", Rentner mal ausgenommen? Mich würden andere Perspektiven schon wirklich sehr interessieren!

Ah, ich sehe schon, dass du was dazu geschrieben hast, aber das scheint ja doch eher Rentner zu betreffen, oder?

Die Frage ist eben auch, wenn man dann so krank ist, was kann man denn überhaupt noch leisten? Der Weg der "Heilung" ist ja schon immens lang und kann Jahre dauern. Da ist die Frage, ob und wie man sich überhaupt noh aufbauen kann um irgendetwas zu machen.
Und genau das ist es ja, was viele so krank macht, weil wir da an Strukturen kleben und diese auch selbst mittragen, die absolut ungesund sind.
Das ist eine Sache, die mich viel geärgert hatte all die Jahre, dass dann Kollegen nicht mehr hinter einem stehen um Arbeitsbedingungen zu verbessern, doch lieber wieder die Klappe halten und weiter trotten und jammern. Ja, jeder trägt da mit Schuld und Verantwortung. Das will ich hier auch gerne mit anbringen den Mut aufzubringen am Arbeitsplatz auch seine Bedürfnisse mitzuteilen. Ich hoffe, alle wissen wie ich das meine- natürlich arbeitsbezogen. ;-)
Klar, man kann das bewundern, dass jemand sich trotz chronischer Erkrankungen immer weiter selbst verausgabt und kein Limit kennt. Dann kann es aber auch sein, dass dann mit Mitte 50 das Licht komplett ausgeht, weil der Körper absolut nicht mehr mitmacht...
Gut, das mit dem sich selbst verausgaben ist hier ja das Thema. Die Frage ist, ob man das nicht gezielt therapeutisch bearbeiten kann ohne sich krankschreiben lassen zu müssen, denn aus meiner Sicht bringt in so einem Lernprozess eine Krankschreibung nichts.
Da ich hier aber denke, dass mehr dran hängt bei mathilda, kann ich nicht beurteilen wie sinnvoll eine Krankschreibung ist. Da würde mich auch interessieren wie die Therapeutin sich das vorstellt, weil ich dann nicht glaube, dass eine kurzfristige Krankschreibung ausreichend ist, weil der Urlaub ja auch schon nichts mehr bringt, bin ich da eher in Gedanken schon bei einer Reha oder ähnliches.

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Beitrag So., 19.09.2021, 15:23

candle. hat geschrieben: So., 19.09.2021, 12:08 Gut, das mit dem sich selbst verausgaben ist hier ja das Thema. Die Frage ist, ob man das nicht gezielt therapeutisch bearbeiten kann ohne sich krankschreiben lassen zu müssen, denn aus meiner Sicht bringt in so einem Lernprozess eine Krankschreibung nichts.


Ja, das ist eigentlich auch immer mein Gedanke gewesen. Ich weiß mittlerweile ja der Problematik und versuche schon (länger...) daran zu arbeiten. Vom Kopf her weiß ich, dass es so nicht ok so ist und nicht länger leistbar ohne gesundheitliche Einschränkungen. Und am meisten steht eben mein eigener Perfektionismus/falscher Leistungsgedanke im Weg. Auf der Arbeit sind die meisten der Meinung ich übertreibe es. Alle finden mich zu perfektionistisch und meinen, ich sollte meine Ansprüche runterschrauben. Meine Chefin, ja, die nutzt es manchmal schon aus (hat sie selber letztens auch so gesagt) - würde es aber wahrscheinlich begrüßen, wenn ich da meinen Weg finden würde bzw wäre nicht vergrätzt (aber vielleicht etwas enttäuscht), wenn ich nur die "normale gute Standardleistung" bringen würde. Ich war nach dem Urlaub selber total überrascht, dass ich diese Panik/Heulattacken hatte. Es war wahrscheinlich das letzte halbe/dreiviertel Jahr einfach zu viel. Vor meiner 2. chron. Erkrankung im Dezember habe ich einen neuen Bereich auf der Arbeit hinzubekommen der sehr verantwortungsvoll ist und eigentlich auch nicht meiner Ausbildung entspricht sondern eher im ärtlichen Bereich liegt. Ich habe mich da so reingestresst und fertig gemacht, erwartet das ich in 4 Wochen was kann, was jemand mit Studium nach Jahren kann- und ein paar Wochen später hat es mich auf der Nase gelegt. Und ich glaube, ich habe die Erkrankung noch so gar nicht richtig angenommen... Als ich dann wieder auf der Arbeit war (konnte einige Wochen nicht laufen), hatte ich für ein paar Wochen diesen neuem Bereich (das dauert sehr lange bis man sich da gut reingearbeitet hat, wahrscheinlich Jahre um wirklich gut zu sein) und dann hatte ich bereits eine neue Weiterbildung, die auch anspruchsvoll war. Damals war es mir schon eigentlich zu viel. Als diese beendet war (auch hier...die Weiterbildung ist nur der Anfang, da muss ich noch so viele Erfahrungen sammeln um da "was zu können") bin ich wieder zu der ersten Herausforderung gehüpft für ein paar Wochen. Dann kam ganz plötzlich dieses neue Projekt, welches ich allein für 2,3 Monate gemacht habe - was weniger fachlich eine Herausforderung war aber es war sehr stressig und sehr komplex und hat mich sehr viel Zeit und Überstunden gekostet. Danach war ich wirklich durch, hatte Urlaub und dachte - alles wieder auf Anfang, bin wieder fit. Wieder der ersten Herausforderung stellen und dieses mal langsamer machen. Aber das hat irgendwie nicht geklappt... Und das ist der Stand heute. Ich dachte, nach dem Urlaub bin ich wieder (wie immer) fit. Und jetzt merke ich einfach, dass im letzten dreiviertel Jahr einfach zu viel passiert ist. Die Erkrankung hätte ich wirklich nicht gebraucht (ja...das braucht keiner...) aber ich habe mich wahrscheinlich der Sache auch nicht gestellt sondern mich wieder in die Arbeit gestürzt und weitergemacht.

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Beitrag So., 19.09.2021, 15:24

candle. hat geschrieben: So., 19.09.2021, 12:08 Da würde mich auch interessieren wie die Therapeutin sich das vorstellt, weil ich dann nicht glaube, dass eine kurzfristige Krankschreibung ausreichend ist, weil der Urlaub ja auch schon nichts mehr bringt, bin ich da eher in Gedanken schon bei einer Reha oder ähnliches.
Wir haben das nicht wirklich thematisiert. Es ging darum, ihr die letzten 2 Wochen zu schildern und habe eben gesagt, dass ich ein paar ungeplante freie Tage deshalb reingeschoben habe. Sie fragte dann, warum ich mich nicht krank schreiben habe lassen. Sie meinte, dass sie dieses mal bei mir ein echt schlechtes Gefühl hat und sich das erste mal in diesem Bezug wirklich sorgt (und das hat sie sehr deutlich gesagt). Irgendwie kam es mir vor, als ob es bei ihr der "Tropfen, der das Faß zum überlaufen bringt" war. Vielleicht wollte sie mich auch wachrütteln. Sie sagte nicht "sie müssen 12 Wochen daheim bleiben". Das würde sie wahrscheinlich auch nicht weil sie sehr stark auf Eigenverantwortung setzt. Aber es war sehr deutlich, dass sie der Ansicht ist, wenn ich nicht die Reißleine ziehe dann "geh ich unter".

Ich überlege nun einfach, was mein Weg ist. Sie fände es gut, wenn ich mich für einige Wochen krankschreiben lassen würde. Ich bin mir nicht sicher, ob ich damit weiterkomme. Aber ich weiß eben nicht, ob ich mir das einrede um in meinen Augen "unfehlbar zu bleiben" oder ob ich es wirklich nicht brauche. Nein, eigentlich brauche ich was. Ein Zeichen für mich, dass ich krank sein darf wenn ich es bin. Und das ich mich trauen kann, dies auch zu tun. Und das ich mehr hinter mir stehe als hinter dem Job. Und vielleicht auch das Zeichen auf der Arbeit, dass es eben nicht immer so weitergehen kann. Und dann müsste ich aber danach gleich so stark sein und gleich einlenken und hinter diesen Plänen stehen (die in meinem Kopf schon relativ klar sind). Ich muss Verantwurtung abgeben - weil die Verantwortung in meiner Position einfach zu hoch ist und ich dafür auch zu wenig Geld bekomme. Ich muss mich fehlbar machen. Und das wird für mich das schwierigste sein. Dinge weitergeben, deligieren, ...und damit leben, dass ich nicht der "Alleinherrscher" in bestimmten Gebieten bin. Einfach, weil es mir nichts bringt (außer Stress, zu viel Verantwortung und vielleicht ein bisschen "Ruhm"...)

Lg Mathilda
Zuletzt geändert von mathilda1981 am So., 19.09.2021, 15:30, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag So., 19.09.2021, 15:30

lisbeth hat geschrieben: So., 19.09.2021, 10:53 Wenn sich da in dem Ganzen was ändern soll, dann musst du bei dir anfangen. Und dir eingestehen, dass du nicht immer noch mehr leisten und tragen kannst. Und vielleicht auch aufhören musst, den anderen gegenüber so zu tun, als ginge das. Und dann halt auch mal deutliche Grenzen ziehen und sagen: Nein, das geht so nicht.
Die Welt wird davon nicht untergehen, das ist deine Vorstellung, die du (und ich auch und viele andere auch) da mit dir herumträgst.
Ja, genau das ist das Thema...
lisbeth hat geschrieben: So., 19.09.2021, 10:53 Klar, man kann das bewundern, dass jemand sich trotz chronischer Erkrankungen immer weiter selbst verausgabt und kein Limit kennt. Dann kann es aber auch sein, dass dann mit Mitte 50 das Licht komplett ausgeht, weil der Körper absolut nicht mehr mitmacht...
Und das möchte ich verhindern.... Der Weg dahin ist nur so schwer, wenn man es Jahrzehnte lang anders gemacht hat. Aber ich merke mittlerweile auch, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, an dem sich was ändern wird. Mir fehlt noch etwas Mut (vielleicht der Mut zu mir zu stehen wie ich bin...) aber ich glaube, dieses direkte klare ansprechen meiner Therapeutin und das schreiben hier mit euch allen - das hat etwas bewirkt. Ich werde nun nur am Ball bleiben müssen um nicht wieder einzulenken.

Lg Mathilda

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Beitrag So., 19.09.2021, 17:53

mathilda1981 hat geschrieben: So., 19.09.2021, 15:30 Aber ich merke mittlerweile auch, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, an dem sich was ändern wird. Mir fehlt noch etwas Mut (vielleicht der Mut zu mir zu stehen wie ich bin...) aber ich glaube, dieses direkte klare ansprechen meiner Therapeutin und das schreiben hier mit euch allen - das hat etwas bewirkt. Ich werde nun nur am Ball bleiben müssen um nicht wieder einzulenken.
Ich möchte nur mal kurz sagen, dass ich es toll finde, wie du dich hier auseinandersetzt mir dir und diesem Thema.
Dieses Weitermachen, wenn der Tank nicht nur auf Reserve steht sondern eigentlich schon leer ist, hat bei mir wirklich Flurschäden angerichtet.

Ich hatte solche Angst, dass ich komplett ins Leere falle, wenn ich von meiner hohen Identifikation mit dem Job loslasse.
Ich wollte mir immer nebenbei Halt in anderen Lebensbereichen schaffen. Das hat nicht mehr geklappt, weil ich jedes Quentchen Kraft in die Erhaltung des Status quo stecken musste. Im Nachhinein gesehen hatte ich einen Tunnelblick.
Je länger man diese Ochsentour mitmacht, desto schlechter sind die Chancen, dass man noch in der Lage ist, Veränderungen zu gestalten, ohne alles aufzugeben. Diese Veränderungen kosten nämlich Kraft, die man aber im komplett im Alltag verpulvert. So zumindest meine Erfahrung hier.

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