Freundschaft nicht auf Augenhöhe

Nicht jedem fällt es leicht, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, "einfach" mal jemanden kennenzulernen oder sich in Gruppen selbstsicher zu verhalten. Hier können Sie Erfahrungen dazu (sowie auch allgemein zum Thema "Selbstsicherheit") austauschen.
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Beitrag Sa., 01.10.2022, 22:37

ziegenkind hat geschrieben: Sa., 01.10.2022, 17:06 Setzt Du das gleich, verliebt sein und zu jemandem aufgucken? Scheint mir ein Glück verhindernder Denkfehler zu sein, der für die meisten Menschen ziemlich seltsam wäre
Zumindest beschreibt es für mich ein ähnliches Hierarchie Verhältnis.

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ExtraordinaryGirl
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Beitrag So., 02.10.2022, 09:30

Hmm, seit wann gibt es bei Verliebtheit überhaupt Hierarchien? Vielleicht dann fehlende Augenhöhe in Beziehungen, wenn man's denn mag …

Wenn ich in jemanden verliebt bin, schwärme ich natürlich von ihm und halte ihn natürlich für besser als andere (Mitbewerber). Aber nicht unbedingt für besser als mich selbst in dem Sinne, dass er unter meinem Niveau ist und ich froh darüber sein muss, ihn abzukriegen. :?:

Das steht und fällt doch mit dem eigenen Selbstwertgefühl, auch, wie man mit jemandem umgeht, der einen zurückweist.
"Charakter zeigt sich in der Krise."

(Helmut Schmidt)

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reddie
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Beitrag Mi., 08.02.2023, 11:55

ExtraordinaryGirl hat geschrieben: So., 02.10.2022, 09:30
Das steht und fällt doch mit dem eigenen Selbstwertgefühl, auch, wie man mit jemandem umgeht, der einen zurückweist.
Sehr interessante Diskussion.

Sehe gewisse Parallelen zu meinem Erleben.

Man selbst himmelt an, alles ist interessant am anderen, es fühlt sich lebendig an. Es schwankt aber. Manchmal ist es der Himmel, manchmal die Hölle.

Das Problem ist bei mir, dass mein Selbstwertgefühl halt AUCH schwankt. Ich schaffe es, gerade am Anfang, diese Menschen tatsächlich für mich zu "gewinnen" (auch für Liebesbeziehungen), das fühlt sich sehr gut an. Wenn ich mich dann nicht genug geliebt fühle, kippt es ins Gegenteil. Und dem anderen fällt erst dann auf, was da gebrodelt hat. Das geht dann mit Auf und Abs eine lange Zeit.

Bei "normalen" Freundschaften möchte ich zwar nicht angehimmelt werden, höchstens verstanden und geschätzt. Ich fühle mich allerdings oft unverstanden und getrennt.

ABER: ich muss mir schmerzlich eingestehen, dass die Menschen mich dann nicht so sehr interessieren. Das spüren sie und sind gekränkt, was ich verstehe.

Zumindest im Vergleich zu denen, die ich anhimmel. Absurd: ich rede mit denen dann über meine Angebeteten, weil es für mich ein wertvolles Gesprächsthema ist. Am liebsten würde ich dann nur über diese Person sprechen, zügel mich aber...

Ich merke das zumindest aktuell, also mir ist es bewusst geworden. Das war ein langer Weg.

Bei mir hat es mit Angst vor Nähe und dem gleichzeitigem Bedürfnis nach dieser zu tun.

Meine Mutter hatte ebenfalls narzisstische Züge. Ich habe mich zu ihrem Lebensende mit ihr versöhnt. Dachte aber ich überlebe ihren Tod nicht. Habe jetzt sechs Jahre Trauer und Rückzug hinter mir. Ich kann sie jetzt kritisieren (sie ist früher extrem aggressiv geworden, wenn sie sich gekränkt fühlte). Ich liebe sie und dennoch kann ich sagen, dass sie sehr krank war psychisch. Ich erkenne auch Anteile von ihr in mir selbst. Und ja: ich bin auch sehr krank.

Interessanter Punkt: meine Mutter hat mir ebenfalls eine Beziehung verboten. Wobei sie grundsätzlich recht hatte. Ich war 16, er 30. Da er im Jugendheim gearbeitet hat und meine Mutter in einem ähnlichen Bereich, hat sie ihn angerufen und gedroht. Ich sagte ihr, wenn du das machst, springe ich aus dem Fenster. Und sie: spring doch.

Viele Grüße
reddie

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reddie
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Beitrag Mi., 08.02.2023, 12:34

Ich hab auch mal Songs geschrieben. ABER: immer nur über die Angebeteten. Ohne Drama keine Kreativität. :anonym:

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reddie
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Beitrag Mi., 08.02.2023, 13:59

Das ist ein verbreitetes Problem mit dem Drama und der Kreativität.

Ich mag dann gerade auch die Schwächen an den Angebeteten. :lol:


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Wurstel
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Beitrag Di., 14.03.2023, 16:00

Wurstel

chrysokoll hat geschrieben: Sa., 06.08.2022, 17:26
lisbeth hat geschrieben: Sa., 06.08.2022, 15:11 Ich glaube, du nimmst dich selbst und das was du spürst überhaupt nicht ernst.
genau das meine ich, es klingt so unbeteiligt, Schulter zuckend, emotionslos. Wie angelernt.
Wo, bitte, soll denn ein Entsetzen herkommen, wenn es sich um Sachen handelt, die man als normal (= üblich) empfindet?
chrysokoll hat geschrieben: Sa., 06.08.2022, 17:26Dazu ein gewisses Erstaunen.
Auch das ist verständlich.
Wenn man nicht weiß, daß etwas nicht in Ordnung ist, dann hat man schließlich keine Veranlassung, etwas zu ändern.
Diese Situation war bei der Themenerstellerin jahrzehntelang so.
Später hat sie dann erfahren, daß das, was sie erlebt hat, nicht "normal" war. Allerdings - irgendwie war es ja doch "normal", auch nach dieser Erkenntnis. Weil es eben so lange so war und man sich etwas Anderes nicht wirklich vorstellen kann.

Das war ja bei mir im Prinzip auch so.
Auch ich entstamme nicht einer Liebesehe, sondern einer Zweckehe (meine Eltern wurden von deren Eltern zusammengeheiratet; damit die Heirat meiner Eltern zustandegekommen ist, hat mein Großvater mütterlicherseits an meinen Großvater väterlicherseits eine Mitgíft bezahlt, weil mein Großvater mütterlicherseits einen starken Handwerker als Nachfolger gebraucht hat, denn sie hatten ja nur eine Tochter, aber keinen Sohn). Und schon vor der Heirat meiner Eltern hatte dieser Großvater vorbestimmt, daß sein ältester Enkel dereinst unseren Hof und den damit zusammenhängenden Betrieb übernehmen wird. Er hatte allerdings nur einen einzigen Enkel (nämlich mich), aber er hat mich nie kennengelernt, weil er 1946 gestorben ist, ich aber erst 1962 das Licht der Welt erblickt habe. Da waren aber die Weichen für mich schon in der Zwischenkriegszeit gestellt worden...

Und auch ich wußte, bis ich 17 wurde, nicht, daß man gegen seine Eltern revoltieren kann. Das haben mir erst die Schulkollegen in der Handelsschule erklärt. (Der Pfleger-Freund hat mir immer wieder gesat, daß man schon in der Kindheit revoltiert, das nennt man "Trotzphase", aber das hat es bei mir kaum gegeben, wahrscheinlich, weil ich nicht gewußt habe, daß man sich gegen die Eltern auflehnen kann. Dennoch kam ich als Schulkind für vier Monate in eine psychiatrische Kinderklinik, das war eine geschlossene Anstalt; meine Eltern sagten mir, daß das die Strafe dafür war, daß ich schlimm und unfolgsam gewesen bin.)

Naja, und was Kenntnisse von Beziehungen betrifft, da habe ich mir die Informationen als Kind und Jugendlicher eigentlich nur aus dem Fernsehen geholt. Meine diesbezüglichen Lieblingsfilme waren die Serie "Raumschiff Enterprise" und der Film "Nosferatu" (mit Klaus Kinski).

Mir wurde viel später gesagt, daß ich eigentlich eine schreckliche Kindheit und Jugendzeit gehabt haben muß. Und die Leute verstehen es nicht, daß ich das nicht so empfunden habe, weil das alles "normal" war.

Daß schlimme Kinder verprügelt werden, war normal.
Daß man geschlagen wird, wenn man den Eltern widerspricht, war normal.
Daß auch dem Schuldirektor in der Volksschule immer wieder die Hand ausgerutscht ist, war normal.
Daß der Schuldirektor vom Gymnasium oft die ganze Klasse zusammenschrie, war normal.
Daß ich als Kind geschoppt (=zwangsgefüttert wurde), wenn ich nicht aufgegessen habe, war normal.
Daß Teppichpracker und Schürhaken zu den Erziehungsgeräten gehörten, war normal.
Daß ich als 15jähriger meine Eltern noch immer um Erlaubnis fragen mußte, wenn ich aufs WC wollte, war normal.

Was ich mit dem Ganzen sagen möchte, ist, daß es schon verständlich ist, wenn man die eigenen Gefühle nicht ernst nimmt, wenn einem jahrzehntelang gesagt/eingelernt wurde, daß Gefühle ein Unsinn sind.

Ahja, und ein passendes Lied kenne ich da auch:
LUDWIG HIRSCH: Der blade Bua (1978)



Wurstel

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reddie
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Beitrag Di., 14.03.2023, 17:04

Das hast du sehr gut erkannt, Wurstel!

Als Kind denkt man, dass es so normal ist, wie man es kennt. Ein Kind kann ja auch nicht flüchten und ist auf die Eltern angewiesen.

Grüsslis
reddie

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realo2023
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Beitrag Di., 14.03.2023, 18:55

Genau, das Kind denkt so, geht auch nicht anders, jedoch dann wird das Kind ein Jugendlicher und ist kein Kind mehr, dann wird es ein junger Erwachsener und schließlich ein Erwachsener mit voller Eigenverantwortung, außer im Fall des gesetzlichen Betreuers, da hat der die Verantwortung. Wurstel ist 58 und Du 54, so steht es zumindest dran, das ist dann sogar ein sehr reifer Erwachsener. Ist da die Naivität der Kindheit wirklich noch relevant?

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reddie
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Beitrag Di., 14.03.2023, 20:45

Ich würde mir wünschen, dass es nicht so wäre..aber ja.
Das ist eine Lebensaufgabe für viele Menschen.


reddie

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realo2023
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Beitrag Mi., 15.03.2023, 09:29

Natürlich ist es eine Lebensaufgabe, eine schöne Aufgabe, sich vom bedürftigen Kind zum selbstständigen Erwachsenen entwickeln. In der Tat, es klappt nicht bei jedem Menschen, das ist bedauerlich und mit Einschnitten der Freiheit verbunden.

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Rosenstrauch
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Beitrag Mi., 15.03.2023, 15:06

Für mich ist Augenhöhe ein Attribut der Freundschaft, denn Bewunderung oder auch das Verliebtsein bezeichnen für mich jeweils andere zwischenmenschliche Beziehungen.
Entscheidend ist nicht, was uns im Leben zustößt, sondern wie wir darauf regieren

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