Sich nicht öffnen können

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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dieSteffi
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Sich nicht öffnen können

Beitrag Sa., 09.09.2023, 07:21

Hallo zusammen,

ich lese schon eine Weile hier mit und ich möchte euch gerne um einen Rat fragen. Ich mache seit 2 Jahren eine Therapie (PTBS, Essstörung, Panikattacken) habe auch schon in den letzten 2 Jahren einige Krankenhausaufenthalte gemacht, mir ging es sehr sehr schlecht. Mittlerweile bin ich Gott sei Dank von meiner Ärztin gut mit Medikamenten eingestellt. Muss zwar wirklich viele Medis nehmen, damit hadere ich zwar sehr, ich komme damit allerdings einigermaßen durch den Tag und kann auch einigermaßen schlafen.

Jetzt bin ich in der Therapie soweit, dass es eigentlich an der Zeit ist, sich mal zu öffnen und über Dinge zu reden, habe noch nie darüber geredet. Ich möchte das auch selbst, weil mich Dinge innerlich zerfressen, aber ich schaffe das irgendwie nicht. Diese Zerrissenheit macht mich total fertig, Ich habe einfach Angst, dass die TP denkt, so schlimm ist das ja gar nicht und ich habe so große Schamgefühle und Schuldgefühle, es ist sooo schwer. Ich weiß irgendwie gar nicht weiter.

Hattet ihr diese Situation auch schon mal und gibt es etwas, was euch hilft oder geholfen hat?

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Montana
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Beitrag Sa., 09.09.2023, 10:52

Es dürfte kaum jemanden geben, der das nicht kennt. Das ist normal und Therapeuten kennen das natürlich auch. Du kannst versuchen, um den heißen Brei herumzureden. Also wirklich ganz weit entfernt anfangen. "Es gibt etwas, was ich sagen möchte, aber ich kann es nicht." Und dann ist erstmal nicht "das Thema" Gesprächsthema in der Therapie, sondern das Drumherum. Aha, da gibt es was, und da gibt es Scham und andere Gefühle. Das allein ist schon ein ergiebiges Thema, ein eigenes für sich. Wenn ihr euch damit beschäftigt, dann kommt irgendwann der Punkt, wo es möglich wird, konkreter zu werden. Stück für Stück, so wie es gerade passend ist.

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chrysokoll
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Beitrag Sa., 09.09.2023, 11:07

dieSteffi hat geschrieben: Sa., 09.09.2023, 07:21 Mittlerweile bin ich Gott sei Dank von meiner Ärztin gut mit Medikamenten eingestellt. Muss zwar wirklich viele Medis nehmen, damit hadere ich zwar sehr, ich komme damit allerdings einigermaßen durch den Tag und kann auch einigermaßen schlafen.

Hattet ihr diese Situation auch schon mal und gibt es etwas, was euch hilft oder geholfen hat?
Gleich vorweg: Du "musst" keine Medikamente nehmen. Es ist deine freie Entscheidung ob du welche nimmst und wie lange.
Wenn es dir damit gut geht ist es ja ok, dennoch ist es an dir kritisch zu überprüfen ob die weiter nötig sind und du das willst. Da kannst du auch das offene Gespräch mit der Ärztin suchen.

Kennt die Therapeutin denn in Ansätzen deine Hintergründe, die Problematik? Also WEISS sie was da noch schlummert?
Du kannst wie von Montana vorgeschlagen das andeuten. Du kannst einen Brief oder eine Mail schreiben.

Wer denkt denn dass es jetzt an der Zeit ist das anzugehen? Du selber? Das geht nicht unter Zwang. Und die Therapeutin ist mit dafür zuständig dir da Möglichkeiten aufzuzeigen darüber zu sprechen. Habt ihr das mal geklärt? Auch das solltest du ansprechen. Also: "Da ist etwas, aber ich schäme mich so". Das ist sehr normal, das geht sehr vielen so.

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LovisTochter
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Beitrag Sa., 09.09.2023, 11:44

Als Distanzierungsmöglichkeit könnte vielleicht auch helfen in der dritten Person zu sprechen.
Wer nicht auf seine Weise denkt, denkt überhaupt nicht. (Oscar Wilde)

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Montana
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Beitrag Sa., 09.09.2023, 12:02

LovisTochter hat geschrieben: Sa., 09.09.2023, 11:44 Als Distanzierungsmöglichkeit könnte vielleicht auch helfen in der dritten Person zu sprechen.
"Ich frag für nen Freund" :D

Aber ja, die Idee ist tatsächlich auch gut.

Vor allem ist aber dieses Müssen wenig hilfreich. Du musst halt echt gar nichts.

Zu den Medikamenten hatte ich erstmal nichts geschrieben, aber mir ist natürlich eine Sache ins Auge gesprungen, und zwar: "Mittlerweile bin ich Gott sei Dank von meiner Ärztin gut mit Medikamenten eingestellt." Man stellt Maschinen ein. Du bist aber ein Mensch. Dieser vermeintliche Fachausdruck ist für mein Empfinden menschenverachtend. Zumal Menschen ja keine Anzeigen haben, an denen man die perfekte Einstellung ablesen kann. Der einzige Maßstab dafür, ob Medikamente für dich passend und hilfreich sind, bist du. Nur du kannst das beurteilen und du merkst auch, wenn es nicht mehr passt. Nicht die Ärztin. Die kann nur Vorschläge machen und Rezepte ausstellen.

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dieSteffi
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Beitrag Sa., 09.09.2023, 12:14

Erst einmal vielen lieben Dank für eure Antworten.

Das ich die Medikamente nicht unter Zwang nehmen muss, weiß ich auch. Ich tue mich da nur so schwer mit, da sie auch sehr appetitanregend sind und das mit Anorexie sehr schwer auszuhalten ist. Dennoch ist es mir unmöglich, diese abzusetzen, da ich die letzten 2 Jahre psychisch und körperlich durch die Hölle gegangen bin. Flashbacks, extreme Schlaflosigkeit, extreme Panikattacken, extreme Schreckhaftigkeit, Suizidgedanken usw. Das war auch für meine Familie sehr schwer. Deswegen ist es notwendig, diese Medikamente zu nehmen. Diese helfen momentan die Symptome etwas zu verringern und so komme ich einigermaßen durch den Tag.

Ja die Therapeutin kennt Übersschriften und sie bietet mir den Raum, zu sprechen und ich möchte auch so gerne, weil ich glaube, das es wichtig ist. In der Klinik wurde mir der Prozess auch erklärt, das es wichtig ist Sachen auszusprechen, um das Trauma anzuerkennen und dies sehr wichtig ist für den Heilungsprozess. Und genau das möchte ich auch so gerne. Ich werde versuchen das mit der Scham mal anzusprechen.

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dieSteffi
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Beitrag Sa., 09.09.2023, 12:19

Nein, das ist schon vollkommen auf Augenhöhe so mit den Medikamenten gekommen. Wirklich. Ich habe mich da vielleicht falsch ausgedrückt. Ich bin froh momentan einfach einigermaßen leben zu können. Und ich kann bei meiner Ärztin auch frei entscheiden

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candle.
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Beitrag Sa., 09.09.2023, 13:01

Hallo,

da du von Medikation schreibst, würde mich interessieren was du "gegen" die PTBS bekommst. Bei mir steht das auch an. Wie wird bei dir die Schlafstörung behandelt und wie die Anspannung?

Viele Grüsse
candle
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dieSteffi
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Beitrag Sa., 09.09.2023, 13:19

Ich bekomme morgens Sertralin 150 mg , das ist eins der zwei zugelassenen Medikamente, die bei PTBS eingesetzt werden. Mittags Opipramol 100mg, abends Quetiapin 150 mg ret. , Mirtazapin 45 mg und bei Bedarf Zopiclon

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candle.
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Beitrag Sa., 09.09.2023, 14:09

Danke! Oha, die muß ich nachlesen, da weiß ich nicht was für was ist.

candle
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dieSteffi
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Beitrag Sa., 09.09.2023, 14:14

Die sind überwiegend gegen Angst- und Panikattacken, Flashbacks und gegen das starke Erschrecken. Das Quetiapin schirmt etwas ab, man fühlt sich in Watte gepackt, das ist ein Neuroleptikum

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candle.
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Beitrag Sa., 09.09.2023, 16:31

dieSteffi hat geschrieben: Sa., 09.09.2023, 14:14 Das Quetiapin schirmt etwas ab, man fühlt sich in Watte gepackt, das ist ein Neuroleptikum
Das ist ja echt furchtbar, damit kann man ja nicht mal mehr seinen Alltag steuern.
Ich habe nur mal die Information bekommen, dass man das schwer behandeln kann, weil es schwierig ist jede Symptomatik in den Griff zu bekommen.
Ich habe einfach Angst, dass die TP denkt, so schlimm ist das ja gar nicht
Ist da deine Einschätzung von der Therapeutin realistisch? Das wäre ja nicht so günstig.

candle
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Zephyr
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Beitrag Sa., 09.09.2023, 17:13

Kannst du denn näher beschreiben, wie dieses „es geht nicht, auch wenn ich will“ aussieht? Also willst du in dem Moment aus Grund von Scham und Angst vor der Reaktion deiner Therapeutin dann doch nicht mehr? Oder kannst du tatsächlich nicht sprechen, kommt kein Ton raus obwohl du quasi den Befehl dazu gibst?

Ich finde Montanas Vorschlag auch gut. Besprich mit ihr, dass du Angst vor ihrer Reaktion hast (oder wovor auch immer).

Mir hilft es auch, auf einer Metaebene über Scham und Schuld bei Traumata zu reden - es ist nämlich (auf den ersten Blick erstaunlicherweise) total üblich, dass traumatische Ereignisse bei den Opfern genau solche Gefühle auslösen.

Woran man in dem Kontext auch noch denken kann, ist, dass dich das reine darüber sprechen schon emotional in die damalige Situation zurück versetzen kann - so stark, dass du dann auch beim Sprechen ein Erleben con Ausgeliefertsein, Scham, Schuld, Resignation, Hilflosigkeit… oder auch eine typische Starre haben kannst. All das hindert sehr effektiv daran zu reden.

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dieSteffi
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Beitrag Sa., 09.09.2023, 21:17

Ich habe einfach Angst, dass die TP denkt, so schlimm ist das ja gar nicht
„ Ist da deine Einschätzung von der Therapeutin realistisch? Das wäre ja nicht so günstig.“

Das verstehe ich jetzt nicht so genau 🙈

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chrysokoll
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Beitrag Sa., 09.09.2023, 21:20

Es ist ganz wichtig sowas zu überprüfen!
Also gibt es irgendwelche Anhaltspunkte dafür dass die Therapeutin denkt das wäre nicht so schlimm? Hat sie irgendwas mal in der Richtung gesagt, oder hat man irgendwelche "Indizien" dass sie so denken könnte?
Man kann und sollte und darf das ganz klar ansprechen. Auch die Reaktion zeigt wie es ist.
Ganz oft haben ja Traumatisierte solche Vorstellungen und glauben das ist ganz sicher so. Es ist ein Teil der Therapie hier in die Realitätsprüfung zu gehen, das mal anzusprechen. Das ist ein erster Schritt um überhaupt mal vom Trauma sprechen zu können

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