Hoffnungslos nach Retraumatisierung und widrigen Lebensumständen

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Silberdistel
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Hoffnungslos nach Retraumatisierung und widrigen Lebensumständen

Beitrag Fr., 27.10.2023, 09:03

Bis vor zwei Jahren dachte ich, auf einem guten Weg zu sein in Bezug auf Aufarbeitung meiner traumatischen Kindheit und Jugend und Auseinandersetzung mit mir selbst und meinem Leben - Kinder aus dem Haus, vielleicht doch noch partnerschaftliche Beziehung zu wagen, zu versuchen, im letzten Lebensviertel Raum, Zeit und Kraft für Leichtes, Schönes zu haben.

Letztes Jahr während eines stat. Aufenthaltes (mit vorab geplanter Traumakonfrontation) Retraumatisierung - sowohl infolge der Konfrontationen, aber auch, und das ist bitter, infolge eines mich herabwürdigenden, ausgrenzenden Umgangs seitens der Behandler/Pflege mir mir.
Der 12 Tage nach dem stat. Aufenthalt erfolgte Umzug, der in Verbindung mit der Übernahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit m. wirtschaftl. Situation verbessern/sichern sollte, erwies sich als großer Fehler.
Nur ein knappes 3/4 Jahr später bin ich erneut umgezogen - in ein anderes Bundesland.

Die massiven, tiefgreifenden Erschütterungen (innerlich und äußerlich) haben mir jeglichen Mut, alle Hoffnung und Kraft genommen. Tag für Tag ringe ich um das winzige Stück Boden unter meinen Füßen und darum, dass es mich trägt.
Vielleicht habt Ihr Gedanken, Ideen, Anregungen, Fragen und Einfühlung, die meinen Blick etwas erhellen.

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lisbeth
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Beitrag Fr., 27.10.2023, 09:28

Kann es sein, dass du dir viel zu viel auf einmal vorgenommen hast?
Klinikaufenthalt mit Traumakonfrontation,keine 2 Wochen danach Umzug in eine völlig neue Umgebung, neue Aufgaben?
Da wird mir beim Lesen schon schwindelig... ;-)

Hast/Hattest du ambulante therapeutische Begleitung, die dich auf den Klinikaufenthalt vorbereitet und danach auch ein Stückweit aufgefangen hat? Oder hast du das alles mit dir selbst klargemacht?

Meine Erfahrung (bin Mitte 50): Ich bin gerade dabei, mich beruflich völlig neu zu orientieren. Davor war ich viele Jahre raus aus dem Beruf, weil nix mehr ging und alles zu viel war, auch privat. Es IST möglich, den winzigen Fleck Boden unter den Füßen wieder auszuweiten und größer werden zu lassen. Aber das geht meiner Meinung nach nur langsam, einen Schritt nach dem anderen und nicht mit 7-Meilen-Stiefeln. Das Blöde am "Langsam" ist, dass man lange Zeit keine Veränderungen wahrnimmt, es braucht eine ganze Weile bis dein Ausblick sich verändert, und du neue Perspektiven findest.
Und - gerade für die ersten Schritte - braucht es möglicherweise jemanden an deiner Seite. Jemand, der dir Rückmeldung gibt, dir bei der Orientierung hilft, dich gegebenenfalls auch mal ausbremst, wenn du zu viel auf einmal willst. Aber auch das kann ganz unterschiedlich aussehen: Gesprächstherapie, non-verbale Ansätze (Kunst-, Musik-, Körpertherapie), Gruppentherapie, Selbsthilfegruppe oder ein Mix aus mehreren dieser Angebote...
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

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Silberdistel
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Beitrag Fr., 27.10.2023, 10:34

Liebe lisbeth,
danke für Deine schnelle Rückmeldung.
Ja, es mag sich so lesen, dass ich mir zu viel in kurzer Zeit vorgenommen habe.
Ich kann hier ja auch nur einen kleinen
und verkürzten Ausschnitt darlegen.

Es bestand Handlungsbedarf in Bezug auf kleinere und billigere Wohnung oder einen weniger anstrengenden Minijob (zur Existenzsicherung) finden - und weder das eine noch das andere an meinem damaligen Wohnort (4000 EW, ich ohne Auto) war nach monatelanger Suche in Aussicht.

Da kam das Angebot "Übernahme Ehrenamt, im Gegenzug günstig Wohnen", dem ich (vermutlich dissoziationsbedingt) ohne Prüfung und ohne Klarheit, was das genau heißt, zugestimmt hatte, kurz darauf das Mietverhältnis gekündigt...
Der Klinikaufenthalt war vorbereitet (sowohl in viel Eigenarbeit, ambulant und durch 2 vorangegangene stat. Aufenthalte). Ich dachte wirklich, mit diesem Klinikaufenthalt "abschließen" zu können.
Die Schwere und Ausprägung der dissoziativen Symptomatik ist erst seither deutlich und in den Fokus der Behandlung gerückt. (Hatte dissoziationsbedingt viele Stürze mit z.T. erheblichen Folgen) Auch mir selbst wird erst seither bewusster, was 'mit mir los ist'. Mein Leben wird nicht lang genug sein für die Arbeit, die mir noch bevorsteht - vor allem, alleine werde ich das nicht schaffen.

Ich hatte und habe ambulant therapeutische Unterstützung - umzugsbeding/anderes Bundesland jetzt ausschließlich online-Stunden (was natürlich nicht ideal oder gut ist). Leider geht meine Therapeutin im kommenden Jahr in den Ruhestand und gibt auch ihre Kassenzulassung ab, d. h. dann stehe ich ohne ambulante psychotherapeutische Unterstützung da. Meine bisherige Suche unter Einbezug aller einschlägig bekannten Listen etc. blieb bisher erfolglos. An der Stelle weiß ich auch absolut nicht mehr weiter.

Ja, ich habe viel mit mir selber "klargemacht".
Und ja, dass neue Schritte und Orientierung Zeit brauchen, das ist mir bewusst.

Jemanden an meiner Seite - das wäre schön und wünschenswert (habe ich extrem in den letzten 2 Jahren vermisst, wäre notwendig gewesen - diese Erfahrung kenne ich gar nicht. Bisher habe ich es alleine in meinem Leben hinbekommen. Jetzt habe ich wirklich so gar keine Kraft mehr).

Rückmeldung, Orientierung - wo könnte ich die finden? Ich weiß es nicht. Die Freundinnen, die ich habe, leben deutschlandweit verteilt (bin mehr als 15 mal in meinem Leben umgezogen...)

Tja, die Angebote (eine SHG habe ich ausfindig gemacht - für die 1 1/2 stündige Teilnahme bin ich 4 Stunden außer Haus (stresst mich sehr)) muss ich zunächst mal ausfindig machen, dann stellt sich die Frage, wie ich dorthin komme (geht ja nur mit dem ÖPNV) und mein finanzieller Spielraum für dergleichen Angebote ist im Grunde gleich null.

Kleine oder kleinste Schritte - es wird wohl nicht anders gehen....
Ich verspüre viel Traurigkeit, wohl auch weil ich mich von der Hoffnung oder dem Wunsch verabschieden muss, dass es in meinem Leben irgendwann leichter wird (bin 60).

Danke soweit

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Silberdistel
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Beitrag Do., 02.11.2023, 09:33

Schade,
ich hatte mir ein wenig mehr Anregung/Austausch/Fragen gewünscht.
Sollte wohl nicht sein.

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lisbeth
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Beitrag Do., 02.11.2023, 12:41

Hm - auf mich wirkte deine Antwort oben ziemlich abschließend. Da blieb (für mich) nix mehr dazu sagen.
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― Anne Lamott

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Silberdistel
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Beitrag Do., 02.11.2023, 13:53

Ich hatte mir wohl hoffnungmachende, ermutigende, einfühlende Gedanken und Beiträge gewünscht.

Abschließend - in vielerlei Hinsicht - ist es dann nun.

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Sydney-b
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Beitrag Do., 02.11.2023, 17:13

Käme für dich eine Tagesklinik infrage?
Dort hättest du über einen längeren Zeitraum täglich Therapie und Kontakte und außerdem Struktur.
Auch könntest du dort eventuell neue Freundschaften oder zumindest Bekanntschaften schließen.
Vielleicht sogar ein neues Hobby dadurch kennenlernen.

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Silberdistel
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Beitrag Do., 02.11.2023, 17:45

Hallo Sydney-b,
danke für Deine Anregung.
Ich gehe demnächst in Reha...
Vermutlich ist es mit mir nicht einfach:
Ich war und bin trotz allem und immer noch hochfunktional, strukturiert, dazu (hoch)begabt (im künstlerisch-musischen Bereich), intelligent, eloquent im Auftreten und Gespräch.
Es widerstrebt mir sehr, dies zu schreiben/zu äußern, aber vielleicht wird dadurch deutlicher, wie schwer es (für mich) ist, Außenstehenden zu vermitteln, wie es um mich steht.
Ich frage mich, wie muss ich sein und 'mich denn (noch) zeigen', dass meine Not und Verzweiflung gesehen wird?
(Vielleicht verzweifle ich auch an (und in) der gesellschaftlichen, sozialen, politischen Struktur,dem Gesundheits-System - ich weiß es nicht.)
Und aktuell leide ich sehr darunter, dass ich es aus eigener Kraft und selbstwirksam nicht schaffe, die für mich notwendige äußere Sicherheit (meiner Existenz) aufzubauen, zu etablieren. Das triggert immer wieder "Altes", und ich habe keine Kraft mehr, damit umzugehen, das auszuhalten.


Kirchenmaus
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Beitrag Do., 02.11.2023, 19:10

Silberdistel hat geschrieben: Do., 02.11.2023, 17:45 aber vielleicht wird dadurch deutlicher, wie schwer es (für mich) ist, Außenstehenden zu vermitteln, wie es um mich steht.
Ich frage mich, wie muss ich sein und 'mich denn (noch) zeigen', dass meine Not und Verzweiflung gesehen wird?
Wer sieht dich denn nicht?

Hier hat lisbeth, wie ich finde, einfühlsam angemerkt, dass du dir evtl. zu viel zugemutet hast. Daraufhin hast du aus meiner Sicht nur erklärt, warum das so sein musste – dabei gibt es doch gar keinen Rechtfertigungsdruck von außen. Eigentlich fand ich das ziemlich liebevoll, wie sie dich gesehen hat und auf dich eingegangen ist.

Kann es sein, dass du dich selbst nicht siehst, dass du selbst deine Not und Verzweiflung nicht anerkennst?
Es ist in Ordnung, mich zu akzeptieren.

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Sydney-b
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Beitrag Do., 02.11.2023, 20:57

Silberdistel hat geschrieben: Do., 02.11.2023, 17:45
Es widerstrebt mir sehr, dies zu schreiben/zu äußern, aber vielleicht wird dadurch deutlicher, wie schwer es (für mich) ist, Außenstehenden zu vermitteln, wie es um mich steht.
Ich frage mich, wie muss ich sein und 'mich denn (noch) zeigen', dass meine Not und Verzweiflung gesehen wird?
Naja, wenn du Außenstehenden nicht ernsthaft vermittelst, wie schlecht es um dich steht, dann ist es doch logisch, dass diese deine Not nicht sehen können.
Die wenigsten Menschen haben hellseherische Fähigkeiten. ;)
Da du eloquent im Gespräch bist, dann sprich doch mit dir wichtigen Menschen mal Klartext.

Hast du eigentlich dir nahestehende Freunde oder Familie?
Da du so extrem oft umgezogen bist, stelle ich mir das schwierig vor, dauerhafte und intensive Freundschaften aufrecht zu erhalten.

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Silberdistel
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Beitrag Do., 02.11.2023, 22:03

@kirchenmaus,
ja, über lisbeths einfühlsame Antwort habe ich mich sehr gefreut, und ich habe mich wahrgenommen gefühlt.

Rechtfertigungsdruck verspüre ich nicht. Ich hatte nur das Bedürfnis, mehr zu meiner Situation zu schreiben und vielleicht so deutlich zu machen, wo ich stehe.

Doch, ich sehe und anerkenne meine Not und Verzweiflung.

Es geht mir darum, einen Weg aus meiner Hoffnungslosigkeit zu finden, diesen sehe ich nicht mehr.
Und weiter geht es mir darum, einen Weg zu finden, wie ich die bereits angedeuteten schlimmen Erfahrungen der letzten 1 1/2 Jahre überwinden und verarbeiten kann. (Das schaffe ich alleine einfach nicht mehr.)

@Sydney-b
Mit den mir wichtigen Menschen habe ich Klartext gesprochen.

Ich habe gute Freundinnen, die allerdings sehr weit von meinem jetzigen Wohnort entfernt leben.
Ich lebe alleine, habe erwachsene Kinder, die ebenfalls nicht in meiner Nähe leben.

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candle.
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Beitrag Do., 02.11.2023, 22:30

Hallo!

Und wie wäre es dich irgendeiner Gruppe anzuschließen um mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen?

Ich wohne auch auf dem Land und es ist gar nicht so ruhig wie ich dachte. Landfrauenverein z. B. Oder eine Naturschutzgruppe und vieles mehr.

Liebe Grüße
candle
Now I know how the bunny runs! Bild

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Silberdistel
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Beitrag Do., 02.11.2023, 22:34

Danke @candle, das ist eine gute Idee.
Da werde ich schauen, was es hier gibt.

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Sydney-b
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Beitrag Do., 02.11.2023, 23:36

Da du sehr musikalisch bist, würde sich eventuell ein Chor anbieten.
Die gibt es fast überall.
Falls du gerne mit Kindern arbeiten möchtest und da du künstlerisch begabt bist: an vielen Schulen und Jugendeinrichtungen gibt es Angebote für die Kinder von Freiwilligen.
In unterschiedlichen AGs dürfen diese sich dann ausprobieren.
Falls du religiös bist, in kirchlichen Einrichtungen finden sich oft überraschend gute Seelsorger.

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Sydney-b
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anderes/other, 50
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Beitrag Do., 02.11.2023, 23:40

In die Nähe deiner Kinder zu ziehen wäre keine Option?
Irgendwann bekommst du sicherlich Enkel.
Sich um Enkelkinder zu kümmern (um in die Zukunft zu denken) kann sehr viel Lebensfreude schenken…

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