Glücklich werden trotz psychischer Erkrankung Geschwister?

In diesem Forumsbereich können Sie sich über Schwierigkeiten austauschen, die Sie als Angehörige(r) oder Freund(in) von psychisch Erkrankten bzw. leidenden Personen konfrontiert sind.
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Gaenseblume
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Glücklich werden trotz psychischer Erkrankung Geschwister?

Beitrag Do., 01.02.2024, 23:09

Hallo alle Zusammen,

es ist das erste Mal, dass ich mich online zu diesem Thema äussere.
Meiner Schwester geht es schon seit Jahren psychisch sehr schlecht (Traumata, Suizidgedanken, Schulden). Mein Vater hat ein Alkoholproblem. Er ist immer mal wieder abstinent mit Rückfällen.
Ich selbst lebe mit meinem Mann und einer Tochter glücklich und versuche mein Leben zu meistern. Leider mache ich mir nur unfassbare Sorgen um meinen Vater&aktuell besonders um meine Schwester, dass es mir die Luft zum Atmen nimmt. Wenn es meiner Schwester schlecht geht oder mein Vater massiv trinkt, geht es mir massiv schlecht..ich falle regelrecht in ein Loch und der Gedanke, dass den beiden was zustösst (suizidversuch) lässt mich so hilflos zurück. Ich denke mir: wenn der Falk eintreffen sollte- wie soll ich dann glücklich werden?

Ich weiß gar nicht was ich mir von dem Beitrag erhoffe, vielleicht Gleichgesinnte zu finden?
Hat jemand ähnliches durchgemacht? Was hat ihm/ ihr geholfen?

Ich würde mich über Austausch freuen.

Liebe Grüße

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Philosophia
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Beitrag Fr., 02.02.2024, 05:59

Hey... mein erster Gedanke war, dass du dich am besten abgrenzt. Du bist nicht verantwortlich sie zu retten oder dafür zu sorgen, dass es ihnen gut geht. Offenbar hast du die beiden lieb (oder?) und das ist ok, du kannst dir und ihnen wünschen, dass es ihnen gut geht. Aber sie sind für ihre Leben selbst verantwortlich - nicht du. Auch nicht, wenn sie sich ihres nehmen.
Es ist total schön, dass du dir trotz der Umstände selbst ein gutes Leben aufgebaut hast! Und das ist auch stark!
Mein Vater ist letztlich an den Folgen seinen Alkoholmissbrauchs recht jung verstorben - ich habe mich von ihm sehr distanziert, weil er mir nicht gut tat - und ich stelle immer noch fest, dass ich ihn nicht mal vermisse. Ich habe von ihm nicht wirklich etwas Gutes bekommen. Wie war/ist es denn bei dir? War/ist dein Vater auch gut für dich? Oder deine Schwester?
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer

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Nico
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Beitrag Fr., 02.02.2024, 06:20

Fakt ist, dass es nicht in deiner Macht steht ihnen zu helfen oder an ihrem Zustand auch nur das geringste zu ändern.
Wenn du dir dessen bewusst wirst, lässt es sich um einiges leichter ertragen.

Sie sind aber genauso nicht dafür verantwortlich oder entscheidend dass du glücklich wirst/ bist oder nicht.
Das steht wiederum einzig in deiner Macht.
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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Thread-EröffnerIn
Gaenseblume
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Beitrag Fr., 02.02.2024, 10:30

Vielen Dank für eure Antworten.
Ich hätte niemals gedacht, dass der Austausch so gut tun kann. Man fühlt sich einfach nicht mehr ganz so alleine damit.
Tatsächlich habe ich in meiner Kindheit & Jugend ein sehr gutes Verhältnis zu meinem Vater gehabt. Er war immer sehr fürsorglich und liebevoll. Aber ich habe schon sehr früh gemerkt, dass es ihm nicht gut geht. Schon von klein auf habe ich immer Angst gehabt, er tut sich etwas an.
Aus dem Grund kann ich sagen - ja, wir haben ein gutes Verhältnis, aber es war nicht immer "gesund" bzw. es hätte mir an Stärke gefehlt. Aber ich habe mich damit ausgesöhnt soweit es geht, weil ich weiss wie schwer es meine Eltern hatten.
Aber dieses Gefühl - doch irgendetwas machen zu können, lässt mich einfach nicht los. Bei jedem Anruf in Abwesenheit stockt mir der Atem und ich kann kaum klar denken.
Auch das Gefühl - kann wirklich gerade einfach mal alles okay sein in meinem Leben - oder wartet schon das nächste Drama auf mich- ist ein andauernder Gefährte.

Ich schwanke ständig zwischen "Geniesse die Zeit, die dir noch bleibt mit den beiden" und "ich kann das alles nicht, ich möchte dort nicht hin, ich kann nicht zu viel".
Die Beiden wohnen weiter weg und ich fahre Recht selten hin. Und das ist der Knackpunkt- sollte den Beiden doch etwas zustoßen würde ich immer denken: warum bist du nicht nochmal hingefahren?!
Jemand Tipps wie man da eine Balance findet?

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lisbeth
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Beitrag Fr., 02.02.2024, 10:37

Hast du dich schon mal mit dem Konzept der Co-Abhängigkeit auseinander gesetzt?
Du als Kind solltest nie für das Wohlergehen deiner Eltern verantwortlich sein oder dich so fühlen, als wärst du verantwortlich. Das ist alles andere als ein "gutes" Verhältnis sondern pures Gift.
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

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Nico
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Beitrag Fr., 02.02.2024, 12:28

Es gäbe da natürlich auch die Möglichkeit, dass du einfach einmal „ irgendetwas machst“, dann würdest du ja sehen wie sehr du ihnen damit hilfst und ob dich das dann glücklicher macht.

Ich glaube du weißt die Antwort ganz genau, aber du stellst dich dem nicht.
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Thread-EröffnerIn
Gaenseblume
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Beitrag Fr., 02.02.2024, 14:03

Ja, von dem Konzept der Co- Abhängigkeit habe ich gehört. Da mein Vater erst süchtig würde, als ich bereits erwachsen war, bin ich immer davon ausgegangen, dass es mich nicht so stark betrifft sondern eher Menschen, die nah mit Abhängigen zusammenleben. Aber viele der Symptome passen.
Ich bin (natürlich) auch in einem Helferberuf gelandet 🫣

Dein Satz Nico, hat mich zum Nachdenken angeregt, was gut ist. Meinst du damit, dass ich mich den Gefühlen der Hilflosigkeit, Ohnmacht und Schmerz nicht stellen möchte, wenn ich nicht verkrampft Versuche zu "helfen"?

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Nico
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Beitrag Fr., 02.02.2024, 18:26

Ja für manche Menschen ist es unerträglich zu akzeptieren, dass sie nicht alles kontrollieren u beeinflussen können.
Sie empfinden das dann als Ohnmacht und Hilflosigkeit.

In Wirklichkeit ist das aber enorm befreiend und beruhigend wenn man verstanden hat, dass erwachsene Menschen das Recht und die Pflicht haben, für sich selbst zu entscheiden.

Wenn man dann noch lernt diese Entscheidungen zu akzeptieren, auch wenn man selbst ganz anders denkt, hat man so gut wie gewonnen.
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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candle.
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Beitrag Fr., 02.02.2024, 19:59

Gaenseblume hat geschrieben: Fr., 02.02.2024, 10:30 Jemand Tipps wie man da eine Balance findet?
Dich intensiv mit DIR auseinandersetzen, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass du keinen psychischen "Schaden" genommen hast. Das würde dabei helfen dich emotional von deiner Familie zu distanzieren. Du kannst sie ja leider nicht ändern.

Was ist mit deiner Mutter?

Viele Grüße
candle
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chrysokoll
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Beitrag Fr., 02.02.2024, 20:20

Gaenseblume hat geschrieben: Fr., 02.02.2024, 10:30 Aber dieses Gefühl - doch irgendetwas machen zu können, lässt mich einfach nicht los. Bei jedem Anruf in Abwesenheit stockt mir der Atem und ich kann kaum klar denken.
was wäre denn dieses "irgendwas" das du machen könntest? Was ist das konkret?

Mein Tipp oder Rat an dich: Vielleicht wendest du dich als ersten Schritt an eine Suchtberatungsstelle. Die machen normalerweise auch Angehörigenberatung, das wäre ein erstes Gespräch in dem du erkennen könntest dass du für denen Vater und deine Schwester nichts machen kannst. Schon gar nicht wenn sie nicht wollen.
Aber du kannst sehr viel für DICH (!) machen.

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münchnerkindl
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Beitrag Sa., 03.02.2024, 11:31

Wenn du dir solche Sorgen machst weil die beiden krank sind liegt dahinter aber ja die Annahme dass Angehörige von dir stets gesund sein müssen und unsterblich sein müssen.

Das Leben als Mensch ist aber nun mal so dass Menschen krank werden können. Ich denke was hier fehlt ist die Akzeptanz der Tatsache, dass solche Erkrankungen, Probleme nicht immer nur bei irgendwelchen fremden Menschen vorkommen sondern auch im eigenen Umfeld oder bei einem selbst auftreten können. Und dass ein überbordendes Bedürfnis nach einer heilen Welt nicht den Gegebeneiten auf diesem Planeten entspricht.

Von daher ist die Frage, warum in deinem Leben diese heile Welt in der Krankheit oder Tod nicht existiert so ungeheuer wichtig für deine eigene Stabilität ist.

Und warum du dann im nächsten Schritt glaubst dass du erstens fähig dazu bist das abzuwenden, womit du dir ja schon übernatürliche Fähigeiten zuschreibst und das unbedingt tun musst, also diesen anderen Personen nicht zugestehst ihre eigenen Angelegenheiten autonom selbst zu regeln. Das hat was von einem massiven Kontrollbedürfnis.

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Gaenseblume
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Beitrag Sa., 03.02.2024, 20:05

Hallo alle Zusammen,

danke für alle eure Beiträge. Die haben mich sehr zum nachdenken angeregt- insbesondere der Aspekt der Kontrollsucht. War mir gar nicht so bewusst, dass es was massiv kontrollierendes hat, wenn man denkt, man könnte jemand anderen retten.
(TW Suizidversuch:) Ich erinnere mich an ein Erlebnis in meiner Kindheit, wie ich in einem Nebenzimmer Gesprächsfetzen aufschnappte, in der meine Mutter meinen Vater uberzeugen wollte, dass er das uns Kindern nicht antun kann.. ich weiß nicht wie viel kindliche Fantasie ist und was wirklich passiert ist, aber ich erinnere mich an ein extrem starkes Gefühl von purer Angst und Panik, dass mein Papa nicht mehr da ist.
Meine Mutter war immer sehr kalt und hat uns sehr streng und autoritär erzogen. Mein Vater hat immer versucht es irgendwie zu kompensieren. wenn ich an meine Mutter denke habe ich das Gefühl, dass ich sie garnicht wirklich kenne. Habe immer das Gefühl gehabt, egal wie sehr sie es sich wünscht, dass sie einfach nicht in der Lage ist zu lieben
Habe mein halbes Leben damit verbracht ihr gefallen zu wollen, mittlerweile kann ich sehr gut loslassen und auch ein bisschen verzeihen.

Ich weiss, dass ich mein Päckchen zu tragen habe und habe vor ca 9 Jahren mal eine Psychoanalyse gemacht. In der ging es vorallem um meine Mutter und die Situation mit meinem Vater und meiner Schwester war zu dem Zeitpunkt noch nicht so dramatisch. Ich merke wie ich in letzter Zeit immer bedrückter bin und wenig Freude (kenne dieses depressive Gefühl) von früher. Meinen Alltag mit meiner Tochter kriege ich gut hin, aber geht es den anderen schlecht, zieht es mich wieder runter.
Ich hadere tatsächlich damit ob ich mich mal wieder bei meiner Therapeutin von damals melden soll, oder eine Selbsthilfegruppe für Angehörige zu besuchen. Ich weiss, dass diese kurze depressive Episode vorüber gehen wird, aber vielleicht ist es ja gerade jetzt eine Chance dieses Thema innerlich anzugehen.

Sorry für soooo viel Text und ich weiß auch nicht, ob es okay ist, so viel und detailliert über sich zu schreiben. Falls ich irgendwas falsch mache, gerne Bescheid sagen..

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münchnerkindl
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Beitrag Sa., 03.02.2024, 21:16

Ne, passt schon, und für sowas ist ein anonymer Ort wie ein Forum ja auch gut, wenn man das nicht mit realen Personen des eigenen Umfelds besprechen will.

Leben dein Vater und deine Mutter denn noch zusammen?

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Gaenseblume
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Beitrag Sa., 03.02.2024, 21:23

Nein, meine Eltern haben sich getrennt als ich 13 Jahre alt war.

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candle.
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Beitrag So., 04.02.2024, 12:42

Gaenseblume hat geschrieben: Sa., 03.02.2024, 20:05 Ich merke wie ich in letzter Zeit immer bedrückter bin und wenig Freude (kenne dieses depressive Gefühl) von früher. Meinen Alltag mit meiner Tochter kriege ich gut hin, aber geht es den anderen schlecht, zieht es mich wieder runter.
Meinst du denn, dass deine Familie der einzige Grund ist warum es dir schlecht geht?

candle
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