Psychoanalyse die richtige Therapieform?

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jensopp
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Psychoanalyse die richtige Therapieform?

Beitrag Fr., 05.06.2009, 20:51

Hallo zusammen,

da mir nach 5 Jahren ohne Therapie in den letzten Monaten das Durch-den-Alltag-kommen immer schwerer fällt (bzw. nicht mehr möglich ist), habe ich mich dazu entschlossen, wieder eine Therapie aufzunehmen. Nun war ich für 2 Probestunden bei einem Diplom-Psychologen, um eine Therapie zu beginnen. Mitten in der 2. Stunde meinte er zu mir, er würde an dieser Stelle gerne abbrechen, da bei meiner Problematik nur eine tiefgehende und über mehrere Jahre laufende Psychoanalyse Erfolg bringen könne, und er selbst keine Psychoanalysen durchführt.

Die Problematik besteht bei mir aus drei Eckpfeilern:

1. nie verarbeitete, schwere Kindheitstraumata (Vater nie kennengelernt, da Vater nie an mir interessiert war; Mutter schwer depressiv und langzeitarbeitslos ohne jegliche soziale Kontakte; Existenzängste von klein auf da oft am Monatsende das Geld für Essen und Trinken gefehlt hat)

2. extrem ausgeprägte soziale Phobie mit Minderwertigkeitsgefühlen sowie Phobie vor allen möglichen Dingen wie Schmutz, Hunden, Kindern, etc. pp.

3. Depression aufgrund der aktuellen Lebensumstände (Belastung am Arbeitsplatz durch Streß und cholerische Chefin, keine Freunde, keine Partnerin, keinen Sinn mehr im Leben sehen, sehr beengtes Wohnen in einem runtergekommenen "Ghetto")

Würdet Ihr sagen, dass für mich von der Therapieform eine auf mehrere Jahre angesetzte Psychoanalyse das richtige ist? Ich bin männlich und 25 Jahre alt. Meine erste Therapie, als ich 19 Jahre alt war, dauerte ca. 9 Monate bei einer Wochenstunde und kratzte nur an der Oberfläche, sprich an meinen damals aktuellen Lebensumständen (Streß bewältigen etc.).

Danke für Eure Hilfe im Voraus, da ich im "richtigen" Leben mit niemandem darüber sprechen kann.

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candle
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Beitrag Fr., 05.06.2009, 21:28

Das mußt Du selber erfahren. Gehe doch mal zu einer Sitzung eines Analytikers.

Ich selber für mich habe mich dagegen entschieden. Die Verhaltenstherapie finde ich für mich schon optimal, weil da aktiv an Alltagssituationen gerabeitet wird, mit einem kleinen Rückblick wie es kam.

Für mich ist auch der schnelle effektive Weg von Vorteil, aber jeder braucht es eben anders.

Also schau es Dir an!

candle
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jensopp
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Beitrag Fr., 05.06.2009, 22:06

Hallo candle,

danke für Deine Zeilen.

Einen Analytiker zu finden ist gar nicht so leicht. Habe schon ein paar angerufen, der eine nimmt keine Kassenpatienten, der nächste hat bis 2010 keine Kapazitäten für neue Patienten frei, der Dritte ruft erst gar nicht zurück. Überhaupt gibt es Therapeuten wie Sand am Meer, aber kaum Analytiker, obwohl ich in einer Großstadt (> 1 Mio. Einwohner) lebe.

Ich denke auch nicht dass eine reine Verhaltenstherapie bei mir etwas bewirken kann, da das weder die Depression lindert noch die Grundproblematiken aus meiner Kindheit löst. Vielleicht würde ich dann am Ende nicht mehr jedes Mal die Straßenseite wechseln, wenn mir ein Hund entgegenkommt, aber das ist ja nicht mein einziges Problem.

Der Diplom-Psychologe, bei dem ich war, hat mir schon in der ersten Probestunde seine Methoden und Ziele eröffnet: Therapie über 2 Jahre bei einem Termin alle 2 Wochen, ich muss anfangen Sport zu treiben, Ziel ist eine eigene Wohnung und eine Partnerschaft für mich binnen 2 Jahren.

Das waren mir ehrlich gesagt zu viele vorgegebene Zwangsziele und zu wenig Stunden zum Reden. Ich fühle mich im Leben ohnehin schon ständig und durch alles unter Druck gesetzt, kann morgens kaum noch aufstehen, und dann sagt mir ein Therapeut, wenn ich mit ihm arbeiten will, muss ich innerhalb von 2 Jahren mein komplettes Leben umstellen und auf einmal einen aktiven Lebensstil (Sport) führen.

Dabei bin ich ein extrem kopflastiger Mensch und muss (will?) vor allem im Kopf analysieren, denken, Probleme lösen. Sport lenkt ja auch nicht von den ständigen Negativgedanken ab. Teamsport scheidet aufgrund meiner Minderwertigkeitsgefühle, sozialer Phobie und folglich einem über 13 Schuljahre stetig gewachsenen Horror vor dem gemeinsamen Schulsport ohnehin aus. Bei Sportarten, die man alleine betreibt, hat man wiederum ständig Zeit zum Nachdenken und Depressiv-sein.

Zum Glück hat der Therapeut nach zwei Stunden gemerkt, dass das mit uns nicht klappen wird.

Ich habe auch einfach gerade das Gefühl, nicht vorwärtszukommen. Am 7. Mai habe ich von einem Neurologen den o.g. Psychologen empfohlen bekommen und gleich einen Termin vereinbart. 2x dort, war nix. Seither Analysten durchtelefoniert und noch nichtmal einen neuen Termin vereinbaren können. Jetzt ist der 5. Juni! Ich frage mich, wie lange ich suchen soll. Dann vergeht der Juni, dann der Juli, dann der August, irgendwann ist 2010 und ich verliere meinen Job oder breche völlig zusammen, es wird jeden Tag schlimmer. Aber momentan steckt der Kampfwille in mir, 1. einen Therapieplatz zu finden und 2. die Therapie erfolgreich durchzuziehen.

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candle
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Beitrag Fr., 05.06.2009, 22:12

jensopp hat geschrieben: Ich denke auch nicht dass eine reine Verhaltenstherapie bei mir etwas bewirken kann, da das weder die Depression lindert noch die Grundproblematiken aus meiner Kindheit löst.
Da muß ich widersprechen. Aber wenn Du da Erfahrungen hast und es nicht hilft, dann bleibt Dir wohl nur noch die Analyse. Somit wäre dann Deine Anfrage ja geklärt.

candle
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Flugente
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Beitrag Fr., 05.06.2009, 22:15

Hallo Jensopp, ich denke die Therapieform ist eher zweitrangig. In erster Linie ist es wichtig einen Thera zu finden, wo die Chemie stimmt. Nachdem du in D wohnst, kannst du ja diverse probatorische Sitzungen machen.

Ich fürchte, bei der Therapeutensuche kann dir keiner wirklich helfen, da musst du wirklich durch aber du hast ja momentan den Biss dazu, wenn ich das richtig verstanden habe. Geh auf eine Psychothera-Online-Such-Liste und such dich durch. Aber ich würd mich nicht auf die Methode versteifen sondern auf dein Bauchgefühl hören, wenn du bei diversen Therapeuten vorsprichst. So findest du am ehesten den passenden.

Viel Glück und Kopf hoch
Flugente
Eisberg voraus!

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Dunkle
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Beitrag Fr., 05.06.2009, 22:19

Hallo,

candle hat da ganz recht, trotzdem denke ich, dass eine Analyse, besonders, weil Du selbst Interesse dafür hast, nicht das Verkehrteste für Dich ist.

Ich bin jetzt im dritten Analyse-Jahr und für mich wären solche Vorgaben wie die die Du da bekommen hast (Partnerfindung und Sport sind Therapieziele) ein Graus gewesen. Das löst nämlich tiefsitzende und tiefgreifende Dinge NICHT, sondern deckelt sie nur ab durch äußere "Erfolge".

Für mich ist die langsame, (scheinbar) ziellose, tiefgründige, sehr viel Platz und Zeit lassende Form der Analyse genau das Richtige.

Ich weiß, dass die Suche schwierig ist.
Aber schon mal gut, dass Du in einer Großstadt lebst. Das ist ein Vorteil.

Schau doch mal auf den Pages der zwei großen Analytiker-Verbände:

http://www.dgpt.de

http://www.dpv-psa.de

Dort müssten die Verbands-Analytiker aufgelistet sein. Außerdem gehst Du mit diesen sicher, dass sie die entsprechende Ausbildung haben.
In meiner Stadt (nicht mal 700.000) gibt es eine psychonalytische Ambulanz. Die ist einem der Ausbildungsinstitute für Analytiker zugeordnet. Wenn Du so etwas finden könntest, hättest Du ein Erstgespräch und eine übersichtliche Auskunft, bei wem noch Plätze frei sein könnten oder wie lang bei wem die Wartezeit ist.

Gib nicht so schnell auf, es lohnt sich!!

Viele Grüße!
Dunkle

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jensopp
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Beitrag So., 07.06.2009, 23:18

Danke für die noch eingegangenen Beiträge!
Dunkle hat geschrieben:Ich bin jetzt im dritten Analyse-Jahr und für mich wären solche Vorgaben wie die die Du da bekommen hast (Partnerfindung und Sport sind Therapieziele) ein Graus gewesen. Das löst nämlich tiefsitzende und tiefgreifende Dinge NICHT, sondern deckelt sie nur ab durch äußere "Erfolge".
Exakt das befürchte ich auch. Meine tiefgreifenden psychischen Probleme durch äußerliche Erfolge und Materialismus zu überdecken, versuche ich ja schon seit Jahren. Eigenes Auto, ständige Urlaubsreisen, Erfolg im Job und entsprechend gutes Gehalt und Dienstreisen, all das habe ich; aber es macht mich nicht glücklich und besser geht es mir dadurch auch nicht.

Mit einer Beziehung (zu einer äußerst hübschen Frau) habe ich es auch probiert aber das funktionierte aufgrund meines psychischen Zustandes keine 4 Wochen lang; manchmal denke ich mir dass mich eine eigene Wohnung glücklich machen würde, aber im Endeffekt würde es das genauso wenig tun wie all die anderen Sachen. Dazu kommt auch noch meine Angst, durch meine Krankheit und immer weiter sinkende Belastbarkeitsgrenze meinen Job zu verlieren und dann eine Wohnung sowieso nicht mehr bezahlen zu können, so dass ich eben erstmal weiterhin zu Hause wohne.
Dunkle hat geschrieben:Für mich ist die langsame, (scheinbar) ziellose, tiefgründige, sehr viel Platz und Zeit lassende Form der Analyse genau das Richtige.
Das hört sich sehr gut an... genau das, was ich auch brauche. Jemanden der mir zuhört, Zeit um meine Probleme und Erfahrungen gründlich aufzuarbeiten; und vor allem Dingen keine konkreten Ziele oder Zeitvorgaben! Ich möchte nicht, dass meine Therapie ähnlich wie mein gesamtes restliches Leben ein einziger Zwang, ein einziger gefüllter Terminkalender wird, mit Dingen die ich innerhalb einer bestimmten Zeitspanne in dieser oder jener Qualität zu leisten habe. Ich brauche einfach mal jemanden der mir zuhört, und Zeit und Raum um etwas tiefer in meiner Seele zu graben! 25 Jahre verdrängen sind wohl genug.

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Emma
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Beitrag Mo., 08.06.2009, 07:23

Hallo,

ich soll jetzt auch eine Therapie bei einem Analytiker machen, von der Krankenkasse aus und ich kann da auch ein Lied davon singen, wie schwierig es ist einen Platz zu finden. Ich habe inzwischen fast 20 Analytiker kontaktiert, habe meinen Radius immer mehr erweitert, suche also gar nicht mehr in meinem Wohnort. Jetzt stehe ich zumindest mal seit Dezember auf ner Warteliste und könnte vielleicht Ende des Jahres einen Platz haben. Demnächst hab ich auch noch ein Erstgespräch.

Für mich ist aber bei all der schwierigen Suche wichtig, nicht die Person des Theras aus den Augen zu verlieren, also dass ich mit ihr oder ihm gut kann. Bei einem Analytiker hätte ich z.B. einen Platz kriegen können, aber er war mir von grundauf unsympathisch und ich denke, dass das dann nicht viel Sinn gemacht hätte. Allerdings werde ich bis zur neuen Therapie auch therapeutisch betreut.

Was ich dir aber eigentlich schreiben wollte. Was mir bei der Suche gut geholfen hat, war ein Anruf bei der kassenärztlichen Vereinigung. Die hat mir eine Liste mit Analytiker gegeben und konnte auch schon ungefähre Wartezeiten sagen. Vielleicht ist das für dich auch eine Möglichkeit. Wenn ich früher auf die Idee gekommen wäre, hätte ich mir einige Anrufe sparen können.

Ich wünsch dir viel Glück und viel Durchhaltevermögen.

Liebe Grüße,
Emma

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jensopp
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Beitrag Di., 09.06.2009, 20:12

Emma hat geschrieben:Für mich ist aber bei all der schwierigen Suche wichtig, nicht die Person des Theras aus den Augen zu verlieren, also dass ich mit ihr oder ihm gut kann. Bei einem Analytiker hätte ich z.B. einen Platz kriegen können, aber er war mir von grundauf unsympathisch und ich denke, dass das dann nicht viel Sinn gemacht hätte. Allerdings werde ich bis zur neuen Therapie auch therapeutisch betreut.
Das kommt natürlich noch dazu, Sympathie und gegenseitiger Respekt ist auch für mich Grundvoraussetzung für eine langfristig angelegte Therapie.

Ich habe allerdings eine gute Nachricht, einer der Analytiker denen ich aufs Band gesprochen hatte hat zurückgerufen, und ich habe kurzfristig für Freitag meinen Ersttermin bekommen! Mal sehen, wie die erste Stunde verläuft.

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Dunkle
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Beitrag Di., 09.06.2009, 22:02

jensopp hat geschrieben: ich habe kurzfristig für Freitag meinen Ersttermin bekommen! Mal sehen, wie die erste Stunde verläuft.
Super! Da freue ich mich sehr für Dich!

Wenn Du magst, lass doch mal lesen, wie es so war und was für einen Eindruck Du hast!

Drücke Dir die Daumen!

Viele liebe Grüße!
Dunkle

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jensopp
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Beitrag Mo., 15.06.2009, 22:25

Dunkle hat geschrieben:Super! Da freue ich mich sehr für Dich!

Wenn Du magst, lass doch mal lesen, wie es so war und was für einen Eindruck Du hast!

Drücke Dir die Daumen!

Viele liebe Grüße!
Dunkle
So, nach meinen mittlerweile ersten beiden Stunden beim Analytiker schreibe ich mal wieder ein paar Zeilen.

Ich hatte ja jetzt das Glück, einen Therapeuten zu finden, der kurzfristig Termine frei hat und auch auf Kasse behandelt. Das Drumherum passt alles: die Praxis ist ruhig und mit bequemen Sitzmöbeln, der Therapeut zeigt sich interessiert und ist ein angenehmer Gesprächspartner. Er achtet auch auf eine enge zeitliche Abfolge der Termine, d.h. keine Pausen länger als 3 oder 4 Tage zwischen den Terminen. Samstagstermine werden angeboten, was mir natürlich als Vollzeitbeschäftigtem sehr entgegenkommt.

Inhaltlich ist es so, dass ich in der ersten Stunde meine generelle Lebenssituation geschildert habe, so wie hier im Forum ganz oben, nur ausführlicher. Der Therapeut bat mich dann, ab der zweiten Stunde mein Leben zu erzählen, von Kindesalter an. Ich soll alles erzählen was mich in irgendeiner Form geprägt hat, oder von dem ich glaube dass es wichtig ist.

Mir ist dabei relativ schnell aufgefallen, dass es mir teilweise sehr schwer fällt, über wirklich intime und persönliche Dinge zu sprechen - vor allem auf den sexuellen Aspekt bezogen, der ebenfalls einen wunden Punkt bei mir darstellt. In der ersten Stunde kamen auch gleich Fragen zu meiner Sexualität, und es ist schon recht schwierig für mich, darüber wirklich offen zu sprechen. Daran muss ich mich wohl erst noch gewöhnen; ein elementarer Bestandteil einer Psychoanalyse scheint es ja wohl zu sein.

Auch schwierig ist für mich, dass der Fokus erstmal nicht auf Alltagsbewältigung liegt (was mir momentan extrem schwer fällt bis unmöglich ist, manchmal bin ich geistig fast am Platzen, die negativen Gedankengänge überschlagen sich dann, konzentrieren kann ich mich auch auf nichts mehr, bin nur noch nervös und angespannt, fühle mich ständig gehetzt und unter Beobachtung), sondern eben von Anfang an ansetzt. Andererseits ist das ja wohl auch Sinn und Zweck der Psychoanalyse.

Trotzdem frage ich mich, ab wann ich mit einer Besserung der aktuellen Situation rechnen kann, bzw. ob der Therapeut überhaupt vorhat mir therapiebegleitende Psychopharmaka zu verschreiben?

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Dunkle
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Beitrag Di., 16.06.2009, 09:28

Hallo jensopp,

es ist wirklich gut, dass Du schon auf Anhieb einen Platz gefunden zu haben scheinst. Denn man merkt Deinem Posting an, wie sehr Du unter Druck stehst, wie sehr Du Entlastung brauchst!
jensopp hat geschrieben:Das Drumherum passt alles: die Praxis ist ruhig und mit bequemen Sitzmöbeln, der Therapeut zeigt sich interessiert und ist ein angenehmer Gesprächspartner.
Ist das jetzt eigentlich schon Dein "Go", eine Therapie bei ihm anzufangen?
oder hast Du die Kraft und das Bedürfnis, noch nach weiteren möglichen Therapeuten zu suchen? Hat dieser Analytiker, bei dem Du warst, einen Therapieplatz zum sofortigen Beginn frei oder musst Du noch warten?

Setz dich vor allem in punkto Offenheit nicht gleich zu Beginn so unter Druck. Alle Analytiker arbeiten verschieden, ich hatte zum Beispiel überhaupt keine Vorgaben, ich wurde auch nichts gefragt - ich entscheide bis heute stets selbst darüber, was ich erzähle und was nicht. Die eigene Entwicklung und die eigenen Einsichten sind es dann, die einen später immer öfter dazu bringen, selbst sehr intime Dinge anzuvertrauen. Also insofern denke ich nicht, dass man so generell sagen kann, das jetzt hier gehört zur Analyse, das nicht, Sexualität und Alltagsbewältigung sind Dinge, denen ICH den Platz gebe, den ich für nötig befinde. Zur Alltagsbewätligung: Mir hat es schon oft geholfen, einfach nur regelmäßig abzuladen. Meistens, ja, bekommt man wohl von einem Analytiker keine konkreten "Ratschläge" oder "Tipps", er wird vielmehr Fragen stellen oder Beobachtungen mitteilen, die er "hinter" bestimmten Stresssituationen vermutet. Nach einer Weile wird Dir dann ein Licht aufgehen...

Zu den Medikamenten kann ich Dir leider nichts sagen. Du solltest Deine Frage direkt an ihn richten. Es kommt (glaube ich zumindest) wohl auch darauf an, ob er Dr. med. ist (meistens Psychiater mit Analytikerausbildung) oder Dipl. Psych. Vielleicht schickt er Dich auch therapiebegleitend zu einem Psychiater, der Dir dann das Nötige verschreibt. Aber besprich das mit ihm - ich habe glücklicherweise mein Leben bisher ohne Medikamente geschafft.

Wie gehts jetzt weiter? Wann bist Du wieder bei ihm?

LG
Dunkle

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jensopp
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Beitrag Di., 16.06.2009, 17:05

Dunkle hat geschrieben:Ist das jetzt eigentlich schon Dein "Go", eine Therapie bei ihm anzufangen?
oder hast Du die Kraft und das Bedürfnis, noch nach weiteren möglichen Therapeuten zu suchen? Hat dieser Analytiker, bei dem Du warst, einen Therapieplatz zum sofortigen Beginn frei oder musst Du noch warten?
Für mich wäre der erste positive Eindruck nach 3 Stunden definitiv das Go, ja. Ich merke an und für sich recht schnell, mit wem ich klarkommen kann oder nicht. Ich habe das jetzt seitens des Therapeuten auch so verstanden, dass ich mich bereits in der Therapie befinde, da ja auch immer wieder gleich ein konkreter Folgetermin ausgemacht wird. Allerdings könnte ich das auch nur mißverstanden haben und es sind jetzt erstmal Probestunden. Explizit angesprochen wurde das jetzt nicht.
Dunkle hat geschrieben:Wie gehts jetzt weiter? Wann bist Du wieder bei ihm?
Die dritte Stunde war gestern, die vierte Stunde ist am kommenden Montag. Die (gefühlt) sehr lange Pause ist durch eine Dienstreise meinerseits bedingt. Ich merke auch, dass ich es kaum erwarten kann, in die nächste Stunde zu gehen; jeden Tag ein Termin wäre mir auch recht, aber wohl auch etwas übertrieben.



Ich frage mich allerdings gerade, was ich mir selbst als Ziel der Therapie bzw. Analyse erwarte. Eine Aufarbeitung sämtlicher bisher prägender Erlebnisse ist auf jeden Fall notwendig und läßt mir beim darüber-Nachdenken teilweise jetzt schon ein kleines Licht aufgehen.

Andererseits ist halt mein konkretes Ziel auch, nach der Therapie einfach ein "normales" Leben ohne Phobien, Ängste, ständiges Grübeln, Minderwertigkeitsgefühle und innerliches Zerplatzen zu führen. Da ist halt die Frage, wie man das im Endeffekt erreicht. Wohl durch ein Zusammenspiel von eigener Einsicht, über bisher verdrängte Dinge reden, aber evlt. eben auch Medikation und Ratschläge des Therapeuten. Ich möchte eben einfach oft meinen Kopf abstellen, da ich ständig am Grübeln bin, und natürlich immer über negative Dinge und Sorgen.

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Dunkle
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Beitrag Mi., 17.06.2009, 11:03

Huihh, das geht ja flott - ist aber gut so!

Also erstmal Glückwunsch zum Beginn der neuen Therapie!
jensopp hat geschrieben:Ich habe das jetzt seitens des Therapeuten auch so verstanden, dass ich mich bereits in der Therapie befinde, da ja auch immer wieder gleich ein konkreter Folgetermin ausgemacht wird. Allerdings könnte ich das auch nur mißverstanden haben und es sind jetzt erstmal Probestunden. Explizit angesprochen wurde das jetzt nicht.
Die probatorischen Sitzungen, sofern Du später bei dem Therapeuten bleibst, sind auch Bestandteil der Therapie. Aber Du solltest es natürlich am Montag dann trotzdem klären, wie ihr weiter verbleibt. Der T. muss ja dann auch einen Antrag an die Krankenkasse stellen und bevor der nicht bewilligt ist, wäre es seltsam, wenn er die Therapie schon in vollen Zügen beginnt. Oder zahlst Du privat? Wenn es eine Analyse werden soll, bekommen die meisten Analysanden dann auch feste Termine in der Woche, seltener werden die Termine von mal zu mal ausgemacht. Aber gut, bei Deinem kann es ja dann eine Ausnahme sein...
jensopp hat geschrieben:Ich merke auch, dass ich es kaum erwarten kann, in die nächste Stunde zu gehen; jeden Tag ein Termin wäre mir auch recht, aber wohl auch etwas übertrieben.
Das ging ja schnell, aber - wie ich schon letztlich bemerkte - da ist heftiger Druck bei Dir - und der will sich wohl seinen Weg bahnen.
Wenn Du nun wirklich eine Analyse machst, sind bis zu vier Stunden in der Woche drin - ist jedenfalls wohl gar nicht mal so selten. Das käme Dir ja wahrscheinlich entgegen.
jensopp hat geschrieben:IAndererseits ist halt mein konkretes Ziel auch, nach der Therapie einfach ein "normales" Leben ohne Phobien, Ängste, ständiges Grübeln, Minderwertigkeitsgefühle und innerliches Zerplatzen zu führen. Da ist halt die Frage, wie man das im Endeffekt erreicht. Wohl durch ein Zusammenspiel von eigener Einsicht, über bisher verdrängte Dinge reden, aber evlt. eben auch Medikation und Ratschläge des Therapeuten. Ich möchte eben einfach oft meinen Kopf abstellen, da ich ständig am Grübeln bin, und natürlich immer über negative Dinge und Sorgen.
Ich denke so, wenn ich das lesen, dass ein erstes Ziel für dich wohl sein könnte, mehr Geduld aufzubringen! Geduld mit dir, Geduld mit den Umständen. Ein Ziel zu haben, ist klar und auch sehr verständlich und wie Du Dein Ziel formulierst, so denke ich - das wünschen sich alle hier!
Wie Du das erreichst, musst Du nun Deiner Entwicklung überlassen! Du wirst in einer Analyse nicht immer schnurstracks nach vorne gehen - die Analyse ist explizit dazu da, langsam, gründlich, evtl. mit vielen Umwegen zu gehen. Die Geduld dazu lernst du aber auch, und vor allem: All das ist vor allem auch Thema, all das hat ja nun ein Ohr, ein Ziel - dein Therapeut. Jetzt gehst Du zu zweit. Das Gefühl, meinen Kopf abstellen zu wollen, kenne ich gut. Jetzt kannst Du einen Teil Deines Kopfes regelmäßig abgeben - und das hilft enorm.

Alles Gute wünscht
D.

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jensopp
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Beitrag Fr., 18.12.2009, 15:05

Nach langer Zeit schreibe ich mal wieder öffentlich ins Forum... Ich habe mittlerweile eine Psychoanalyse (im Liegen/auf der Couch) begonnen, 160 Stunden wurden durch die Krankenkasse bewilligt, 20 davon habe ich bereits besucht. Mein Analytiker ist mir als Mensch symphatisch und ich vertraue ihm.

Mein Problem aktuell: ich habe unglaubliche Angst davor, dass mich die Analyse nicht weiterbringen wird, sondern dass ich am Ende genauso "schlau" und depressiv und kaputt dastehe wie vorher. Denn ich ziehe bisher keinerlei Schlüsse aus der Analyse, bekomme vom Therapeuten auch keine Zusammenhänge aufgezeigt, und merke keinerlei Besserung meines Zustandes. Klar kann man sagen, 20 Stunden (zzgl. 5 Probesitzungen, also eigentlich 25 Stunden) sind ja gar nichts - aber andererseits sind es eben doch schon 12,5% der gesamten Therapie. Und irgendwann ist dann halt mal ein Drittel erreicht und dann die Hälfte...

Es ist so, ich rede in der Analyse sehr viel und sehr intensiv, spreche grundlegende Probleme meines Lebens, meiner Kindheit und meiner Persönlichkeit an ohne mich in Allerweltsgeschwafel zu verlieren. Aber die Kommentare des Analytikers sind sehr spärlich und auch inhaltlich nicht sonderlich hilfreich. Beispiel, ich würde mir Aussagen erwarten wie "Sie können deshalb keine gesunde Beziehung zu einer Frau führen, weil ihre Mutter Ihnen von klein auf ein gestörtes Verhältnis zu anderen Menschen allgemein und zu Frauen im Besonderen beigebracht hat" oder "Keine Frau kann Sie lieben, weil Sie sich selbst nicht akzeptieren; und Sie können sich selbst nicht akzeptieren, weil Sie ihrem Vater immer gleichgültig waren".

Stattdessen kommen vom Therapeuten eher Allgemeinplätze wie "glauben Sie wirklich, dass es allen Menschen um Sie herum so gut geht, wie Sie meinen? Glauben Sie das wirklich?" - oder wenn ich sage, dass ich eine Partnerschaft als Schlüssel zum Glück sehe und ob das rationell sei, als Antwort: "nun ja, zumindest glauben das viele Menschen".

Was soll denn das? Wie soll ich so jemals auf Erkenntnisse kommen oder Zusammenhänge meiner kaputten Seele erkennen?

Ich spiele mittlerweile ernsthaft mit dem Gedanken, mir alle mögliche psychologische Literatur zu kaufen und meine Schlüsse künftig daraus zu ziehen, und die Analysestunden nur noch zum Dampfablassen und Schimpfen über mein Leben zu verwenden. Große Erkenntnisse erwarte ich mir nicht mehr.

Dabei sagen doch immer alle Leute, dass irgendwann in der Therapie einmal etwas passiert!? Dass sich "Gefühlsknoten lösen", dass man auf einmal eine Art Erleuchtung hat, dass alles irgendwie auf einmal einen Sinn ergibt. Auch der Therapeut hat mir noch erzählt, dass viele seiner Patienten im Laufe der Therapie erstaunliche Wandlungen durchlaufen.

Das Einzige das ich merke ist wachsende Genervtheit mit dem Nicht-Vorankommen in der Therapie - genauso wie ich in meinem restlichen Leben auch mit nichts vorankomme.

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