Psychoanalyse die richtige Therapieform?

Spezielle Fragen zur Lage in Deutschland

kaja
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Beitrag Fr., 02.02.2024, 08:38

Ich würde extrem misstrauisch werden, wenn mir ein Behandler bzgl. Therapie sagen würde, dass nur seine Therapieform die absolut richtige ist.

Das spricht nicht für das Vorhandensein fachlicher Kompetenzen.

Dogmatisch an der eigenen Therapieschule zu kleben, wäre für mich eine absolute red flag.
After all this time ? Always.

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diesoderdas
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Beitrag Fr., 02.02.2024, 09:10

Philosophia hat geschrieben: Fr., 02.02.2024, 05:50
Und ja, die Gefahr ist in der Analyse wohl am größten einen Therapieschaden zu erleiden durch die tiefe Bindung, die da entstehen kann.
Ich habe da eine unbeschreibliche Angst vor. Ich will, dass ich die Therapeutenperson mag - und dann fängt gedanklich der Horror an. Dass ich einfach richtig Angst um mich selbst habe, was passiert. Und ob ich mich in der Person vielleicht getäuscht habe.
Auch ohne Therapie habe ich ziemlich Angst um mich selbst. Weil ich weiß, dass das, wie es mir geht, nicht gut für mich ist. Kann nicht gesund sein auf Dauer.
Und mit Therapie... noch eine Angst mehr. Ziemliches Dilemma.
Habe auch gehört, manche Analytiker würden ab und an z.B. eine Hand auf die Schulter legen oder so.
Würde ich wahrscheinlich - eigentlich - als angenehm erleben. Schätzungsweise würden aber unkontrolliert Gedanken anfangen mit "darf die Person das eigentlich? " "passiert da etwas Ungutes oder gar Verbotenes?"
Meine Gedanken wären viel schlimmer als die "Tat".

Fassen eure Analytiker an?

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diesoderdas
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Beitrag Fr., 02.02.2024, 09:15

kaja hat geschrieben: Fr., 02.02.2024, 08:38 Ich würde extrem misstrauisch werden, wenn mir ein Behandler bzgl. Therapie sagen würde, dass nur seine Therapieform die absolut richtige ist.

Das spricht nicht für das Vorhandensein fachlicher Kompetenzen.

Dogmatisch an der eigenen Therapieschule zu kleben, wäre für mich eine absolute red flag.
Stimme ich eigentlich zu. Andererseits kann es doch durchaus mal sein, dass ein Therapeut eine echte Gefahr für einen sieht bei einer bestimmten Therapierichtung und das dann auch ausspricht.
Zu mir hieß es beispielsweise - und das mit ziemlichem Nachdruck gesagt - in einer Analyse würde ich mich verlieren. Es wurde sogar gesagt: "Bitte nicht machen!"
Und mit genauso viel Nachdruck wurde mir von VT abgeraten - das würde mich ganz schnell frusten, ich bräuchte tieferes, also Analyse.
Der Witz dabei ist, dass ich beiden Aussagen zustimmen würde. Dumm irgendwie.

Aber ja, so ein grundsätzliches Hervorheben lediglich der eigenen Therapierichtung finde ich an einem Therapeuten auch sehr schwierig.

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Philosophia
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Beitrag Fr., 02.02.2024, 12:48

diesoderdas hat geschrieben: Fr., 02.02.2024, 09:10 Fassen eure Analytiker an?
Die Analytikerin nicht. Sie hat mir erklärt, dass in der Analyse Körperkontakt grundsätzlich nicht angedacht ist. Das hat mir immer sehr viel Sicherheit gegeben. Dennoch hatten wir auch schon Körperkontakt, der mir gutgetan hat. Aber wie gesagt, ich war/bin bei ihr sicher vorm Anfassen.
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer

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Philosophia
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Beitrag Fr., 02.02.2024, 12:50

diesoderdas hat geschrieben: Fr., 02.02.2024, 09:10 Ich habe da eine unbeschreibliche Angst vor. Ich will, dass ich die Therapeutenperson mag - und dann fängt gedanklich der Horror an. Dass ich einfach richtig Angst um mich selbst habe, was passiert. Und ob ich mich in der Person vielleicht getäuscht habe.
Tja... genau das kenne ich auch. Das ist ein echtes Risiko, sich so auf jemanden einzulassen. Gerade für Menschen mit vielen emotionalen Wunden. Ich habe diese Angst sogar immer noch. Aber ich hatte auch schon Momente mit vollem Vertrauen - und das war so schön.
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Beitrag Fr., 02.02.2024, 12:53

diesoderdas hat geschrieben: Fr., 02.02.2024, 09:15 Zu mir hieß es beispielsweise - und das mit ziemlichem Nachdruck gesagt - in einer Analyse würde ich mich verlieren. Es wurde sogar gesagt: "Bitte nicht machen!"
Und mit genauso viel Nachdruck wurde mir von VT abgeraten - das würde mich ganz schnell frusten, ich bräuchte tieferes, also Analyse.
Haha - so typisch. Ich kann dir sagen, dass verhaltenstherapeutische Elemente sehr gut unterstützend helfen können bei der Analyse. Ohne Analyse hätte ich aber nie den Impuls gehabt, diese VT-Dinge anzuwenden. Bzw. als ich diese Dinge früher ausprobiert habe, zeigten sie bei mir null Wirkung, obwohl ich immer brav meine Hausaufgaben gemacht hab.
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Philosophia
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Beitrag Fr., 02.02.2024, 12:59

diesoderdas hat geschrieben: Fr., 02.02.2024, 09:10 Fassen eure Analytiker an?
Nachtrag: Sie hat mich vor allem in meiner Seele berührt - und das sehr viel.
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diesoderdas
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Beitrag Fr., 02.02.2024, 13:58

Danke für deine Erklärungen Philosophia.


ziegenkind
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Beitrag Fr., 02.02.2024, 14:19

Berührung jenseits des Händedrucks gab es bei mir beim Abschied. Ansonsten Berührung mit der Stimme. Das war manchmal schön und scherzhaft zugleich. Aber schmerzhaft ist da, wo die Störung ist. Frühe Traumatisierung hat mich in die Angst vor der seelischen Berührung geführt. Bin froh, meine Analytikerin mich da raus geführt hat, so sanft wie möglich , so hartnäckig wie nötig. Ist so viel mehr Lebendigkeit jetzt
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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Zauberlehrling
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Beitrag Fr., 02.02.2024, 15:35

Danke, dumbhead, für deine Antwort. Es liest sich für mich so, dass deine Erinnerungslücken in erster Linie dein Familienleben betreffen? Da könnte eine Analyse tatsächlich hilfreich sein.

Bei mir war es so, dass ich zwar nicht meine Erinnerungen zurück bekam, aber die Gefühle, die dazu gehört haben. Für mich war das sehr hilfreich.

Das ist dann auch ein Teil der Antwort an dich, diesoderdas. Ich habe in meiner Analyse sehr viel gelernt. Über mich in erster Linie. Das hat dazu geführt, dass ich u.a. meine so sehr geliebte Freiheit nicht mehr im Außen gesucht, sondern im Innern gefunden habe.

Körperliche Berührungen haben jenseits des Händeschüttelns nicht statt gefunden. Seelische Berührungen gab es ab einem bestimmten Zeitpunkt, als ich Vertrauen hatte, sehr viele. Die waren schön, die waren schlimm. Missen möchte ich keine.
Novembernacht

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dumbhead
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Beitrag Fr., 02.02.2024, 19:09

Zauberlehrling hat geschrieben: Fr., 02.02.2024, 15:35 Körperliche Berührungen haben jenseits des Händeschüttelns nicht statt gefunden.
Na das wärs :lol:
Ich muss auch Händeschütteln verweigern. Ich kriege Urtikaria von sowas.
Wird ja vielleicht auch mal ein Thema.

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Solage
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Beitrag Sa., 03.02.2024, 00:17

Ich habe mich durch die psychoanalytische Therapie erstaunlich weiterentwickelt. Beziehungstraumatisiert durch etliche Übergriffe auch in der frühen Kindheit, konnte ich in der therapeutischen Beziehung heilen. Mir hat eine vorherige Therapie bei einem sich selbst ausweisenden Traumatherapeuten mit speziellen, auch körpertherapeutischen Techniken, gar nicht geholfen, sondern retraumatisiert. Da wurde GEMACHT und nicht gesehen: Wir machen jetzt A und dann B und dann wird das schon. Für mich war das Gift und hat die Beziehungsebene nicht gesehen.

Ich habe wiederholt schlimme Übergriffe erlebt und da hat mir keine Technik helfen können, die was wegmacht. Da wäre für mich dann der Therapeut außen vor und begibt sich nicht in die Szene. Der Analytiker meinte auch: "Ich muss mich voll einlassen, sonst wird das nichts."

In meiner psychoanalytischen Therapie hat sich der Therapeut wirklich und wahrhaftig eingebracht. Wie ziegenkind erwähnte: IN der Übertragung gearbeitet. Es gibt schon noch so altmodische Analytiker, die nicht intersubjektiv arbeiten. Davon würde ich Abstand nehmen. Mein Analytiker war sehr kreativ und auch mutig. Immer präsent, aktiv und hat mir auch was gegeben, wenn es stimmig war. Da bin ich nicht verhungert und musste auch nicht einem schweigenden Analytiker erzählen. Da war lebendiger Austausch und Raum für alle Gefühle. Negative wie positive Gefühle hatten genügend Raum und fügten sich letztlich zu einer Mitte.

All die schlimmen traumatischen Erlebnisse und auch die schrecklichen Erinnerungen, die in der Analyse auftauchten, gingen nicht einfach weg. Aber, wir haben eine völlig neue Sichtweise auf diese erarbeitet, die mir in meinen Außenbeziehungen sehr hilfreich wurde. Ich habe mir nicht mehr alles gefallen lassen und konnte mich (allerdings sehr langsam) mir und anderen zumuten.

dumbhead, das könnte auch auf dich passen: Ich hatte immer wieder das Gefühl, dass ich meinem Therapeuten zu viel bin und er antwortete dann: "Bis Sie mir zu viel werden, musss schon sehr, sehr, sehr viel passieren." Das ist für mich eine heilsame Äußerung. Wenn ich dich so lese, dann würde ich dir wünschen, dass du dich nicht selbst ausbremst in deinem selbst eröffneten Thread. Nur zu...traue dich dir zu!

Ich möchte nicht behaupten, dass die Psychoanalyse allgemein besser geeignet ist bei Beziehungs/Bindungsproblemen, aber wenn es der richtige Therapeut/Therapeutin ist mit menschlichem zugewandtem Handeln und dann kommt noch das analytische Denken dazu, dann finde ich das sehr bereichernd und meine Entwicklung wird angestoßen.

Ich erkläre es mir so, dass traumatische Erlebnisse nicht bei jedem Menschen nachhaltig zu Problemen führen müssen, sondern, dass das Krankmachende ein Nachhall in der mangelnden Unterstützung im traumatischen Erleben ist. Z. B. eine Mutter, die ihre Tochter dem übergriffigen Vater ausliefert und nicht hilft, nicht mitfühlt . Da ist meines Erachtens die Beziehungserfahrung in einer lange dauernden guten psychoanalytischen Therapie korrigierend! Dieses: Ich bin für dich da! Ich bleibe hier! Ich verlasse dich nicht, du bist mir wichtig" usw. Ich halte das mit dir aus! Das hat mir geholfen, mich öffnen zu können. Ich werde ausgehalten!

@diesoderdas, mein Analytiker sagte: "Ich nehme niemals einen Patienten in Analyse, wenn ich ihn nicht mag. Das würde niemals in einer Langzeittherapie funktionieren. Das tue ich mir nicht an." Ich bin auch nie verhungert. Im Gegenteil, satt geworden. Weil er so authentisch und menschlich echt ist. Da kannst du wählen und dir den passenden Analytiker aussuchen.


Psychoanalytiker, wie auch alle anderen Therapeuten sind dauernd mit traumatisierten Patienten in Behandlung. Das gehört zum Tagesgeschäft.

" Und das Konzept, in der Übertragung zu arbeiten, hat auch durch die intersubjektive Wende der Psychoanalyse und im Lichte neuropsychologischer Forschungsergebnisse einen Einfluss gewonnen. Heute suchen wir immer weniger das „eigentliche“ Thema „hinter“ dem Beziehungsgeschehen und neigen zu einer konstruktivistischen Auffassung: Zwar interpretiert der Patient seine Welt im Lichte seiner früheren Erfahrungen, aber er gestaltet gemeinsam mit uns hier und jetzt eine neue Beziehungswirklichkeit."
https://link.springer.com/article/10.10 ... 014-0184-1

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dumbhead
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Beitrag Mi., 07.02.2024, 07:58

Nun gut, ich kann mal vom Erstgespräch berichten. Das fand ich gut, die Therapeutin war sehr angenehm. Hat nichts bewertet oder reingeredet. Kein Druck oder Verhaltensratschläge. Sie hat nur meinen überraschend ausgiebigen Redefluss gelenkt.
War wirklich nett. Ich konnte da Dinge raushauen, bei denen mir meine erste Therapeutin mit der Polizei gedroht hat.
Ich musste zwar heute nach dem Aufwachen mal einfach random heulen, aber vielleicht ist das ja gar nicht so schlecht.
Mal was neues. Offensichtlich will da noch was raus :lol:
Dienstag gehts weiter, ich bin gespannt.

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Sydney-b
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Beitrag Mi., 07.02.2024, 13:55

Freut mich sehr für dich, dumbhead! :->
Deine Zeilen hören sich so positiv an.
Viel Erfolg 🍀 am Dienstag.

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Gespensterkind
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Beitrag Do., 08.02.2024, 06:48

Ich finde auch, das hört sich doch wirklich fürs Erste gar nicht schlecht an. Und wenn Du sagst, Du hattest viel zu sprechen und das war für Dich angenehm - dann scheint ja zumindest mal eine Voraussetzung für eine PA zu passen! :->

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