Achtsamkeit bringt nichts bei Ängsten

Fragen und Erfahrungsaustausch zu Phobien, Zwängen, Panikattacken und verwandten Beschwerden.

Jenny Doe
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Beitrag Do., 23.02.2023, 07:53

Ist vielleicht auch eine Übungssache. Ich finde es hilfreich zu lernen Gedanken, Erinnerungen, Gefühle, ... oder was auch immer, ... in einem entspannten Zustand kommen zu lassen, diese nicht zu bewerten, sondern einfach wahrzunehnmen, dass sie da sind.
Zuweilen gelingt es mir inzwischen auch im Alltag, wenn mich Gefühle, Erinnerungen oder Gedanken überwältigen, in diesen entspannten Zustand zu kehren.

Wenn ich ohne Bewertung akzeptiere, dass sie da sind, auch das erlebe ich als hilfreiche Konfrontation. Ich muss nicht immer vor Wut schäumen, ich darf mir Probleme auch mal aus der Distanz, mit Abstand und entspannt angucken.

Es zu schaffen soviel Distanz zu kriegen, dass man im Alltag nicht überwältigt wird, ändert ja nichts an der Tatsache, dass belastendes verarbeitet werden sollte.

Für alles gibt es eine Zeit. Eine Zeit des Hinschauens und eine Zeit der Entspannung. Der Mensch braucht beides.
Das zu lernen, da finde ich Achtsmamkeit hilfreich. Mal die Aufmerksamkeit nach Außen lenken, mal nach innen, mal Anspannung, mal Entspannung, ... all das hilft mir dabei sowas wie eine Balance zu finden.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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stern
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Beitrag Do., 23.02.2023, 08:18

Basil_Lentz hat geschrieben: So., 19.02.2023, 07:41
Das machst du einige Zeit lang, dann merkst du, daß sich nichts ändert.
Ich würde sagen, jedes Gefühl ändert sich mit der Zeit, was nicht direkt mit "Achtsamkeit" zu tun hat. Diese kann vielleicht eher helfen, das bewusster wahrzunehmen. Oder gelingt es, ein Gefühl 1h oder gar 24h genau so aufrecht zu erhalten? Eher kaum.
Du denkst dir Okay, schon wieder fühlen, gut, "FÜHL DU SCHEISS KÖRPER ODER BRING MIR ENDLICH EINE LÖSUNG FÜR DIE URSACHE DU SCHEISS GEHIRN".
Spätestens an der Stelle scheint sich etwas gewandelt zu haben. ;)

Achtsamtkeit als Therapieverfahren gegen Ängste kenne ich so nicht. Evtl. ist es aber als Unterstützung sinnvoll. Aber auch nur dann, wenn jemand etwas damit anfangen kann.
Manche Verfahren arbeiten z.B. eher konfrontativer.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Die Dummheit hat aufgehört sich zu schämen«
(Heidi Kastner)


montagne
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Beitrag So., 26.02.2023, 08:01

Die Wahrnehmung ist Teil der subjektiven Realität. Also kann Achtsamkeit schon sinnvoll sein.

Allerdings würde ich schon unterscheiden zwischen Ängsten und traumatisch bedingten Ängsten.

Letztlich geht es immer darum Emotionen regulieren und verarbeiten zu können und da geht es immer irgendwie um eine dosierte Herangehensweise. Welche Dosis dann gut ist, hängt sicher vom Einzelfall ab.


Marcel1234
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Beitrag Mo., 31.07.2023, 12:09

Ich bin auch seit 2 Jahren dabei Achtsamkeit zu "trainieren". Diese ist mir nämlich völlig abhanden gekommen. Ich empfinde Achtsamkeit nicht als "nochmal fühlen" sondern eher als bewusstes Wahrnehmen im hier und jetzt zu sein. Und vielleicht auch intensiver zu erleben. Dazu gehören auch negative Gedanken, die man dann eben auch intensiver spürt. Man kann ja nicht hingehen und sagen, dass man nur die positiven intensiver spüren will und die negativen weniger intensiv. Aber ist es nicht irgendwie das, was das leben ausmacht, wenn man eben intensiv spürt? Zum Leben gehören auch Ängste und negative Gefühle, Gedanken, Emotionen etc.

Ich kann die Vergangenheit nicht ändern, die Zukunft aber kann ich bis zu einem gewissen Teil SCHON JETZT beeinflussen. Eben durch mein handeln in diesem Moment. Dazu haben wir ja die Macht. Achtsamkeit bedeutet für mich auch, die Gedanken, die kommen, bleiben und dann wieder gehen, auch diesen Weg gehen zu können. Quasi als säße man am Ufer und es steigen Luftblasen hoch (also als Metapher für die Gedanken). Statt man sie fängt, lässt man sie einfach aufsteigen und dann verpuffen. Wie ein stiller Beobachter eben. Ich glaube, dass Achtsamkeit sehr, sehr sinnvoll ist einfach um den Bezug zur Realität nicht zu verlieren um es ganz, ganz vorsichtig auszudrücken. Zu trainieren im hier und jetzt zu sein, statt sich mit Gedanken und Fragen zu beschäftigen, auf die man entweder jetzt in dem Moment oder womöglich nie Antworten bekommen wird.

Es ist harte Arbeit, aber es lohnt sich. Ich glaube daran, dass wenn die Menschen generell mehr Achtsamkeit hätten, vieles "besser" laufen würde. Ich spreche hier von der psychischen Sichtweise.
Wenn ich nicht kämpfe, habe ich schon verloren! Im Kampf kann Humor wichtig sein. :)

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berichtbiber
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Beitrag Do., 03.07.2025, 15:30

Ich würde nicht sagen, dass Achtsamkeit dazu führt, dass Angst sofort weg geht, aber "Achtsamkeit bringt nichts bei Ängsten" halte ich für falsch.

Durch Achtsamkeit kann man Lernen, mehr Akzeptanz für alles im Leben zu finden und je mehr man seine Ängste akzeptiert, desto schwächer werden sie aus meiner eigenen Erfahrung.

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münchnerkindl
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Beitrag So., 06.07.2025, 12:58

Diese Art von Achtsamkeitsübungen stammt ja aus dem buddhistischen Kontext. Und da ist halt das Problem dass hier nur ein einziges Element aus diesem Kontext rausgelöst und für sich alleine angewendet wird.

Im buddhistischen Kontext gehören da noch andere Meditationsformen dazu, zB die liebende Güte Meditation, die Einsichtsmeditation, Kontemplationen über Vergänglichkeit, ethisches Verhalten etc.
Und wenn das alles fehlt bekommt man halt ggf kein gutes Resultat.


theweirdeffekt
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Beitrag So., 06.07.2025, 14:54

Ich finde auch, Angst lässt sich durch Achtsamkeit nicht auflösen. Aber in meinen ganz schlimmen Phasen habe ich begonnen Dinge trotz Angst zu tun. Wenn sich dann während Gesprächen eine Panikattacke ankündigte, hab ich die Angst dasein lassen. Ich hab sie bemerkt und nicht dagegen angekämpft. War unangenehm. Hat mir bzw meinem Nervensystem aber auf Dauer gelernt, dass ich alltägliche Dinge auch mit Angst schaffe.

Dadurch kam ich aus der Angst-Lähmung raus. Und konnte allmählich meinen Lebens / Wirkradius wieder vergrößern. Mir Bereiche, wie beispielsweise Busfahren, Einkaufen gehen etc zurückerobern. Heute funktioniert das ohne Panikattacke. Einfach dadurch, dass ich geübt habe, die Angst dasein zu lassen. Wodurch die Angst selbst in diesen Situationen immer weniger wurde.
Kopf hoch... Sonst kannst du die Sterne nicht sehen


Jenny Doe
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Beitrag Mi., 16.07.2025, 05:39

münchnerkindl: Diese Art von Achtsamkeitsübungen stammt ja aus dem buddhistischen Kontext.
Ganz genau. Achtsamkeit ist etwas, was sich die westliche Welt aus dem Buddhismus rausgepickt hat. Aber der Buddhismus sagt viel mehr als "nur" Achtsamkeit.

Wir, in der westlichen Welt, wollen alles nur "weg haben". Ob nun Angst oder traumatische Erinnerungen oder was auch immer, "das muss weg". Und wenn Achtsamkeit alleine nicht hilft (alleine nicht helfen kann), dann entstehen so Aussagen wie " Achtsamkeit bringt nichts bei Ängsten".

Ums "Weg machen" geht es im Buddhismus jedoch nicht. Aber das, was der Buddhismus sonst noch zu Ängsten, traumatische Erfahrungen usw. sagt, passt nicht in unsere westliche Welt und ihre Denkweise. Das passt nicht zum westlichen Wunsch, alles analysieren zu wollen, für alles einen Schuldigen finden zu wollen, .... All das, was nicht in die westliche Denkweise passt, wird vom Westen ignoriert.

Meine Erfahrung: Achtsamkeit hilft. Auch bei Ängsten. Auch bei traumatischen Erfahrungen. Aber nur dann, wenn man sich nicht nur "Achtsamkeit" aus dem Buddhismus rauspickt, sondern Achtsamkeit im Gesamtkontext anwendet.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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Beitrag Do., 17.07.2025, 19:05

Achtsamkeit ist für mich einfach nur ein Werkzeug von vielen anderen die ich kenne. Esi hilft schon zB Angst etwws runterzufahren. Um dann aber wieder etwas handlungsfähiger zu werden und lernen damit umzugehen. Aber es gibt ja extrem viele Herangehensweisen, Methoden oder whatever.

Und wenn du nicht so einfach auf eine Lösung kommst, wird dir die Lösung niemand einfach so präsentieren können. Ich denke, die Lösung die du dir vorstellt existiert wahrscheinlich so gar nicht.
Aber da du gar nicht schreibst, was das für ein konkretes Problem ist, was du in der realen Welt hast, weiß ich jetzt auch nicht. Aber ich finde es auch merkwürdig, dass da nur Achtsamkeit helfen soll.
"You cannot find peace by avoiding life."
Virginia Woolf

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Fairness
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Beitrag Do., 17.07.2025, 19:46

So ähnlich... in meiner Erfahrung hilft die Achtsamkeit dabei, das Leben im Hier und Jetzt geerdet, bewusst und fokussiert zu leben. Und auch irgendwie prophylaktisch.

Vielleicht ist sie zum Anfang bei akuter Angst ein der Schritte, sich aus dieser rauszuholen und Abstand zu ihr schrittweise lernen, durch die Beobachtung, doch ersetzt andere konkrete Schritte nicht, welche zu dauerhafter Veränderung führen.

Die sind dann weiterhin wichtig, damit Betroffener aus der Dauerschleife von Angst und Erdung rauskommen kann.
"Man sieht, was man am besten aus sich sehen kann." C.G.Jung

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Malia
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Beitrag Fr., 18.07.2025, 06:38

Das erste mal etwas über "Achtsamkeit" erfahren habe ich in dem 12-Schritte-Programm der AA vor fast 40 Jahren.
Wenn man sich das vorurteilsfrei anschaut, kann man erkennen, dass es viel mit Achtsamkeit zu tun hat.
Und dieses Programm ist durchaus "westlich"
Es ist eine Krankheit der Menschen, dass sie ihr eigenes Feld vernachlässigen, um in den Feldern der anderen nach Unkraut zu suchen.
Victor Hugo

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