Nico hat geschrieben: So., 30.12.2018, 06:59
Wenn ich mir so ansehe wer alles als „ Erwachsen“ gilt, möchte ich keinesfalls erwachsen sein, und ich bin 57.
Ich würde sagen, "erwachsen sein" heißt auch, sich nicht in eine emotionale Abhängigkeit (wie eine Trotzhaltung) zu etwas zu begeben, was "man" so sagt. Mich würde ja interessieren, was für dich denn so als "Erwachsen" gilt, dass das selbst mit 57 noch ein Problem ist, gegen das man rebellieren muss.
~~~ hat geschrieben: Sa., 29.12.2018, 23:39
Ich denke, dass es "erwachsen sein" gar nicht gibt, sondern nur eine Erfindung der Menschen gibt.
Also etwas, das Menschen erfunden haben, gibt es nicht? Sehe ich sehr anders. Es gibt einen Grund, warum etwas erfunden wird: es wird gebraucht, es ist nötig, es besteht Bedarf. Wobei in dem Fall würde ich eher sagen, dass hier ein bestimmter Zustand eine Namen erhalten hat, wie so ziemlich alles, was für unser Leben und unsere Entwicklung essentiell ist. Der Begriff "Schmerz" ist ja auch nur erfunden, dennoch existiert er.
~~~ hat geschrieben: Sa., 29.12.2018, 23:39
Jedes Lebewesen verändert und entwickeln sich jeden Tag.
Das zu akzeptieren und damit umgehen zu können, nicht nur bei sich, sondern auch bei anderen, würde ich als einen essenziellen Teil des Erwachsenseins sehen. Erwachsen sein heißt ja nicht, in Beton gegossen zu sein, sondern, wenn man so will, aus dem Larvenstadium herausgewachsen und nun als erachsener Mensch bereit, sich weiter zu entfalten. Quasi leben im nächsten Level.
Ich frage mich gerade, warum Erwachsensein auf manche einen so negativen Beigeschmack hat. Etwas, gegen das man sich wehren muss, oder das fast schon einer Beleidigung gleichkommt. Ob das eine Frage der Generation und der Zeit ist? Also dass quasi die "Hippie-Kinder" mit der Ideologie aufgewachsen sind, dass Erwachsensein blöd ist? Oder der aktuelle Jugendwahn, wo sich viele Vierzigjährige so verhalten, wie einst sechzehnjährige? Verweigerung von Verantwortung? Oder glauben manche, erwachsen zu sein ist dasselbe wie alt sein?
Whale hat geschrieben: Sa., 29.12.2018, 22:20
Im Prozess des Kontaktabbruchs zu den Eltern habe ich begriffen, dass "erwachsen sein" bedeutet, Entscheidungen unabhängig von den Eltern zu treffen.
Das habe ich sehr ähnlich erlebt. In dem Moment, in dem ich mich innerlich von meinen Eltern lossagen musste, WIRKLICH lossagen, habe ich fast körperlich gespürt, wie ich gereift und erwachsen geworden bin. Ab der Sekunde (es war ein Prozess von insgesamt nur zwei Stunden) war ich auf mich allein gestellt, in allen Lebensfragen, in ALLEM. Was ich bis dahin nicht durch sie gelernt und erfahren habe, musste ich mir ab da eben selbst beibringen. Ich war über sie hinausgewachsen. Ich war erwachsen. Ab da war für mich auch klar, dass ich nie wieder in den elterlichen Schoß zurücklaufen werde, nie mehr um Rat fragen werde, auch, weil mich das nicht weiterbringen, weil es nichts nützen würde, sondern im Gegenteil: es wäre Regression. Rückwärtsentwicklung und Zerstörung der eigenen Souveränität.
Und genau letzteres würde ich als einen weiteren essenziellen Aspekt sehen. Ich glaube nicht, dass man sich je richtig kennt, auch, weil man sich ja ständig ändert. Aber genau das zu wissen und in ständiger (freundlicher) Verhandlung zu sich stehen, sich an sich selbst, statt an anderen messen, die Verantwortung für eigene Entscheidungen treffen und so weiter, das würde ich als Erwachsensein begreifen. Es ist die ultimative Freiheit. Es ist Kompetenz fürs Leben. Es spielt auch keine Rolle, wer oder was erwachsen "wirkt", von außen. Es ist ein tiefes, inneres Wissen. Der Kern, der das Boot durch den Sturm manövriert, egal wie lustig bemalt oder kindisch es von außen wirkt. Daher empfinde ich Erwachsensein auch nicht als Verknöcherung oder Angekommensein, sondern als so etwas wie eine art psychosoziale Kompetenz, die man sich angeeignet hat. Das Wissen, alles, was ich tu, hat Konsequenzen, und in allem, was ich entscheide, kann ich das berücksichtigen, idealerweise bewusst. Für unbewusste Entscheidungen übernehme ich ebenfalls die Verantwortung wie für ein Kind, für das ich verantwortlich bin, und komme nicht mit Ausreden anderen, vor allem aber mir gegenüber, sondern frage mich: wie kams.