Scham wegen Dissoziation

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Scars
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Beitrag Sa., 22.10.2022, 20:48

Philosophia hat geschrieben: Sa., 22.10.2022, 18:34 Die Analytikerin sagte mal, dass Therapie schon auch imme ein bissl Gehirnwäsche ist.
Das hattest du schonmal irgendwo geschrieben und ich finde diese Aussage sowas von nicht ok bzw. frage ich mich, auf welchen Werten sie dann ihre Arbeit aufbaut. Vllt kannst du erklären, wie sie das meint? Meint sie, das die negativen Gedanken „rausgewaschen“ werden sollen oder wie?

Therapie sollte mMn danach streben, Grenzen zu wahren, nichts aufzudrängen oder gar aufzuzwingen und Kontrolle auszuüben, mehrdimensional an Probleme herantreten und die Perspektive auf sich und andere erweitern. Ich kann voll und ganz verstehen, dass man sich bei der Beschäftigung mit blöden Themen manchmal wie im Schleudergang fühlt, aber bestenfalls ist man im Anschluss etwas befreiter, selbstbestimmter, gesünder. Ein Therapeut sollte zudem unabhängig von sich selbst und neutral eingestellt das individuell Beste für den Patienten suchen. Das steht für mich in Kontrast zu brainwashing... was nebenbei bemerkt der Folter zugerechnet wird. Gerade wenn man Erfahrungen mit Manipulation, Missbrauch, gaslighting o.Ä. gemacht hat, ist so eine Aussage doch sowas von abschreckend und sät noch mehr Misstrauen...
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Scars
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Beitrag Sa., 22.10.2022, 20:56

Ich erinnere mich aber gerade, dass meine analytische Therapeutin den Begriff auch mal verwendet hat! Vielleicht ist das so ein Psychoanalyse-Ding? Ich konnte es damals nicht recht in Zusammenhang bringen und dachte mir nur... nope. Auf die lasse ich mich nicht weiter ein... :anonym:
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Philosophia
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Beitrag So., 23.10.2022, 05:51

Na ja, sie sagte das weniger mit Ernst, sondern eher im Zusammenhang damit, dass man in der Therapie auf Dinge gestoßen wird, die sehr unangenehm sind und die dann was mit einem machen. Ich saß nach nicht wenigen Stunden ziemlich fertig da - jetzt nicht zerstört, aber erschöpft von der "Therapiearbeit". Sie sagte es, um ihr Verständnis auszudrücken, dass ich mich so durch den Wind fühlte in solchen Momenten - wohlwissend, was dieses Reflektieren mit einem machen kann. Natürlich wollte sie mir nie mein Gehirn waschen. Aber im Endeffekt passiert es eben von selbst, wenn ich Dinge in mir sehe, die ganz schlimm sind - dann geht es ans innerliche Aufräumen, Sortieren und ja auch Reinigen. Und das ist anstrengend. Die Gehirnwäsche betreibe ich letztlich dann aber selbst - es ist meine Entscheidung. Es ist aber auch so, dass da Dinge angestoßen werden können, die nicht wieder rückgängig zu machen sind, sofern sie einmal erkannt wurden - also ich kann bei bestimmten Dingen dann nicht mehr wegsehen und habe den starken Drang, etwas zu verändern.
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münchnerkindl
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Beitrag So., 23.10.2022, 09:07

Philosophia hat geschrieben: So., 23.10.2022, 05:51 Na ja, sie sagte das weniger mit Ernst, sondern eher im Zusammenhang damit, dass man in der Therapie auf Dinge gestoßen wird, die sehr unangenehm sind und die dann was mit einem machen. Ich saß nach nicht wenigen Stunden ziemlich fertig da - jetzt nicht zerstört, aber erschöpft von der "Therapiearbeit".

Es ist aber auch der Job des Therapeuten zu steuern, dass da nicht zu schnell und/oder zu viel auf einmal ausgegraben wird und es einen Ausgleich gibt mit dem Fördern von heilsamen und positiven Aspekten.

Wenn jemand aus jeder Stunde dissoziierend rausgeht oder gar das traumatische Zeugs so intensiv wird dass man da retraumatisiert rausgeht und die Fähigkeit mit dem Alltag klarzukommen leidet ist in der Therapie was schiefgelaufen.

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Scars
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Beitrag So., 23.10.2022, 09:44

Ja, das habe ich mir gedacht, dass sie das so gemeint hat: Gehirnwäsche im Sinne von „Reine machen“, wo man vorher vielleicht sogar im tatsächlich negativen Sinne etwas „brainwashed“ war.

Persönlich tue ich mich aber schon schwer, den Aspekt von psychologischer Manipulation in Therapie zu akzeptieren und frage ich mich dann direkt, ob die nicht doch alles Böse sind und unter einer Decke stecken und wo das hinführen soll... ah... :augenreib: Deswegen finde ich es einfach unglücklich, wenn so ein allgemein negativ besetzter Begriff, der im Grunde konträr zu den eigentlichen Absichten einer Therapie steht, in Zusammenhang damit gebracht wird, auch wenn es „technisch“ vielleicht Überschneidungen gibt.
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Philosophia
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Beitrag So., 23.10.2022, 15:16

@müki: das stimmt, bin ich auch nicht nach jeder - sie hat sich sehr bemüht, das zu dosieren. Aber es gab tatsächlich mal einen richtigen Zusammenbruch, den wir aber zusammen so gut auflösen konnten, dass das zum einen nie wieder passierte und ich zum anderen in der Situation auch heilen konnte. Ich wollte die Wahrheit und bekam sie - ich brauchte diese, um heiler zu werden.
@Scars: Ich muss irgendwie schmunzeln, wenn ich deine Worte lese, weil die original von mir sein könnten. Hätten das meine anderen Therapeuten von früher gesagt, dann hätte ich das auch zum Kotzen gefunden. Es kommt halt echt darauf an, wann wer wie das sagt. Ich weiß genau, wie sie das gemeint hat und ich konnte ihr da zustimmen. Denn sie hält nichts von Manipulationen - im Grunde nicht mal was von Therapien. Jegliche Entscheidung irgendwas an mir zu ändern kamen in der Analyse von mir.
Wir haben sogar viel krassere Sachen geäußert und über Dinge gelacht, über die man üblicherweise nicht zu lachen pflegt. Was aber unglaublich hilft, ist Galgenhumor - für mich war und ist das eine Ressource. Das geht natürlich nur, wenn man sich gut kennt und vertraut. Ich bin stolz, dass ich das mittlerweile kann - und das mit einer Therapeutin, obwohl mir Therapeuten suspekt sind.
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Wie dem auch sei, ich schrieb das nur, weil mir ihre Worte einfielen, dass eben eine Therapie wirklich nicht ganz ohne ist und da Dinge ans Tageslicht kommen können, die einen sehr benommen machen können.
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