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Mi., 22.08.2018, 14:46
In Deutschland ist es so, dass du zunächst mal unterscheiden kannst zwischen Heilpraktikern (die du nur als Pivatpatient/Selbstzahler in Anspruch nehmen kannst) und approbierten Therapeuten (Die es sowohl privat als auch mit Kassenzulassung gibt). Bei den approbierten kann man dann nochmal trennen zwischen ärztlichen und psychologischen Therapeuten. Was die Heilpraktiker angeht, schließe ich mich Scars an, die können auch gut sein, aber das fachliche Ausbildungsniveau ist deutlich weniger und es fehlt vor allem die Klinikerfahrung, die für approbierte Therapeuten Pflicht ist. Zu den Unterschieden ärztlicher und psychologischer Therapeut gibt's schon 'nen Thread.
Was die Frage private Praxis oder Kassensitz angeht, sollte man wissen, dass ein approbierter Psychotherapeut sich nicht einfach niederlassen und Kassenpatienten behandeln darf. Da die Anzahl an Therapieplätzen aus politischen/wirtschaftlichen Gründen knapp gehalten wird, gelten in Deutschland derzeit alle Versorgungsgebiete als "überversorgt" mit Psychotherapeuten (muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen...), weshalb ein Therapeut nur einen Kassensitz von einem Kollegen übernehmen kann, der diesen Kassensitz abgibt (z.B. aus Altersgründen). Weil das bei den Ärzten (die ja in der Regel eine mit vielen teuren Geräten usw. ausgestattete Praxis übergeben) so üblich ist, dass diese ihrem Vorgänger eine Ablöse für die Praxis zahlen müssen, ist das bei Psychotherapeuten auch so, obwohl es da eigentlich gar keinen Gegenwert gibt (Die Räume werden meist gar nicht übernommen und ein "Patientenstamm" ist auch nichts Wert, weil es ohnehin so viele Patienten gibt, die einen Therapieplatz suchen. Die Zulassung an sich ist rechtlich eigentlich nicht veräußerbar). So werden die Kassensitze zum Handelsgut, das Angebot und Nachfrage unterworfen ist und für einen Kassensitz darf ein Therapeut erst mal im Schnitt 30 - 60.000 € hinblättern (in begehrten Großstädten auch bis zu 100.000 €) um überhaupt Kassenpatienten behandeln zu dürfen. Zudem unterscheidet sich bei Psychotherapeuten im Gegensatz zu den Ärzten die Vergütung von Kassen- und Privatpatienten kaum von einander, so dass unter Einbeziehung aller Parameter (z.B. Strukturzuschläge bei hoher Auslastung mit Kassenpatienten) für Psychotherapeuten mit Kassenzulassung paradoxer Weise Privatpatienten weniger lukrativ sind als Kassenpatienten.
Das erklärt vielleicht die Gründe, warum die Frage Privat- oder Kassentherapeut eigentlich nix mit der Qualifikation oder Qualität des Therapeuten zu tun hat. Es ist für den Therapeuten eine Frage der Abwägung von Vorteilen und Nachteilen. Eine Kassenpraxis ist teuer und unterliegt recht strengen formalen Abläufen, bietet aber dafür eine sichere Auslastung und vernünftige, sichere Einnahmen (Wirklich reich wird man als Psychotherapeut eh' nicht). Die Privatpraxis erfordert kaum Investitionen und ist flexibler, aber es ist schwieriger, sie ausgelastet zu bekommen, das EInkommen ist stärkeren Schwankungen unterworfen, weil man die Auslastung nicht so gut gewährleisten kann.
Dementsprechend entscheiden sich eher junge Therapeuten, Therapeuten in Teilzeit, ältere Therapeuten, die weniger Stunden machen wollen oder Therapeuten, die freiheitsliebend und risikobereiter sind, für die Privatpraxis, während die anderen meist eine Kassenzulassung bevorzugen (sofern in ihrer Region überhaupt eine zu haben ist). Dann gibt es natürlich auch noch Therapeuten, die im Rahmen einer Entlastungsassistenz oder Job-sharing bei einem anderen Kassentherapeuten freiberuflich oder angestellt Kassenpatienten mitbehandeln. Viele Therapeuten sind auch in verschiedenen Lebensphasen unterschiedlich tätig (Beispiel: Am Anfang der Karriere angestellt halbtags als Kassentherapeut, dann erst mal selbständig in eigener Privatpraxis tätig, dann Kauf eines Kassensitzes und am Ende des Arbeitslebens Abgabe des Kassensitzes und reduzierte Tätigkeit als privater Therapeut).
Quintessenz: Es gibt objektiv keine Unterschiede zwischen Qualifikation (auch Zusatzqualifikation) und Arbeitsweise von Privat- oder Kassentherapeuten, viele sind irgendwann im Leben mal beides. Therapeuten, die sich für nicht Kassenzugelassene Verfahren (Systemische Therapie, Gestalttherapie oder Gesprächstherapie) interessieren vielleicht mal ausgenommen, weil diese Verfahren nicht über die Kasse abgerechnet werden dürfen. Das heißt aber nicht, dass bestimmte Techniken aus diesen Verfahren nicht in die Arbeit von Kassentherapeuten einfließen. Es bleibt also dabei, dass es letztlich immer auf die jeweilige Therapeutenpersönlichkeit ankommt. Du wirst im Grunde als Privatpatient (anders als bei Ärzten) nicht bevorzugt oder besser behandelt, aber du hast den Vorteil, dass du eine größere Auswahl hast und eine bessere Chance auf kürzere Wartezeiten. Ein Nachteil bei privat Versicherten kann sein, dass je nach Versicherungsvertrag teilweise deutlich weniger an Therapiestunden übernommen wird, als bei Kassenpatienten.
It is better to have tried in vain, than never tried at all...