Psychotherapie-Reform: Leid schnell wegmachen?

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Charlie Foxtrott
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Psychotherapie-Reform: Leid schnell wegmachen?

Beitrag Fr., 11.07.2025, 16:13

Hallo Leute, bin gerade auf diesen Artikel hier gestoßen:
https://www.psychologie-heute.de/gesund ... erden.html

Zitat:
Die Ausbildungsinstitute geraten unter enormen wirtschaftlichen Druck. Sie müssen effizienter arbeiten, Angebote straffen…Der Therapieerfolg würde dann anhand standardisierter Fragebögen fortlaufend gemessen. Zeigt sich keine rasche Verbesserung, droht das vorzeitige Ende der Behandlung…Das setzt nicht nur Patienten und Behandlerinnen massiv unter Druck, sondern untergräbt den Sinn von Qualitätssicherung. Patientinnen könnten sich gezwungen fühlen, ihre Angaben strategisch zu „optimieren“, um ihre Therapie zu sichern. Therapeuten wiederum hätten einen Anreiz, schwere oder chronifizierte Fälle zu meiden.


Mir macht das Angst. Folgendes Szenario: Therapeut arbeitet sich an einer Nebenbaustelle ab, während der Arbeit an diesem Nebenschauplatz ploppt aber ein altes, unverarbeitetes Trauma hoch. Therapeut macht zur Bedingung, erst das aktuelle Thema abzuschließen, ehe das alte drankommt. Das geht aber nicht, da aktuelle Einsichten durch Vorerfahrungen widerlegt werden. Patient findet sich in Endlosschleife wieder und ihm geht es immer schlechter.
Soll er die Evaluationsbögen schönfärben und seinen Zustand verstecken? Ansonsten wird er als nicht therapierbar in völlig aufgewühltem Zustand rausgeschmissen.
So ähnlich habe ich es tatsächlich erlebt. Artikel hilft mir, zu verstehen, wie es dazu kommen konnte.

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Weltengänger
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Beitrag Sa., 12.07.2025, 10:51

Charlie Foxtrott hat geschrieben: Fr., 11.07.2025, 16:13 So ähnlich habe ich es tatsächlich erlebt. Artikel hilft mir, zu verstehen, wie es dazu kommen konnte.
Das ist ja ein schon länger bekanntes Problem, das beschreibt, wie ein lebendiger Umgang durch das Finanzielle zwar vernünftig zu regeln versucht wird, aber gerade dadurch es zu scheitern und das Lebendige in der Therapie zu ersterben droht.
Ein Therapeut ist oder will ja ein Heiler sein. Einem Heiler dürfte es in erster Linie um die Heilung gehen und nicht oder weniger damit seinen finanziellen Status steigern oder erhalten zu können.

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chrysokoll
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Beitrag Sa., 12.07.2025, 11:01

Heiler ist mir als Begriff schon zu esoterisch, auch wenn das vielleicht nicht so gemeint ist.
Ich finde es völlig legitim dass ein Therapeut mit seiner Arbeit angemessen Geld verdient und natürlich seinen "finanziellen Status" erhält. Der lebt doch nicht im luftleeren Raum.

Aus meiner Sicht liegt das Problem auf zwei ganz anderen Ebenen: Zum einen auf der Tatsache dass es viel zu wenig Therapeuten mit Kassenzulassung gibt, gemessen am heutigen Bedarf. Und dann natürlich an den immer weiteren Stundenbeschränkungen und Kontingenten. Und den Versuchen, das alles zu evaluieren und möglichst schnell abzuhandeln und in ein Schema zu pressen. Das funkioniert nicht so bei Psychotherapie.

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diesoderdas
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Beitrag Sa., 27.09.2025, 23:22

Deutschland ist manchmal sehr gut im verschlimmbessern.

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Beitrag So., 28.09.2025, 19:01

Ja, alle die vor diesen ganzen Reformen etc. pp in Deutschland eine Therapie machen konnten, können wirklich glücklich sein.

Im direkten Vergleich (also nur meine subjektive Wahrnehmung) ist, dass man heute viel mehr unter Druck gesetzt wird in der Therapie zu funktionieren, in das System zu passen. Es wird nicht mehr so danach geschaut, warum man nicht so funktioniert. Man hat dann einfach Pech.
Das is irgendwie paradox, weil man ja z. B. gerade in die Therapie geht, weil man nen Vertrauensproblem hat und natürlich funktioniert man da in der Therapie erst mal nicht.
Deshalb bin ich echt froh, dass ich gerade nicht (mehr) so krass auf eine Therapie angewiesen bin, sondern mir mittlerweile selbst helfen kann.
"You cannot find peace by avoiding life."
Virginia Woolf

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