Vorab: Ich bin auch skeptisch, was die Funktionen der elektronischen Gesundheitskarte und die Speicherung von Patientendaten angeht. Aber hier sind mir zuviele Ungenauigkeiten und Unklarheiten. Auf der Grundlage lässt sich mMn nicht sinnvoll diskutieren, aber die Empörung ist natürlich erstmal ungebremst, aber dafür komplett undifferenziert.
TISkeptiker hat geschrieben: Do., 26.07.2018, 12:06
In Deutschland wird gegen Jahresende die Telematikinfrastrukur (kurz TI) so "ausgebaut", dass neben den personenbezogenen Daten wie Name, Adresse etc. (das ist das, was gerade zu sehen ist, wenn die Versichertenkarte eingesteckt wird) auch Diagnosen und auch Gutachterberichte (!)
einlesbar wären.
Das wichtige Stichwort: "einlesbar wären".
Verpflichtend ist nach meinen Informationen zunächst einmal neben den sogenannten "Stammdaten" (Name, Anschrift, Geburtsdatum, Versichertennr. usw.) das eRezept, das "verpflichtend" kommen soll. Kann auch ein Vorteil sein, weil mein Arzt das Rezept dann über die Telematik-Infrastruktur an den Apotheker meines Vertrauens übermittelt. Und ich dann nur noch zum Abholen in die Apotheke muss und nicht zweimal, wenn das Medikament nicht vorrätig ist.
Bei den Notfalldaten (freiwillig) wäre mit dem Hausarzt zu besprechen, was im Notfall wichtig wäre und was nicht. Meine Depressions-Diagnose ist m.E. nicht notfall-relevant. Bleibt also draußen. Wenn ich Epilepsie habe oder Diabetes, wäre das schon ein wichtige Info für die Notfall-Mediziner, genauso wie meine Penicillin-Allergie. Medikamente, die ich regelmäßig nehme, müssten dann auch auf die Notfall-Relevanz überprüft werden und würden auch
nur dann bei den Notfall-Infos auftauchen. Blutverdünner wären das auf alle Fälle. Anti-Depressiva vermutlich eher nicht. Damit (mit den Notfalldaten) habe ich auch erstmal kein Problem, im Gegenteil: Das ist in meinem ureigensten Interesse, dass Notfallmediziner im Fall der Fälle auf diese Infos schnell und unkompliziert Zugriff haben.
Bei den Rezepten bleibt unklar, ob der Apotheker dann alle Verordnungen auf der Karte sehen kann, oder nur die aktuelle. Letzteres finde ich unproblematisch, ersteres wäre in meinen Augen ein No-Go.
Geplant ist nach meinem Wissen auch ein Medikationsplan. Allerdings freiwillig. Kann vor allem für ältere, multimorbide Patienten eine Erleichterung sein, wenn die behandelnden Ärzte (und auch die Apotheker) auf einen Blick sehen, welche Medikamente regelmäßig eingenommen werden, um unerwünschte Wechselwirkungen auszuschließen. Das ganze kann ich mir aber auch aktuell schon von meinem behandelnden Arzt ausdrucken lassen, auf Papier. Und das dann dem Facharzt beim Termin vorlegen, damit er im Bilde ist.
Alle weiteren Daten sind
freiwillig: Also Befunde, Berichte, Arztbriefe usw.
Das heißt, ich als Patientin habe (derzeit) die Datenhoheit darüber, was gespeichert wird und was nicht. Diese Daten sind verschlüsselt und können ohne meine Einwilligung nicht eingesehen werden. Vorgesehen ist auch, dass ich die freiwilligen Daten auch selbständig löschen kann. Zugriff auf die verschlüsselten Daten ist nur mit meiner persönlichen PIN möglich, was schon mal gut ist. Was nicht gut ist: Es ist nicht geregelt, ob ein Arzt dann alle Berichte etc. sehen kann oder ob ich ihm nur EINEN bestimmten Bericht freigeben kann und der Rest dann verschlüsselt bleibt.
Großes Manko in meinen Augen. Das heißt, ich als Patient werde zum Datenmanager meiner elektronischen Gesundheitsakte (weil ich ständig Daten löschen muss, von denen ich nicht möchte, dass ein anderer Arzt diese einsieht), was garantiert ganz viele Menschen überfordern dürfte. Und es weckt Begehrlichkeiten. Gesundheitsdaten - gerade in elektronischer Form - sind wertvoll, im wirtschaftlichen Sinne, damit lässt sich unendlich viel Profit machen. Sei es in Form von BigData und Meta-Analysen und -Prognosen oder auf dem Mikrolevel mit bezahlten Gesundheitsprofilen, die zB Versicherer oder Kreditgeber abfragen könnten.
Dass diese Daten aktuell freiwillig sind, heißt nicht, dass sie es bleiben. Und hier liegt in meinen Augen die größte Gefahr... Momentan habe ich die Möglichkeit zu sagen: Berichte und Befunde will ich weiter auf Papier haben und die trage ich selbst von Arzt zu Arzt. Und nicht über die Karte. Ob das dann in 10 Jahren auch noch so ist, who knows... Und das ist der Punkt, bzw. die Hintertür die ich als kritisch betrachte.
Und auch: Unser lieber Gesundheitsminister will neben der elektronischen Gesundheitskarte, auf der die Daten verschlüsselt gespeichert sind, den Zugriff über Smartphones und Apps ermöglichen. Ja, klardoch. Voll sicher das Ganze. Und die App-Entwickler dürfen dann mal nebenbei auf alle Gesundheitsdaten aller Nutzer zugreifen und diese auswerten.... Die Mobilfunkanbieter kriegen auch ein Stück vom Kuchen, und dann kann ich das alles eigentlich gleich auf FB oder Whatsapp veröffentlichen. Macht keinen Unterschied mehr. Soviel zur Digitalkompetenz unserer Bundesregierung.
Wer weiter und genauer nachlesen will:
Datenschutz und Gesundheitskarte (bei der Bundesdatenschutzbeauftragten):
Als erste medizinische Anwendung ist nach den derzeitigen Plänen die Speicherung von Notfalldaten durch den Arzt auf der Karte vorgesehen.[...] In den weiteren Ausbaustufen sollen zukünftig die Ärzte dann Rezepte speichern können und die Karte soll Zugang zu Daten über bisher die verordneten Arzneimittel, elektronische Arztbriefe und die eigenen Patientenakten gewähren.
Die einzige gesetzlich vorgeschriebene Anwendung ist das elektronische Rezept. Alle anderen Anwendungen und somit auch alle medizinischen Daten dürfen nur mit ausdrücklicher Einwilligung des Versicherten auf freiwilliger Basis gespeichert werden. [...]
Quelle:
https://www.bfdi.bund.de/DE/Datenschutz ... ionen.html
Hervorhebung: lisbeth
elektronische Patientenakte (bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung):
Grundvoraussetzung dafür ist der Wunsch des Patienten, denn die ePA (elektronische Patientenakte, Anmerkung von lisbeth) ist eine freiwillige Anwendung der eGK (elektronische Gesundheitskarte, Anmerkung von lisbeth). Die ePA soll als lebenslange Informationsquelle dienen, die jederzeit einen schnellen und sicheren Austausch der Daten ermöglicht.[...] Der Arzt kopiert nur die vom Patienten dafür gewünschten Daten in die elektronische Patientenakte. [...]Einsehen, Befüllen oder Löschen von Daten auf der ePA - all das geht nur über das sogenannte 2-Schlüssel-Prinzip. Das heißt, Arzt und Patient können nur gemeinsam auf die Akte zugreifen.
Quelle:
http://www.kbv.de/html/epa.php