Was ist sexuelle Sublimation?

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zucker
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Beitrag Mi., 19.08.2009, 17:34

Gothika hat geschrieben: Die Frage ist also, wiederum anders formuliert, ob Sublimation eine ausnahmsweise mal gesunde Form der Verdrängung ist?
Genau.
Und das Verdrängte ist natürlich immer noch da, es ist durch Sublimation nicht einfach weg, es ist nur zu einer Verschiebung gekommen, einer günstigen Verschiebung eben.

Übrigens: Was verdrängt oder abgewehrt werden muss, ist uns nie bewusst, sonst müssten wir es nicht verdrängen - das ist die "Logik" von Abwehrmechanismen. Das würde dann bei deinem Beispiel heissen:
Gothika hat geschrieben:Wenn ich z.B. aus Langeweile Schokolade esse, bleibt ja die Langeweile erhalten und ist nicht "fort", und ich bleibe doch weitgehenst bewusst, dass mir langweilig ist.
Die Langeweile ist nicht das, was du sublimieren musst - sondern das, was hinter der Langeweile, also dem Unlustgefühl, steht. Die Frage ist, warum dir langweilig ist. Und genau das ist einem meistens nicht wirklich bewusst.

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Beitrag Mi., 19.08.2009, 22:26

Mir sind so ad hoc keine Fetisch-Verhaltensvarianten bekannt bei denen man ANDEREN schadet.
Nicht, wenn sie auf gegenseitig beruhen *g*
Wobei es durchaus oft genug Varianten gibt, wo die Gefahr von Kontrollverlusten existiert.
Ich kann mir vorstellen, dass einen eben auch die Lebensumstände solche Impulse nicht mehr so intensiv spüren lassen, diese aber womöglich in anderen Umständen einfach wieder hervorkommen.
Genau das denke ich mir eigentlich auch. Das wäre dann eine Blockade.
Ich kann mir aber auch vorstellen, dass - sofern es ein dahinter liegendes Bedürfnis gibt und man das leben kann - sich der Impuls tatsächlich in Luft auflöst.
Das ist meine Furcht. Dass man so lange unter blockierenden Lebensumständen lebt, bis man die Blockade zur "neuen Wahrheit" erhoben hat. Denn woher soll man den Unterschied erkennen?

Vielleicht mal ein anderer ganz unsexueller Vergleich:

Jemand ist depressiv und spürt die Liebe zum Partner nicht mehr, aber auch sonst nichts. Das kann daran liegen, dass keine mehr vorhanden ist oder dass die blockiert ist. Wie soll man den Unterschied erkennen? Dabei ist es doch entscheidend, ob man nun "erst recht" zusammen hält oder sich trennt und vielleicht den größten Fehler seines Lebens macht. Es hängt dabei ja unglaublich viel davon ab, wie man es wertet. Eben je nachdem ob man davon ausgeht, es ist halt im Zuge einer "Reife-Entwicklung" weg oder es ist nur verdrängt.
Bestimmte Szenen sind ja - das meine ich jetzt nicht wertend - inzwischen fast eher "Lifestyle" (bi unter Gothics zb) und "man" übernimmt es/probiert es mal wie eine neue Kleidung. Ob es einem passt, wer weiss?
Ich denke, dass kann ich ganz sicher von mir ausschließen. Auch wenn das Arrogant klingen mag, bin ich "diesbezüglich" (dessen, was ich nicht konkret nennen mag) eher so was wie einer der Vorreiter, der entsprechende dämliche "Moden" erst in Gang brachte. Und ich kann definitiv ausschließen, dass ich von anderen beeinflusst wurde.
Ich glaube ein wichtiger Indikator ist auch da einfach der Leidensdruck: wie sehr habe ich den Drang xyz umzusetzen? Geht es mir mies, wenn ich es NICHT mache? Oder ist es mir egal?
Sollte man meinen. Aber wenn man's noch bewusst spürt, dann ist es ja nicht weg. Oder der Vergleich oben: Es gibt mehre Arten und Ursachen, dass es einem etwas egal sein kann, und diese sind bei weiten nicht gleichwertig.
wenn du nun wüsstest, dein Ursprungsreiz ist noch vorhanden - wie anders wäre dein Verhalten und deine Bewertung deiner diesbezüglichen Lage als wenn du nun wüsstest, er wäre selbst komplett weg?
Ich würde an mir arbeiten, es wieder ausleben zu können, wieder das wahre, bzw. unverdrängte und unverfälschte an die Oberfläche zu holen, auch wenn ich es heutzutage etwas anderes ausleben würde. Aber letzteres ist drittrangig.
Im anderen Fall würde ich an mir arbeiten, es endgültig loszulassen. Und das finde ich durchaus wichtig zu unterscheiden. Denn je nachdem handelt es sich entweder um ein Zulassen von Bedürfnissen oder ein noch mehr verstärktes Verdrängen von Bedürfnissen.
Aha. Deine Frage ist: Lehne ich einen Teil von mir ab oder ist er einfach nicht mehr da?
Exakt.
Weshalb ist dir das denn wichtig zu wissen?
Weil davon abhängt, wie es weiter geht. Angenommen es ist nur Blockade und/oder Depression, die es als "nicht mehr existent erscheinen" lässt... nun ja, ich möchte nicht aus Versehen die unterschwellige Depression als neue Lebensgefühl deklarieren und kultivieren. Und ich glaube, das geschieht öfters als man denkt.

Das Fatale ist ja: Da die "Abnormität" weggefallen ist, habe ich ja WENIGER Leidensdruck als vorher. Falls du verstehst? Also liegt es auf der Hand, es als positive Entwicklung anzusehen. Tatsache ist aber auch, dass man eine riesige innere Taubheit spürt. Ein ganz andere Art von Leidensdruck. Was möglicherweise eine Sublimierung bzw. Verschiebung sein könnte?

Also, nochmals: Der Leidensdruck des "Triebs" ist fort, und damit auch der soziale Leidensdruck und Begleiterscheinungen. Juchee. Aber auf der anderen Seite wurde es nun gegen eine innere Taubheit eingetauscht, welche ENTWEDER genau durch diese Verdrängung herrührt ODER was völlig eigenständiges ist.

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Beitrag Mi., 19.08.2009, 22:26

Was mich konkret immer wieder wundert: Es wurde nie durch etwas NEUES ersetzt, was ein Indiz dafür sein könnte, dass es sich nicht einfach zur Unkenntlichkeit weiter entwickelt. Sondern es ist eben gar nichts mehr da. Außer die Erinnerung und der Verstand, der nicht weiß ob er trauern oder sich freuen soll. ;-/

Ab und an scheint es noch hochzukommen, aber das ist weder wirklich beschreibbar noch einschätzbar. Es ist dann, als ob ein "altes Programm" abgespielt wird, dass zum jetzigen Ich gar nicht mehr passt. Was ja nicht heißt, dass der "Inhalt" nicht mehr passend ist, hier scheint schon etwas zu fehlen, sondern die Art und Weise wie man es gestaltet.

Andere Formulierungen:

Ich frage mich ob meine inneres Leere-Gefühl, welches mir sehr im Weg steht und mein "Identitätsverlust" mit den entsprechend verdrängten Neigungen zu tun hat. ETWAS fehlt mir. Ab und an kommt das ALTE hoch, das passt aber nicht mehr zum jetzigen Entwicklungsstand. Kommt aber ab und an in sehr krankhafter Weise hoch. Gerade eben weil es so diese extreme Spaltung in die "ALTE" und "die Neue" gibt, ohne Überschneidungen. Ergo hieße es, ein Altes Bedürfnisse dem jetztigen Ich anzupassen.

So irgendwie. Es klingt für mich alles andere als stimmig, obwohl es logisch wäre. Ich kann also noch nicht mal mehr sagen, OB's mir fehlt oder nicht. Mir fehlt auf jeden Fall der Teil der Identifikation, die man damit verband, welche sehr, sehr tief ging. (Das ganze Leben danach ausgerichtet etc.pp) und mir fehlt das "Lebensgefühl", sämtliches Gefühl der Lebendigkeit, die damit verbunden war.
Wenn ich etwas in der eben erwähnten Definitionsform von "Sublimierung" eben sublimiert HABE, stelle ich mir dann die Frage überhaupt noch? *grübel ...
Möglicherweise. Nämlich in der Form, dass man sich leer, nicht vital fühlt, nicht lebendig, einem IRGENDWAS fehlt, aber man nicht mehr genau sagen kann, was es ist. Monate für Monat, Jahr für Jahr, nach ETWAS sucht, was es nicht mehr gibt, weils im Hirn einfach völlig "ausradiert" wurde. Einen leeren Fleck in der Seele, und man weiß nicht mal, ob es da etwas gibt, was man finden könnte oder ob man sich gefälligst auf die Suche machen soll.

Gruß,
G.

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Beitrag Mi., 19.08.2009, 22:36

@Zucker
Und das Verdrängte ist natürlich immer noch da, es ist durch Sublimation nicht einfach weg, es ist nur zu einer Verschiebung gekommen, einer günstigen Verschiebung eben.
Und kann die Verschiebung den Ursprungstrieb ersetzen? Beispielsweise erfüllender sein als original? Es kann moralisch und gesellschaftlich angesehener sein. Soweit so klar. Aber aus der Perspektive der Triebbefriedigung... kann es dann genauso "befriedigend" sein?

Das Paradebeispiel des Zöllibats (- wenn man mal davon ausgeht, es handele sich um ein wirkliche Sublimation *zwinker*-):

Bliebe ein Priester weiterhin sexuell unbefriedigt, aber es macht ihm nichts mehr aus weil er was Wichtigeres gefunden hat? Oder wäre mit der sublimierten Befriedigung auch die ursprüngliche sexuelle Bedürfnisse befriedigt?
Übrigens: Was verdrängt oder abgewehrt werden muss, ist uns nie bewusst, sonst müssten wir es nicht verdrängen - das ist die "Logik" von Abwehrmechanismen.
Und genau das ist ja die Crux dran. Man kann sich nie sicher sein im Ernstfall, ob etwas NUR abgewehrt ist oder nicht doch verschwunden ist. Der Leidensdruck ist ja auch nicht mehr spürbar, zumindest nicht direkt.
Das Beispiel, dass ich oben schon nannte: Eine Depression, der Ursache man nicht findet. Es könnte aus einer verdrängten Neigung resultieren. Aber es könnte auch was ganz anderes sein.

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stern
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Beitrag Do., 20.08.2009, 09:00

Vorweg: Du und PsychoanalysepatientInnen mögen mir nachsehen, dass ich die Begrifflichkeiten vielleicht nicht so gut trennen kann (und vielleicht teils in einen Pott werfe ). Und ich eher auf Basis meines Erfahrungshorizonts schreibe, inkl. solcher Dinger, die mir in Therapien bewusster (gemacht) wurden. Und in dem Zusammenhang sticht mir folgendes ins Auge:
Gerade eben weil es so diese extreme Spaltung in die "ALTE" und "die Neue" gibt, ohne Überschneidungen. Ergo hieße es, ein Altes Bedürfnisse dem jetztigen Ich anzupassen.
Spaltung kann auch eine Form der Abwehr sein (bei mir isses z.B. so, dass teils der Kopf vom Gefühl getrennt ist bzw. umgekehrt... allerdings aus anderen Gründen heraus und in anderer Form als bei dir. Aber vielleicht lässt sich das ein bissi übertragen, keine Ahnung).

So wie du diese Spaltung wahrnimmst, wäre sie in der Tat relativ "extrem": Nun gibt es eine alte und eine neue Gothika. Und ich verstehe das ca. so: Deinen Fetisch siehst du wohl als Teil deiner "Identität/deines Ichs/Identifikation/Lifestyles"?. Der Fetisch ist nun "weg" (sei es dadurch, dass der Teil von dir abgewehrt wird, sublimiert wird oder gänzlich ins Nirvana verschwunden ist, etc.). Nun ist deine "Identität" eine andere: die "Neue" Gothika (ohne Fetisch als Teil deiner Identifikation) anstelle der "Alten" (mit Fetisch). Alles in Anführungszeichen, denn ich möchte den "Identitätsverlusts" (von dem du selbst schreibst) nicht (missverständlich) überbewerten. Und deine Frage ist nun: Lehnst du einen Teil von dir ab oder ist er "einfach" verschwunden?

Boa, und wie soll ich sagen: Bei mir (als Meisterin so mancher Abwehr ) geht es dann sozusagen darum, das Abgewehrte (besser) zu integrieren und dem Bewusstsein/Zugriff zugänglicher zu machen. Bildlich gesprochen stelle ich mir Abgewehrtes als etwas in mir frei Floatierendes/Schwebendes vor, zu dem "Verknüpfungen" herzustellen sind. Will heißen: Wehrst/lehnst du etwas ab ginge es wohl in der Tat darum, das Abgewehrte wieder zu finden und zu intergrieren (bzw. an/in dein Ich anzupassen wie du es formulierst). Und mithin wäre dann wohl auch die Trennung in die "Alte" und "Neue" wieder obsolet.

Anders wäre es wohl, wenn es sich um eine reine Bedürfnisänderung handelt o.ä. (Bedürfnis nach Fetisch iss nicht mehr da) bzw. um eine wirkliche Sublimination. Aber gefühlsmäßig/intuitiv würde ich sagen bzw. fragen: Kann es das wirklich sein? Denn widerspricht dem nicht, dass du dafür einen "Preis zahlst" bzw. sich eine "neues Leiden" auftut, und zwar in Form einer "inneren Taubheit" (wie du es nanntest)? Oder in anderen Worten: Wäre es ganz weg, gält es wohl, etwas neues zu finden (auch wegen der Taubheit). Abgewehrtes wäre wohl wieder zu intergrieren.

Aber die gute Frage ist: Wie unterscheidet man das eine vom anderen: Meine Erfahrung iss: Verdrängtes/Abgewehrtes iss nie ganz weg. Denn irgendetwas flashed halt auf andere Ebene hoch (z.B. in Form von körperlichen oder psychischen "Symptomen", "Leiden" (bei dir vielleicht in Form der Leere/Taubheit?), etc. Aber natürlich ohne sagen zu können, dass wohl Abgewehrtes dahinter steckt (solange die Abwehr noch besteht. Erst bei "Auflösung" derselben kann es (mir) klarer werden bzw. wenn ich gewisse "Verknüpfungen" habe).

Nur die zweite Frage ist: Schaffst du das durch Nachdenken und "Gehirnakrobatik" aufzulösen (also ich finde deine Gedankengänge dazu sehr anspruchsvoll, was ich positiv bewertet meine!). Und dazu iss meine Erfahrung: Solche Vorgehensweisen sollen bei mir vermutlich so eine Art "Anker" sein, um wieder etwas "Halt/Orientierung" zu finden. Aber wirklich dahinter steigen, kann ich so auch nicht unbedingt. Im ungünstigsten Fall verrenne ich mich dann sogar in etwas, was auch kontraproduktiv sein kann.
Bliebe ein Priester weiterhin sexuell unbefriedigt, aber es macht ihm nichts mehr aus weil er was Wichtigeres gefunden hat? Oder wäre mit der sublimierten Befriedigung auch die ursprüngliche sexuelle Bedürfnisse befriedigt?
Gefühlsmäßig wollte ich mit dem einen Posting insbes. auch sagen: Letzteres (Befriedigung der sex. Bedürfnisse) stelle ich in Frage. Intuitiv plausibler erscheint mir, dass etwas gefunden wurde, das hohe Befriedigung verschafft, so dass die andere (unbefriedigte) Bedürfnisse in den Hintergrund rückten. Blödes Beispiel, aber es fällt mir gerade ein: Wenn ich starken Hunger, stark übermüdet oder depressiv bin, habe ich kein akutes, spürbares Bedürfnis nach Sex. Aber meine sexuellen Bedürfnisse sind deswegen nicht meinem Ich entschwunden. Sondern sie sind halt mehr in den Hintergrund gerückt.

Einfach mal meine laienhaften, vielleicht zu abstrakten Gedanken dazu... aber anders kriege ich das irgendwie nicht hin.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Die Dummheit hat aufgehört sich zu schämen«
(Heidi Kastner)

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zucker
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Beitrag Do., 20.08.2009, 19:28

@Gothika
Und kann die Verschiebung den Ursprungstrieb ersetzen?
Nein, sonst würde man nicht von Verschiebung sprechen - der Ursprungstrieb ist nur verschoben worden, aber er ist noch da.
Beispielsweise erfüllender sein als original? (...) Aber aus der Perspektive der Triebbefriedigung... kann es dann genauso "befriedigend" sein?
Die Umwandlung des Ursprungstriebs, d.h seine Sublimation, Rationalisierung, Spaltung oder weitere Abwehrmechanismen, ist immer erfüllender, d.h. die Verdrängung/Abwehr ist immer erfüllender, sonst müssten wir nicht abwehren. Sonst könnten wir den Ursprungstrieb zulassen.
Bliebe ein Priester weiterhin sexuell unbefriedigt, aber es macht ihm nichts mehr aus weil er was Wichtigeres gefunden hat? Oder wäre mit der sublimierten Befriedigung auch die ursprüngliche sexuelle Bedürfnisse befriedigt?
Ja, die ursprünglichen sexuellen Bedürfnisse wären wohl weitgehend befriedigt. Wären sie es nicht, hätte die Verdrängung, d.h. in dem Falle die Sublimation, nicht funktioniert.
Man kann sich nie sicher sein im Ernstfall, ob etwas NUR abgewehrt ist oder nicht doch verschwunden ist. Der Leidensdruck ist ja auch nicht mehr spürbar, zumindest nicht direkt.
Das Beispiel, dass ich oben schon nannte: Eine Depression, der Ursache man nicht findet. Es könnte aus einer verdrängten Neigung resultieren. Aber es könnte auch was ganz anderes sein.
Wenn du von Depression, Leere-Gefühl, Identitätsverlust oder mangelnder Vitalität sprichst, dann scheint da doch noch ein recht grosser Leidensdruck vorhanden zu sein, oder? Es ist nicht ungewöhnlich, dass nach Trauer, Schmerz, Wut - Leere folgen kann. Das fühlt sich dann vielleicht besser an, ist auch irgendwie erholsamer, aber der(-selbe) Prozess ist wahrscheinlich noch am Laufen und nicht abgeschlossen.

Im Übrigen "glaube" ich nicht an das völlige Wegfallen/Auflösen des Ursprungstriebs oder an die Möglichkeit, dass alles bewusst gemacht werden kann (zum Glück nicht...). Unsere Persönlichkeit ist relativ stabil, wir können uns sicher gewisser Konflikte bewusst werden und einen anderen Umgang damit pflegen, d.h. z.B. nicht mehr jedesmal ins selbe Muster geraten, aber die Anziehung für eben diese Muster wird wohl ein Leben lang bestehen bleiben.

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Miss_Understood
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Beitrag Do., 20.08.2009, 21:19

Miss_Understood hat geschrieben:Mir sind so ad hoc keine Fetisch-Verhaltensvarianten bekannt bei denen man ANDEREN schadet.
Gothika hat geschrieben:Nicht, wenn sie auf gegenseitig beruhen *g*
Wobei es durchaus oft genug Varianten gibt, wo die Gefahr von Kontrollverlusten existiert.
Ich meinte jetzt "schaden" im Sinne von nicht konsensualen (körperlichen wie psychischen) Schmerz zufügen. In BDSM-Kontext gehört ja die Vereinbarung, der Konsens und die Grenzachtung zum Wichtigsten überhaupt. Dass die Kontrolle dann nicht verloren geht ist dann nach wie vor trotz möglicher unterschiedlicher Statusverteilung eine Verantwortung von beiden(!).
Miss_Understood hat geschrieben:Ich kann mir vorstellen, dass einen eben auch die Lebensumstände solche Impulse nicht mehr so intensiv spüren lassen, diese aber womöglich in anderen Umständen einfach wieder hervorkommen.
Gothika hat geschrieben:Genau das denke ich mir eigentlich auch. Das wäre dann eine Blockade.
Ich finde es interessant, dass du das sofort so negativ betitelst. Ich meine, wenn du das so erlebst, als Blockade, dann mag das für dich stimmig sein. Möglich wäre es ja vielleicht auch das als eine Ebbe & Flut zu betrachten oder gar eine Art positive (sofern eben kein "Leidensdruck", sondern wie mir scheint nur ein "ich wunder mich darüber, dass ...") Chance, wenn ja nun /dieses/ ungewöhnliche/dringende Fetisch/Bedürfnis gerade mal bei seitige getreten ist, als zeichen, dass ja derzeit anderes wichtiger genommen und angegangen werden soll. Oder vermisst du es (das Bedürfnis oder den Fetisch) als Motor selbst?

Miss_Understood hat geschrieben:Ich kann mir aber auch vorstellen, dass - sofern es ein dahinter liegendes Bedürfnis gibt und man das leben kann - sich der Impuls tatsächlich in Luft auflöst.
Gothika hat geschrieben:Das ist meine Furcht. Dass man so lange unter blockierenden Lebensumständen lebt, bis man die Blockade zur "neuen Wahrheit" erhoben hat. Denn woher soll man den Unterschied erkennen?

Vielleicht mal ein anderer ganz unsexueller Vergleich:

Jemand ist depressiv und spürt die Liebe zum Partner nicht mehr, aber auch sonst nichts. Das kann daran liegen, dass keine mehr vorhanden ist oder dass die blockiert ist. Wie soll man den Unterschied erkennen? Dabei ist es doch entscheidend, ob man nun "erst recht" zusammen hält oder sich trennt und vielleicht den größten Fehler seines Lebens macht. Es hängt dabei ja unglaublich viel davon ab, wie man es wertet. Eben je nachdem ob man davon ausgeht, es ist halt im Zuge einer "Reife-Entwicklung" weg oder es ist nur verdrängt.
Das ist ein sehr guter Vergleich. Da müsste man wohl erst mal die Depression, die das "ab/überdeckt" in den Griff bekommen. Da wurde eine schwarze Decke über eine Pflanze gedeckt, die womöglich dadurch zu wenig Licht kriegt und eingeht. Ob die Wurzel abgestorben ist kann man erst sehen wenn ZEIT vergangen ist und die Decke zumindest etwas gelichtet ist. Wenn DU als das gegenüber noch liebt, dann kann man eben auch nur so lange von Ecke zu Ecke der Decke hechten und mal da mal da mal da was lüpfen in der Hoffnung das mindest notwendige Licht an das Pflänzchen zu bringen. Wenn DU aber auch selber kaum noch Kraft hast, dann besteht wohl tatsächlich Gefahr, dass das Pflänzchen stirbt.

Ich schweife gerade ab, weil ich merke, dass mich gerade sehr die Frage interessiert wie sehr es eigene depressive Gedanken (oder die eines Partners) beeinflusst, je nach dem als welches Bild/welche Metapher man eine solche sieht. Denn das scheint wirklich einen Unterschied zu machen!

Aber zurück zu dir: wenn du befürchtest, dass "die Blockade" nun "die NEUE WAHRHEIT" würde, wenn sie wirklich eine neue WAHRHEIT wäre, dann wäre doch nix dabei. Glückwunsch - du hast die Wahrheit gefunden! Sie ist neu? So what! Dann hat wohl nicht nur eine Sublimierung, sondern eine Transformation stattgefunden.

Hast du Angst vor Veränderung? Etwas salopp ausgedrückt: auch schiß spießig zu werden? Weil der Ausdruck deines Äusseren nicht mit deinem inneren Gefühl übereinstimmt? Wie IST denn das jetzige innere Gefühl dazu?
Miss_Understood hat geschrieben:Bestimmte Szenen sind ja - das meine ich jetzt nicht wertend - inzwischen fast eher "Lifestyle" (bi unter Gothics zb) und "man" übernimmt es/probiert es mal wie eine neue Kleidung. Ob es einem passt, wer weiss?
Gothika hat geschrieben:Ich denke, dass kann ich ganz sicher von mir ausschließen. Auch wenn das Arrogant klingen mag, bin ich "diesbezüglich" (dessen, was ich nicht konkret nennen mag) eher so was wie einer der Vorreiter, der entsprechende dämliche "Moden" erst in Gang brachte. Und ich kann definitiv ausschließen, dass ich von anderen beeinflusst wurde.
Habe das jetzt auch eher allgemein-szenig festgestellt, war nicht mal so konkret auf dich gemeint. Ich glaube aufgrund deiner Worte hier und via PM schon etwas Einblick bekommen zu haben in Gothika's (Denk)-Welten.
Miss_Understood hat geschrieben:Ich glaube ein wichtiger Indikator ist auch da einfach der Leidensdruck: wie sehr habe ich den Drang xyz umzusetzen? Geht es mir mies, wenn ich es NICHT mache? Oder ist es mir egal?
Gothika hat geschrieben:Sollte man meinen. Aber wenn man's noch bewusst spürt, dann ist es ja nicht weg. Oder der Vergleich oben: Es gibt mehre Arten und Ursachen, dass es einem etwas egal sein kann, und diese sind bei weiten nicht gleichwertig.
Dir gelingt es doch oft das so gut aufzudröseln. Vielleicht geht das in diesem fall ja auch? Eine Tabelle à la "Ursache a" hätte "Handlung 1" zur Folge "Ursache b" dann "2" usw. ...
Miss_Understood hat geschrieben:wenn du nun wüsstest, dein Ursprungsreiz ist noch vorhanden - wie anders wäre dein Verhalten und deine Bewertung deiner diesbezüglichen Lage als wenn du nun wüsstest, er wäre selbst komplett weg?
Gothika hat geschrieben:Ich würde an mir arbeiten, es wieder ausleben zu können, wieder das wahre, bzw. unverdrängte und unverfälschte an die Oberfläche zu holen, auch wenn ich es heutzutage etwas anderes ausleben würde. Aber letzteres ist drittrangig.
Ah ja. Gut. Ich glaube aber ernsthaft wir reden hier von Taten und Sachen, die man sich noch so sehr zerdenken kann. Es ist glaub ich durchaus schon so wie Oliven essen - man muss es probieren. Sich in diese Situationen begeben.
Gothika hat geschrieben: Im anderen Fall würde ich an mir arbeiten, es endgültig loszulassen. Und das finde ich durchaus wichtig zu unterscheiden. Denn je nachdem handelt es sich entweder um ein Zulassen von Bedürfnissen oder ein noch mehr verstärktes Verdrängen von Bedürfnissen.


Ja. Meinst du, dass es möglich ist, sich durch in solche Situationen zu begeben, das festzustellen und du gerade vielleicht ermangels dieser Möglichkeiten dir da einen Knoten ins Hirn denkst - weil solche Situationen aufzusuchen es ja deshalb und deshalb und deshalb nicht möglich sein könnte?
Miss_Understood hat geschrieben:Aha. Deine Frage ist: Lehne ich einen Teil von mir ab oder ist er einfach nicht mehr da?
Gothika hat geschrieben:Exakt.
Miss_Understood hat geschrieben:Weshalb ist dir das denn wichtig zu wissen?
Gothika hat geschrieben:Weil davon abhängt, wie es weiter geht. Angenommen es ist nur Blockade und/oder Depression, die es als "nicht mehr existent erscheinen" lässt... nun ja, ich möchte nicht aus Versehen die unterschwellige Depression als neue Lebensgefühl deklarieren und kultivieren. Und ich glaube, das geschieht öfters als man denkt.
Hm. Kann ein Aspekt sein wenn es sich eben um Aspekte handelt, bei denen ddurch das Wegfallen der - wie du sagst:
Gothika hat geschrieben: "Abnormität" WENIGER Leidensdruck als vorher.
herrscht.
Gothika hat geschrieben:(...) Also liegt es auf der Hand, es als positive Entwicklung anzusehen.
so bewertet dies die Gesellschaft. Aber wenn dann wieder du
Gothika hat geschrieben:eine riesige innere Taubheit spürt. Ein ganz andere Art von Leidensdruck.
dann denke ich sehr wohl, dass du dich da selber bei
Gothika hat geschrieben: Sublimierung bzw. Verschiebung
erwischt hast.

Also - das was du hier schreibst klingt für mich nach Verdrängung ODER einer Art psychischer gesunder (!) Reaktion die Psychefunktionen erst mal runterzufahren, die JETZT nicht an erster Stelle gebraucht werden und für das Funktionieren essentiell sind. Und danach, dass vielleicht erst mal Geduld angesagt ist bis diese Welle wieder nach dieser Ebbe zur Flut werden darf.

Ich hoffe, ich konnte verständlich machen, was ich meine. Ein sehr sehr spannendes Thema ....

Lieber Gruß,
die Miss.
ch-ch-ch-chaaaaaaange

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Beitrag Do., 20.08.2009, 23:10

Hallo alle miteinander,

vorweg möchte ich sagen, dass ich mich sehr darüber freue, dass ihr es geschafft habt aus meinen Wirren zu verstehen, warum es mir genau geht beziehungsweise, wie es zu allgemeinem Frage nach der Sublimation kommt. Und das ohne auf das „Detail der Sache“ näher eingehen zu müssen. Danke für die ausführlichen Antworten, dennen ich sicherlich nicht allen gleichermaßen gerecht werden kann... ohne ein 4fach Post hinzulegen, dass niemand lesen möchte *g*
Zucker hat geschrieben:Nein, sonst würde man nicht von Verschiebung sprechen - der Ursprungstrieb ist nur verschoben worden, aber er ist noch da.
Okay, das ist mal eine klare Antwort. Das wollte ich wissen.
zucker hat geschrieben: die Verdrängung/Abwehr ist immer erfüllender, sonst müssten wir nicht abwehren. Sonst könnten wir den Ursprungstrieb zulassen.
Ich würde mal sagen, kurzfristiger. Nicht wahr? Sicherlich hat jedes „ungesunde“ psychische Verhalten gleichzeitig auch irgendeinen Nutzen, sonst würde man es nicht tun. Leider ist der stets nur kurzfristig, verschlimmert langfristig aber das Problem. Beispielsweise aus Frust über das Aussehen Chips futtern.
Zucker hat geschrieben:Wenn du von Depression, Leere-Gefühl, Identitätsverlust oder mangelnder Vitalität sprichst, dann scheint da doch noch ein recht grosser Leidensdruck vorhanden zu sein, oder? Es ist nicht ungewöhnlich, dass nach Trauer, Schmerz, Wut - Leere folgen kann. Das fühlt sich dann vielleicht besser an, ist auch irgendwie erholsamer, aber der(-selbe) Prozess ist wahrscheinlich noch am Laufen und nicht abgeschlossen.
Ja. Nur dass man ja keine Schmerzen spürt, sondern „nichts“. Mir hat jüngst jemand (zu Recht) erklärt, dass man mit dem Nichts und der Verwirrung schlechter umgehen kann, als mit etwas „handfesterem“ wie Wut, Trauer, Schmerz.

Das große Nichts...

...aber die Anziehung für eben diese Muster wird wohl ein Leben lang bestehen bleiben.
Das denke ich auch, ganz genauso, ich weiß allerdíngs ganz und gar nicht ob ich mich dies eher freut oder ängstigt. Das gilt hier generell: Wenn’s wirklich weg ist, und die „Taubheit“ / „Leere“ damit nichts zu tun hat, dann wäre es vielleicht nicht das Schlechteste. Wenn sich aber die Leere (etc.pp. blablabla) genau darauf begründet, dann würde sie mir wohl zumindest als unterschwellige, chronische Depression ein Lebtag erhalten bleiben, was keine sehr schöne Aussicht ist.

Eigentlich bin ich überzeugt (!!!), dass es nicht weg sein kann. Aber ich bin massiv in meinem Innersten irritiert, dass ich es nicht mehr spüren kann, nicht mal, wenn ich auf alle Knöpfe drücke, daran rüttelt, noch so sehr suche etc.pp.

Hier möchte ich der Antwort an Miss_Understood vorweg greifen: In der Tat, man kann es nicht mit dem Denken lösen. Man muss sich hineinbegeben. Sich stellen. (Sofern es da überhaupt etwas gibt, dem man sich stellen soll? Ich gehe davon aus, kann es aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht wissen.

...

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Beitrag Do., 20.08.2009, 23:56

@Miss_Understood

Zum BDSM-Bereich sei gesagt:
Manche schieben es in diese Schiene, und ja, es dürfte mehr als nur Parallelen geben. Und doch streiten sich die Gemüter. Die einen behaupten, es habe rein überhaupt gar nichts sexuelles, lediglich Live-Styl oder "nicht-substanz-abhängige Sucht", andere schieben es in Reich der "Magie", in der Psychotherapie kaum bekannt, vom DCD10 nicht anerkannt und die, die es als psychische Erkrankung ansehen, werten als es eindeutiges Zeichen der Schizophrenie. Ich möchte mich da auch nicht auf eine Seite festlegen. Vermutlich von allen etwas.

Tatsache ist aber, dass egal um welche Praktiken es in dieser Richtung geht, in der Tat ein sehr hohes Maß an Verantwortung notwendig ist. Ein einziger Kontrollverlust oder reicht ja durchaus schon völlig aus! Und das sind dann die Leute, die nicht nur in den Schlagzeilen landen...

Das ist sicherlich eine der Gründe der Blockaden (von mehren): Zu nahe am Kontrollverlust dran zu sein, inklusive lebensgefährlicher Situationen. Das ist KEINE schöne Erfahrung. Das prägt.

(Aber verflucht, es lässt einen lebendig fühlen)

Die anderen Gründe für Blockaden sind mir ebenfalls präsent, aber vielleicht ein anderes mal, und nicht hier. Ich merke gerade, wie mich um Kopf und Kragen schreibe.

---

Über dein Ebbe und Flut-Beispiel muss ich noch nachdenken. Ich kann es nicht von der Hand weisen, fühlt sich aber (noch) nicht ganz stimmig an. Vielleicht einfach nur weil schon zu lange EBBE ist, nicht erst seit Trennung. Es war selbstredend ein langer Prozeß. Eine positive Chance sehe ich zumindest nicht darin.
Oder vermisst du es (das Bedürfnis oder den Fetisch) als Motor selbst?
Ich fürchte, das ist es.
Ob die Wurzel abgestorben ist kann man erst sehen wenn ZEIT vergangen ist und die Decke zumindest etwas gelichtet ist.
Dieser Satz erscheint mir wichtig, ich lasse ihn erst mal so stehen. Mir drängt sich aber spontan das Bild von einem ziemlich verhungerten Skelett auf, dass man unter der Decke dann finden wird. Anders gesagt: Der StatusQuo ist völlig undefiniert, d.h. ob jetzt noch handlungsbedarf entstehe, etwas zu retten sei oder etwas bereits zu spät ist und man es in Frieden ruhen lassen sollte.
Wenn DU aber auch selber kaum noch Kraft hast, dann besteht wohl tatsächlich Gefahr, dass das Pflänzchen stirbt.
Nach meinem bisherigen (nun ja sehr auf den Kopf gestelltem) Weltbild hieße das Absterben der Wurzel der Seelentod. Tod. Das Höchste zu erreichende wäre ein empfindungsloses Funktionieren. Das schreckt mich so ab, dass es freilich schwer ist, irgendwo her Motivation dafür zu finden. Aber wie gesagt, das ist die "alte Meinung" und ein neuer StatusQuo existiert nicht. Da ist quasi die schwarze Decke drüber.
Hast du Angst vor Veränderung? Etwas salopp ausgedrückt: auch schiß spießig zu werden?
Ja. Weil "es" als etwas so feststehendes, fixes, stabiles in meinem Weltbild und Identität verankert war, dass ich nicht denke, ohne "es" überlebensfähig zu sein. Wohlan, funktionieren könnte man. Lernen, der inneren Taubheit was Positives abzugewinnen und diese nun zu "sublimieren".

Beispielsweise, metaphorisch: Man hat sein Feuer verloren. Man kann sich denken: So ist's halt wenn man älter wird und sich damit abfinden, und zu genau solch einem vertrocknetem Erwachsenen werden, der niemals zu sein man sich mit Leib und Seele geschworen hatte. Oder man kann das Feuer in reifere Form transformieren. Sehe ich bei mir aber nicht mal Ansätze dazu. Oder man kann zu der Meinung kommen, dass das "Feuer" altersunabhängig sei... nur die Ausübung davon sich ändert.

Verstehst du, was ich meine? Man kann sich den Verlust der Feuers, der Lebendigkeit, des jugendlichen Mutes und Elans auch schön reden. Das ist aber keine der Wahrheiten, die ich "für den Rest meines Lebens" möchte. Am Ende kommt dann mit 60 doch nur raus, dass man jahrelang ohne es zu merken, depressiv war.

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Beitrag Do., 20.08.2009, 23:57

Wie IST denn das jetzige innere Gefühl dazu?
Sehr schwierige Frage. Ich versuche es und sag mal so:
Wenn ich es NIE ausgelebt hätte, wenn ich das Feuer (mit seinen Vor- aber auch Nachteilen!) nie erlebt hätte mit Leib und Seele, dann würde ich mich JETZT vielleicht zufrieden geben. Denn ich hätte kein Vergleich, weder im Innen noch im Außen.

Ansonsten arbeite ich ja gerne mit der Visualisierung. Was wäre wenn...? Was wäre, wenn ich morgen wieder in der Vergangenheit wäre und es exakt so nochmal ausleben könnte?

An erster Stelle spüre ich starke, starke ABSTOSSUNG. Ich würde mal sagen Angst und ein wenig Ekel. Nicht vor mir selbst, sondern meinen "Leidensgenossen" gegenüber, die mich so oft verletzten. Die Stimme der Angst ist immer am lautesten!
Dahinter, wenn ich mal ganz leise bin und genau hin höre, hört man dann eine sehr tiefe, tiefe Sehnsucht und Begierde. Allerdings ist diese offenbar unerfüllbar, ist es Vergangenheit, und so folgt an dritter Stelle die Stimme der Trauer und Schmerz über den Verlust.

Auch wenn ich weiß, dass nicht so schlimm gegessen wird wie gekocht, fürchte ich ganz konkret mehr als nur einen Zusammenbruch, sondern den wortwörtlichen Wahnsinn und Psychosen, wenn ich jetzt quasi aus einem blöden Zufall morgen in der alten Sitatution wäre und es hieß: "Hier, greif zu, ausleben!"

Wie berechtigt diese Furcht wäre? Meist ist es am Ende nie so schlimm wie befürchtet, aber sie ist nicht von der Hand zu weisen.
Stände also morgen die Gelegenheit in Form von X oder Y vor meiner Tür, würde ich entweder total dicht machen aus Selbstschutz und für viele Monate gar nicht mehr rauskommen, wenn überhaupt jemals wieder. Oder zusammen brechen. Zumindest in meiner Vorstellung. Und ich habe wirklich Todesangst davor. Und die halte ich für sehr berechtigt.

Nun ja... wenn ich mich so schreiben lese, ist es kein Wunder, wenn da etwas völlig blockiert ist.

Vielleicht noch ein Wort zur "Todesangst": ich kann es leider keineswegs so sehen, dass ich mir sage, ich habe das Unvorstelle überlebt, von dem ich glaubte, dass ich definitiv sterben werde (Trennung, Uni-Verlust, Rückzug zu meinen Eltern), und es habe mich stärker gemacht. Denn ich sehe es als PUREN ZUFALL an, dass ich nicht an mehren Stellen aus dem Affekt Suizid betrieben habe.

Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Satz. Auf den Rest gehe ich ein anders mal ein. Jetzt sind es doch schon drei Posts geworden...

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MissX
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Beitrag Fr., 21.08.2009, 01:43

Wollt nur noch mal schnell, kurz und vereinfacht was zur Sublimierung los werden (hab' mir nicht alles durchgelesen, kann sein, dass es so oder so ähnlich schon definiert wurde):
Sublimierung bedeutet gerade nicht, dass sexuelle Triebe verdrängt werden, sondern dass sie in anderer Form ausgelebt werden, nämlich in einer gesellschaftlich anerkannten Form. Was man beachten sollte ist, dass Freud nicht nur allein Sex im heutigen, "klassischen", körperlichen Sinne unter sexuellen Trieb versteht, sondern auch Freundschaft, "Liebe" usw.
Sublimierung bezieht sich nicht nur auf sexuelle Triebe, sondern auch auf alle anderen.

Wenn man z. B. verheiratet ist, müssen bestimmte Triebe unterdrückt werden, da man nicht mit jedem Mann oder jeder Frau etwas anfangen kann, die einem auf der Straße über den Weg läuft. Oder wenn man arbeitet, kann man ja auch nicht seine Triebe ausleben. Wenn man eine bestimmte Religion auslebt, kommt es auch zu Triebverzicht usw. usw.
Triebverzicht ist für Freud ein zwingende Notwendigkeit für die Existenz einer Kultur.

Zum beispiel kann der sexuelle Trieb einer Frau auch dahingehend ausgelebt werden, dass sie zum Beispiel Krankenschwester wird und den Patienten eine bestimmte Form von Zuneigung gibt. Oder aggressive Triebe, kann man als Metzger oder Chirurg ausleben. Triebe können unter anderem in der Kunst Ausdruck finden. usw. Dies sind dann alles gesellschaftlich, anerkannte Formen der Triebauslebung und dies nennt man Sublimierung. Dies ist in jeder Kultur notwendig. Und durch Sublimierung kommt es dann nicht zu psychischen Störungen (Freud: Neurose), wie bei der Verdrängung. Denn bei der Verdränung wirkt die Energie der Triebe im inneren der Menschen weiter, bei der Sublimierung wird sie jedoch in einer anderen Form freigesetzt. Menschen, die einen Weg finden ihre Triebe auch in solchen Formen auszuleben, werden nicht psychisch krank. Menschen die viele Triebe unterdrücken und keinen anderen Weg finde diese auszudrücken (Sublimierung) können psychische Störungen entwickeln (nach Freud).
Nach Freud sind Triebe sozusagen energiebesetzt, diese Energie muss irgendwie ausgelebt werden. Wenn nicht wird das Innere eines Menschen sozusagen überlastet und dann wirkt der Trieb schädlich weiter (=Verdränung). Wird er aber durch Sublimierungsprozesse ausgelebt, bahnt sich die Energie sozusagen den Weg nach draußen und ist somit nicht mehr schädlich. Es ist sozusagen die Art und Weise, wie der Mensch mit den Triebunterdrückungen der Kultur(=Gesellschaft) umgehen kann.

Freud hätte jedoch BDSM gar nicht unter diesen "sexuellen Trieb" gefasst, den er in Zusammenhang mit Sublimierung sah. Deshalb kann hier der Begriff Sublimierung eigentlich auch nicht so angewandt werden. ´Zu BDSM hatte Freud wiederrum ganz eigene, andere Ansichten.

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Beitrag Fr., 21.08.2009, 10:39

Danke, MissX, langsam lichtet sich der Begriffsdschungel. Ich muss zugeben, dass ich ohnehin kein Freudianer bin, aber ich denke mir dabei das Triebstau-Modell von Lorenz, welches dann in dem Punkt ja scheinbar recht ehrlich ist.

Die etwas alltäglichere Unterdrückung der verschiedenen Triebe während der Arbeitszeit, Treue in einer Beziehung etc.pp. macht verständlicher, was gemeint ist. Für mich selbst kann ich's leider immer noch nicht so gänzlich greifen, aber immerhin einigermaßen.

Es stimmt, ich sollte das Ganze wohl unter einer anderen Thematik verbuchen...

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