BurnOut - toller Hecht, Depression - schwacher Geist

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clematis
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BurnOut - toller Hecht, Depression - schwacher Geist

Beitrag Mi., 09.12.2009, 15:53

Ich hatte letztens eine sehr interessante Diskussion zum Thema BurnOut vs. Depression. Um es gleich vorweg zu schieben, es soll hier nicht um eine wissenschaftliche Einordnung gehen, sondern vielmehr um das, was von der Gesellschaft wahrgenommen wird, die sich NICHT mit psychischen Krankheiten und Leiden auskennt.

These:
Jemand, der an einem Burn Out erkrankt ist, hat wahnsinnig viel geleistet. Er hat gearbeitet wie ein Tier und nun ist es selbstverständlich, dass er ausgebrannt ist: die Gesellschaft zeigt Verständnis (Arbeitgeber, Umfeld...) Alle sind bemüht, die erkrankte Person zu integrieren. Eine gewisse Mitverschuldung des Umfelds wird eingestanden und sich bemüht, dem Erkrankten Lasten abzunehmen... Der Erkrankte muss lediglich einen Gang zrück schalten.

Jemand, der sich mit der Diagnose Depression outet, hat nicht unbedingt viel geleistet, sondern ist besonders labil und unzufrieden mit sich. Es ist die eigene Schwäche, dass er sich in Depression befindet. Er muss einfach sein Leben umstrukturieren und die Tipps der Apothekenumschau anwenden, dann wirds besser. Außerdem hat er wohl eine belastende Vergangenheit gehabt, das Umfeld sieht nicht besonders, wo sie den Depressiven unterstützen kann. Einen Dpressiven im Arbeitsverhältnis beibehalten? Ein Risiko, bei solch einer labilen, belastungsunfähigen Person.


Kann es sein, dass sich deshalb Depressive im Umfeld seltener/langsamer outen? Habt ihr so eine Beobachtung auch schon gemacht?
"Das Schwierigste am Leben ist es, Herz und Kopf dazu zu bringen, zusammenzuarbeiten. In meinem Fall verkehren sie noch nicht mal auf freundschaftlicher Basis."
Woody Allen

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MrN
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Beitrag Mi., 09.12.2009, 16:31

Hey clematis,
wirklich starker Stoff!

Da muß ich jetzt doch einmal gründlich darüber nachdenken, was ich davon zu halten habe...

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Schneekugel
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Beitrag Mi., 09.12.2009, 17:09

Ich weiss nicht mal wie man das unterscheiden soll, Burn Out und Depression gehen Hand in Hand. Und genauso wie rein Depressive wird bei Burn Out schlicht und ergreifend auf dich geschissen und dir maximal Vorwürfe um die Ohren gehauen warum du die bisherige Leistung nicht mehr weiterhin erbringst. Wäre es anders und würde man den verantwortlichen Menschen irgendwas bedeuten hätte man ja dementsprechend nicht mal ein Burn Out --> Depression erhalten.

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stehaufmädchen
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Beitrag Mi., 09.12.2009, 17:18

Hallo clematis,

das trifft den Nagel auf den Kopf. Neulich war ich da in einem interessanten Dialog mit meinem Thera, denn beim Thema Symptome sind wir uns da ziemlich einig, was aber die Feststellung einer Diagnose nicht leichter macht. BurnOut als versteckte Depression? oder lieber BurnOut oder Depression?
Stigmatisiert sind beide, aber da haste schon recht.

Depression hat die "schlechteren Karten" in der öffentlichen Beurteilung durch die Gesellschaft.

Wenn man in Richtung ICD sieht:
Ein Burnout-Syndrom (engl. (to) burn out: „ausbrennen“) ist ein Zustand ausgesprochener emotionaler Erschöpfung mit reduzierter Leistungsfähigkeit, das als Endzustand einer Entwicklungslinie bezeichnet werden kann, die mit idealistischer Begeisterung beginnt und über frustrierende Erlebnisse zu Desillusionierung und Apathie, psychosomatischen Erkrankungen und Depression oder Aggressivität und einer erhöhten Suchtgefährdung führt.
UND:
Burn-out wird in der „Internationalen Klassifikation der Erkrankungen“ als „Ausgebranntsein“ und „Zustand der totalen Erschöpfung“ mit dem Diagnoseschlüssel Z73.0 erfasst. Der Abschnitt Z enthält „Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen“; Burn-out ist also nach dieser Klassifikation ein Einflussfaktor, aber kein Syndrom und keine eigenständige Krankheit.

(rätsel)

Aber mein T. und ich waren uns darin einig, daß es auch andersherum geht. Erst depressive Tendenzen, DANN Überforderung mit manischer Tendenz, DANN BurnOut.
Ich denke eben so klar kann man die beiden Diagnosen nicht abgrenzen, da sich die Katze in den Schwanz beißt...

Bei mir ist es jedenfalls so:
Erst als ich heillos überfordert war und nicht mehr konnte und drohte fast auseinanderzubrechen hatte ich den Mut (und damit die innere Legitimation mithilfe meiner moralischen Instanzen ) Hilfe aufzusuchen.
Daß ich depressiv sein könnte war schon vorher in meinem Kopf, aber eine Legitimation nicht.

These2:
BurnOut-Symptome stören das Umfeld und die Mitmenschen überhaupt erst, da die Leistungsfähigkeit derart eingeschränkt ist. Weil vorher schon Leistung vorhanden war, wird man auf verminderte LEistungsfähigkeit angesprochen. Und alles was in den Augen anderer auffällig stört sollte behandelt werden?>>>schnell zum Arzt.
Depressionssymptome sind eher leise und stören nicht, man kann sie besser verbergen>>> Rückzug, Stille, Abwärtsspirale

Weiß nicht, ob ich nun rübergebracht habe was ich da sagen wollte.
Ich stimme deiner These aus meiner Erfahrung jedenfalls zu.


lg
Stehaufmädchen

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SamuelZ.
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Beitrag Mi., 09.12.2009, 19:01

Hallo clematis,

total interessante These und Gedankenanstoss. Ja, ich würde auch dahingehend argumentieren, dass BurnOut und Depri im Grunde zwei Bezeichnungen für einen einzigen Krankheitszustand sind, in der Gesellschaft jedoch unterschiedlich bewertet werden.

Jemand, der an Burnout leidet, hat schon mal "gebrannt" und in den Augen der Gesellschaft seinen Dienst geleistet. Das Leiden liegt nicht in der Persönlichkeit begründet. Beim Wort "depressiv" assoziiert die Mehrheit doch eher von seinen Anlagen her weichlichen Typus Mensch, also quasi: selbst Schuld!

Häufig wird bei der Diagnose "Depression" quasi als "Entschuldigung" ein ganzes Aufgebot an "persönlichen Schicksalsschlägen" angeführt.

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stehaufmädchen
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Beitrag Mi., 09.12.2009, 19:28

Stimmt!
Und was der Depri ihre "Schicksalsliste", sind dem BurnOut seine "Leistungsliste".
Was hört man "lieber"?!
Was erzählt man eher?
Was wird eher toleriert (honoriert?)?

(gedankenwälz)
lg
stehaufmädchen

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SamuelZ.
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Beitrag Mi., 09.12.2009, 19:37

Hm, mir kam noch der Gedanke, ob Burnout nicht letztendlich den missglückten Versuch darstellt, eine vorher schon da gewesene Depression mithilfe exzessiver Arbeit zu verdrängen.

also: Depression -> Arbeitswut/Perfektionismus/Übereifer -> "Burnout" bzw. verschärfte Depression

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stehaufmädchen
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Beitrag Mi., 09.12.2009, 19:51

als bei mir zumindest scheint das tatsächlich ebenSO gewesen zu sein.
ich war in dem festen euphorischen Glauben meine Depressionen ein für allemal durch viel viel Arbeit geheilt zu haben ( )

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SamuelZ.
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Beitrag Mi., 09.12.2009, 20:01

hallo stehaufmädchen: mir ging/geht es auch so. durch arbeit ist es mir gelungen, aus dem sozialen umfeld meiner herkunft herauszutreten (ist meiner mutter z.b. nur über heirat gelungen), nicht länger an die zermürbenden qualen meiner kindheits- und jugenddepressionen erinnert werden zu müssen. ohne den erfolg in meiner arbeit, hätte ich mir auch nie eine psychotherapie leisten können bzw. wäre nie in ein umfeld gelangt, dass psychotherapien überhaupt in erwägung zieht. deshalb war die arbeit, das ganze abstrampeln, fluch und segen zugleich.

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stehaufmädchen
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Beitrag Mi., 09.12.2009, 21:32

Ach SandyP.,
auch ich kann zwar auch - durch meine grosse Anstrengung - aus meinen Träumen endlich Wirklichkeit walten lassen, aber wohin mit den "Altlasten".
Wird wohl noch dauern...
SandyP. hat geschrieben:das ganze abstrampeln, fluch und segen zugleich.
das hast Du schön gesagt.

Hast Du das Gefühl, das Du dich im Kreise drehst?

Also ich habe momentan das Gefühl, wenn ich mich nur ein bisschen mehr anstrenge als jetzt dann kommt wieder alles zurück...

Gute Nacht erstmal
lg
stehaufmädchen

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stehaufmädchen
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Beitrag Do., 10.12.2009, 09:29

... und selbst bei meinem Thera kommen mir Überforderungsberichte leichter über die Lippen als die Erzählungen, in denen man "nichts tut" außer zu versuchen wieder in die Gänge zu kommen...

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Schneekugel
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Beitrag Do., 10.12.2009, 09:58

Ich würde zwar nicht sagen, dass ich vorher wirklich depressiv war, aber halt vorhandene Selbstwertdefizite. Von daheim kam halt die Prägung, du bist nutzlos, du bist sinnlos, du bist wertlos und auf sich allein gestellt ist man in der Arbeit auf einma nützlich, sinnvoll und wertvoll. Und wenn man die Arbeit an erste Stelle stellt ist man noch nützlicher, sinnvoller und wertvoller, was ich auch selbstverständlich gemacht habe, um ja meine Leckerlies = Lob bekommen hab. "Braver Wauzi, du bist so toll ... so brav....schau da hast du dein Hundeküchli, jetzt kannst du gleich noch ein paar Überstunden schieben." *hechel-hechel-sabber-schwanzwedel* (Vereinfacht und übertrieben dargestellt. ^^)

Und irgendwann mag der Körper halt nicht mehr, dann kamen noch ein paar persönliche Probleme, Arbeitslosigkeit durch Konkurs (Während wir uns ohne Gehalt und unterbesetzt abgerackert haben, um die Firma am laufen zu halten, haben die ganzen Firmenchefs die Zeit genutzt die wir ihnen auf Kosten unseres Privatlebens gaben um noch möglich viel Firmenvermögen in ihre Taschen zu stecken.), ...

Aber generell halte ich Burnout nur für ein Modewort, im Endeffekt ist es einfach eine Depression mit einer Mischung aus persönlichen depressiven Elementen und dem zusätzlichem ignorieren körperlicher Bedürfnisse, wodurch eben natürlich wieder die depressiven Elemente gefördert werden.

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Una
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Beitrag Do., 10.12.2009, 10:39

Verena Kast, bekannte Psychotherapeutin aus der Schweiz und Jungianerin nennt das von euch beschriebene eine depressive Struktur.

Es ist wie Sysiphos mit der Steinkugel: Egal wie er sich anstrengt, er schafft es nie, fertig zu werden.
Am Ende liegt die Kugel wieder da, wo sie war.
Könnte man übersetzen: Er schafft es nie, Sicherheit zu gewinnen im Leben, er muß sich für die normalsten Dinge ungeheuer anstrengen und trägt die Überzeugung in sich, dass er es so verdient hat.

Letztlich kann man die Begriffe wahrscheinlich nur auf einem Strang sehen.
Ich fand die Beschreibung gut, dass Burnout die Folge einer manische Phase der Depression ist.

Mein Mann kann zum Beispiel ein Burnout viel besser an sich akzeptieren, als eine Depression.
Depression ist peinlich.
Leben heißt, langsam geboren zu werden. Es wäre auch zu bequem, wenn man sich fertige Seelen besorgen könnte.“

Antoine de Saint-Exupéry (1900-44).

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MrN
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Beitrag Do., 10.12.2009, 12:11

Zuerst einmal: WOW!
Haben die Herren der Schöpfung denn gar nichts zu diesem Thema zu sagen???
Na ja, muß ja auch zugeben, mir fällt es schon ein wenig schwer, meine Meinung und meine Betroffenheit auseinanderzudröseln.

Als ich vor knapp einem Jahr, meine damalige psychotherapeutische Anlaufstelle nach der Diagnose gefragt habe, meinte die Therapeutin etwas von einer "rezidivierenden Depression". Daraufhin sagte ich, ich würde mich wundern, ich hätte eher an so etwas wie "Burnout" gedacht. Die Psychologin meinte, daß das nur ein anderer Name dafür wäre, der wissenschaftlich aber nicht klar abzugrenzen sei.

Nach reiflicher Überlegung bin ich für mich zu dem Schluß gekommen, daß Burnout aus psychologischer Sicht von der Symptomatik her immer eine Depression sein muß. Diese ist zuerst einmal zu behandeln, wie jede andere Depression auch.
Jedoch kann eine Depression vielfältige Ursachen haben. Burnout kann es meines Erachtens nur sein, wenn eine chronische Erschöpfung aufgrund von dauerhafter Überarbeitung die unmittelbare Ursache ist. Und offensichtlich gibt es bei mir, wie bei vielen Burnout-Patienten eine ganz persönliche Veranlagung dafür.

Die andere Frage ist, wie ich nun mit der Angelegenheit umgehen soll. Und da ist es tatsächlich so, daß ich Bekannten gegenüber lieber von "Burnout" rede und da dann noch ein wenig Zweckoptimismus mit untermische.
In Wirklichkeit kann ich mir aber gar nicht vorstellen, in meine frühere Tätigkeit wieder einzusteigen...

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SamuelZ.
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Beitrag Do., 10.12.2009, 19:08

Liebe stehaufmädchen:
Hast Du das Gefühl, das Du dich im Kreise drehst?
Es ist mehr ein Gefühl von Gefangenschaft im Hamsterrad, somit wieder Bewegung im Stillstand => Sinnlosigkeit

Diejenigen, die fest daran glauben, dass Bewegung im Hamsterrad irgendwann Veränderung herbeiführt, werden letztendlich ihren Burnout erleiden. Diejenigen, die die Sinnlosigkeit des Hamsterrades erkennen, sind/werden depressiv.
Also ich habe momentan das Gefühl, wenn ich mich nur ein bisschen mehr anstrenge als jetzt dann kommt wieder alles zurück...
Meinst du mit "alles" deine Depression?
und selbst bei meinem Thera kommen mir Überforderungsberichte leichter über die Lippen als die Erzählungen, in denen man "nichts tut" außer zu versuchen wieder in die Gänge zu kommen...
Das kenne ich nur zu gut! In meiner Anfangsphase der Therapie - als ich noch ganz "Maske" war - ging es v.a. um die Belastungen am Arbeitsplatz. Ich finde es immer noch sehr schwer, über meine depressiven Durchhänger zu reden, überhaupt passende Worte für diese Zustände zu finden. Benutze ich dann Worte wie "Sinnlosigkeit", "Niedergeschlagenheit", "Mattigkeit" etc., dann habe ich häufig den Eindruck, meinen Zustand mehr von mir fern zu halten, denn ihn in Worte zu fassen.

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