Meine Wut in den Griff bekommen

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
Antworten

Thread-EröffnerIn
Junikind
neu an Bo(a)rd!
neu an Bo(a)rd!
weiblich/female, 33
Beiträge: 2

Meine Wut in den Griff bekommen

Beitrag Mo., 06.06.2016, 13:55

Hallo liebe Forengemeinschaft.

Ich habe mich hier angemeldet in der Hoffnung, einige Tipps bekommen zu können.

Mein Problem sind meine Wutausbrüche, bei denen ich oft Dinge mache, die ich hinterher bereuhe.

Ist ein etwas längerer Text - sorry und danke an alle, die sich die Mühe machen ihn zu lesen.


Gleich vorweg - ich war mit dem Problem schon bei einem Psychologen. Wir hatten gesprochen und ich hab bei so einem Tek Seminar mit gemacht. Dabei wird einem ja beigebracht, bestimmte Regeln und Verhaltensmuster zu lernen um die Wut zu kontrollieren - also nicht unterdrücken. Dazu gehört u.a. das Zulassen der Wut, das objektive Einstufen der Wut auf einer Skala von 1-10 und und und.

Soweit so gut. Das Funktioniert ja auch in dem Moment, wo sich Wut langsam entwickelt - z.B. in einem Streit super. Aber da liegen gar nicht meine Probleme.

Aber wie gehe ich mit Wut um, die plötzlich kommt, von jetzt auf gleich innerhalb einer Sekunde? Da denke ich nicht mehr, mein Kopf scheint gar nicht mehr wirklich zu funktionieren. Mir ist auch alles egal (daher bringt es nichts, über Konsequenzen nach zu denken) sondern ich handel einfach nur - meist falsch. Beispiel: Ich habe eine schöne Pflanze geschenkt bekommen (als Knolle). Sie war gerade schön gekommen, hatte viele Triebe. Dann hat eine unserer Katzen sich einen Weg auf den Balkon erschlichen und die Pflanze komplett kurz gefressen.
Ich sah es und wurde direkt als ich es sah so wütend, dass ich den Kübel genommen und ausgeschüttet und die Pflanzenreste kurz und klein gepflückt habe - obwohl sie mit etwas Pflege vielleicht sogar noch überlebt hätte.
Das war keine Wut, die langsam kam und analysiert werden konnte - eine Sekunde vorher war ich noch gut gelaunt und eine Sekunde später flog der Blumenkübel. Wenn ich wütend bin, kann es zu einer Art Rage kommen, dann kann ich mich nicht mehr zurück halten. Es hätte genausogut passieren können, dass ich dabei gleich alle Pflanzen nehme und klein mache - aber so weit ging es da gottseidank nicht.

In anderen Situationen, wo andere an die Decke gehen würden, bleibe ich ruhig und logisch - das sagt selbst mein Mann.
Daher haben Menschen die mir nahe stehen oft Probleme mich ein zu schätzen. Bei Dingen, worüber sie sich selbst total ärgern würden und denken, jetzt gehe ich an die Decke, bin ich fast schon gleichmütig (wenn mir z.B. jemand aus versehen etwas kaputt macht), aber für Kleinigkeiten rast ich aus. Da reicht es oft schon, wenn die Deko vom Dessert nicht gelingt und das Dessert wandert komplett in die Tonne.

Das nächste Problem ist, dass ich mittels Tek ganz gut gelernt habe Wut zu beherrschen. Doch oft ist es so, dass ich denke, ich sei nicht mehr wütend oder die Wut zumindest so weit abgeschwächt ist, dass sie mir keiner mehr anmerkt. Beispiel: Ich hatte mit jemandem einen unproduktiven Streit. Ich analysiere meine Wut, nehme sie an, alles gut. Ich denke es ist alles soweit in Ordnung. Ich bin mit meinem Hund spazieren, alles ist gut. Dann rennt ein Kind an uns vorbei, mein Hund stemmt sich in die Leine und schnappt danach. In einer Sekunde ist die Wut wieder da und der Hund kriegt eine mit. Bitte jetzt keine Belehrungen, ich weiß dass es falsch ist und im Normalfall reagiere ich auf eine solche Situation auch total anders.
Aber genau das ist das nächste Problem - aufgestaute Wut bekommen dann schonmal andere ab und DA habe ich natürlich später richtige Gewissensbisse. Wenn ich einem Menschen dann in so einer Situation was böses sage, kann ich mich entschuldigen und es erklären - bei dem Hund geht es natürlich nicht und das schlechte Gewissen frisst mich auf.

Mein Mann und ich möchten gerne ein Kind. Aber bevor ich ein Kind in diese Welt setze, möchte ich mich wirklich unter Kontrolle haben. Ich möchte nicht, dass das Kind dann später solche Ausbrüche mit erleben muss oder (Gott bewahre) am Ende auch noch meine Wut selbst abbekommt. Ich weiß nicht ob ich damit leben könnte, wenn ich mein Kind in so einer Sitution vielleicht sogar hauen würde. Klar, ich denke nicht, dass ich sowas je tun würde - aber ich war mir auch sicher, dass ich meinen Hund nie hauen würde. Aber ich hab es getan und weiß schon nicht einmal, wie ich damit klar kommen soll.
Also, im Hinblick auf unseren Kinderwunsch ist es mir wichtiger denn je, dass mir vielleicht jemand gute Denkansätze gibt, wie ich es wirklich unter Kontrolle bringe. Ich habe mich schon nach einem anderen Psychologen umgeschaut, weil mein letzter mir da nicht wirklich helfen konnte - aber mehr als auf eine Warteliste mit Wartezeit von ca. 2 Jahren habe ich nicht geschafft. Vielleicht hatte jemand von euch selbst solche Probleme und hat einen Weg gefunden? Ich wäre für ernste Ratschläge - bitte ohne Schuldzuweisungen (weiß meine Verfehlungen und die Blödheit solcher Reaktionen selbst) - wirklich sehr dankbar.

Werbung

Benutzeravatar

werve
Forums-Insider
Forums-Insider
weiblich/female, 44
Beiträge: 362

Beitrag Fr., 10.06.2016, 11:26

Hallo Junikind,

finde ich gut, dass du im Hinblick auf ein KInd an dir arbeiten willst.

Dass du aber auf einen PT-Platz zwei Jahre warten müsstest, ist grober Unfug - zumindest nicht in Dortmund und Umgebung. Strategie: Möglichst viele PT (sehr viele!) anrufen und sich auf Wartelisten setzen lassen. Dranbleiben! Außerdem gibt es auch ambulante Gruppenangebote z. B. an Institutsambulanzen.

Ansonsten: Das Problem ist sicher nicht die Wut als solche (natürlich schon, wenn sie direkt negative Folgen macht), sondern eigentlich das, was dahinter steht an ungeklärten, ungelebten Gefühlen, die zu derartigen Impulsausbrüchen führen.

Gruß
werve


Thread-EröffnerIn
Junikind
neu an Bo(a)rd!
neu an Bo(a)rd!
weiblich/female, 33
Beiträge: 2

Beitrag Fr., 10.06.2016, 13:56

Hallo, danke für die Antwort.
Also, ich stehe in Dortmund und Umgebung jetzt bereits bei mehreren auf einer Warteliste, seit November und Dezember. Viele haben, laut ihrer Aussagen am Telefon, die Warteliste sogar derzeit gesperrt - ich denke mir das ja nicht aus.
Was anderes ist es natürlich, wenn man privat versichert ist oder Selbstzahler - aber will man über die gesetzliche Krankenkasse abrechnen lassen, hat keiner mehr Termine frei...
Habe über meine Krankenkasse einige "Vermittlungen" bekommen. Aber der nächste von denen war in Düsseldorf.
Aber ich werde es mal weiter versuchen...
Den letzten bekam ich auch direkt über die Krankenkasse vermittelt, da ging es mit einem Termin relativ schnell. Aber der war auch schon in Bochum. Und ehrlich gesagt hatte ich auch nicht das Gefühl, dass er sehr kompetent war.

Ich werde mich mal über diese Gruppenangebote informieren!

Benutzeravatar

Nachtweide
neu an Bo(a)rd!
neu an Bo(a)rd!
weiblich/female, 53
Beiträge: 3

Beitrag Mo., 27.06.2016, 05:38

Hallo Junikind,
plötzlich einsetzende Wut kann sehr viele Gründe haben. Eine fehlende oder auch gestörte Impulskontrolle ist die Basis. Nun kann man 2 Dinge tun.
Einen Weg zu finden, die Wut abzufedern oder zu kontrollieren.
In der Borderline Therapie gibt es sehr viele Lösungsansätze. D.h. nicht dass du ein Borderliner bist, aber unbändige Wut ist ein Zeichen von Borderline. Das grundlegende Problem besteht darin, dass die Emotion Wut IMMER vor dem Verstand kommt. Es ist ein automatisches Programm, was sofort anspringt, wenn es Dinge gibt, die dich wütend machen. Sogenannte SKILLS werden in der Therapie verwendet, um deinen Verstand sofort wieder zu aktivieren. Sie unterbrechen die Wut so dass dein Verstand wieder zurückkommt um dann eine weitere ENtscheidung möglich zu machen, z.B. das Zimmer verlassen. Zerstören ist der äußere Ausdruck um sich quasi Luft zu schaffen. Dies muss nicht zwangsläufig an der Ursache geschehen. Natürlich gibt es Menschen, die Lebewesen handgreiflich bestrafen = du machst mich wütend, deshalb schlage ich dich. Meist richtet sich die Wut gegen einen Gegenstand, da dein Verstand soweit funktioniert, dass du einem Menschen oder Tier keinen Schaden zufügen würdest.
Skills sind z.B. Gummibänder am Arm. Wenn die Wut kommt, ziehst du an dem Gummiband. Dieser Schmerz läßt dich wieder zu Verstand kommen. Scharfe Gerüche sind eine weitere Möglichkeit. Informiere dich mal in einem Borderliner Forum. Da gibt es die meisten Lösungsmöglichkeiten für Wutausbrüche.

Einen Weg finden, die Wut innen heraus zu kontrollieren
Wut ist ein Ausdruck deiner Verletzlichkeit. Man muss dabei grundlegend unterscheiden:
Wut, die berechtigt ist
Ich selbst werde nur noch dann wütend, wenn ich mich nicht mehr wehren kann. Falsche Unterstellungen z.B. oder Verhaltensweisen wie Lügen, Unzuverlässigkeit, Arroganz, Egoismus...
Sobald ich das Gefühl habe, dass ich mich nicht mehr wehren kann oder etwas ertragen muss, was mich schädigt - dann werde ich wütend.
Wut, die innen entsteht
In der Regel kann dich niemand wütend machen. Der andere ist nur ein Schalter, der Wut in dir auslöst. Ursache sind Erwartungen von dir an Andere. Sobald deine Erwartungen nicht erfüllt werden, bist du wütend.
Aber versuch mal herauszufinden, welche Schalter in dir umgelegt wurden. Was verletzt dich gerade so ? Welche Bedürfnisse von dir wurden gerade verletzt oder nicht befriedigt ?
Niemals pauschal sagen: Du machst mich wütend oder etwas macht mich wütend. Überlege. Du kannst sagen:
Du hast mich wütend gemacht, weil du dies oder das nicht getan hast.
Oder du kannst sagen:
Ich bin enttäuscht und das macht mich wütend, weil ich mich respektlos behandelt fühle. Ich erwarte, dass man mich und meine Meinung akzeptiert. Dass man mich achtet.
Die Kernfrage ist: Was erwartest du ? Sind deine Erwartungen berechtigt? Kann der andere deines Erwartungen überhaupt erfüllen ? Will er sie überhaupt erfüllen oder hat er seine eigenen Weg ? Kannst du ein NEIN akzeptieren ?
Dort ist dein Therapieansatz.
Um zu wissen, was du willst, musst du zuerst wissen was du bist. Überleg mal, ob dein Anspruchdenken richtig ist. Empfindlichkeit ist ein großes Thema, dass auf einer HYPERSENSIBILITÄT beruht. Sehr viele Menschen sind Hochsensibel und haben die Verhältnismäßigkeit, was Erwartungen, Wunscherfüllung und Urteilsvermögen betrifft, verloren.

Wenn du gerne liest, würde ich dir 2 Bücher ans Herz legen:
Hochsensibel - was tun ?
Gewaltfreie Kommunikation

Dein Thema Wut ist für mich sehr bekannt. Es war auch mal meines. Und es war das schrecklichste Thema in meiner Ehe, in der ich 25 Jahre Wut und Auswirkungen meines Exmannes ertragen musste.

Liebe Grüße

Werbung

Benutzeravatar

Sinarellas
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 40
Beiträge: 1997

Beitrag Mo., 27.06.2016, 15:13

Ich kann nachvollziehen was du erlebst, weil ich selbst ähnliche Problematiken von mir kenne.
In totalen Katastrophen (eine Situation eskaliert bei anderen oder es gab einen Unfall etc) wo andere vermeindlich "normale Menschen" wirklich Probleme haben noch klar zu denken, gelingt es mir immer völlig in der Spur zu sein. Mal ganz grob gesagt. Aber in Kleinigkeiten habe ich eine Regulationsstörrung.
Ich beschäftige mich schon ziemlich lange mit dieser Problematik bei mir selbst.
- Ich flippe sehr schnell aus bei Dingen, wo ich persönlich denke, dass das was ich kann das absolute Mindestmaß ist (Selbstwert im Minusbereich). Ich denke dann, dass andere das doch mindestens können müssen, weil ich ja schon nichts kann und es dann Bößartigkeit ist (mir ist bewusst wie verzerrt meine Wahrnehmung ist)
- Ich flippe auch aus, wenn ich weiß, dass ich etwas eigentlich kann oder können müßte, es aber aus irgendwelchen Gründen gerade NICHT kann, das verzeihe ich mir einfach nicht (gleiches ding wie erster Punkt)
- bei jeglicher Art von riechender Ungerechtigkeit

Das ist das was ich für mich rausgefunden habe.
Ich verstehe dein Anliegen, dass du das ändern willst für dein Kind. Zumindest in meinem Fall kann ich dich beruigen, diese Art von Emotionsregulationsstörung wirkt sich null auf mein Kind aus. Das ist etwas anderes und meine Reflexion über das wo ich Grenzen habe hilft ungemein, seit Geburt.
Ich habe damals auch gedacht, dass meine Problematik mit der Wut ein Thema wird. Das war es aber nie. Es gab ein zwei mal eine Situation wo ich merkte hui Grenze überschritten, jetzt muss ich die Situation kurz verlassen (mal aus dem Zimmer rausgegangen). Ich denke, wenn du reflektieren kannst und Lösungen findest, mach dir keine Sorgen, es wird werden.

Hypersensibilität ist so die peinliche Antwort auf so ziemlich alles gerne (so sorry) und ich halte nicht viel davon, alleine weil ich mich selbst damit stark beschäftigt hab (/selbst gern mal drauf hingewiesen habe) und wieviel anderen so eine Antwort tatsächlich gebracht hat (nämlich nüx).

Was du für dich tun kannst:
- REFLEXION

Mehr weiß zumindest ich erstmal nicht, was wirklich WIRKLICH hilft.
Grundlegend musst du erstmal rausfinden, was genau es ist, was dich dazu bringt. Die Deko vom Kuchen an sich ist es nicht, sonder was steht dahinter bei dir? Prüfe das mal.

lg
..:..

Benutzeravatar

Nachtweide
neu an Bo(a)rd!
neu an Bo(a)rd!
weiblich/female, 53
Beiträge: 3

Beitrag Di., 28.06.2016, 06:10

Ich glaube, eine wichtige Grundfrage ist nicht: Wer oder was macht mich wütend?
Die Frage sollte eher an dich selbst gestellt sein: Warum emfinde ich Wut? Was wird gerade in mir getriggert?
Ich habe oft erlebt, dass Menschen überhaupt nicht bewußt war, dass ihre gefühlten Empfindungen WUT war. Sie haben etwas gefühlt, sie haben reagiert - aber die Frage, ob es Wut war, hat man verneint. Wut hat ja im Grunde 2 Wege sich zu zeigen. Die Wut, die nach innen geht (ich platz gleich, aber ich darf nicht = passiv aggressiv) und die Wut nach außen (aktiv aggressiv). Bei einer gesunden Wahrnehmung und Körpergefühl sagt der Bauch im Grunde schon alles. Ich höre in erster Linie, was mein Bauchgefühl meldet. Heute spür ich, dass es im Bauch anfängt, wenn ich "getroffen" werde. In diesem Moment sagt mein Bauch meinem Kopf, was zu tun ist. Mein Verstand schaltet sofort auf rote Ampel. In der Regel mache ich dann sofort zu, d.h. ich reagiere nicht, gehe aus dem Raum und mache Atemübungen. Das hat mir sozusagen mit mein Leben gerettet. Atemübungen und Meditation. Heute finde ich sofort wieder Zugang zu meinem Verstand und kann Situationen relativieren.
Interessant ist die Selbstanalyse. Ich hab angefangen ein Buch zu führen um die Punkte zu erkennen, die mich verletzen. In meinem Fall hatte es nichts mit überzogenen Erwartungen an andere zu tun im Sinne von "Ich will unbedingt meinen Kopf durchsetzen". Dinge, die mich extrem wütend machten warimmer verbunden mit Respektlosigkeit, mangelnde Akzeptanz, abgelehnt werden u.a.
Interessanterweise stellte ich so fest, dass mein Selbstwert = Null war, meine Abhängigkeit von der Außenbewertung lag bei 100% . Dazu kam ein völlig krankhaftes Helfersyndrom, da ich dieses Beifallklatschen brauchte für meine Bestätigung, gut genug zu sein. Auch der Antrieb zum Perfektionismus entstand aus diesem Teil, ich musste immer besser werden und sein, damit ich noch mehr akzeptiert werde und Anerkennung erhalte. Die Messlatte wurde immer höher gelegt und ich zerbrach irgendwann auch an dieser Latte. Mir wurde erst beim Tod meines Vaters erst bewußt, dass er der Grund war, dass ich diesen Perfektionismus auslebte. Im Grunde wollte ich einmal von ihm hören, dass ich gut genug war - dass er mich so liebt und akeptiert wie ich bin und nicht wie ich für ihn sein sollte.

Einen Spiegel vorhalten - das ist wichtig. Dort in dein Gesicht zu schauen und all die Anteile zu erkennen, die man überhaupt nicht mag, nicht akzeptieren möchte. Eine schonungslose Analyse. Dann erkennt man auch seine verletzten Anteile, was einem fehlt, was man sich so wünschte. Man sieht, dass das eigene Verhalten kindisch ist, ein Lösungsansatz aus der Kindheit. Erst mit der Entwicklung eines Selbstwertes ist es möglich, gelassen und ruhig zu werden.

Mit meinem Partner habe ich seine Wut hinterfragt. Es war absolt interessant zu sehen, wie sie entsteht. Vielleicht ein Beispiel.
Ich habe meine Tasche ausgeräumt und das Handy meines Freundes auf den Boden gelegt. Dabei vergaß ich es anschließend wieder auf den Tisch zu legen. Als er hereinkam und sein Handy sah, rastete er völlig aus. In seiner Schreierei ssprach er plötzlich in dritter Person von sich: Mit xxx kann man es ja machen.
Ich verstand garnix, er gab mir überhaupt keine Chance etwas zu erklären. Ich sah nur Wut.
Ein paar Tage später haben wir den Vorfall analysiert. Für mich selbst war mein Verhalten ein Versehen. Hätte er mich gefragt, weshalb das Handy auf dem Boden lag, hätte ich mich für meine Schusseligkeit entschuldigt.
Für ihn war der Anblick seines Handy auf dem Boden ein Trigger der Vergangenheit. Seine frühere Freundin, die wohl auch extrem wütend wurde, hat sein Eigentum wie Dreck behandelt und hat u.a. sein Handy gegen die Wand geworfen. Der Anblick des Handys auf dem Boden erzeugte in ihm eine unbändige Wut. Diese Wut bekam einen Namen: Nicht ernst genommen zu werden, repsktlos gegenüber seinem Eigentum, mit ihm kann man es ja machen, man hält ihn für blöd, er wird immer übergangen, er wird nicht wertgeschätzt.
Er verstand, dass seine Wut entstand, weil Programme in ihm geschaltet wurden. Ich konnte diese Automatismen überhaupt nicht stoppen. Erst als ich ihm erklärt habe, dass seine Wut mit seinen Bedürfnissen zusammenhängt, erkannte er sein Grundproblem. Weder ich noch das Handy hatten eine Schuld. Wir beide waren nur ein Schalter um in ihm etwas auszulösen.

Benutzeravatar

Sinarellas
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 40
Beiträge: 1997

Beitrag Di., 28.06.2016, 18:33

Von Programmen zu sprechen ist in dem Fall etwas arg überzogen.
Und letztlich geht es doch trotzdem darum: Wer wann warum und das einzige was immer hilft ist Reflexion.
Das Grundproblem ist aber auch nicht die Exfreundin in deinem Fall, die das Zeug wie Dreck behandelt hat, auch das ist nur ein Bild vom eigentlichen Problem und ich glaube nicht, dass das am Ende hilft zu erkennen, dass da ein zusammenhang zur Ex besteht. Das Ding ist doch, die Wut ist nicht nur bei Part Handy liegt auf dem Boden oder Kuchengarnitur gelingt nicht sondern der Schlüßel ist der Zusammenhang der einzelnen Situationen, wo ist die Schnittmenge und wie kann ich vorher eingreifen um es gar nicht erst soweit kommen zu lassen. Vll setzt hier die verhaltenstherapie direkt an, wäre jetzt mein erster Gedanke. und folglich die tatsächliche Grundproblematik step for step auflösen.
..:..

Benutzeravatar

Nachtweide
neu an Bo(a)rd!
neu an Bo(a)rd!
weiblich/female, 53
Beiträge: 3

Beitrag Mi., 29.06.2016, 06:47

Sinarellas hat geschrieben:Von Programmen zu sprechen ist in dem Fall etwas arg überzogen.
Programme = automatisch, ohne Bewußtsein ablaufende Reaktionen. Wäre das Bewußtsein für das Hier und Jetzt mit vollständiger Selbstkontrolle für die Situation vorhanden, wäre dies nur das Erkennen einer Situation ohne eigene Bewertung. Die Bewertung/Urteil entspringt nicht aus der momentanen Logik sondern ist das Ergebnis einer automatischen Verknüpfung von Erinnerungsinhalten.
Menschen mit normaler Impulskontrolle sind in der Lage, den Vorgang zu betrachten und sich dann die Frage zu stellen: Was soll das? Dieser Bereich gehört noch zum kontrollierten Verstand. Das ist genau der Punkt, in der noch Erklärungen der Gegenseite den Verstand erreichen können. Das Gefühl Wut ist hier schon am aufbauen, kann aber durch die Verstandsebene relativiert werden. Je geringer die Impulskontrolle vorhanden ist, desto geringer ist der Zeitraum, wo man Erklärungen/Entschuldigungen annehmen/wahrnehmen kann. Entsteht die Wut schon beim Erkennen der Situation, laufen die Reaktionen automatisch ohne Steuerungsmöglichkeiten des SELBST oder vom Aggressor ab. Zuerst kommt die optische/akustische Wahrnehmung die sofort abgleicht mit Erinnerungsinhalten/bekannten Situationen. Diese sind mit Gefühlen gut/schlecht belegt. Man fühlt sofort wieder das Gefühl, dass man in einer ähnlichen Situation hatte. Dann kommt die Reaktion als positiv/negativ. Programme = gespeicherte Inhalte verbunden mit Gefühlen und im Anschluß automatische Reaktionen, die bewußt nicht gesteuert werden.
Sinarellas hat geschrieben: Und letztlich geht es doch trotzdem darum: Wer wann warum und das einzige was immer hilft ist Reflexion.
Ja, da gebe ich dir vollkommen Recht. Reflexion ist auch das Erkennen von sich immer wiederholenden falschen Handlungen oder die Erkenntnis, dass man immer wieder das gleiche schlechte Ergebnis erhält.
Sinarellas hat geschrieben: Das Grundproblem ist aber auch nicht die Exfreundin in deinem Fall, die das Zeug wie Dreck behandelt hat, auch das ist nur ein Bild vom eigentlichen Problem und ich glaube nicht, dass das am Ende hilft zu erkennen, dass da ein zusammenhang zur Ex besteht.
Das Grundproblem ist nicht die Freundin. Es war die Erinnerung an ein Ereignis, dass in ihm damals etwas ausgelöst hat. In der Gegenwart löst das gleiche Bild eine automatische Handlung/Reaktion aus. Beim Gespräch fragte ich ihn weshalb er so heftig reagierte. Er sagte, dass seine damalige Freundin in ihren jähzornigen Ausbrüchen sein Eigentum nicht geachtet bzw. zerstört hat. Dies löste in ihm damals Wut aus mit dem Hintergrund: Respektlosigkeit, Missachtung seines Eigentums, keine Wertschätzung seines Eigentums und ihn selbst......
Und als er das Handy auf dem Boden sah, war er sofort in der Vergangenheit gelandet mit all seinen Gefühlen. Was ihn selbst erschreckte war die Tatsache, dass er gedacht hatte, ich wäre in diesem Augenblick seine Exfreundin und konnte auch Person und Situation nicht mehr trennen weil seine Wut das nicht mehr zuließ. Erst als es vorrüber war kam nach einem Tag sein Verstand und er konnte sich und seine Reaktion überhaupt nicht mehr logisch beurteilen. Er sagte, dass er direkt Situationen verknüpft von heute mit früher und hat durch seine Wut keine Chance, alles für sich getrennt zu beurteilen.
Natürlich hat es geholfen einen Zusammenhang mit der Ex herzustellen. Erst durch die Auflösung Geschehenes/Vergangenheit/Person verstand er , dass er EX immer mit dem aktuellen Partner verknüpft.
Er hat gelernt zu trennen und er läßt mir heute genau die Lücke seines Verstandes, wo ich ihm erklären kann und muss um jetzige Geschehnisse oder Missververständnisse aufzuklären. Dies führte dazu, dass er diese Wutspirale verlassen konnte.

Werbung

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag